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Die einstweilige Verfügung vom 8.12.2022 wird bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von der Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten am 01.12.2022 einstimmig beschlossenen Ausschlusses der Verfügungsklägerin als Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten.
3Die Parteien sind mittelbar an der O.-Gruppe beteiligt. Die O.-Gruppe zählt zu den global führenden Unternehmensgruppen im Bereich Industrieautomation und ist mit mehr als 4.650 Mitarbeitern in über 30 Landesgesellschaften sowie Vertriebspartnern in weiteren 60 Staaten vertreten. Die O.-Gruppe wurde 1965 von M. O. und T. O. begründet, seit 1968 unterstützte Y. als weiterer Partner und Mitbegründer die Unternehmensaktivitäten.
4Die Verfügungsklägerin ist eine nicht gemeinnützige Familienstiftung in der Rechtsform einer Stiftung nach deutschem Recht mit Sitz in P.. Hinter der Stiftung stehen die Familienmitglieder bzw. Abkömmlinge von M. O. (sog. „P. Stamm“).
5Die Verfügungsbeklagte ist eine Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in N. N.. An der Verfügungsbeklagten sind – teilweise wiederum über entsprechende Beteiligungsgesellschaften – die Familienmitglieder bzw. Abkömmlinge von T. O. und Y. (sog. „E. Stamm“) beteiligt.
6Die Verfügungsklägerin und die Streithelferin sind – mit Beteiligungsquoten von 45,42 % (die Streithelferin) und 43,22 % (die Verfügungsklägerin) – als Kommanditisten an der Verfügungsbeklagten beteiligt, einer Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in P.. Diese wiederum hält 99 % der Anteile an der O. Holding GmbH. Die O. Holding GmbH operiert als Holdinggesellschaft für sämtliche operativen Gesellschaften der O.-Gruppe im In- und Ausland.
7Der Gesellschaftsvertrag der Verfügungsbeklagten lautet auszugsweise wie folgt:
8„7. Gesellschafterbeschlüsse
97.4 Gesellschafterbeschlüsse werden mit einer Mehrheit von mehr als 60 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht dieser Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben.
1011. Veräußerung und Abtretung der Anteile, Ankauf, Vorkauf
1111.1 Die Veräußerung von Anteilen (Komplementär- und Kommanditanteile) an der Gesellschaft oder von Teilen von Anteilen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafter durch Beschluss. Der Veräußerungswillige ist stimmberechtigt.
12Das gleiche gilt für jegliche sonstige Verfügungen über den Anteil, etwa die Verpfändung oder sonstige Belastung ebenso wie die Bestellung eines Nießbrauchs oder die Vereinbarung einer Unterbeteiligung oder einer Treuhand, Verfügungen über einzelne, mit dem Anteil verbundene Rechte, insbesondere die Verfügung über den Jahresgewinnanteil, sowie für den Abschluss aller sonstigen Rechtsgeschäfte und Vornahme aller sonstigen Maßnahmen, die rechtlich oder wirtschaftlich ganz oder teilweise einer Veräußerung oder Belastung gleichkommen.
1311.2 Ankauf
1411.2.1 Ein veräußerungswilliger Kommanditist hat vor der Aufnahme von Gesprächen mit Kaufinteressenten oder Vermittlern die anderen Gesellschafter (Ankaufsberechtigte oder Vorkaufsberechtigte) sowie die Gesellschaft über seine Verfugungsabsicht mittels eingeschriebenen Briefs (Einwurf-Einschreiben) zu informieren und hierbei seinen Anteil oder Teile hiervon den anderen Kommanditisten nach Maßgabe der nachfolgenden Ziff. 11.2.2 bis 11.2.8 zum Kauf zu einem Preis anzubieten, der sich aufgrund einer Bewertung des Anteils nach Ziff. 17 dieses Vertrages zum Zeitpunkt des Angebots ergibt (Ankaufsrecht).
