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Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 3.460,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 15.05.2008 sowie weitere 543,59 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Streithelfer selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Kläger erwarben im November 2005 mehrere große Fenster- und Türenelemente bei dem Beklagten, der ein Fachunternehmen, unter anderem für den Vertrieb von Fenstern, betreibt.
3Die Kläger erteilten dem Beklagten im September 2005 den Auftrag, Holzfenster zu demontieren und neue Fenster zu montieren. Darüber hinaus gab es weitere Aufträge, wie etwa den Einbau von Alu-Rolläden mit Motorantrieb. Insgesamt wurden hierfür mit zwei verschiedenen Rechnungen zunächst 5.048,32 EUR und sodann weitere 3.828,00 EUR abgerechnet. Hinsichtlich der näheren Details wird Bezug genommen auf die zugrunde liegenden Rechnungen, Anlagen K 3 und K 4, Blatt 21 und Blatt 22 der Gerichtsakte. Die Beträge wurden durch die Kläger bezahlt.
4Auf den vom Beklagten eingebauten Fenstern zeigten sich nach dem Einbau bei den Klägern mehrere unterschiedlich große Kreise, wobei die genaue Anzahl der Kreise sowie die Bedingungen, unter denen die Kreise sichtbar werden, umstritten sind. Die Kreise wurde von den Klägern im Jahr 2007 gerügt. Daraufhin kam es zu diversen Besichtigungsterminen.
5Die Kläger behaupten, dass die Kreise in unterschiedlichen Größen zu sehen seien. Dies sei immer der Fall, wenn die Scheibe nass werde. Sie seien insbesondere zu sehen, wenn sich innen oder außen Kondensat auf der Scheibe festsetze oder die Scheibe von innen oder von außen nass werde. Die Kreise seien zu sehen auf den Scheiben in der Küche, dem Gäste- und dem Schlafzimmer. Insgesamt seien etwa 300 Kreise zu sehen. Sie behaupten weiter, dass die Mängelbeseitigung einen Betrag in Höhe von 3.460,52 EUR kosten wird. Sie sind der Ansicht, einen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Summe als Aufwendungsersatzanspruch sowie auf Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten zu haben.
6Die Kläger beantragen,
7den Beklagten zur Zahlung von 3.460,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15.05.2008 sowie weiterer 543,59 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten an die Kläger zu verurteilen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Schriftsatz vom 19.01.2009, bei Gericht eingegangen am 20.01.2009, hat der Beklagte dem ersten Streitverkündeten, der H GmbH, den Streit verkündet. Die Streitverkündungsschrift ist der Streitverkündeten am 29.01.2009 zugestellt worden. Diese hat wiederum der zweiten Streitverkündeten, der K GmbH & Co. KG, den Streit verkündet. Dieser ist die Streitverkündungsschrift am 19.02.2009 zugestellt worden.
11Die zweite Streitverkündete, die K GmbH & Co. KG, beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte und die Streitverkündeten behaupten, dass die zu sehenden Kreise eine produktionsbedingte und unvermeidbare Veränderung der Benetzbarkeit der Glasoberfläche seien. Sie sind der Ansicht, dass es sich nicht um Mängel handele. Aus der Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen folge, dass es sich um keinen Mangel handele. In dem dortigen Punkt 4.1.6 sei geregelt, dass weder das Kondensat selbst noch die im Kondensatzustand sichtbaren Kreise, deren Sichtbarkeit aus einer unterschiedlichen Benetzbarkeit der Scheibe resultiere, einen Mangel begründen könnten. Am angegebenen Ort der Richtlinie sei vielmehr ausdrücklich geregelt, das aus der unterschiedlichen Benetzbarkeit kein Mangel folgen könne. Sie behaupten, dass die benannte Richtlinie anerkannt sei. Sie sind deshalb der Ansicht, dass die Richtlinie der Bewertung der Kreise als Mangel zugrunde zu legen ist.
