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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Anonymisierte Abschrift |
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95 C 77/23 |
Amtsgericht Lüdenscheid
3IM NAMEN DES VOLKES Urteil
4In dem Rechtsstreit
5in pp.
6hat das Amtsgericht Lüdenscheidauf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2024durch den Richter am Amtsgericht Kirchhoff
7für Recht erkannt:
8Die Klage wird abgewiesen.
9Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
10Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
11Tatbestand
12Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen..
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig. Der Schiedsvertrag vom 05.02.1973 steht der Zulässigkeit nicht entgegen, weil die Beklagte keine dahingehende Rüge erhoben hat (§ 1032 ZPO).
15Die Klage ist unbegründet.
16Wie der Kläger mit Schreiben vom 02.01.2024 klargestellt hat, entspricht die Klageforderung der Differenz des für den Zeitraum 01.10.2021 bis 31.12.2022 an die Beklagte gezahlten Preises, der auf der Basis des Erdgasindexes des Statistischen Bundesamtes Fachserie 17, Reihe 2 – Preise und Preisindizes für gewerbliche Produkte (Erzeugerpreise), 1. Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz), 1.1 aktuelle Ergebnisse, lfd. Nr. 650, errechnet ist, zu dem Preis, der sich auf der Grundlage des Indexes Nr. 633 errechnet hätte. Dabei stimmt der Erdgasindex 633, Basis 2015, überein mit dem in der Preisliste der Fernwärmeversorgung Niederrhein GmbH vom 15.12.2017 genannten Erdgasindex Nr. 628, Basis 2010.
17Der Erfolg der Klage hängt daher davon ab, ob die Beklagte durch die am 29.09.2021 in den Lüdenscheider Nachrichten bekannte gemachte einseitige Erklärung den für den Fernwärmepreis maßgeblichen Index wirksam von 633 (628) in 650 geändert hat. Diese Frage ist zu bejahen.
18Zu § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in der im vorliegenden Fall maßgeblichen, bis zum 04.10.2021 geltenden Fassung hat der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen entschieden, dass Preisänderungsklauseln in Fernwärmeverträgen zwar grundsätzlich nicht einseitig geändert werden können (so jetzt auch § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in der seit dem 05.10.2021 geltenden Fassung), aber das Versorgungsunternehmen berechtigt und verpflichtet sei, eine von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt werde, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspreche (Urteil vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19, Urteil vom 31.08.2022, VIII ZR 232/21, Urteil vom 28.09.2022, VIII ZR 91/21, Urteil vom 15.03.2023, VIII ZR 77/22). Ein solcher Ausnahmefall lag hier vor. Preisänderungsklauseln in einem Fernwärmevertrag müssen eine angemessene kosten- und marktorientierte Preisbemessung gewährleisten (siehe BGH, Urteil vom 27.09.2023, VIII ZR 263/22). Das traf auf die von der Fernwärme Niederrhein am 15.12.2017 festgelegte Preisregelung mit Einführung des CO²-Preises zum 01.01.2021 nicht mehr zu. Denn weil der Index 633 (Erdgas, bei Abgabe an Handel und Gewerbe) sämtliche Kosten einschließt, also auch die „CO²-Abgabe“, waren von diesem Zeitpunkt an die Aufwendungen für Emissionszertifikate (§ 10 Brennstoffemissionshandelsgesetz) doppelt berücksichtigt.
19Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass die Fernwärmeversorgung Niederrhein GmbH, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, diese Lage selbst durch Einführung des CO²-Preises herbeigeführt hat. Denn bereits in der Preisregelung vom 15.12.2017 war unter Nr. 6 zwingend festgelegt, dass eine direkte oder indirekte Belastung aufgrund von CO²-Mehrkosten in der jeweiligen Höhe vom Kunden zu tragen sind.
20Bei der Festlegung des neuen Indexes hat die Beklagte den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum (siehe BGH, Urteil vom 27.09.2023, VIII ZR 263/22) rechtmäßig ausgeübt. Von den zur Verfügung stehenden Indizes 650 (Erdgas bei Abgabe an die Industrie, Jahresabgabe 116.300 MWh ohne CO²-Abgabe), 651 (Erdgas bei Abgabe an die Industrie, Jahresabgabe über 500.000 MWh ohne CO²-Abgabe) und 652 (Erdgas bei Abgabe an Kraftwerke ohne CO²-Abgabe) ist der Index Nr. 650 der nächstliegende. Die geänderte Preisanpassungsklausel berücksichtigt auch sowohl – durch die Anknüpfung an den Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes, Faktor W der Formel - die Verhältnisse auf dem allgemeinen Wärmemarkt als auch – durch die Anknüpfung an den Erdgasindex – die Entwicklung der Kosten des bei der Wärmeerzeugung überwiegend eingesetzten Energieträgers. Sie erfüllt damit die Anforderungen an eine den § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechende Preisanpassungsklausel (s. BGH, Urteil vom 27.09.2023, VIII ZR 263/22).