1511.3 Vorkauf
1611.3.1 Unabhängig von der Nichtausübung des Ankaufsrechts sind die übrigen Kommanditisten im Falle des Verkaufs eines Anteils oder eines Teiles davon in der nach Ziff. 11.2.3 und 11.2.5 bzw. 11.2.7 bestimmten Rangfolge zum Vorkauf berechtigt. Das Vorkaufsrecht besteht auch, wenn die Gesellschafter der Veräußerung zugestimmt haben, nicht aber bei einem Erwerb aufgrund des Ankaufsrechts nach Ziff. 11.2.
1711.3.2 Der veräußernde Kommanditist hat den Inhalt des mit dem Käufer geschlossenen Vertrages unverzüglich sämtlichen Vorkaufsberechtigten schriftlich mittels Übersendung einer Kopie aller Vereinbarungen mitzuteilen; Ziff. 11.2.2 und 11.2.8 gelten entsprechend.
1811.5 Die Zustimmung ist nicht erforderlich, sofern es sich um eine entgeltliche oder unentgeltliche Veräußerung oder Belastung mit einem Nießbrauch oder Einräumung einer Unterbeteiligung handelt, die zu Gunsten einer nachfolgeberechtigten Person im Sinne von Ziff. 15.1.6 erfolgt, sofern der Empfänger nach der Verfugung - vermittelt J. die Gesellschaft - mittelbar mit mehr als 1,00 % am Stammkapital der O. Holding GmbH beteiligt ist. Die Zustimmung ist außerdem nicht erforderlich, sofern es sich um die Belastung mit einem lebenslangen oder zeitlich befristeten Nießbrauch handelt, die zu Gunsten eines Ehegatten erfolgt. In diesen Fällen besteht kein Ankaufs- und Vorkaufsrecht.
1915. Ausschließung eines Gesellschafters
2015.1 Ein Gesellschafter kann durch Beschluss mit einer Mehrheit von mehr als 60 % der abgegebenen Stimmen der übrigen Gesellschafter mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der betroffene Gesellschafter ist dabei nicht stimmberechtigt. Als wichtiger Grund gilt insbesondere,
2115.1.1 wenn in der Person des Gesellschafters ein Umstand eintritt, der für die übrigen Gesellschafter nach § 133 HGB das Recht begründen würde, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen;
2215.1.2 wenn aus einem in der Person eines Gesellschafters liegenden wichtigen Grund die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses den übrigen Gesellschaftern unzumutbar ist;
2315.1.3 wenn der Gesellschafter schwerwiegend oder trotz Aufforderung wiederholt gegen seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag verstößt;
2415.1.6 wenn Anteile auf nicht nachfolgeberechtigte Personen übergehen. Nachfolgeberechtigte Personen sind die Abkömmlinge des betroffenen Gesellschafters. Nachfolgeberechtigt sind ferner Gesellschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar nach Kapital mehrheitlich oder nach Stimmen beherrschend Personen beteiligt sind, die Abkömmlinge von M. O., A. O. oder Y. sind (Familien-Gesellschafter). Eine beherrschende Beteiligung in vorstehendem Sinne setzt voraus, dass die Familien-Gesellschafter Gesellschafterbeschlusse im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Gesellschaft ohne Mitwirkung anderer Gesellschafter fassen und deren Umsetzung durchsetzen können. Schließlich sind nachfolgeberechtigt Stiftungen, die von einem Gesellschafter errichtet wurden;
2515.1.9 wenn an einem Kommanditisten, der nicht eine natürliche Person und keine Stiftung ist, nicht mehr Familien-Gesellschafter im Sinne von Ziff. 15.1.6 beherrschend beteiligt sind.“
26Dieser aktuelle Gesellschaftsvertrag wurde im Jahr 2016 beschlossen aufgrund einer Änderung der Gesellschafterzusammensetzung. Im Übrigen beruht er wortgleich auf einer Vorfassung, die am 26.09.2012 beschlossen wurde. Diese geht ihrerseits auf einen Entwurf vom 19.12.2011 zurück, in dem die Ziffer 11 bereits ebenfalls aufgeführt war, die Ziffer 15.1.9 jedoch fehlte.
