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Der Angeklagte wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von
sechs Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung wird angeordnet.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
Angewendete Vorschriften: §§ 176 Abs. 1 Nr. 1, 176c Abs. 1 Nr. 2 lit. a) in der Fassung vom 16.06.2021, 184 b Abs. 1 Nr. 3, 52, 53, 66 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und Nr. 4 StGB
Gründe
2I.
3Feststellungen zur Person
41. Persönlicher Werdegang
51.1.
6Der jetzt … Jahre alte Angeklagte ist in E. geboren und in C. und H. aufgewachsen. Er lebte in C. zunächst mit seiner Mutter - O. - seinem leiblichen Vater und seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, dem S., der ebenfalls aus derselben Beziehung wie er stammt, zusammen. Die Mutter trennte sich vom leiblichen Vater des Angeklagten, der Alkohol- und Spielsuchtprobleme hatte, als der Angeklagte zweieinhalb Jahre alt war. Nach der Trennung seiner Mutter vom leiblichen Vater des Angeklagten lebte der Angeklagte mit seinem jüngeren Bruder und seiner Mutter bei seinen Großeltern bis O. einen Mann namens Z. kennenlernte, der ihr neuer Partner wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte etwa drei Jahre alt. Von diesem Partner Z. wurde der Angeklagte misshandelt, indem er getreten und vor die Wand geworfen wurde, wenn dieser betrunken nach Hause kam.
7Nachdem die Mutter sich mit ihrem Partner gestritten hatte, kam es dazu, dass sie mit den beiden Kindern aus der gemeinsamen Wohnung auszog und erneut zu den Großeltern, bzw. aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Trennung der Großeltern, für rund ein halbes Jahr zum Großvater des Angeklagten zog. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte zwischen viereinhalb und fünfeinhalb Jahre alt.
8Als der Angeklagte zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr war, wandte sich die Mutter einem neuen Partner, dem N., alias T., zu, der der zweite Stiefvater für den Angeklagten wurde. Aus dieser Beziehung zwischen O. und N., alias T., sind drei Kinder hervorgegangen, zwei Halbbrüder - K. und V. -, welche acht bzw. neun Jahre jünger als der Angeklagte sind, sowie die zehn Jahre jüngere Halbschwester P..
9Während der Angeklagte keinen Kindergarten besuchte, weil der Mutter es nicht gelang, ihn für einen solchen Besuch erfolgreich anzumelden, besuchte sein jüngerer Bruder einen solchen. Da der Angeklagte erheblich älter als seine (Halb-)Geschwister war, musste er auf diese oft aufpassen.
10Auch von N., alias T., wurde der Angeklagte schwer misshandelt. Dieser verprügelte ihn, wenn Geld weggekommen war. Er trat ihn mit Cowboystiefeln, warf mit Kisten nach ihm und bedrohte ihn in einem Fall mit einer Pistole mit den Worten: „Wenn deine Mutter jetzt da wäre, würde ich dich abknallen." Er warf ihn gegen einen Schrank, wenn der Angeklagte nicht richtig aufgeräumt hatte. Wenn der Hund des Angeklagten auf die Treppe gemacht hatte, weckte er ihn nachts und drückte das Gericht des Angeklagten in die Hundenotdurft. Ferner musste der Angeklagte sich auf heiße Heizungsrohre stellen, damit angeblich die Hunde den Teppich nicht wegziehen konnten.
11Ferner erniedrigte er den Angeklagten in der Weise, als er Kleidung tragen musste, die ihm zu klein war. Weiterhin erzählte er den Freunden des Angeklagten, dass der Angeklagte ins Bett mache. Auch stellte N., alias T., ihn, wenn er nachts eingenässt hatte, unter die kalte Dusche oder auf den kalten Balkon. Obwohl die Mutter, welche ebenfalls von N., alias T., geschlagen wurde, zwischendurch mit den Kindern ins Frauenhaus ging, kehrte sie doch immer wieder zu ihrem Partner zurück.
12Der Angeklagte wurde nicht nur von dem Partner der Mutter grob misshandelt. Er fühlte sich auch gekränkt durch das Verhalten seines Bruders V. und des Halbbruders K., welche ihm zum Beispiel zum Geburtstag eine Sperrmüllkarte schenkten, in Anspielung darauf, dass er viele Sachen sammelte.
13Ein Freund des Herrn N., alias T., welcher öfter in der Wohnung der Familie übernachtete, missbrauchte den Angeklagten über einen Zeitraum von etwa einem Jahr, wobei es auch zum Analverkehr kam. Da war der Angeklagte etwa sieben Jahre alt.
14Als der Angeklagte etwa 10-12 Jahre alt war, kam es über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren in unregelmäßigen Abständen zu sexuellen Übergriffen auf ihn durch seinen Onkel Y..
15Mit 12 Jahren wurde er von einem Freund seines zweiten Stiefvaters ebenfalls sexuell missbraucht. Dieser passte wiederholt auf den Angeklagten auf. Diese Person mit Namen U. spielte im Genitalbereich des Angeklagten und dieser U. und der Angeklagte urinierten sich wechselseitig an. Der Angeklagte empfand dies seinerzeit als Spiel.
16Im Alter von etwa 13 Jahren wurde der Angeklagte, als er in einem Waldstück in der Nähe des L. spielte, von einem völlig fremden Mann, den er von seinem Aussehen her für einen „Penner" hielt, anal vergewaltigt, und zwar unter Vorhalt eines Messers an den Hals.
17Seinen 14. Geburtstag feierte der Angeklagte zum Missfallen seines zweiten Stiefvaters N., alias T., mit einem Bekannten namens R. – einem Travestiekünstler – in einer Gaststätte und nicht mit der Familie. Dort suchte ihn sein zweiter Stiefvater auf und schlug die Mutter O. im Anschluss in der gemeinsamen Wohnung, weshalb seine Halbgeschwister nachts noch zu ihm flüchteten. Daraufhin kam es zu einer temporären Trennung und Flucht der O. mit ihren Kindern ins Frauenhaus für ca. ein Jahr. Von dort zogen sie für rund ein Jahr nach I., nachdem die Mutter eine etwa gleichaltrige Freundin – W. – kennen gelernt hatte. Die Mutter des Angeklagten versöhnte sich jedoch mit N., alias T., und er zog letztlich wieder bei ihr ein. Nach rund einem Jahr in I. zog die Familie mit N., alias T., nach H., als der Angeklagte 16 Jahre alt war. In H. mussten O. und N., alias T., aufgrund einer Auflage des Jugendamtes getrennte Wohnungen nehmen. Es handelte sich um eine On-/Off-Beziehung. Zu einer endgültigen Trennung kam es allerdings erst, als der Angeklagte 18 Jahre alt war und nicht mehr in dem Haushalt der Mutter lebte. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und N., alias T., wurde auch in H. nicht besser, allerdings wurde der Angeklagte aufgrund seiner körperlichen Entwicklung stärker und widersetzte sich zunehmend und drohte ihm auch einmal an „ihn abzustechen“, wenn er nicht von ihm in Ruhe gelassen würde.
