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Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich gegen einen Gesellschafterbeschluss, mit dem ihr Gesellschaftsanteil an der Beklagten eingezogen und auf diese übertragen worden ist.
3Die Klägerin war Mitgesellschafterin der Beklagten mit Sitz in XXX. Sie hielt Geschäftsanteile zu einem nominellen Wert von 5.000,00 EUR. Diese Anteile entsprachen 20% des Stammkapitals. Die restlichen Geschäftsanteile zu einem nominellen Wert von 20.000,00 EUR hält ihr Bruder, XXX. Diese Anteile entsprachen 80% des Stammkapitals.
4XXX ist Geschäftsführer der Beklagten.
5In der ursprünglichen Satzung der Beklagten aus 2005 (Bl. 6 ff. eA) war zur Einziehung von Geschäftsteilen Folgendes geregelt:
6„§15
7EINZIEHUNG VON GESCHÄFTSANTEILEN OHNE ZUSTIMMUNG BEI TOD EINES GESELLSCHAFTERS SOWIE BEI INSOLVENZ EINES GESELLSCHAFTERS
815.1 Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters beschließen, wenn der Gesellschafter innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre der Gesellschaft verstirbt.
915.1.1 Eine Zustimmung der Erben des Gesellschafters in Bezug auf die Einziehung des Geschäftsanteils nach Absatz 1 ist nicht erforderlich. Die Erben haben kein Stimmrecht bei der Beschlussfassung über die Einziehung.
1015.1.2 Sofern im Zeitpunkt des Todes die Stammeinlage auf den Anteil noch nicht voll geleistet oder eine Zahlung des Einziehungsentgeltes nur aus dem Stammkapital möglich ist, kann die Gesellschaft die Einziehung später nachholen.
1115.1.3 Im Fall dieses § 15.1 ist für den Geschäftsanteil, bei Einziehung von der Gesellschaft, bei Übertragung von dem Erwerber, eine Abfindung in Höhe des Verkehrswertes zu zahlen.
1215.2 Die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist ferner zulässig, wenn über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird, oder der Gesellschafter die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides statt zu versichern hat. Dem betroffenen Gesellschafter steht bei dem Gesellschafterbeschluss über die Einziehung ein Stimmrecht nicht zu.
1315.3 Die Einziehung wir durch die Geschäftsführung erklärt. Sie bedarf eines Gesellschafterbeschlusses, der mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst wird.
1415.4 Statt der Einziehung kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Geschäftsanteil an die Gesellschaft oder an andere Gesellschafter abgetreten wird; im Falle des Beschlusses einer Abtretung an andere Gesellschafter sind die Bestimmungen des § 13 über die Vorkaufsberechtigung auf die Abtretung an die anderen Gesellschafter entsprechend anzuwenden.
15[..]“
16In der Gesellschafterversammlung vom 12.03.2021 wurde nach vorheriger Ladung der Klägerin eine Satzungsänderung in deren Abwesenheit mit den Stimmen des XXX beschlossen. Darin hieß es auszugsweise (Anlage B1, Bl1. 54 ff eA):
17§ 8
18Einziehung von Geschäftsanteilen
191. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist vorbehaltlich zwingender gesetzlicher Schranken zulässig. Die Beschlussfassung hierüber bedarf der notariellen Beurkundung.
202. Ein Geschäftsanteil eines Gesellschafters kann unbeschadet weiterer in diesem Vertrag vorgesehener Fälle ohne seine Zustimmung auch eingezogen werden, wenn
21- ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil betreibt und die Vollstreckungsmaßnahme nicht innerhalb eines Monats aufgehoben wird, oder
22- über das Vermögen des betroffenen Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, oder
23- wichtige Gründe in seiner Person seinen weiteren Verbleib in der Gesellschaft, z.B. wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht, als unzumutbar erscheinen lassen und daher seine Ausschließung rechtfertigen. Im Falle eines tiefgreifenden Zerwürfnisses im Kreis der Gesellschafter kann der Geschäftsanteil des Gesellschafters eingezogen werden, der dieses Zerwürfnis überwiegend verursacht hat.
243. Steht ein Geschäftsanteil mehreren Personen zu, so ist die Einziehung zulässig, wenn deren Voraussetzungen auch nur in der Person eines Mitberechtigten vorliegen.