27Der Gesellschaftsvertrag der O. Holding GmbH in der Fassung vom 17.01.2012 enthält in § 14 im Wesentlichen gleichlautende Formulierungen zu Ziffer 11 des Gesellschaftsvertrags der Verfügungsbeklagten. Ebenfalls enthält er in § 16.6 eine zu Ziffer 15.1.6 des Vertrages der Verfügungsbeklagten gleichlautende Formulierung, eine zu Ziffer 15.1.9 gleichlautende Formulierung fehlt.
28In § 14.10 ist unter der Überschrift „Mittelbare Veräußerung“ in der Neufassung darüber hinaus geregelt:
29„Wenn sich bei einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter, der nicht eine natürliche Person und keine Stiftung ist, die Beteiligungsverhältnisse dergestalt ändern, dass an ihr nicht ausschließlich nachfolgeberechtigte Personen mittelbar oder unmittelbar nach Stimmen und Kapital beteiligt sind, hat dieser Gesellschafter den Sonderrechtsinhabern einen Anteil an der Gesellschaft in der Höhe anzubieten, die der durchgerechneten Beteiligung (bezogen auf die Stimmbeteiligung) der nichtnachfolgeberechtigten Person entsprechen. Abs. 2 bis 3 und 5 bis 7 [die Vorschriften über das Ankaufs- und Vorkaufsrecht] gelten entsprechend.“
30Zwischen den beiden Familienstämmen der O.-Gruppe bestehen bereits seit längerem erhebliche Differenzen über die gemeinsame Führung und Ausrichtung der O.-Gruppe. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen grundlegende strategische und geschäftliche Fragen. Die quasi-paritätische Beteiligung beider Familienstämme und das Fehlen einer für beide Seiten angemessenen Lösung führen zu einer zunehmenden Blockadesituation auf Leitungsebene. Diese Blockadesituation belastet nicht nur das persönliche Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern in zunehmendem Maße auch die operative Leitung der O.-Gruppe selbst.
31Die Verfügungsklägerin bzw. der hinter ihr stehende P. Stamm ist daher bereits vor längerer Zeit zu der Überzeugung gekommen, dass eine Lösung der Situation nur in einer konsequenten Trennung der Beteiligungen der beiden Familienstämme bestehen kann. Diese Trennung sollte und soll sich so gestalten, dass der P. Stamm aus der O.-Gruppe aussteigt.
32Um diesen Ausstieg zu ermöglichen, bot die Verfügungsklägerin in der Vergangenheit ihre Anteile an der Gesellschaft zur Übernahme an.
33In einer E-Mail vom 11.04.2021 schrieb K. O. (P. Stamm) an Mitglieder des H. Stamms:
34„Ich habe Dir gesagt, dass wir einen Weg gefunden habe, wie wir ohne Zustimmung der Gesellschafter verkaufen können, nicht wie der geht. Das ist dann ja auch unwichtig, da wir den einfach machen könnten, ohne jegliche Rücksprache.“
35Sodann bekundete die Private Q.-Gruppe L. im August 2021 ihr Interesse daran, einen Mehrheitsanteil an der Verfügungsbeklagten zu erwerben. Die L.-Gruppe ist eine deutsch-schwedische Investoren-Gruppe, die europaweit überwiegend in mittelständische Unternehmen in den Branchen Industrie, Dienstleistungen, Konsumgüter und Gesundheitswesen investiert. Die Gruppe ist derzeit über ihre Beteiligungsgesellschaften an insgesamt 49 Unternehmen weltweit mit einem Gesamtumsatz von rund 18,1 Mrd. € beteiligt.
36Zu diesem Zweck fanden im Vorfeld der Interessenbekundungen seitens L. bereits Gespräche mit den Mitgliedern des P. Stamms statt. Ein Anteilserwerb wurde jedoch von den übrigen Gesellschaftern der Verfügungsbeklagten abgelehnt. Seitdem stellte die Verfügungsklägerin immer wieder einen Verkauf ihrer Beteiligung an der Verfügungsbeklagten an L. gegenüber der Streithelferin in Aussicht. Unter anderem mit E-Mail vom 20.03.2022 wurde die Seite der Streithelferin von den Verkaufsabsichten der Verfügungsklägerin informiert und ein entsprechendes Gesprächsangebot unterbreitet.