18Im Alter von 11 bis 16 Jahren lief der Angeklagte mehrfach von zu Hause weg und versuchte einige Male, sich das Leben zu nehmen. Er lief vor ein Auto und sprang aus einem Fenster, ohne dass es zu ernsthaften Verletzungen kam. Als er mit einem Roller vor einen Baum fahren wollte, kam er schon vorher zu Fall.
19Seinen leiblichen Vater traf der Angeklagte dann im Alter von 16 Jahren wieder, nachdem der Angeklagte seine Mutter O. wiederholt nach dessen Namen und Anschrift fragte. Der Angeklagte hatte dann auch Kontakt mit dem an Asthma und Diabetes leidenden Vater, der wiederholt umgezogen war, aber stets wegen seiner Erkrankungen in der Nähe von Krankenhäusern lebte, und lernte so auch seine drei Halbgeschwister kennen, die aus einer anderen Beziehung des Vaters stammen. Der Kontakt brach zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt wieder ab, als der Vater erneut wegzog. Inzwischen ist der leibliche Vater des Angeklagten verstorben, wie der Angeklagte über dessen Lebensgefährtin erfahren hatte.
201.2.
21Der Angeklagte besuchte im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder keinen Kindergarten, aber später die Grundschule. In seinem Zeugnis stand, dass er aggressiv gegen andere Kinder sei und den Unterricht störe. In der Hauptschule kam es wieder zur Verhaltensauffälligkeiten. Der Angeklagte schlug sich häufig mit anderen Kindern, rastete oft aus und hatte nie wirklich Respekt vor Menschen. Als er einmal die Tochter des Direktors trat, weil diese ihn in die Hoden getreten hatte, schlug der Direktor ihn und der Angeklagte schlug zurück. Dieses Ereignis hatte einen Schulverweis zur Folge. Er kam schließlich mit 13 Jahren zur Sonderschule, nachdem er vorher einem Kind ein Stück aus der Schulter herausgebissen hatte.
22Auf der A.-Sonderschule hatte er erstmals einen Freund, während er vorher von seinen Mitschülern nicht gut gelitten war und deswegen zum Einzelgänger wurde. Er verließ die Sonderschule nach der 9. Klasse im Alter von 14 Jahren und ging dann zu einer Berufsschule nach J.. Nach den Umzügen der Familie von C. nach I. und später nach H., gelang es dem Angeklagten, in J. den Hauptschulabschluss der 10. Klasse zu erreichen. Er leidet an einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Als der Angeklagte in H. wohnte, schwänzte er dann zunächst die Berufsschule und ging dann schließlich gar nicht mehr dort hin.
231.3.
24Eine Berufsausbildung absolvierte der Angeklagte in Freiheit nicht. Er fand verschiedene Arbeitsstellen, arbeitete u.a. als Kommissionierer bei einem Getränkehersteller, in einem X.-Lager und bei G.. Fast 2 Jahre lang war er bei einer Entrümpelungsfirma beschäftigt. Auch bei Zeitarbeitsfirmen war der Angeklagte kurzfristig tätig. In den folgenden Jahren, bis zu seiner Verhaftung am 00.00.0000 und Anordnung der Untersuchungshaft am 00.00.0000 anlässlich der unter I. 4.2. verurteilten Taten und Unterbringung im Maßregelvollzug ab 2010, arbeitete der Angeklagte in Freiheit nicht mehr.
251.4.
26Im Maßregelvollzug, in dem er sich seit seinem 27. Lebensjahr befindet und den das Landgericht Dortmund in Form einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anlässlich einer Verurteilung u. a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen Mädchen angeordnet hatte, wozu unter I. 4.2. noch näher ausgeführt wird, begann er dort im Jahr 2014 eine Ausbildung im Bereich Holz. Die Ausbildung in diesem Bereich misslang, er arbeitete aber in der Holzwerkstatt weiter. Später bemühte er sich um eine Ausbildung im Bereich Metall, wo er sogar einen Abschluss erlangte, der allerdings nur für einen Zeitraum von 6 Monaten anerkannt wurde und nunmehr keine Gültigkeit mehr hat.
272. Alkohol und Betäubungsmittel, Unfälle
28Als Kind litt der Angeklagte unter dem Kawasaki-Syndrom, einer Entzündung von Gefäßen, Lymphknoten und Organen, wobei die Ursache der Krankheit nicht bekannt ist.
29Im Alter zwischen 13 und 21 rauchte der Angeklagte ab und an einen Joint. Er nahm auch Amphetamine in nicht näher feststellbarer Menge. Als Jugendlicher trank er zudem Alkohol. Sein erstes Bier hatte er schon als Kind im Alter von nur acht Jahren. Im Alter von 16/17 Jahren trank der Angeklagte auch vor der Schule Bier, um über den Tag zu kommen. In die Schule brachte er dann zur Provokation mit Wasser gefüllte Bierflaschen mit. In der JVA Q., in der er wegen der unter I. 4. genannten Delikte in Untersuchungshaft saß, brannte der Angeklagte sich Alkohol. Auch in der Forensik trank er anfangs noch heimlich Alkohol, ließ dann hiervon aber schon vor Jahren ab. Der Angeklagte bezeichnet sich als trockenen Alkoholiker. Der Angeklagte konsumierte jedoch während eines Teils der ab November 2020 stattgefundenen Langzeitbeurlaubung im Maßregelvollzug eine halbe Flasche F. Kirsch die Woche, bevor er dann merkte, dass ihm das nicht guttat und er den Konsum daraufhin auf ein bis zwei Gläser pro Woche reduzierte und so – insbesondere im Tatzeitraum – nur wenig und sehr gelegentlich Alkohol konsumierte. Bei gemeinsamen Essen in der Langzeitbeurlaubung vom Maßregelvollzug ab November 2020 mit dem Zeugen D., der Mutter von M. und auch mit einem gemeinsamen Arbeitskollegen des Zeugen D., der zugleich auch ein Freund des Angeklagten wurde und U. hieß, konsumierte der Angeklagte keinerlei Alkohol, weder ein Bier oder ein anderes alkoholisches Getränk. Wenn er etwa einen Bierbraten für sich und Freunde zubereitete, trank er dann auch ein paar Schlucke Bier, stellte diese aber schnell aus den Sichtbereich, um nicht weiter in Versuchung zu geraten. Meist verzichtete er auf Alkohol, abgesehen von wenigen Gelegenheiten, bei denen er ein oder zwei Gläser F. mit Kirsch trank.
30Sonstige schwere Erkrankungen oder schwere Unfälle mit Kopf- oder Rückenmarkbeteiligung hat der Angeklagte nicht erlitten.
313. Sexuelle Entwicklung im Einzelnen
32Wegen der anfänglichen sexuellen Entwicklung des Angeklagten wird zunächst auf die schon unter I. 1.1. enthaltenen Ausführungen verwiesen.