254. Die Gesellschaft hat im Fall der Einziehung eine Vergütung zu zahlen, die sich nach § 10 errechnet.
265. In den vorstehend genannten Fällen hat der betroffene Gesellschafter bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht.
276. Die Einziehung wird mit der Mitteilung des Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter wirksam, wenn nicht die Gesellschafter ein anderes beschließen.
28§ 9
29Anteilsübertragung anstelle der Einziehung
301. Liegt ein Tatbestand für die Einziehung eines Geschäftsanteils vor, so können die Gesellschafter auch beschließen, dass der Geschäftsanteil ganz oder zum Teil auf die Gesellschaft selbst oder einen oder mehrere im Beschluss zu benennende Erwerber zu übertragen ist. Ein solcher Beschluss kann nur einstimmig gefasst werden. Der betroffene Gesellschafter ist nicht stimmberechtigt.
312. Wird die Übertragung des Geschäftsanteils beschlossen, so ist die Geschäftsführung ermächtigt, die Anteilsübertragung namens des betroffenen Gesellschafters zu vollziehen, das Stimmrecht aus dem Geschäftsanteil ruht bis zur Abtretung. Für die Zahlung der von einem dritten Erwerber des Geschäftsanteils geschuldeten Vergütung haftet die Gesellschaft wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.
323. Dem betroffenen Gesellschafter ist die sich nach § 10 errechnende Vergütung zu zahlen.
33§ 10
34Abfindung
351. In allen in dieser Satzung vorgesehenen Fällen der Zahlung einer Abfindung, etwa im Fall des Austritts aus der Gesellschaft, der Einziehung eines Geschäftsanteils etc., steht dem betroffenen Gesellschafter eine Abfindung zu.
362. Als Wert des Geschäftsanteils ist der dem Anteil entsprechende Teil des Eigenkapitals der Gesellschaft zugrunde zu legen. Das Eigenkapital soll sich aus der Summe der (eingezahlten) auf den Anteil entfallenden Stammeinlage sowie dem anteiligen Gewinnvortrag ergeben. Bei einem Streit über diesen Wert ist dieser verbindlich von dem aktuellen Steuerberater der Gesellschaft zu ermitteln. Der Rechtsweg gegen dessen Bestimmung soll nur bei Unbilligkeit entsprechend § 315 III BGB gegeben sein.
373. Die Abfindung ist in drei gleichen unmittelbar aufeinanderfolgenden Jahresraten zu entrichten. Die erste Rate ist sechs Monate nach dem Einziehungsbeschluss fällig; die Folgeraten sind jeweils im Jahresabstand danach zu zahlen. Wird anstelle einer Einziehung beschlossen, dass der Geschäftsanteil des betroffenen Gesellschafters abzutreten ist, so ist die erste Rate ebenfalls sechs Monate nach Beschlussfassung, frühestens jedoch mit der Abtretung des Geschäftsanteils fällig. Ist zum Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Rate der Abfindungsbetrag noch nicht ermittelt, so ist eine angemessene Abschlagszahlung zu leisten. Der jeweils geschuldete Abfindungsbetrag ist ab dem Tag der Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils mit 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Die Zinsen sind jeweils mit den einzelnen Raten zur Zahlung fällig.
38[…]“
39Im März 2021 begehrte die Klägerin erstmals Einsichtnahme in geschäftliche Unterlagen der Beklagten. Daraufhin teilte der durch die Klägerin angeschriebene Notar mit, dass sich die relevanten Unterlagen beim Steuerberater befänden und dort auch eingesehen werden können. Der Steuerberater der Beklagten teilte der Klägerin auf deren Einsichtsersuchen vom 12.04.2021 (Bl. 98 eA) u. a. mit, dass der Aufwand für die Zusammenstellung der Unterlagen zu bevorschussen sei (vgl. Bl. 99 eA).
40Mit Schreiben vom 19.04.2021 (Bl. 156 eA) rief XXX zu einer Gesellschaftersammlung am 28.05.2021 mit folgenden Tagesordnungspunkten ein:
41„TOP 1: Begrüßung
42TOP 2: Beschluss „Anteilübertragung des Geschäftsanteils Nr. 5 iHv. 5.000 € (20%) an der Gesellschaft von
43XXX auf die Gesellschaft selbst gemäß §§ 9 Abs. 1, 8 Abs. 1, 2 der Satzung der Gesellschaft"
44TOP 3: Beschluss „Beauftragung des Geschäftsführers mit der Vollziehung der Anteilsübertragung gemäß
45Beschluss lt. TOP 2", vgl. § 9 Abs.2 der Satzung der Gesellschaft
46TOP 4: Beschluss „Beauftragung des Steuerberaters XXX mit der Errechnung der Vergütung der
47Gesellschafterin XXX gemäß §§ 9 Abs.3, 10 Abs. 1, 2 der Satzung der Gesellschaft".