37Am 06.07.2022 hat die Verfügungsklägerin bzw. der P. Stamm mit der L. V I. 85 S.à.r.l. (im Folgenden „L.“), einer Gesellschaft der L.-Gruppe, eine Rahmenvereinbarung getroffen, wonach L. im Wege einer mehrschichtigen Transaktion eine mittelbare Beteiligung an der Verfügungsbeklagten erwerben soll (nachfolgend „Rahmenvertrag“). Diese soll erreicht werden, indem der L.-Gruppe in mehreren Schritten eine mittelbare Beteiligung an den derzeit der Verfügungsklägerin gehörenden Kommanditanteilen eingeräumt werden soll. Die Rahmenvereinbarung enthält keine unmittelbare Verkaufs- oder Übertragungsvereinbarung über einzelne Anteile, sondern nur die Vereinbarung der Parteien über die geplante Transaktionsstruktur.
38Konkret soll die mittelbare Beteiligung für L. nach den Bestimmungen des Rahmenvertrages in mehreren Erwerbsphasen vollzogen werden. In jeder Erwerbsphase soll die Verfügungsklägerin eine Tranche ihrer Anteile zunächst an eine jeweils noch zu gründende Vorratsgesellschaft übertragen, die jeweils von einem der Abkömmlinge von Herrn M. O. zu 100 % beherrscht wird (Phase 1: D. O.-G., Phase 2: X. O., Phase 3: Z. O.). Im Anschluss soll der jeweilige Abkömmling seine Anteile an der Vorratsgesellschaft an L. übertragen.
39Der Rahmenvertrag sieht vor, dass die Mitgesellschafter der Verfügungsbeklagten spätestens am auf den Vollzugstag folgenden Bankarbeitstag in Kenntnis gesetzt werden, um ihnen eine Entscheidung über den Ausschluss der Vorratsgesellschaft aus der Verfügungsbeklagten nach Maßgabe der Ziffern 15. 1., 15.1.6, 15.1.9 des Gesellschaftsvertrages der Verfügungsbeklagten zu ermöglichen. Die Größe und Anzahl der einzelnen Tranchen der Transaktion ist dabei so ausgestaltet, dass der P. Stamm ohne die jeweils vom Stimmrecht ausgeschlossene Vorratsgesellschaft bei jeder eventuell stattfindenden Abstimmung über einen Ausschluss über mindestens 40 % der Stimmen verfügt.
40Die Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich hat am 14.10.2022 öffentlich vermeldet, dass die L. V I. 85 S.à.r.l. („C.“), beabsichtigt, eine Beteiligung von mehr als 25 % und bis zu ca. 50,4 % der Kommanditanteile an der Verfügungsbeklagten zu erwerben. Die Bundeswettbewerbsbehörde weist in ihrer Veröffentlichung darauf hin, dass die Antragsfrist am 11.11.2022 endet. Einer Meldung des deutschen Bundeskartellamts war zu entnehmen, dass L. am 14.10.2022 den Anteilserwerb an der Verfügungsbeklagten angemeldet hat, welcher zwischenzeitlich genehmigt worden ist.
41Mit Schreiben vom 29.10.2022 verlangte die Streithelferin von der Verfügungsklägerin, gestützt auf die Regelung in Ziffer 11.3.2 des Gesellschaftsvertrags der Gründerpool, die Übermittlung einer Kopie sämtlicher Vereinbarungen der Antragsgegnerin mit L. unter Fristsetzung bis zum 31. Oktober 2022.
42Mit Schreiben vom 31.10.2022 lehnte die Verfügungsklägerin dies mit Verweis darauf ab, dass die mit L. getroffene Vereinbarung keinen Vorkaufsfall im Sinne von Ziffer 11.3.2 des Gesellschaftsvertrages auslöse.
43Am 02.11.2022 hat L. schließlich öffentlich bekanntgemacht, eine entsprechende Übernahmevereinbarung mit der Verfügungsbeklagten unterzeichnet zu haben.