33Die weitere Entwicklung war wie folgt:
34Im Alter von 14 Jahren hatte er eine Beziehung zu einem Travestiekünstler mit Namen R., mit dem er auch seinen 14. Geburtstag feierte. Es kam mit R. auch zu Intimitäten. Seine Mutter ging nach neuerlichen körperlichen Übergriffen mit dem Angeklagten und seinem Bruder ins Frauenhaus und trennte sich vorübergehend von N., alias T.. Im Frauenhaus lernt der Angeklagte eine Frau namens B. kennen, für die er Gefühle entwickelte und mit der er eine sexuelle Beziehung eingehen wollte. Er trennte sich von R.. Bei einem Versuch, mit B. intim zu werden, wurden die beiden durch das Klingeln eines sog. türkischen Weckers allerdings derart unterbrochen, dass es den beiden körperlich nicht möglich war, noch intim zu werden. Durch den Weggang aus dem Frauenhaus verlor sich dann auch dieser Kontakt.
35Im Alter von 16/17 Jahren im Jahr 0000 lernte der Angeklagte dann in H. W. kennen, die Kindsmutter seines späteren Opfers LP.. Frau W. hatte insgesamt zwei Kinder und war im Alter der Mutter des Angeklagten. LP. war zum Zeitpunkt des Kennenlernens des Angeklagten etwa fünf oder sechs Jahre alt. Als er nach etwa einem Jahr bei W. einzog, nachdem diese sich von ihrem bisherigen Partner getrennt hatte, und der Angeklagte ihr geholfen hatte, die Kinder zu beaufsichtigen, war dies zugleich der endgültige Auszug des Angeklagten von zu Hause. Der Angeklagte gestand Frau W. seine Liebe. Mit ihr versuchte er seinen ersten vaginalen Sex im Jahr 2001. Allerdings funktionierte der zwischen ihnen einverständlich herbeigeführter Geschlechtsverkehr nicht richtig; der Angeklagte hatte mitunter Probleme eine Erektion aufzubauen oder konnte diese nur sehr kurz halten. Er befriedigte W. daher vor allem etwa alle drei bis vier Tage oral oder mit der Hand, während es umgekehrt mangels hinreichender oder andauernder Erektion des Angeklagten nicht gelang. Dies hatte zur Folge, dass sich Frau W. einen anderen Intimpartner suchte und so auch zum Ende der Beziehung beitrug. Der Angeklagte suchte sich in der Nähe von Frau W. eine eigene Wohnung, besuchte Frau W. weiter regelmäßig und beaufsichtigte deren Kinder weiterhin. In der Zeit lernte er auch eine weitere Frau mit zwei kleinen Kindern im Alter von damals ein und drei Jahren kennen, die er in der Folgezeit beaufsichtigte. Auch diese Kinder übernachteten häufig bei ihm und es kam letztlich zu dem Tatgeschehen, weshalb ihn das Landgericht Dortmund verurteilte und was noch näher unter I. 4.2. ausgeführt wird. Im Jahr 2005 trennte sich der Angeklagte nach einem großen Streit endgültig von Frau W.. Ihr Kind LP. sah er zunehmend als seine „Partnerin“ an, was durch die Trennung noch verstärkt wurde, und so verbot er dem Kind LP. Kontakte zu anderen Kindern, vor allem zu Jungen. Auch gegenüber den anderen Kindern kam es zu sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten, wie sie das Landgericht Dortmund feststellte (dazu I. 4.2.).
362005 lernte er dann eine andere B., die mit vollem Namen FC. hieß, im Internet kennen. Der Angeklagte hatte auch in dieser Zeit Erektionsprobleme und wollte auf Empfehlung eines Freundes unterstützend Viagra ausprobieren. Dazu traf er sich mit seiner Internetbekanntschaft zwei oder drei Mal. Ein paar Wochen später lud ihn FC. noch einmal zu sich in die Wohnung ein. Da der Angeklagte die Gefühle der FC. nicht im gleichem Umfang erwiderte, wie sie ihm entgegengebracht wurden, kam es bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch, bei dem der Angeklagte auch alkoholisiert war, zu einer Schlägerei, woraufhin der Kontakt für rund zwei Jahre abbrach.
37Zufällig traf der Angeklagte FC. in der Stadt dann im Jahr 2008 wieder, als sie mit ihrer rund zweijährigen Tochter im Kinderwagen unterwegs war. Als der Angeklagte sie ansprach, erzählte sie ihm spontan, dass es sich bei dem Kind im Kinderwagen auch um seine Tochter handele. Nach ihren Angaben war der Angeklagte am 00.00.0000 Vater einer Tochter geworden. Der Angeklagte erfuhr es aber erst auf diesem Wege und im Nachhinein. Das Mädchen heißt MC.. Der Angeklagte hatte Kontakt zu ihr, sie besuchte ihn auch einmal in seiner Wohnung zusammen mit der Kindsmutter, als LP. sich dort aufhielt. Der Kontakt wurde von FC. zu ihm beendet, nachdem sie Kenntnis von den Taten zu Lasten von LP. erhielt. Der Angeklagte hat zu MC. heute keinen Kontakt.
38Der Angeklagte hat einen Windelfetisch. Einerseits entspannt ihn das Tragen von Windeln und er fühlt sich sicher und geborgen, da er in seiner Kindheit Bettnässer war und dafür damals bestraft wurde. Andererseits dient das Tragen wie auch das Anlegen von Windeln auch seiner sexuellen Stimulation. Das betrifft das eigene Tragen und Anlegen wie auch – jedenfalls Letzteres – die im vorliegenden Verfahren wie auch die in dem nachstehend (I. 4.2.) näher beschriebenen Dortmunder Verfahren betreffenden Kinder .
39Soweit ihm aus therapeutischen Gründen das Tragen von Windeln auch im Klinikum im Maßregelvollzug erlaubt wurde, reduzierte der Angeklagte das Tragen nach und nach und verlagerte und begrenzte es schließlich auf das Wochenende.
40Im Übrigen fühlt er sich teilweise als hetero-, als homo-, als transsexuell oder auch als bisexuell. Seine sexuelle Orientierung ist nicht vollends geklärt. Er hat aber eine heterosexuelle Präferenz zu präbupertären Mädchen und ist weiterhin pädophil und fetisch ansprechbar, obwohl er inzwischen durch jahrelange Therapie im Maßregelvollzug Handlungsstrategien entwickelt hat, damit umzugehen. Diese Strukturen nutzt er aber nicht durchgängig.
414. Vorstrafen
42Der Angeklagte ist wie folgt vorbestraft:
434.1.
44Gegen ihn wurde am 02.08.2007, rechtskräftig seit dem 25.08.2007, vom Amtsgericht Lünen im Verfahren 211 Js 1212/07 = 19 Cs 815/07 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Versicherungsschutz in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, begangen am 00.00.0000, eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € verhängt. Diese Strafe ist erledigt durch Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe.
454.2.