14Im Übrigen sei die beabsichtigte Nachbesserung unverhältnismäßig.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, die Einholung zweier Ergänzungsgutachten sowie die zweimalige Befragung des Sachverständigen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Gutachten vom 23.03.2009, Blatt 103 ff. der Gerichtsakte, das erste Ergänzungsgutachten vom 22.07.2009, Blatt 260 ff. der Gerichtsakte, das zweite Ergänzungsgutachten vom 15.03.2011, Blatt 202 ff. der Gerichtsakte sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 03.02.2010 und 20.05.2011.
16Ferner sind die in der Küche befindlichen Fensterscheiben im Rahmen des Ortstermins vom 20.05.2011 in Augenschein genommen worden. Zu diesem Zweck sind die Fensterscheiben der Küche zunächst von außen mit Wasser besprüht und sodann mit einem Wasserschlauch von außen benässt worden. Ergebnis der Augenscheinnahme ist gewesen, dass auf den Fensterscheiben in der Küche von außen insgesamt drei Kreise zu sehen waren. Im trockenen Zustand ist keiner der Kreise zu sehen gewesen, sobald die Scheibe feucht geworden ist, sind die Kreise zu sehen gewesen. Die Kreise sind dabei sowohl von außen als auch von innen zu sehen gewesen, wenn schräg auf die Scheiben geschaut worden ist. Bei frontaler Ansicht sind die Kreise – auch in benässtem Zustand der Scheibe – nicht sichtbar gewesen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig und begründet.
19Der geltend gemachte Vorschussanspruch besteht aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 und 3 BGB.
20Zwischen den Parteien besteht ein Werkvertrag. Eine fruchtlos abgelaufene Frist hat der Kläger dem Beklagten gesetzt. Das Werk ist auch mangelhaft. Es liegt ein Sachmangel nach § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Bei der Frage der üblichen Beschaffenheit einer Fensterscheibe ist vom Zweck, der mit dem Einbau einer Fensterscheibe verbunden wird, auszugehen. Unmittelbarer Zweck einer Fensterscheibe ist es, zu isolieren und die Durchsicht zu gestatten. Dem Einbau einer Fensterscheibe liegen jedoch letztlich ästhetische Erwägungen zugrunde. In einem streng rationalen Gebäude würde auf den Einbau von Fensterscheiben komplett verzichtet. Fensterscheiben sollen daher nicht zuletzt das Wohlbefinden erhöhen, indem sie Licht in das Gebäude lassen. Insoweit ist zwar zunächst zu konstatieren, dass die eingebauten Fensterscheiben die unmittelbar verfolgten Zwecke zulassen. Die Isolierung ist in Ordnung und auch die Durchsicht ist nicht eingeschränkt. Was jedoch eingeschränkt ist, ist die Ästhetik. Der Kläger ärgert sich darüber, dass Ringe auf den Fensterscheiben zu sehen sind. Dass der Kläger dies als Ärgernis empfindet, liegt nicht an einer besonderen Empfindlichkeit, sondern ist vom Standpunkt eines objektiven Beobachters verständlich. Wer mehrere tausend Euro in Panoramafensterscheiben investiert und dann bei Regen auf diesen Kreise sieht, ist darüber erbost.
21Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kreise sowohl bei einer kondensierten Scheibe als auch bei einer benässten Scheibe zu sehen sind. Hinsichtlich der Sichtbarkeit bei einer kondensierten Scheibe folgt das Gericht dem insoweit nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen D. Dieser hat einen Feldversuch gestartet und die Scheiben mit einem künstlichen Kondensat versehen. Dabei waren die Kreise zu sehen. Von der Sichtbarkeit der Kreise bei einer benässten Scheibe, also insbesondere auch bei Regen, hat das Gericht sich selbst überzeugt. Dass die Anzahl der Kreise nicht der vom Kläger zumindest mittelbar behaupteten Anzahl entspricht (also 300) steht dem nicht entgegen. Auch Kreise in einer geringeren Anzahl begründen einen Mangel. Rechnet man die Anzahl der Kreise hoch, die das Gericht wahrgenommen hat, so sind mindestens 18 Kreise auf den Scheiben vorhanden (drei Kreise pro Seite jeder Scheibe). Dies genügt zur Überzeugung des Gerichts, um von einem Sachmangel der Scheiben auszugehen. Dass die übrigen Scheiben einer abweichende Qualität aufweisen, wurde vom Beklagten nicht behauptet. Hierfür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte.