44Die Streithelferin berief eine erste außerordentliche Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin auf den 16.11. 2022 ein. Diese sah unter TOP 3 lit. a) die Ausschließung der Verfügungsklägerin als Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten aus wichtigem Grund gemäß Ziffer 15.1 des Gesellschaftsvertrags vor. Den Beschlussantrag begründete die Streithelferin mit dem durch den Abschluss des Rahmenvertrags begangenen Satzungsverstoß der Verfügungsklägerin sowie dem Verhalten der Vertreter der Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit der geplanten Transaktion, wodurch das Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander irreparabel geschädigt und der Antragsgegnerin schwerer Schaden zugefügt worden sei. An dieser außerordentlichen Gesellschafterversammlung nahm die Verfügungsklägerin mit Ankündigung nicht teil. Da nicht mehr als 60 % aller Stimmen anwesend bzw. vertreten waren, war die Gesellschafterversammlung beschlussunfähig und konnte den angekündigten Ausschließungsbeschluss nicht fassen.
45Die Streithelferin berief sodann eine zweite außerordentliche Gesellschafterversammlung auf den 01.12.2022 ein. Die Ladung übersandte sie der Verfügugsklägerin per Einschreiben unter Beifügung der Tagesordnung. Die Gesellschafterversammlung sollte in den Räumen der T. O. GmbH & Co. KG mit der postalischen Anschrift R.-straße (Neubau) in S. an der N. stattfinden. Die Nutzung dieser Räumlichkeiten hatte sich während der letzten gut zwei Jahre eingebürgert. Dies insbesondere deshalb, weil die Räumlichkeiten im Hinblick auf ihre Größe und Lüftungsmöglichkeiten sehr gut geeignet sind, um das Risiko für die Teilnehmer der Gesellschafterversammlung, sich mit dem Covid-19-Virus zu infizieren, gering zu halten.
46In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 01.12.2022 wurde der Ausschluss der Verfügungsklägerin als Gesellschafterin der Gründerpool nach Ziff. 15.1 des Gesellschaftsvertrages beschlossen (im Folgenden: Ausschließungsbeschluss). Die Versammlungsleiterin zählte die Stimmen der Antragstellerin bei diesem Beschluss nicht mit. Sie wies darauf hin, dass die Antragstellerin gemäß Ziffer 15.1 des Gesellschaftsvertrags (d.h. aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes) nicht stimmberechtigt sei.
47Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, der Ausschließungsbeschluss sei weder formell noch materiell wirksam. Die Abhaltung der Gesellschafterversammlung in den Räumlichkeiten der „feindlichen“ Gesellschafter sei unzumutbar gewesen; dies führe zur formellen Unwirksamkeit der Beschlüsse. Darüber hinaus hätte sie – die Verfügungsklägerin – bei dem Ausschließungsbeschluss nicht von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen werden dürfen. Die bloße Behauptung eines wichtigen Grundes genüge nicht, um den betroffenen Gesellschafter seines Stimmrechts zu berauben. Dessen ungeachtet fehle es evident an dem für einen Ausschluss eines Gesellschafters unverzichtbaren wichtigen Grund.
48Ein Verstoß gegen die gesellschaftsvertraglichen Regelungen liege gerade nicht vor.
49Die jeweiligen Übertragungen an eine Vorratsgesellschaft seien nach dem Gesellschaftsvertrag zustimmungsfrei.
50Jedenfalls könne man aber aus Rahmenvertrag keinen wichtigen Grund herleiten. Letztlich würden hier zwei Gesellschaftergruppen über eine ihr Gesellschaftsverhältnis betreffende Rechtsfrage streiten und dabei unterschiedliche Rechtsstandpunkte vertreten. Ein solcher Gegensatz unterschiedlicher vertretbarer Auffassungen sei durch Verhandlungen oder in einem Gerichtsverfahren zu klären; er berechtige nicht die eine Gesellschafterseite, die andere Gesellschafterseite als vermeintlich letztes Mittel auszuschließen.