48TOP 5: Sonstiges“
49Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2021 (Bl. 101 eA) an XXX , diesem am 18.05.2021 zugegangen, forderte die Klägerin diesen zur Vorlage einer Abschrift des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2020 einschließlich der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, des Anhangs und des Lageberichtes auf, wobei sie darum bat, den Termin zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung um 4 Wochen zu verlegen, um die Unterlagen nach Übergabe zu prüfen.
50Zu Einsicht in die Unterlagen kam es unter streitigen Umständen nicht.
51Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 26.05.2021 (Bl. 103 f. eA) an den Notar XXX, der mit der Beurkundung der Gesellschafterversammlung beauftragt war. Sie teilte mit, dass sie von einer Verlegung der Gesellschafterversammlung ausgehe. Daneben bat sie um Rückmeldung, sofern gegenüber einer Verlegung der Gesellschafterversammlung Bedenken bestehen sollten.
52Am 28.05.2021 fand die Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, an der die Klägerin nicht teilnahm. XXX fasste als einzig weiterer Gesellschafter der Beklagten folgenden Beschluss (vgl. Anlage B5, Bl. 189 ff. eA):
53„Ich beschließe daher – entsprechend dem TOP 2 der Einladung -, dass der GA Nr. 5 eingezogen und auf die Gesellschaft selbst übertragen wird“
54Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei wegen § 34 Abs. 2 GmbHG nicht an die Satzungsänderung aus März 2021 gebunden, da sie dieser nicht zugestimmt habe.
55Ferner habe die Gesellschafterversammlung vom 28.05.2021 verlegt werden müssen, da ihrem Einsichtsersuchen nicht entsprochen worden sei.
56Die Klägerin behauptet ferner, es fehle an Umständen, die einen wichtigen Grund für die Einziehung begründen könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegung im Schriftsatz vom 27.09.2021, S. 4 ff. Bezug genommen.
57Die Klägerin beantragt,
58den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 28.05.2021 zum Tagesordnungspunkt 2, mit dem die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlossen hat: „Ich beschließe daher – entsprechend dem TOP 2 der Einladung -, dass der GA Nr. 5 eingezogen und auf die Gesellschaft selbst übertragen wird“, für nichtig zu erklären.
59Die Beklagte beantragt,
60die Klage abzuweisen.
61Sie ist der Ansicht, der Beschluss vom 12.03.2021 sei rechtswirksam ergangen. Die Ladung sei ordnungsgemäß erfolgt.
62Sie ist weiter der Ansicht, die Klägerin habe der Satzungsänderung vom 12.03.2021 mit E-Mail vom 11.03.2021 (Anlage B3, Bl. 187 ff. eA) konkludent zugestimmt. Die Zustimmung der Klägerin zur Änderung der Regelungen zur Zwangseinziehung sei schließlich nicht erforderlich gewesen, weil die Möglichkeit bereits kraft Gesetzes bestünde und keiner Satzungsänderung bedürfe.
63Auch habe die Einstimmigkeit zur Satzungsänderung am 12.03.2021 dadurch vorgelegen, dass alle anwesenden Gesellschafter zugestimmt hätten.
64Die beschlossene Satzungsänderung sei nicht nichtig und hilfsweise mit heilender Wirkung zum Handelsregister eingetragen worden.
65Eine Verlegung der Gesellschafterversammlung vom 28.05.2021 habe nicht erfolgen müssen. Sie behauptet, die Klägerin habe von der ihr später angebotenen Möglichkeit der Einsichtnahme und selbstständigen Fertigung von Kopien im Büro des Steuerberaters keinen Gebrauch gemacht. Auch sei es klar gewesen, dass die Kosten für das Zusammensuchen von Unterlagen von der Beklagten getragen worden wären. Zudem sei die Einsichtnahme nicht zur Vorbereitung auf die Gesellschafterversammlung erforderlich gewesen, jedenfalls nicht für den Tagesordnungspunkt 2.