22Bei der Beurteilung eines Sachmangels legt das Gericht die Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas nicht zugrunde. Diese stellt zunächst keiner Rechtsnorm dar, da sie von Privatleuten aufgestellt wurde. Sie wurde von Parteien des Rechtsstreits auch nicht in dem Werkvertrag einbezogen. Schließlich ist die Richtlinie auch nicht zur Beurteilung der Frage zugrunde zu legen, was die übliche Beschaffenheit eines Werkes darstellt. Zwar erfasst die Richtlinie zur Überzeugung des Gerichts auch den hier zugrunde liegenden Fall, indem sie in ihrem § 4.1.6 die Benetzbarkeit von Glasoberflächen als Mangel ausschließt. Jedoch ist die Richtlinie insgesamt nicht anwendbar. Nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D ist die Richtlinie nicht so weit verbreitet, dass sie ein anerkanntes Werk zur Beurteilung von Mängeln darstellen würde. Seinen Ausführungen zufolge, denen das Gericht sich anschließt, handelt es sich insoweit vielmehr um ein Produkt von Lobbyisten, das dazu dient, bestimmte Mängel als Mängel auszuscheiden. Dem stimmt das Gericht zu. Es wäre grob unbillig, die Benetzbarkeit von Glasoberflächen ausnahmslos als Mangel auszuscheiden. Es sind auf Fensterscheiben üblicher Qualität überhaupt keine Kreise sichtbar, wie der Sachverständige dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2011 darlegte. Unter dieser Prämisse ist es nicht hinnehmbar, das vermeidbare Auftreten sichtbarer Kreise, unabhängig von deren Anzahl, ihrer Größe und ihrem Aussehen, ausnahmslos und unabhängig vom jeweiligen Einzelfall als Mängel auszuschließen. Es ist für den Käufer einer Fensterscheibe, die eben nicht der durchschnittlichen Qualität entspricht, weil auf ihr Kreise zu sehen sind, die auf den meisten anderen Scheiben nicht zu sehen sind, nicht zu erklären, warum diese Abweichung von der Üblichkeit keinen Mangel begründen sollte.
23Ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nach § 637 Abs. 1 a.E. in Verbindung mit § 635 Abs. 3 BGB besteht nicht. Die Nacherfüllung erfordert keine unverhältnismäßigen Kosten. Maßgeblich für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Kosten im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB ist das Verhältnis zwischen dem ggf. zu schätzenden Nacherfüllungskosten auf der einen Seite sowie dem objektiven Wert des Werkes im mangelfreiem Zustand auf der anderen Seite. Als Richtwert kann insoweit auf die 130 % Grenze abgestellt werden, die zu § 251 Abs. 2 entwickelt wurde, ohne dass diese Grenze starr wäre (Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 635, Rn. Nr. 38). Hier übersteigen die Kosten der Nacherfüllung den Wert des Werkes im mangelfreien Zustand nicht. Dass der Mangel nicht immer sichtbar ist, führt nicht dazu, dass dieser vom Käufer hingenommen werden muss. Die Sichtbarkeit des Mangels ist zur Überzeugung des Gerichts ausschließlich bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Abweichung von der Üblichkeit einen Mangel im Rechtssinne darstellt.
24Der Anspruch besteht auch der Höhe nach. Zwar liegt dem Kostenvoranschlag zugrunde, dass 300 Kreise zu entfernen sind, jedoch ist dies nach den insoweit nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen unerheblich. Die Reinigung der Scheibe erfolgt unabhängig von der Anzahl der Kreise. Die geltend gemachte Summe ist nach den Angaben des Sachverständigen daher angemessen.
25Die Nebenforderungen folgen aus §§ 280, 286 BGB.
26Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.