51Auf den Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer mit Beschluss vom 08.12.2022 eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts erlassen:
52Der Antragsgegnerin wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder bis zum Abschluss eines das Verfügungs- und/oder Hauptsacheverfahrens beendenden (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Vergleichs untersagt, den von der B. Pool GmbH & Co. KG mit Einladungsschreiben vom 31. Oktober 2022 angekündigten und in der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin am 1. Dezember 2022 gefassten Beschluss über die Ausschließung der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin, der lautet: „Die M. O.-Familienstiftung wird aus wichtigem Grund gemäß Ziffer 15.1 des Gesellschaftsvertrags als Gesellschafterin der O. Gründerpool GmbH & Co. KG ausgeschlossen.“, zu vollziehen.
53Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin ungeachtet des von der B. Pool GmbH & Co. KG mit Einladungsschreiben vom 31. Oktober 2022 angekündigten und in der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin am 1. Dezember 2022 gefassten Beschlusses über die Ausschließung der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin, der lautet: „Die M. O.-Familienstiftung wird aus wichtigem Grund gemäß Ziffer 15.1 des Gesellschaftsvertrags als Gesellschafterin der O. Gründerpool GmbH & Co. KG ausgeschlossen.“, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder bis zum Abschluss eines das Verfügungs- und/oder Hauptsachverfahrens beendenden (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Vergleichs weiterhin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu behandeln.
54Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Unterlassungspflichten angedroht die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten.
55Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
56Gegen den Beschluss hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 20.12.2022 Widerspruch erhoben.
57In dem daraufhin anberaumten Termin beantragt die Verfügungsklägerin nunmehr,
58die einstweilige Verfügung vom 08.12.2022 zu bestätigen.
59Die Verfügungsbeklagte beantragt,
601. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hagen vom 8. Dezember 2022 – Az. 2 O 265/22 – wird aufgehoben.
612. Der Antrag der Antragstellerin vom 6. Dezember 2022 auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
623. Hilfsweise für den Fall der Bestätigung der im Antrag zu 1. bezeichneten einstweiligen Verfügung: Der Antragstellerin wird aufgegeben, binnen sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Gericht der Hauptsache Klage zu erheben. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird auf Antrag der Antragsgegnerin der Beschluss vom 8. Dezember 2022 aufgehoben.
63Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Ausschließungsbeschluss sei formell und materiell wirksam.
64Die Wahl des Ortes der Gesellschafterversammlung sei zulässig gewesen. Eine Regelung betreffend den Ort, an dem Gesellschafterversammlungen der Antragsgegnerin stattzufinden haben, sehe der Gesellschaftsvertrag nicht vor. Die Verfügungsklägerin sei auch nicht in ihren Teilnahmerechten beeinträchtigt gewesen.
65Darüber hinaus liege ein wichtiger Grund für den Ausschluss der Verfügungsklägerin vor. So habe die Verfügungsklägerin ihre Anteile an der Verfügungsbeklagten hinter dem Rücken der Verfügungsklägerin an einen Finanzinvestor verkauft, obwohl der Gesellschaftsvertrag eine Vinkulierung vorsehe. Sie habe weder einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss für eine Veräußerung erwirkt noch das für eine Veräußerung von Geschäftsanteilen vorgeschriebene Verfahren gemäß Ziffern 11.2 ff. des Gesellschaftsvertrages ordnungsgemäß durchgeführt.
66Sie – die Verfügungsbeklagte – sei ihrerseits als Familiengesellschaft ohne Beteiligungsmöglichkeiten für Dritte konzipiert worden. Insbesondere sollten auch mittelbare Übertragungen ausgeschlossen werden. Ziffer 11.5 des Gesellschaftsvertrages habe nur der Ermöglichung einer steuerlich begünstigten vorweggenommenen Erbfolge dienen sollen.
67Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
68E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
69Die erlassene einstweilige Verfügung war zu bestätigen. Der Verfügungsklägerin stehen die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Ansprüche aus §§ 935 ZPO zu.
70Die Verfügungsklägerin hat sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.
71Ein Verfügungsanspruch folgt aus §§ 119, 133 Abs. 2, 140 Abs. 1 S. 1, 161 HGB in Verbindung mit Ziff. 15.1 des Gesellschaftsvertrages.