66Sie, die Beklagte, behauptet weiter, es hätten Umstände vorgelegen, die die Einziehung des Gesellschaftsanteils der Klägerin rechtfertigen. Es sei nicht zumutbar gewesen, die Gesellschaft mit Beteiligung der Klägerin fortzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.08.2021, S. 4 ff. verwiesen.
67Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2022 verwiesen.
68Die Klageschrift ist am 22.06.2021 eingegangen. Die Kammer hat der Beklagten in der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatznachlass bewilligt, wobei die Frist bis zum 01.03.2022 verlängert worden ist (vgl. Bl. 164 eA). Mit Schriftsatz vom 17.02.2022 hat die Beklagte eine Hilfswiderklage erhoben.
69Entscheidungsgründe
70Die zulässige Klage ist begründet.
71Die Klägerin ist als von dem Einziehungsbeschluss vom 12.03.2021 betroffene Gesellschafterin aktivlegitimiert, selbst wenn sie nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen sein sollte (vgl. Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., Anh. § 47 Rn. 75 mwN). Die beklagte Gesellschaft ist passivlegitimiert (Altmeppen, a.a.O. Rn. 87). Die Beschlussanfechtungsklage ist analog § 246 AktG statthaft (Altmeppen, a.a.O. Rn. 69).
72Die Beschlussanfechtungsklage ist auch begründet.
73Sie ist binnen Monatsfrist erhoben worden.
74Der Einziehungsbeschluss vom 12.03.2021 ist wegen einer unwirksamen Satzungsgrundlage anfechtbar.
75Die fehlende Zustimmung eines Gesellschafters nach § 34 Abs. 2 GmbHG stellt bei einem Einziehungsbeschluss einen Anfechtungsgrund analog § 243 AktG dar (Sosnitza, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 34 Rn. 86). In diesem Fall fehlt es an einer satzungsrechtlichen Grundlage für die Einziehung.
76Nach § 34 Abs. 2 GmbHG müssen die Voraussetzungen der zwangsweisen Einziehung schon im Zeitpunkt des Erwerbs des Geschäftsanteils durch den betreffenden Gesellschafter satzungsmäßig festgelegt gewesen sein. Eine nachträgliche Einführung einer Zwangseinziehungsregelung, auch eine nachträgliche Erleichterung der Zwangseinziehungsvoraussetzungen, bedarf, um nicht unwirksam zu sein, der Zustimmung sämtlicher betroffener Gesellschafter (BGH, NJW 1992, 892, 893; Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 34 Rn. 9).
77Eine zustimmungsbedürftige nachträgliche Satzungsänderung im Sinne von § 34 Abs. 2 GmbHG lag hier am 12.03.2021 vor. Die Klägerin war schon vorher Gesellschafterin. War in der ursprünglichen Satzung nur im Falle des Todes eines Gesellschafters innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre oder bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters eine Einziehung ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters vorgesehen, sollte nach der Satzungsänderung vom 12.03.2021 eine Einziehung – worauf sich die Beklagte vorliegend auch beruft – auch möglich sein, wenn wichtige Gründe in der Person des Gesellschafters seinen weiteren Verbleib in der Gesellschaft als unzumutbar erscheinen lassen oder ein Zerwürfnis vorliegt, das der betroffene Gesellschafter überwiegend verursacht hat. Da Einziehungsgründe in einer Satzung niederzulegen sind (§ 34 Abs. 1 GmbHG), greift auch nicht das Argument, dass die Satzung insoweit nur gesetzliche Regeln wiedergebe und die Klägerin nicht darüber hinaus belaste.