46Das Landgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten am 15.09.2009 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 33 Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in 4 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten. Zudem ordnete es die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Urteil ist seit dem 06.01.2010 rechtskräftig.
47In diesem Verfahren war der Angeklagte am 00.00.0000 vorläufig festgenommen worden und befand sich seit dem 00.00.0000 auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts C. vom selben Tage in Untersuchungshaft, welche vom 07.09.2008 bis 17.10.2008 einschließlich zur Vollstreckung der oben angeführten Ersatzfreiheitsstrafe unterbrochen war.
484.2.1.
49Der Verurteilung lagen folgende Sachverhalte zugrunde:
50„Als der Angeklagte etwa 16 / 17 Jahre alt war, lernte er durch seine kleine Halbschwester P. die am 00.00.0000 geborene Zeugin und Nebenklägerin LP. und dadurch auch deren Mutter, die Zeugin W. kennen. Obwohl die Zeugin W. wesentlich älter als er, nämlich im selben Alter wie seine eigene Mutter, war, hatte er Interesse an ihr und verliebte sich in sie. Zunächst beschränkte sich das Verhältnis auf Gefälligkeiten, wie auf das Aufpassen auf deren Kinder, die Zeugin LP. und deren Bruder LM.. Die Zeugin W. sah ihn als einen guten Freund an, welcher sehr freundlich und gefällig war. Er half der Zeugin W., als diese in die XQ.-Straße nach H. umzog. Im Mai 2001 zerbrach die Ehe der Eheleute EF.. Von einem Freund, den die Zeugin W. danach hatte, trennte sie sich im September 2001. Nunmehr wurde die Beziehung zu der Familie EF. immer enger, der Angeklagte zog praktisch mit in deren Wohnung ein. Er erklärte der Zeugin W. schließlich, dass er sie liebe. Diese ließ sich dann auch auf eine engere Beziehung mit ihm ein, wobei es einige Male auch zum Versuch eines Geschlechtsverkehrs kam. Der Angeklagte, welcher bis dahin noch nie mit einer Frau Geschlechtsverkehr hatte, litt unter Erektionsstörungen, so dass er den Geschlechtsverkehr nicht richtig durchführen konnte. Aus der Sicht der Zeugin W. war danach eine partnerschaftliche Beziehung für sie beendet und sie sah den Angeklagten nur noch als guten Freund an, während dieser sich ihr weiterhin in Form einer Beziehung verbunden fühlte, und deswegen enttäuscht war, dass sie sich einem anderen Mann zugewandt hatte, mit welchem sie eine sexuelle Beziehung führte.
51Am 00.00.0000 bezog der Angeklagte in der Nähe der Wohnung der Familie EF. eine eigene Wohnung in dem Mehrfamilienhaus TI.-Straße … in H.. Dort besuchte ihn von Anfang an die Zeugin und Nebenklägerin LP. regelmäßig an den Wochentagen nachmittags sowie an Wochenenden. Nach kurzer Zeit wurde es Gewohnheit, dass die Geschädigte LP. jedes Wochenende bei dem Angeklagten übernachtete und auch jeweils in sämtlichen Schulferien. Der Zeugin W. passte dies gut, zumal sie später an einer beruflichen Umschulungsmaßnahme teilnahm.
52Im Jahre 2001 lernte die Zeugin WJ. den Angeklagten kennen, welcher in der Nachbarschaft wohnte. Die Zeugin WJ. hat zwei Töchter, die am 00.00.0000 geborene DU. und die am 00.00.0000 geborene MX..
53Da die Zeugin WJ. in der Gastronomie tätig war, und an drei Tagen wochentags abends arbeiten musste, kam es dazu, dass der Angeklagte, welcher aus Gefälligkeit schon gelegentlich auf die Kinder aufgepasst hatte, die Kinder regelmäßig dreimal in der Woche bei sich zur Übernachtung hatte. DU. übernachtete seit ihrem 5. Lebensjahr im Jahr 0000 und MX. seit ihrem 3. Lebensjahr im Jahr 0000 regelmäßig bei dem Angeklagten, welcher auch morgens dafür sorgte, dass die Kinder zur Schule gingen. Der Angeklagte hatte ein Schlafzimmer mit einem Etagenbett, in dem die Kinder schlafen konnten. Nachdem DU. und MX. an zumindest 3 Wochentagen regelmäßig bei dem Angeklagten waren und dort übernachteten, kam es auch vor, dass die Zeugin LP. in der Woche manchmal zusammen mit den Geschwistern DU./MX. bei dem Angeklagten über Nacht blieb. Der Angeklagte erhielt von den Zeuginnen WJ. und W. keinerlei Entgelt für seine Tätigkeit, allenfalls gelegentlich kleinere Geldbeträge für die Versorgung der Kinder mit Essen. Allerdings hatte der Angeklagte auch wenn er nicht arbeitet immer ausreichend Geld. Die Zeugin LP. bekam mit, dass der Angeklagte Motorroller in einem Schuppen hatte, welche er zu Geld machte, wobei er ihr erklärt hatte, dass diese gestohlen seien. Bei dem ständigen Aufenthalt der Nebenklägerinnen bei dem Angeklagten mit den durchgängigen Übernachtungen mehrmals pro Woche verblieb es bis Mitte 2008.
54Gegenüber den Kindern war der Angeklagte sehr streng und bestimmend. Wenn sie nicht taten, was er wollte, kam es insbesondere bei der Zeugin LP. zu ganz erheblichen Züchtigungen. Während der Angeklagte sich ihr gegenüber, wenn er im Haushalt der Mutter der Zeugin auf diese aufgepasst hatte, sehr nett war, wurde er in seiner Wohnung oft aggressiv und schlug sie, zum Teil wegen Kleinigkeiten. So trat er sie bei solchen Gelegenheiten in den Bauch, würgte sie, warf sie vors Bett, so dass die Zeugin Angst hatte, ihm zu widersprechen, weil sie dann Schläge befürchtete.
55Während der Aufenthalte bei dem Angeklagten, bis in den Sommer 2008 hinein, musste die Nebenklägerin LP. regelmäßig Windeln tragen, obwohl sie dieses Schutzes schon lange nicht mehr bedurfte. Der Angeklagte legte Wert darauf, der Zeugin LP. die Windeln selbst anzulegen, wobei diese die Windeln durchgehend nachts, regelmäßig aber auch tagsüber zu tragen hatte.