72Dabei kann dahinstehen, ob der Beschluss formell unwirksam ist. Denn der Beschluss ist bereits materiell unwirksam. Die Verfügungsbeklagte war gemäß Ziff. 15.1 des Gesellschaftsvertrag nicht berechtigt, die Verfügungsklägerin aus der Gesellschaft auszuschließen.
73Voraussetzung für einen wirksamen Ausschluss der Verfügungsklägerin ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der Ziff. 15.1.1 des Gesellschaftsvertrages. Eine Ausschließung ist insofern dann zulässig, wenn in der Person des Gesellschafters ein Umstand eintritt, der für die übrigen Gesellschafter nach § 133 HGB das Recht begründen würde, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen. Nach § 133 HGB ist das immer dann der Fall, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt.
74Ein Ausschluss ist nach Ziff. 15.1.6., 15.1.9 des Gesellschaftsvertrages ferner zulässig, wenn Anteile auf nicht nachfolgeberechtigte Personen übergehen und wenn an einem Kommanditisten, der nicht eine natürliche Person und keine Stiftung ist, nicht mehr Familien-Gesellschafter im Sinne von Ziff. 15.1.6 beherrschend beteiligt sind.
75Zwar stellt der Abschluss des Rahmenvertrages eine Umgehung der gesellschaftsvertraglichen Pflichten in Bezug auf den Anteilsübergang an nachfolgeberechtigte Personen dar, wie die Kammer bereits mit Urteil vom 07.12.2022, Az. 2 O 243/22, entschieden hat.
76Bei dem Rahmenvertrag handelt es sich um eine übliche Form einer Umgehungsgestaltung. Es besteht sogar nicht nur der für gewöhnlich bei einer zweischritten Umgehung lediglich erforderliche sachliche und zeitliche Zusammenhang. Vielmehr ist das gesamte Konstrukt der Umgehung in einer einzigen demaskierenden Rahmenvereinbarung angelegt. Der Wechsel im Gesellschafterbestand der Vorratsgesellschaft führt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zum selben Ergebnis, wie wenn die L. unmittelbar Gesellschaftsanteile erworben hätte, was wegen des Zustimmungserfordernisses jedoch nicht möglich gewesen wäre. Da bei wirtschaftlicher Betrachtung also nichts anderes als beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel passiert, sollte die getroffene Vinkulierungsklausel auch den beabsichtigten mittelbaren Gesellschafterwechsel verhindern. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich die Gesellschafter bei Beschluss des Gesellschaftsvertrages nur vor unmittelbaren Anteilsübertragungen schützen wollten, nicht aber in der gleichen Weise auch vor letztlich gleichwertigen wie die der streitgegenständlichen Rahmenvereinbarung.
77Ebenso wird die Umgehung der Regelungen des Gesellschaftsvertrages an der Aufteilung der Transaktion deutlich. Die L.-Gruppe beabsichtigt de facto, weite Teile der Gründerpool, und zwar unter anderem sämtliche Anteile der Verfügungsklägerin, zu übernehmen. Die Übernahme der Anteile der Verfügungsklägerin wird dabei letztlich nur aus einem einzigen Grund in mehrere Tranchen aufgeteilt, nämlich um ein erfolgreiches Ausschlussverfahren nach Ziff. 15 des Gesellschaftsvertrages, welches für den Fall einer einzelnen Transaktion wohl Erfolg hätte, zu verhindern.
78Aber ein wichtiger Grund im Sinne des § 133 HGB bzw. ein wesentlicher Verstoß gegen die gesellschaftsvertraglichen Pflichten lässt sich hieraus nicht herleiten.
79Der Ausschluss eines Kommanditisten unterliegt strengen Anforderungen. Die Ausschließung soll insbesondere keine Strafe für den Betroffenen sein, sondern das letzte Mittel, wenn nur noch so Schaden von der Gesellschaft abgewendet werden kann. Das zwischen den Gesellschaftern bestehende Treueverhältnis erlaubt sie daher nur, wo sich kein anderer zumutbarer Weg findet. Der Ausschluss stellt also die ultima ratio dar (vgl. Hopt/Roth, 41. Aufl. 2022, HGB § 140 Rn. 6).
