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Amtsgericht Geldern, 4 C 33/11

Datum:
20.04.2011
Gericht:
Amtsgericht Geldern
Spruchkörper:
4. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 33/11
ECLI:
ECLI:DE:AGGEL:2011:0420.4C33.11.00
 
Schlagworte:
Luftbeförderungsvertrag; Gerichtsstandsvereinbarung, internationales Zivilprozessrecht, elektronische Form; AGB-Klauselkontrolle
Normen:
EGV 44/2001 Art. 23 Abs. 2; EWGRL 13/93 Anhang 1 lit. q); MÜ Art. 33 MÜ; Art. 49
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften Bürgerliches Recht
Leitsätze:

1.

Eine Gerichtsstandsvereinbarung entspricht nicht der elektronischen Form des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO, wenn sie in AGB getroffen wird, die durch die "click-wrapping-Methode" in den Vertrag einbezogen worden sind.

2.

Eine in AGB vereinbarte Gerichtsstandsklausel, die den Gerichtsstand nach Art. 33 MÜ ausschließt, ist unwirksam, weil dieser nach Art. 49 MÜ nicht abbedungen werden kann.

 
Tenor:

Das Amtsgericht Geldern ist international zuständig.

Tatbestand

Die Parteien haben einen Vertrag über eine Luftbeförderung der Kläger von A….. nach B…… geschlossen, die am 02.11.2010 erfolgen sollte. Die Bu-chung erfolgte über die Internetseite der Beklagten. Bei der Buchung mussten die AGB der Beklagten durch die Kläger durch Anklicken eines Kästchens bestätigt werden (sog. „click-wrapping-Prinzip“). Diese AGB enthalten u.a. eine Vereinbarung dass für den Vertrag irisches Recht gelte. Zudem ist folgende Klausel enthalten: „Alle Streitigkeiten, die aus dem oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, unterliegen der Zuständigkeit irischer Gerichte.“ Planmäßig sollte die Maschine um 07.55 Uhr in A…… starten und um 10.40 Uhr in B…… landen. Tatsächlich hob die Maschine aber erst 9 Stunden später ab.

Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen nach der Rechtsprechung des EuGH aufgrund der Verspätung Ausgleichsansprüche analog Art. 7 FluggastrechteVO zustünden. Zudem habe die Beklagte die nach Art. 9 FluggastrechteVO vorgeschriebenen Leistungen nicht erbracht.

Die Kläger beantragen,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Flug habe sich wegen eines unerwarteten technischen Defekts verzögert, weil die Beklagte eine Ersatzmaschine habe beschaffen müssen. Dies sei nicht schneller möglich gewesen. Zudem stehe Fluggästen bei Verspätungen kein Ausgleichsanspruch zu, weil die Rechtsprechung des EuGH in dieser Hinsicht gegen das Montrealer Übereinkommen verstoße. Mit Schriftsatz vom 29.03.2010 hat die Beklagte überdies erstmals die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Geldern gerügt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 280 ZPO wird zunächst abgesondert über die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Geldern entschieden. Dieses ist gemäß Art. 5 Nr. lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO international zuständig. Die Parteien haben seine Zuständigkeit nicht gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 EuGVVO abbe-dungen.

I.

Die Gerichtsstandsklausel in den AGB der Beklagten ist formnichtig. Sie ist nicht in elektronischer Form im Sinne von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO geschlos-sen worden.

1.)

Das „click-wrapping-Prinzip“ entspricht nicht der elektronischen Form des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO, die der Schriftform des Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 1 EuGVVO gleichgestellt ist. Bei einem in klassischer Schriftform geschlossenen Vertrag liegt beiden Parteien der Vertragstext auch nach Vertragsschluss vollständig und jederzeit einsehbar vor. Dies ist beim „click-wrapping-Prinzip“ hingegen nicht zwingend der Fall. Wird der Text nicht ausgedruckt, entspricht eine durch „click-wrapping“ abgegebene Willenserklärung eher einer mündlichen Vereinbarung, da sie flüchtig und anschließend (jedenfalls für den Vertragspartner des Verwenders) nicht mehr vollständig reproduzierbar ist. Eine Vergleichbarkeit mit der Schriftform läge aber allenfalls dann vor, wenn eine Bestätigung der AGB nur möglich wäre, nachdem man diese ausgedruckt hat. Dies ist aber auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erforderlich. Es ist auch nicht hinreichend, dass man die (aktuellen) AGB der Beklagten auf deren Internetseite abrufen kann, da dies nicht gewährleistet, dass diese mit denen übereinstimmen, die in den zuvor abgeschlossenen Vertrag einbezogen wurden.

2.)

Eine Gerichtsstandsvereinbarung durch „click-wrapping“ wäre daher gemäß Art. 23 Abs. 2, Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 2 EuGVVO nur formwirksam, wenn sie in schriftlicher oder elektronischer Form bestätig worden wäre. Die Beklagte hat keine derartige Bestätigung an die Kläger versandt. Für eine Bestätigung in elektronischer Form genügt nicht, dass der Vertragspartner des Verwenders die AGB bei Vertragsschluss ausdrucken kann. Eine entsprechende Bestäti-gung wäre etwa die Übersendung durch Fax oder Email, da der Kunde in diesen Fällen – ebenso wie bei Übersendung einer schriftlichen Bestätigung – den vollständigen Vertragstext ohne sein Zutun erhält. Die Möglichkeit des Ausdrucks bei Vertragsschluss verlangt von ihm demgegenüber ein aktives Tun. Dies kann nicht als gleichwertige Möglichkeit angesehen werden, zumal ein Kunde allein angesichts des Umfangs zahlreicher Klauselwerke häufig darauf verzichten wird, diese auszudrucken.

II.

Letztlich kann sogar dahinstehen, ob das „click-wrapping Prinzip“ den Formanforderungen des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO genügt, weil die Gerichtsstandsklau-sel dann AGB-rechtlich unzulässig ist, was das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. EuGH NJW 2000, 2571, 2573). Sie ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1995 (nachfolgend: irisches AGB-Gesetz) insgesamt unwirksam, weil sie eine missbräuchliche Klausel im Sinne von Schedule 3 Nr. 1 lit. q irisches AGB-Gesetz ist. Die Zulässigkeit der Klausel ist nach irischem Recht zu beurteilen, weil die Parteien die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart haben. Dies ist eine nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. c) Rom-I-VO zulässige Rechtswahl, weil sich die Hauptverwaltung der Beklagten in Irland befindet.

1.)

Die Klausel verstößt gegen Schedule 3 Nr. 1 lit. q) irisches AGB-Gesetz, weil sie den Gerichtsstand des Bestimmungsflughafens nach Art. 33 Montrealer Übereinkommen (nachfolgend: MÜ), vorliegend B….. in Spanien, ausschließt. Dieser ist gemäß Art. 49 MÜ zwingend und nicht abdingbar, soweit Ansprüche nach Art. 17 ff. MÜ wegen Verletzung eines Fluggastes, Beschädigung von Reisegepäck, Verspätungen usw. geltendgemacht werden. Auch dies sind eindeutig Ansprüche, die mit dem Luftbeförderungsvertrag in Zusammenhang stehen. Der Ausschluss gesetzlich zwingend vorgeschriebener örtlicher Gerichtsstände ist missbräuchlich, weil dieser gesetzlichen Anordnung regelmäßig ein besonderer Gerechtigkeitsgedanke zugrundeliegt (vgl. BGH NJW 1983, 1320, 1322; Staudinger RRa 2007, 98, 100). Auch Anhang Nr. 1 lit. q) der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln (nachfolgend: Klauselrichtlinie) verbietet unangemessene Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts (EuGH NJW 2000, 2571, 2572; EuGH EuZW 2011, 27, 30; Staudinger RRa 2007, 98, 104). Der Verstoß gegen Anhang 1 lit. q) der Klauselrichtlinie begründet stets auch einen Verstoß gegen Schedule 3 Nr. 1 lit. q) irisches AGB-Gesetz, da die Vorschriften beinahe wortgleich sind. Irland wollte die Klauselrichtlinie durch dieses Gesetz umsetzen, das sich eng an den Wortlaut der Klauselrichtlinie anlehnt (vgl. Pfeifer in: Wolf/Lindacher/Pfeifer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, Einl. Rn. 58).

2.)

Die Klausel ist gemäß Art. 6 Abs. 1 irisches AGB-Gesetz insgesamt unwirk-sam, weil sie missbräuchlich ist. Auch im irischen AGB-Recht ist eine gel-tungserhaltende Reduktion unzulässig. Die Klauselrichtlinie verbietet eine geltungserhaltende Reduktion missbräuchlicher Klauseln (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, 40. Aufl. 2009, Art. 6 Klauselrichtlinie Rn. 7). Das Schutzziel der Klauselrichtlinie, den Verbraucher als gegenüber dem Klauselverwender schwächerer Vertragspartei vor missbräuchlichen Klauseln dadurch zu schützen, dass diese für den Verbraucher stets unverbindlich sind (vgl. EuGH EuZW 2009, 503, 504) ließe sich nicht erreichen, die missbräuchlichen Klauseln nur auf ihren gerade noch zulässigen Inhalt zu reduzieren wären. Entgegen dem Verbraucher-schutzgedanken der Klauselrichtlinie würde vielmehr ein Anreiz geschaffen, missbräuchliche Klauseln zu verwenden, weil der Verwender dadurch die größtmögliche Beschneidung der Rechte seines Vertragspartners erreichen würde.

III.

Jedenfalls aber ist das Amtsgericht Geldern nach Art. 24 EuGVVO zuständig, weil sich die Beklagte zur Sache eingelassen hat, ohne die (nach ihrer Auffassung) fehlende internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Geldern zu rügen. Art. 24 EuGVVO ist auch anwendbar, wenn eine Gerichtsstandsverein-barung getroffen wurde (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, Art. 24 EuGVVO Rn. 7). Die Beklagte hat sich rügelos zur Sache eingelassen, weil sie auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 07.03.2011 (Bl. 32 GA) beantragt hat, die Klage abzuweisen, was sie damit begründet hat, dass ein Ausgleichsanspruch bei Verspätung nicht gegeben ist. Art. 24 EuGVVO erfordert anders als § 39 ZPO keine Einlassung zur Hauptsache, sondern umfasst jede auf Klageabweisung gerichtete Verteidigungshandlung (Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 3). Jedenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Klageabweisung ist auch die Äußerung von Rechtsansichten, aufgrund derer der klägerische Anspruch nicht besteht, als Verteidigungshandlung aufzufassen, wenn nicht zugleich die internationale Zuständigkeit gerügt wird. Dies hat die Beklagte aber erst mit Schriftsatz vom 29.03.2011 getan.

IV.

Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Eine Ent-scheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

Streitwert: 830,- Euro

(Unterschrift)

 
 

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