56Häufig zwang der Angeklagte LP. sogar dazu, mit einer Windel in die Schule zu gehen. Aus Angst vor den Aggressionen und Repressalien des Angeklagten duldete LP. diese Anordnung und führte sie aus. Als die Zeugin LP. etwa in die 5. Klasse ging, hörte der Angeklagte damit auf, sie körperlich erheblich zu züchtigen; es gab allenfalls noch „Klatscher'', wie die Zeugin LP. es ausdrückte. Er reagierte allerdings immer noch sehr jähzornig und aggressiv, ließ seine Aggressionen aber dadurch aus, dass er z.B. mit einem Tetrapack nach ihr warf oder einmal, als er erfuhr, dass sie ohne sein Wissen in einem lnternetcafe mit einem Unbekannten gechattet hatte, seine Wohnzimmereinrichtung teilweise verwüstete. Ab dieser Zeit kam es dazu, dass der Angeklagte, welcher vorher schon sexuelle Übergriffe, welche im Einzelnen unten noch dargestellt werden, begangen hatte, sie als Partnerin ansah und erklärte, sie beide seien nun zusammen. Er forderte von der Zeugin LP., dass sie auf einem Zettel „1 love you" schreiben sollte, was diese auch tat, obwohl sie nicht in den Angeklagten verliebt war. Der Angeklagte machte ihr nunmehr auch Vorschriften, mit wem sie umgehen sollte; sie durfte keinen Kontakt mit Jungen in ihrer Schule haben, insbesondere nicht mit Ausländern. Der Angeklagte suchte in diesem Zusammenhang sogar ständig in den Pausen den Schulhof der Schule der Zeugin LP. auf, um zu kontrollieren, dass LP. sich an diese Regeln hielt. Ferner verbot er ihr, sich zu schminken, was auch der Zeugin W., ihrer Mutter, auffiel. Wenn die Zeugin LP. zu dem Angeklagten ging, schminkte sie sich extra ab, und erklärte ihrer Mutter, dass der Angeklagte nicht wolle, dass sie geschminkt sei. Dieser machte ihr ferner Vorschriften hinsichtlich der Kleidung, wenn er diese zu aufreizend fand. Es kam sogar vor, dass die Zeugin LP. auf sein Verlangen jeden Tag nach der Schule bei ihm vorbeikam, und sie nur dann abends nach Hause ging. In der Tat war es so, dass die Zeugin sich deutlich mehr bei dem Angeklagten aufhielt als bei ihrer eigenen Mutter, der Zeugin W.. Diese war der Auffassung, dass der Angeklagte für die Zeugin LP. ein „großen Bruder" war. Sie schöpfte auch keinen Verdacht, als sie einmal zu Hause feststellen musste, dass LP., als sie schon zur Schule ging, Pampers trug und ihr erklärte, dass dieses der Angeklagte verlange. Von der Zeugin W. zur Rede gestellt, erklärte der Angeklagte, dass es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme für die Nacht gehandelt habe und er vergessen habe, ihr die Windeln zur Schule abzunehmen. Die Zeugin W. wusste aus dem vorhergehenden Zusammenleben mit dem Angeklagten in ihrem Haushalt, dass dieser selbst Windeln, tagsüber oder auch nachts, trug und dieses mit einer Blasenschwäche erklärte.
57Die Zeugin LP. musste auf Anweisung des Angeklagten ferner ein Regelbuch anlegen, worin festgelegt wurde, was sie zu tun hatte, wie z.B. Pampers zu tragen. Im Übrigen verbot er ihr, während der Schulferien wegzufahren, damit sie dann immer bei ihm sein konnte. Wenn keines der Kinder da war, sorgte der Angeklagte dafür, dass er von Bekannten Besuch bekam. Er konnte nicht allein sein. Das war auch der Zeugin W. schon aufgefallen, die er manchmal mit der Begründung aufsuchte, nicht allein bleiben zu können.
58Auch den Geschädigten DU. und MX., welche auch nicht mehr einnässten, legte der Angeklagte, immer, wenn sie bei ihm übernachteten, Pampers an, welche sie teilweise auch in der Schule tragen mussten. Manchmal gab er den Kindern auch abends vor dem Zubettgehen so viel zu trinken, dass diese tatsächlich gelegentlich nachts einnässten. Dadurch dass er selbst Windeln trug und auch die drei Geschädigten ständig mit Windeln versah, hatte er einen großen Vorrat von Windeln in verschiedenen Größen.
59Wenn die Kinder sich nicht entsprechend seinen Anweisungen verhielten, bestrafte er sowohl die Geschädigten DU./MX. als auch die Zeugin LP. auch dadurch, dass er ihnen abends nichts zu essen gab und sie nachts nicht schlafen durften. Auch den Geschädigten DU./MX. verbot er, auf dem Schulhof sich mit Jungen zu unterhalten. Dieses Verbot überwachte er ebenfalls ständig dadurch, dass er in den Pausen zum Schulhof kam. Das führte an manchen Tagen dazu, dass der Angeklagte, da die drei Kinder zeitweise jeweils auf anderen Schulen waren, zwischen drei Schulen hin und her pendelte, um zu kontrollieren, ob seine Verbote auch eingehalten wurde. Die Geschädigten DU./MX. bekamen auch hin und wieder, wenn sie nicht das getan hatten, was er wollte, Schläge, die aber im Gegensatz zu den anfänglichen körperlichen Züchtigungen gegenüber LP. von geringer Intensität waren.
60Als der Angeklagte in seiner Wohnung TI.-Straße … lebte, welche er vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 bewohnte, kam es zu sexuellen Übergriffen gegenüber der Zeugin LP., deren Alter ihm genau bekannt war.
61Die Kammer hat für diesen Zeitraum die folgenden 10 Taten festgestellt:
621.
63Erstmals an einem nicht genau bestimmbaren Tag im Jahre 2001 oder 2002 weckte der Angeklagte die Zeugin LP. etwa gegen 22.00 Uhr auf mit der Bemerkung, dass er vergessen habe, ihr Pampers anzulegen. Sodann legte er ihr eine Pampers unter das nackte Gesäß, nahm eine weiße bzw. durchsichtige Stange von der Länge eines Kugelschreibers und schob diese so tief in ihre Scheide, dass nur noch ein Stück der Stange herausragte. Nachdem er die Pampers geschlossen hatte, musste die Zeugin, die sich vor Schmerzen nicht bewegen konnte, bis zum nächsten Morgen mit der eingeführten Stange schlafen.
642.-6.
65In der Folgezeit führte der Angeklagte bei mindestens fünf weiteren Gelegenheiten auf gleiche Weise solche länglichen Gegenstände, wie einen „Zauberstab" und einen Kugelschreiber bei der Zeugin LP. ein. Auch in diesen Fällen legte er ihr anschließend eine Pampers an und die eingeführten Gegenstände verblieben bis zum nächsten Morgen in der Scheide des Kindes. Um das Einführen der Gegenstände zu erleichtern, benutzte der Angeklagte überwiegend eine Creme. Dabei führte er die Gegenstände mehrfach, teils auch mit starker Wucht in die Scheide der Zeugin ein und bewegte diese hin und her, was für die Zeugin LP. sehr schmerzhaft war. Diese Taten erfolgten vor dem 01.04.2004.
667. -10.