80Vorliegend darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verfügungsklägerin nicht unmittelbar Anteile an der Verfügungsbeklagten auf nicht nachfolgeberechtigte Personen übertragen hat. Sie hat vielmehr mit Hilfe anwaltlicher Beratung ein vertragliches Konstrukt entwickelt, von dem sie glaubt, ihre Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag zu erfüllen. Ein beharrlicher und vorsätzlicher Verstoß gegen gesellschaftsvertragliche Pflichten liegt hierin nicht. Vielmehr hat die Verfügungsklägerin versucht, aus der Gesellschaft auszuscheiden, was durchaus im Interesse beider Parteien liegen dürfte. Letztlich streiten sich hier zwei Gesellschaftergruppen über eine ihr Gesellschaftsverhältnis betreffende Rechtsfrage, nämlich die Vereinbarkeit des Rahmenvertrages mit dem Gesellschaftsvertrag, und vertreten dabei unterschiedliche Rechtsstandpunkte. Ein solcher Gegensatz unterschiedlicher vertretbarer Auffassungen ist durch Verhandlungen oder in einem Gerichtsverfahren zu klären, was ein milderes Mittel darstellt. Es berechtigt nicht die eine Gesellschafterseite, die andere Gesellschafterseite unverzüglich aus der Gesellschaft auszuschließen.
81Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.
82Der Verfügungsgrund besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Eilbedürftigkeit, sog „Dringlichkeit“). Dass der Schuldner Schadensersatz in Geld leisten könnte, ist unerheblich (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 935 Rn. 10).
83Die Voraussetzungen liegen vorliegend vor. Bis zur Entscheidung der Hauptsache wäre die Verfügungsklägerin faktisch rechtlos gestellt. Ohne die Möglichkeit, ihre Gesellschafterrechte (Mitwirkungs- und Kontrollrechte) auszuüben, besteht die Gefahr, dass die übrigen Gesellschafter bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens irreversible Fakten zum Nachteil der Antragstellerin schaffen, etwa indem sie von einem Ankaufsrecht oder einem Übertragungsrecht aus dem Gesellschaftsvertrag Gebrauch machen.
84Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten bedeutet die einstweilige Verfügung auch keine Vorwegnahme der Hauptsache. Es handelt sich nicht um eine Leistungs-, sondern um eine Sicherungsverfügung. Mit der Anordnung wird nicht die Unwirksamkeit des Ausschlusses festgestellt, sondern nur vorläufig dem Anschein entgegen gewirkt, die Klägerin sei wirksam aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
85Um das Ziel der einstweiligen Sicherung der Verfügungsklägerin zu erreichen, war, wie von dieser beantragt, auszusprechen, dass die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafterin behandeln muss.
86Des weiteren hat die Kammer der Verfügungsbeklagten auf den entsprechenden Antrag der Verfügungsklägerin zu 1.a. auch untersagt, den Beschluss über die Ausschließung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen. Die Verfügungsbeklagte ist zwar der Auffassung, dieser Antrag gehe ins Leere, da der Ausschließungsbeschluss als Gestaltungsakt keiner Vollziehung bedürfe. Die Verfügungsklägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung dargetan, dass durchaus Maßnahmen zur Umsetzung des Beschlusses denkbar seien, beispielsweise im Zusammenhang mit Eintagungen ins Handelsregister. Um zu vermeiden, dass dadurch in gewisser Hinsicht vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten, hat die Kammer auch diesem Antrag stattgegeben.
87Die Androhung eines Ordnungsgeldes, hilfsweise Ordnungshaft folgt aus § 890 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.
89Eine Fristsetzung zur Klageerhebung gemäß § 926 Abs. 1 ZPO war nicht erforderlich. Die Verfügungsklägerin hat nach den unwidersprochenen Angaben der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung bereits unter dem Aktenzeichen 21 O 1/23 Hauptsacheklage erhoben.
90Von der Möglichkeit, die weitere Vollziehung der einstweiligen Verfügung von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wie von der Streithelferin beantragt, hat das Gericht im Rahmen seines Ermessens abgesehen. Ein abzusichernder Schaden ist nicht ersichtlich.
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Verkündet am 18.01.2023LL., Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle