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1.
Eine einstweilige Anordnung zur geschlossenen Unterbringung leidet an einem unheilbaren Verfahrensfehler, wenn die Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers nicht unverzüglich nachgeholt worden sind.
2.
Ist eine einstweilige Anordnung zur geschlossenen Unterbringung wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers aufzuheben, sind die Kosten der Unterbringung regelmäßig nach § 32 Abs. 2 PsychKG NRW der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Beschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 11.03.2014 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 13.03.2014 wird aufgehoben.
Die Kosten der Unterbringung werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht hat auf den Antrag des Ordnungsamtes der Gemeinde B mit Beschluss vom 11.03.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung die geschlossene Unterbringung der Betroffenen, die bereits seit dem 10.03.2014 nach § 14 PsychKG NRW untergebracht war, bis zum 17.04.2014 angeordnet. Dem lagen das schriftliche ärztliche Zeugnis des Facharztes für Allgemeinmedizin L und das mündliche ärztliche Zeugnis des Arztes vom Dienst des O-Hospitals C zugrunde sowie die durch das Amtsgericht vorgenommene Anhörung der Betroffenen vom 11.03.2014. Die am 11.03.2014 wegen Heiserkeit der Betroffenen zunächst beendete Anhörung wurde am 12.03.2014 fortgesetzt. Dabei holte das Amtsgericht zudem ein mündliches ärztliches Zeugnis der diensthabenden Ärztin B des O-Hospitals ein. Die Betroffene erklärte gegenüber dem Gericht in der Anhörung, gegen den Unterbringungsbeschluss vom 11.03.2014 Beschwerde einzulegen, was durch das Amtsgericht in den vom Amtsrichter unterschriebenen Aktenvermerk aufgenommen wurde. Mit Beschluss vom 13.03.2014 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und bestellte zugleich den Beteiligten zu 2.) zum Verfahrenspfleger der Betroffenen.
4II.
5Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 11.03.2014 ist zulässig. Sie genügt insbesondere der Form des § 64 Abs. 2 FamFG. Eine Beschwerde kann wirksam zur Niederschrift des Richters eingelegt werden (vgl. Jürgens/Kretz, Betreuungsrecht, 4. Aufl. 2010, § 64 FamFG, Rn. 3). Die Niederschrift braucht nur Ort und Datum ihrer Aufnahme, die Unterschrift des Richters und die Verfahrenserklärung zu enthalten, sie bedarf weder einer Unterschrift des Beschwerdeführers, noch muss die Verfahrenserklärung laut vorgelesen und genehmigt worden sein (vgl. Jürgens/Kretz a.a.O.). Den vorstehenden Anforderungen genügt die im Anhörungsvermerk vom 12.03.2014 niedergeschriebene Beschwerde.
6Sie ist auch in der Sache begründet. Die Voraussetzungen einer Unterbringung liegen nicht vor, weil die vom Amtsgericht Rheinberg erlassene einstweilige Anordnung an einem unheilbaren Verfahrensfehler leidet.
7Das Amtsgericht hat entgegen §§ 331 Nr. 4, 332 FamFG die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen nicht unverzüglich nach der Unterbringung sowie auch dessen Anhörung nicht unverzüglich nachgeholt.
8Gemäß §§ 331 Nr. 4, 317 FamFG wäre ein Verfahrenspfleger zu bestellen gewesen. In Unterbringungsverfahren nach dem PsychKG NRW darf nur in völlig atypischen Ausnahmefällen von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen werden, wenn der Betroffene – wie hier – nicht anwaltlich vertreten ist (vgl. LG Kleve, Beschluss vom 23.08.2012, Az.: 4 T 201/12, zitiert nach Juris = FamRZ 2013, 240). Ein solcher völlig atypischer Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Davon ist offenbar auch das Amtsgericht ausgegangen, da es im Nichtabhilfebeschluss vom 13.03.2014 einen Verfahrenspfleger bestellt hat. Im Übrigen hätte es die Nichtbestellung ansonsten auch gemäß § 317 Abs. 2 FamFG im Unterbringungsbeschluss begründen müssen.
9Das Amtsgericht hat dem Betroffenen nicht unverzüglich im Sinne von § 332 S. 2 FamFG einen Verfahrenspfleger bestellt. Die Betroffene war bereits am 11.03.2014 vom Amtsgericht angehört und am gleichen Tage die Unterbringung angeordnet worden. Am 12.03.2014 hat die Betroffene bei ihrer erneuten Anhörung durch das Amtsgericht Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss eingelegt. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Betroffenen nicht bereits am 11.03.2014 oder zumindest am 12.03.2014 ein Verfahrenspfleger bestellt worden ist.