67Noch in der Wohnung in der TI.-Straße kam es in mindestens 4 Fällen dazu, dass der Angeklagte seinen Zeigefinger in die Scheide der Zeugin LP. einführte, während er sich dabei mit der anderen Hand manuell befriedigte. Er zog seinen Zeigefinger dabei mehrfach heraus und führte ihn wieder ein. Es war nicht feststellbar, wann zwischen dem 00.00.0000 und dem 00.00.0000 diese Taten erfolgten. Die Kammer geht davon aus, dass der Tatzeitpunkt bei diesen 4 Taten jeweils vor dem 01.04.2004 lag.
68Zum 00.00.0000 bezog der Angeklagte eine Wohnung im Haus XQ.-Straße … in H.. Für den Zeitraum von diesem Umzug bis zur Inhaftierung des Angeklagten im Juli 2008 hat die Kammer die folgenden 15 Taten zum Nachteil der Zeugin LP. festgestellt:
6911.-20.
70In mindestens 10 Fällen, d.h. mindestens einmal im Monat, kam es zum Geschlechtsverkehr mit der Zeugin LP., wobei der Angeklagte auf der auf dem Rücken liegenden Zeugin lag und jeweils kurz vor dem Samenerguss sein Glied herauszog. Sodann befriedigte er sich selbst. Zudem musste die Zeugin LP. bei diesen Übergriffen auch am Glied des Angeklagten manipulieren.
7121.-23.
72In mindestens 3 Fällen in diesem Zeitraum musste die Geschädigte auf Veranlassung des Angeklagten dessen Glied in den Mund nehmen und bei ihm den Oralverkehr ausführen. Der Angeklagte nahm das Glied jeweils vor dem Samenerguss aus dem Mund und befriedigte sich selbst dann noch manuell.
7324. -25.
74In mindestens zwei Fällen in diesem Zeitraum leckte der Angeklagte an der Scheide des Kindes, wobei die Zeugin LP. dabei einmal auf dem Rücken lag und einmal stand. Währenddessen manipulierte der Angeklagte an seinem Glied bis zum Samenerguss.
75Die sexuellen Übergriffe fanden in der Regel am Wochenende statt.
76Darüber hinaus kam es zwischen dem 00.00.0000 und der Festnahme des Angeklagten in der Wohnung XQ.-Straße … auch zu sexuellen Übergriffen auf DU., wobei die Kammer die folgenden 6 Taten festgestellt hat:
7726.
78An einem nicht mehr genau bestimmten Tag in diesem Zeitraum führte der Angeklagte einen Finger in die Scheide der Geschädigten DU. ein. Die Geschädigte stand dabei breitbeinig über dem unter ihr liegenden Angeklagten. Während er seinen Finger rein- und raus bewegte, befriedigte er sich selbst. Dieses konnte die Zeugin LP. beobachten, welche gerade von einem Einkauf in die Wohnung zurückgekehrt war.
7927. und 28.
80In mindestens zwei weiteren Fällen führte der Angeklagte in seiner neuen Wohnung längliche Gegenstände in den After der Geschädigten DU. ein.
8129. und 30.
82Darüber hinaus leckte er bei mindestens zwei Gelegenheiten an der Scheide der Geschädigten DU., wobei er ihr auch längliche Gegenstände in die Scheide einführte. Die Geschädigte hatte sich vorher auf Veranlassung des Angeklagten ausgezogen und lag bei dem Einführen der Gegenstände nackt mit gespreizten Beinen auf dem Rücken.
8331.
84Der Fall 31 ist in der Hauptverhandlung gemäߧ 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
8532.
86Bei einer weiteren Gelegenheit führte der Angeklagte den Griff einer Gabel sowohl in die Scheide und den After der DU. ein, während diese mit gespreizten Beinen auf dem Rücken lag.
87Auch gegenüber der Geschädigten MX., der jüngsten von den drei Kindern, kam es in der Wohnung in der XQ.-Straße in H. in dem genannten Zeitraum zu sexuellen Übergriffen.
8833. und 34.
89In mindestens zwei Fällen kam es dazu, dass der Angeklagte einen Finger in den After der Geschädigten MX. einführte.
9035.
91In einem Fall leckte er an ihrer Scheide.
9236. und 37.
93Weiterhin führte er bei mindestens zwei weiteren Gelegenheiten einen länglichen Gegenstand wie den zuvor erwähnten „Zauberstab" oder einen Kugelschreiber in einem Fall in ihre Scheide und in dem anderen Fall in ihren After ein.
9438.
95Die Geschädigte MX. musste den Angeklagten bei mindestens einer Gelegenheit im Genitalbereich massieren und dabei die Hoden „kraulen".
96Alle drei Kinder erzählten zunächst weder ihren Müttern noch sonst jemandem von den Vorfällen bei dem Angeklagten. Die Zeugin WJ., welche den Angeklagten beinahe täglich sah, wurde ebenso wenig argwöhnisch wie die Zeugin W.. Beide hatten vielmehr ein gutes freundschaftliches Verhältnis zu dem Angeklagten, welchen sie als nett und zuvorkommend empfanden. Wenn sie in seiner Wohnung waren, kamen sie aber nie ins Schlafzimmer, wo eine Kommode mit einem üppigen Vorrat von Windeln war.
97Die Zeugin WJ. stellte allerdings fest, dass die Kinder oft bei ihr zu Hause ins Bett nässten, wenn sie zuvor bei dem Angeklagten übernachtet hatten, machte sich darüber aber keinen ernsthaften Gedanken. Insbesondere die Geschädigte MX. hing aus der Sicht ihrer Mutter sehr an dem Angeklagten und sah ihn als „Ersatzvater'' an, zumal sie ihren eigenen leiblichen Vater, von dem die Mutter getrennt war, ablehnte.
98Kurz vor Anzeigenerstattung am 00.00.0000 fiel der Zeugin WJ. auf, dass ihre Tochter DU. nicht mehr gerne zu dem Angeklagten wollte, und erklärte, sie habe keine Lust, sondern wolle lieber zur Oma. Am Abend des 00.00.0000 kam es dann dazu, dass beide Kinder der Zeugin WJ. erklärten, dass sie nicht mehr zu dem Angeklagten gehen wollten. Als die Zeugin WJ. nach dem Grund fragte, erzählte MX., dass sie geschlagen werde und bei dem Angeklagten Pampers tragen müssen, was DU. für sich selbst auch bestätigte. Sie bekämen als Strafe Ohrfeigen und würden manchmal nichts zu essen und zu trinken bekommen. Die Geschädigte MX. erklärte ihrer Mutter da schon, dass der Angeklagte ihr Stöcke in ,,Muschi" und „in den Arsch" stecken würde. Wenn sie dann Aua rufen würde, würde der Angeklagte sagen, das könne nicht weh tun. Die DU. erzählte auch, dass MX. dem DQ. die Eier kraulen und den Schwanz lecken müsste. Weiterhin erzählte DU. ihrer Mutter, dass LP. dem DQ. auch den Schwanz lecken müsste. Daraufhin erstattete die Zeugin WJ. am nächsten Morgen Strafanzeige.