21Die Auffassung des Klägers, die AVBFernwärmeV seien auf seinen Vertrag nicht anzuwenden, trifft nicht zu. Gemäß § 37 der AVBFernwärmeV, die aufgrund von § 27 AGB-Gesetz erlassen wurde und am 01.04.1980 in Kraft getreten ist, geltend die § 2 bis 34 auch für Versorgungsverträge, die vor dem 01.04.1980 zustande gekommen sind. Diese Regelung ist wirksam (s. BGH, Urteil vom 28.01.1987, VIII ZR 37/86). Ob die Fernwärmeversorgung Niederrhein seinerzeit ihrer Unterrichtungspflicht (§ 37 Abs. 2 S. 2 AVBFernwärmeV) nachgekommen ist, kann dahinstehen. Denn das Gesetz macht die Anwendung der AVBFernwämeV auf Altverträge nicht von der Erfüllung der Unterrichtungspflicht abhängig.
22Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 24 AVBFernwärmeV auch nicht deswegen unabwendbar, weil zwischen den Parteien ein „Sondervertrag“ besteht. Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Vertragsparteien nach § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV den Vertrag zu allgemeinen Versorgungsbedingungen abschließen können, die von den § 2 bis 34 AVBFernwärmeV abweichen. Um einen solchen Vertrag handelt es sich hier jedoch nicht. Insbesondere beinhaltet die am 01.12.1987, also nach Inkrafttreten der AVBFernwärmeV, zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und der Fernwärmeversorgung Niederrhein GmbH vereinbarte Preisregelung keine Abweichung von den AVBFernwärmeV.
23Auf die Frage, ob die am 15.12.2017 durch die Fernwärmeversorgung Niederrhein GmbH bekannt gemachte einseitige Neufassung der Preisregelung wirksam war, kommt es nicht an. Denn auch wenn diese Preisregelung unwirksam sein sollte, würde dies nicht dazu führen, dass der Klage stattzugeben wäre. Dann wäre nämlich auch der Erdgasindex 628 (später 633), auf den der Kläger seine Klage stützt, nicht Inhalt des Vertrages geworden, sodass der Klageforderung die Grundlage entzogen wäre.
24Dahinstehen kann daher auch, ob die Neufassung der Preisregelung zum 15.12.2017, selbst wenn sie zunächst unwirksam gewesen sein sollte, jedenfalls dadurch wirksam geworden ist (was sich nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht beurteilen lässt), dass der Kläger die neue Preisregelung nach Bekanntgabe der ersten auf die geänderte Preisregelung gestützten Abrechnung nicht beanstandet hat (s. BGH, Urteil vom 20.12.2023, VIII ZR 309/21).
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11 und 713 ZPO.
26Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) liegen nicht vor. Eine Berufung würde weder der Fortbildung des Rechts dienen, noch wäre sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. In Betracht kommt allenfalls eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (s. BGH, NJW 2003, Seite 1943, zu § 543 ZPO). Daran fehlt es hier. Zwar hat die Beklagte, soweit ersichtlich, mit den etwa 300 anderen Beziehern der Fernwärme aus dem Blockheizkraftwerk Wehberg gleiche oder ähnliche Verträge wie mit dem Kläger. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass einer der anderen Fernwärmekunden die Wirksamkeit der Änderung des Erdgasindexes beanstandet hat. Auf die dahingehende Frage des Gerichts hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung lediglich mitgeteilt, dass man, falls der Klage stattgegeben würde, mit Nachahmern rechne. Dies deckt sich mit der auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 22.01.2024 formulierten Befürchtung der Beklagten. Diese Gefahr besteht im Falle einer Klageabweisung nicht.
27Rechtsbehelfsbelehrung:
28Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
291. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
302. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
31Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Hagen, Heinitzstr. 42, 58097 Hagen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
32Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Hagen zu begründen.
33Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Hagen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
34Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
35Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
36Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
37Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
38Kirchhoff