10Da bereits die Bestellung des Verfahrenspflegers nicht unverzüglich nachgeholt worden ist, ist auch dessen Anhörung nicht unverzüglich nachgeholt worden. Vielmehr ist der Verfahrenspfleger durch das Amtsgericht überhaupt nicht, auch nicht im Abhilfeverfahren, angehört worden. Selbst die Anhörung eines rechtzeitig bestellten Verfahrenspflegers ist nicht mehr unverzüglich, wenn sie nicht erfolgt ist, bevor das Amtsgericht der Beschwerde nicht abhilft und diese dem Beschwerdegericht vorlegt (vgl. MünchKomm/Schmidt-Recla, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 332 FamFG, Rn. 4).
11Der Verfahrenspfleger hat erst mit Erhalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 13.03.2014, in dem er bestellt worden ist, von dem Verfahren erfahren. Damit hatte das Amtsgericht bereits die Nichtabhilfe beschlossen, ohne dass eine Stellungnahme des Verfahrenspflegers eingegangen wäre oder diesem auch nur eine Stellungnahmefrist gesetzt worden wäre. Es ist aber zwingend geboten, den Verfahrenspfleger so rechtzeitig zu bestellen und am Verfahren zu beteiligen, dass dieser noch Einfluss auf das Verfahren nehmen kann (vgl. BGH NJW 2011, 2365, 2366). Ist dies nicht der Fall, wird das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt (vgl. BGH NJW 2012, 1582, 1584; LG Kleve, Beschluss vom 15.04.2013, Az.: 4 T 84/13; LG Kleve, Beschluss vom 23.07.2013, Az.: 4 T 158/13). Hier konnte der
12Verfahrenspfleger auf das Verfahren vor dem Amtsgericht offensichtlich keinen Einfluss mehr nehmen.
13Die begangenen Verfahrensfehler sind unheilbar. Die Verfahrensvorschriften im Unterbringungsverfahren dienen dem Schutz des Freiheitsgrundrechtes des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG (vgl. BGH NJW 2012, 1582, 1584). Verfahrensfehler sind daher auch im Rahmen des Eilrechtsschutzes nicht unbeachtlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.04.2008, Az.: 2 BvR 1925/04, Juris-Rn. 25).
14Auch die Kammer kann die unverzügliche Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers nicht nachholen (LG Kleve, Beschluss vom 01.08.2013, Az.: 4 T 199/13). Dies ist durch den erfolgten Zeitablauf unmöglich. Ließe man eine solche Nachholung zu, liefe die Voraussetzung des § 332 S. 2 FamFG leer, diese Verfahrenshandlungen unverzüglich nachzuholen. Dies würde den verfahrensrechtlichen Schutz des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG unzulässig verkürzen. Dies gilt insbesondere, da die Vorschriften des §§ 331 ff. FamFG eine geschlossene Unterbringung bereits unter gegenüber dem Hauptsacheverfahren erleichterten Voraussetzungen vorsehen.
15Ob die materiellen Voraussetzungen einer Unterbringung vorliegen, ist angesichts der unheilbaren Verfahrensfehler unerheblich. Demgemäß erübrigt sich auch die Anhörung der antragstellenden Behörde und ist eine erneute Anhörung des Betroffenen durch die Kammer entbehrlich.
16Eine Entscheidung zu den Verfahrenskosten ist entbehrlich, § 25 Abs. 2 GNotKG.
17Die Entscheidung zu den Kosten der Unterbringung beruht auf § 32 Abs. 2 PsychKG NRW. Lässt sich bei der Aufhebung der Unterbringungsentscheidung nicht sicher feststellen, ob die Voraussetzungen der Unterbringung von Anfang an nicht vorgelegen haben, ist über die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes zu entscheiden (vgl. Dodegge/Zimmermann, PsychKG NRW, 3. Aufl. 2011, § 32, Rn. 2 m.V.a. OLG Köln JMBl. NRW 1967, 262). Wird eine Unterbringungsentscheidung wegen unheilbarer Verfahrensfehler aufgehoben, kann vom Beschwerdegericht nicht mehr festgestellt werden, ob die Voraussetzungen der Unterbringung von Anfang an nicht vorlagen. Dennoch ist gemäß § 32 Abs. 4 S. 1 PsychKG NRW in der Aufhebungsentscheidung über die Kosten der Unterbringung zu befinden. Diese sind daher bei einer Aufhebung der angeordneten Unterbringung wegen unheilbarer Verfahrensfehler regelmäßig der Staatskasse aufzuerlegen. Dem Betroffenen, dem diese Verfahrensfehler nicht angelastet werden dürfen, sind weitere Ermittlungen nicht
18zuzumuten, wenn feststeht, dass die Unterbringung aufzuheben ist.