99Bei der Vernehmung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren am 00.00.0000 durch die Zeugin QI. gab der Angeklagte schon an, dass er bei den Kindern DU. und MX. einen Finger in deren After eingeführt habe, nicht aber in die Scheide, was er bei LP. gemacht habe. Bei DU. habe er auch einen durchsichtigen Stab in die Scheide gesteckt. In der Nachvernehmung am 00.00. gab er zu, bei LP. anfangs eine Stange in die Scheide eingeführt zu haben, und zwar mehrmals verschiedene Stangen, wobei er eine Creme benutzt habe.
100In der Wohnung in der XQ.-Straße habe er begonnen, bei LP. mit dem Finger vaginal einzudringen, aber weiterhin eine Stange bzw. einen Stab benutzt. Mit dem Finger sei er bei LP. etwa viermal eingedrungen, wobei er den Finger immer rein- und rausgezogen habe und sich mit der anderen Hand befriedigt habe. Mit LP. sei es dann auch nach anfänglichen Schwierigkeiten bei ihm zum Geschlechtsverkehr gekommen, wobei er sein Glied herausgezogen habe und sich dann selbst befriedigt habe.
101Bei DU., so erklärte er der Zeugin, habe er zweimal eine Stange in den After eingeführt und auch eine kleine Stange in die Scheide, wobei das mehrmals passiert sei. Bei DU. habe er diese auch im Genitalbereich zweimal geleckt Hinsichtlich der Übergriffe betreffend MX. hat der Angeklagte angegeben, dass er mit dem Finger im After gewesen sei und Stangen vaginal und anal eingeführt haben und sie im Scheidenbereich geleckt habe.
102Nachdem die Geschädigten DU./MX. zunächst sehr froh waren, als der Angeklagte nach der Anzeige in Haft genommen wurde, veränderte sich das Verhalten der Kinder danach in bedenklicher Weise. Die schulischen Leistungen der beiden Töchter der Zeugin WJ. gingen zurück. MX. musste sogar eine Klasse zurückgestuft werden. Beide verhalten sich gegeneinander und ihrer Umwelt, wie Lehrern und Mitschülern, gegenüber sehr aggressiv. Ihren Mitschülern gegenüber machen sie sexuelle Angebote. Sie bringen ihren Hass gegen den Angeklagten dadurch zum Ausdruck, dass sie erklären, sie würden ihn hassen, er solle zum Teufel fahren. Besonders erschüttert hat die Zeugin WJ., dass DU. vor einiger Zeit auf einem Kindergeburtstag ein Messer nahm und erklärte, sie bringe sich jetzt um, wobei die Mutter des Kindes, dessen Geburtstag gefeiert wurde, DU. das Messer weggenommen habe.
103Die beiden Töchter haben bisher therapeutische Hilfe abgelehnt, jetzt sei eine solche allerdings vorgesehen. LP. selbst wohnt inzwischen wieder bei ihrer Mutter, der Zeugin W., mit welcher sie sich gut versteht. Irgendwelche Auffälligkeiten hat die Zeugin W. vom Verhalten der Zeugin LP. nicht berichtet.“
1044.2.2.
105Zudem bewertete das Landgericht Dortmund die Schuldfähigkeit des Angeklagten seinerzeit als eingeschränkt und bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB nach sachverständiger Beratung durch Herrn OP.. Dazu führte das Landgericht aus:
106„Bei der Untersuchung durch den Sachverständige OP. stellte dieser bei dem Angeklagten einen unauffälligen körperlichen und auch neurologischen Befund fest. Der Angeklagte war bei der Untersuchung bewusstseinsklar und allseits orientiert. Merkfähigkeitsstörungen fanden sich weder für Kurzzeit- noch für das Langzeitgedächtnis, auch die Kritikfähigkeit des Angeklagten war erhalten. Antriebsmäßig wirkte der Angeklagte matt und reduziert, von der Stimmung her dysphorisch, aber grundsätzlich affektiv durchaus schwingungsfähig. Allerdings wirkte er von seinem Erscheinungsbild her resignativ, in sich zusammengesunken, was die Kammer auch in der Hauptverhandlung beobachten konnte. Im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen öffnete er sich zunehmend und berichtete auch selbständig über verschiedene Dinge, die sich in seinem Leben ereignet hatten, insbesondere die unangenehmen Ereignisse aus seiner Kindheit und mit seinen ehemaligen „Stiefvätern". Sein Denken war durchschnittlich differenziert und folgerichtig. Störungen, formalen bzw. inhaltlichen Denkablaufes fanden sich ebenso wenig wie Wahrnehmungsstörungen. Vorstellung über seine Zukunftsperspektiven hatte der Angeklagte bei der Exploration durch den Sachverständigen nicht.
107Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Kindheit und Jugend des Angeklagten im Wesentlichen geprägt wurden durch Gewalterfahrungen durch die beiden Partner seiner Mutter sowie die Tatsache, dass er Opfer von sexuellen Missbrauch bzw. Vergewaltigung in den drei oben beschriebenen Fällen geworden ist. Den eigenen leiblichen Vater lernte er erst mit 16 Jahren kennen, ohne dass es zu einem längerfristigen Kontakt kam. Seine Jugend war auch dadurch gekennzeichnet, dass er als Ältester in der Geschwister- bzw. Halbgeschwisterreihe auf die jüngeren Geschwister aufpassen musste. Trotzdem wurde er von diesen Geschwistern nicht anerkannt, so dass sie ihn hänselten und dieses durch das Geschenk einer „Sperrmüllkarte" demonstrierten. Auch in der Schule war er eher ein Einzelgänger; seinen einzigen Freund in der Schule hatte er erst auf der A.-Schule, einer Sonderschule. Schon früh fiel der Angeklagte durch Aggressionen auf. Es gab Prügeleien, Diebstähle, auch in der Schule kam es zu aggressiven Verhaltensweisen gegen andere, welche schließlich zu einem Schulverweis führten. Eine Berufsausbildung hat der Angeklagte nicht absolviert. Er ist schon seit längerer Zeit ohne Arbeit, bestritt aber offensichtlich einen Teil seines Unterhalts dadurch, dass er entwendete Motorroller fertigmachte. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass diese Umstände zeigen, dass der Angeklagte, welcher nicht ein ausreichendes Selbstbewusstsein entwickeln konnte, eine dissoziale Entwicklung genommen hat.
108Kennzeichnend für die Persönlichkeit des Angeklagten ist ferner, dass er bisher unfähig war, mit einer adäquaten Partnerin eine sexuelle Beziehung einzugehen. Der einzige Versuch, mit einer erwachsenen frau Geschlechtsverkehr zu haben, schlug fehl, da er bei der Zeugin W., der Mutter der geschädigten Zeugin LP., nicht in der Lage war, den Geschlechtsverkehr auszuüben.
109Seinen ersten Geschlechtsverkehr hatte er mit der Geschädigten LP., welche er schon, als diese im Kindesalter war, als seine Partnerin und Vertraute ansah. Dieses zeige, so hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, die Unfähigkeit des Angeklagten, eine Beziehung sexueller Art mit einer erwachsenen Frau auf gleicher Ebene aufzubauen. Sein Verhalten sei vielmehr gekennzeichnet durch das Eingehen asymmetrischer Beziehungen zu Kindern.