78Dass der satzungsändernde Beschluss vom 12.03.2021 von der Klägerin nicht gesondert angefochten worden ist, ist nach Auffassung der Kammer unschädlich. Die Kammer geht davon aus, dass eine Satzungsänderung, die unter § 34 Abs. 2 GmbHG fällt, ohne Zustimmung der (betroffenen) Gesellschafter unwirksam ist und scheitert (BGH, NJW 1992, 892, 893; Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 34 Rn. 9), weswegen es keiner Anfechtung des satzungsändernden Beschlusses bedarf (vgl. aber OLG Stuttgart, Urteil vom 27.06.2018, 14 U 33/17 = BeckRS 2018, 21664 Tz. 111). Es trifft zwar zu, dass satzungsändernde Beschlüsse allgemeinen Regeln unterliegen und daher grundsätzlich anzufechten sind (vgl. Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 53 Rn. 83). Etwas anderes gilt aber, wenn eine notwendige Zustimmung unterblieben ist. Dann bedarf es wegen der Unwirksamkeit keiner Beschlussanfechtung (vgl. Hoffmann, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 94 f; vgl. Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 53 Rn. 90). Es handelt sich bei der Zustimmung um ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis, das neben den satzungsändernden Beschluss tritt (vgl. Schnorbus, a.a.O., § 53 Rn. 74).
79Die Klägerin hat hier auch keine Zustimmung zur der Satzungsänderung vom 12.03.2021 erteilt. Die Zustimmung ist eine nach BGB zu beurteilende Willenserklärung und bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann mündlich, schriftlich oder konkludent innerhalb oder außerhalb der Gesellschafterversammlung erteilt werden (vgl. Schnorbus, a.a.O, Rn. 79; Sosnitza, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 34 Rn. 14). Eine entsprechende Zustimmung kann der E-Mail der Klägerin vom 11.03.2021 nicht entnommen werden, weder ausdrücklich noch konkludent. Die Klägerin hat darin ausgeführt, dass sie ohne Aushändigung bestimmter Unterlagen keine zielgerichtete sachliche Entscheidung treffen könne, wobei die Formulierung „insbesondere zur Änderung der Geschäftsform“ bedeutet, dass diese Aufzählung nicht abschließend war. Die Klägerin hat die Zustimmung zur Satzungsänderung mit der Klageschrift endgültig verweigert.
80Die Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister kann den Verstoß gegen § 34 Abs. 2 GmbHG nicht heilen. Nach § 242 Abs. 1 AktG analog können Formmängel durch Eintragung geheilt werden (vgl. BGH, DStR 1995, 1967). Die Heilungswirkung tritt bei anderen Mängeln allenfalls mit einem Zeitablauf von 3 Jahren gemäß § 242 Abs. 2 AktG analog ein (vgl. Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 54 Rn. 37, Anhang nach § 47: Mangelhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen, Rn. 73 ff.). Da hier jedenfalls noch nicht 3 Jahre nach Eintragung verstrichen sind, braucht nicht entschieden zu werden, ob ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 GmbHG überhaupt geheilt werden kann (vgl. Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47: Mangelhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen, Rn. 75a).
81Weil die Anfechtungsklage bereits aus den vorstehenden Gründen erfolgreich ist, bedarf es keiner weiteren Klärung, ob daneben eine (streitige) rechtswidrige Verweigerung der Auskunft oder Einsicht in Geschäftsunterlagen zur Anfechtbarkeit des angegriffenen Beschlusses geführt hat, wofür dieser im Zusammenhang mit der begehrten Information stehen musste (vgl. Römermann, in: Michalski/Heinigner/Leible/J.Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 51a Rn. 226) oder ob die Einziehungsvoraussetzungen aus der Satzung vom 12.03.2021 vorgelegen haben.
82Der mit Schriftsatz vom 17.02.2022 angekündigte Hilfswiderklageantrag ist mangels Antragstellung in der mündlichen Verhandlung unzulässig (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1085; BGH, NJW 2000, 2512, BGH, NJW–RR 2009, 853 Tz. 8), dies trotz Ankündigung in einem nachgelassenen Schriftsatz (vgl. BGH, Beschluss vom 07.11.2017, XI ZR 529/17 = BeckRS 2017, 133092 Tz. 6). Eine Entscheidung über die eingereichte Hilfswiderklage hat daher nicht zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2017, RiZ(R) 3/16 = BeckRS 2015, 122443 Tz. 40; BGH, Beschluss vom 07.11.2017, XI ZR 529/17 = BeckRS 2017, 133092 Tz. 7). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach §§ 296 a S. 2, 156 ZPO war allein wegen der Ankündigung neuer Anträge nicht angezeigt.
83Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nach § 709 S. 1 und S. 2 ZPO ergangen. Dabei war zu beachten, dass es sich vorliegend um eine prozessuale Gestaltungsklage handelt, für die nur hinsichtlich der Kosten eine vorläufige Vollstreckbarkeit gegeben ist.