110Als weitere Auffälligkeit, die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten entscheidend ist, hat der Sachverständige dessen eigenes sekundäres Einnässen nach der Sauberkeitsphase sowie die Tatsache, dass er bis zu seiner Verhaftung regelmäßig Windeln trug und auch sämtlichen Kindern, auch nachdem diese sauber waren, unter Vorwänden ständig und teils unter Zwangsausübung Windeln anlegte, angeführt. Dieses sei, so hat der Sachverständige dargelegt, ein starkes Anzeichen für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung in Form eines Fetischismus.
111Die Tatsache, dass der Angeklagte seine sexuellen Beziehungen jahrelang nur im Hinblick auf Kinder auslebte und er unfähig zu einer adäquaten sexuellen Beziehung mit einem erwachsenen Partner war, zeige, so hat der Sachverständige ausgeführt, deutlich, dass eine sexuelle Hemmungsdeviation in Form einer Pädophilie vorliege.
112Entscheidend für die Beurteilung des Angeklagten und seiner Persönlichkeit sei allerdings die Ausgestaltung des 'Verhältnisses zu den Kindern, welcher der sexuellen Beziehung ihre Ausprägung gegeben habe. Dazu gehöre, dass der Angeklagte gegenüber der Zeugin LP. bis ca. 2005 in ganz erheblichem Maße gewalttätig war. Nach dieser Phase äußerte sich sein aggressives und jähzorniges Verhalten nicht mehr in Form von erheblichen körperlichen Züchtigungen, es gab allenfalls noch „Klatscher", wie die Zeugin LP. es ausdrückte, es kam dann eher dazu, dass der Angeklagte, wie im Fall des Internetchats, Gewalt gegen Sachen ausübte.
113Darüber hinaus kennzeichneten viele Verbote und Einschränkungen, insbesondere gegenüber LP., das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und den Kindern, so das Schminkverbot, die Kleidervorschriften, Umgangsverbot mit Jungen, das Verbot, in den Ferien wegzufahren. Der Angeklagte wies zudem einen massiv ausgeprägten Kontrollzwang auf, indem er z.B. das Umgangsverbot mit Jungen auf dem Schulhof in der in den Feststellungen dargestellten aufwändigen Weise überwachte. Auch bei MX. und DU. kam es zu körperlichen Züchtigungen, aber nicht in so heftiger Art, wie bei LP.. Auch die beiden Zeuginnen DU./MX. wurden mit Essensund ggf. Schlafentzug bestraft, wenn sie nicht das taten, was der Angeklagte wollte. Darüber hinaus war kennzeichnend für den Angeklagten, dass er nicht alleine sein konnte. Wenn keines der Kinder da war, so lud er sich entweder Bekannte ein, um nicht allein zu sein, oder suchte Bekannte, so auch die Zeugin W. auf.
114Aus diesen Entwicklungen und Verhaltensweisen des Angeklagten hat der Sachverständige für die Kammer in vollem Umfang nachvollziehbar die Diagnose gestellt, dass der Angeklagte zum einen eine Hemmungsdeviation im Sinne einer Pädophilie und eines Fetischismus habe. Hierzu hat der Sachverständige aber weiter dargelegt, dass angesichts der Tatsache, dass weder eine Frequenzsteigerung mit abnehmender Befriedigung vorliege, zu LP. gerade eine persönliche, aus Sicht des Angeklagten sogar eine Liebesbeziehung, bestanden habe, noch eine Steigerung der sexuellen Praktiken festzustellen sei, ein suchtartiger Charakter dieser Störung verneint werden könne, so dass allein aufgrund dieses Verhaltens ein Vorliegen einer anderen seelischen Abartigkeit nicht festgestellt werden könne. Der Sachverständige OP. hat aber weiter dargelegt, dass bei dem Angeklagten auf Grund einer Gesamtschau seines Verhaltens und seiner Entwicklung eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Anteilen, Aggressivität und mangelnden Selbstbewusstsein sowie emotional-labilen und asthenischen Anteilen vorliege. Angesichts der Entwicklung des Angeklagten und seiner Verhaltensweisen ist diese Diagnose für die Kammer ohne Weiteres nachzuvollziehen. Der Sachverständige hat darüber hinaus die Persönlichkeitsstörung wegen ihrer Schwere und Auswirkungen für den Angeklagten und seine Lebensumstände aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung als eine andere seelische Abartigkeit eingestuft. Da die dem Angeklagten vorgeworfenen sexuellen Handlungen sich als Inszenierung von Macht darstellen, welche auf seiner schweren Persönlichkeitsstörung beruhen und neben seinem geschilderten Kontrollverhalten und übrigen aggressiven Verhaltensweisen sich ganz erheblich einengend auf sein Verhalten und seine Lebensumstände auswirken, liege, wie der Sachverständige ausgeführt hat, eine erhebliche verminderte Schuldfähigkeit im Sinne der Einschränkung des Steuerungsvermögens vor. Die Pädophilie und der Fetischismus allein, so hat der Sachverständige klarstellend dargelegt, führten noch nicht zu einer erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit, sondern diese Umstände erst im Zusammenhang mit der dargelegten gemischten Persönlichkeitsstörung, durch welche das Sexualverhalten des Angeklagten zu den Geschädigten seine machtbetonte, asymmetrische Ausprägung erfuhr.
115Die Kammer ist aufgrund ihrer eigenen Bewertung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schlussfolgerungen des forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen, welche dieser aufgrund der auch von der Kammer getroffenen Feststellungen in der Hauptverhandlung gemacht hat, zutreffend sind. Dass das jetzt nach der Hauptverhandlung feststehende Verhalten des Angeklagten, wie es oben zu Anfang der Ausführungen zu Ziffer II. (Anm. der jetzigen Kammer: es handelt sich grundlegend um die Feststellungen zur Sache im damaligen Verfahren, wie hier vorstehend unter 4.2.1. wiedergegeben) geschildert worden ist, nicht nur das Vorliegen einer Sexualstörung darstellt, sondern darüber hinaus auch eine schwere gemischte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und emotional-labilen Anteilen vorliegt, welche den Krankheitswert einer schweren Psychose erreicht, ist für die Kammer nach den Ausführungen des Sachverständigen im vollen Umfang nachvollziehbar. Allein wenn man sich den Tagesablauf des Angeklagten vorstellt, so war er ganz konkret mit der Beschaffung von Windeln, der Einflussnahme auf die Kinder, das Erteilen und Kontrollieren von Verboten und auch die sexuellen Handlungen an den insgesamt 3 Kindern so sehr beschäftigt, dass sein Tag dadurch strukturiert wurde und ausgefüllt war, so dass seine Persönlichkeitsstörung sich total einengend und total beschränkend auf seine Leben auswirkte. Deswegen ist auch der Schluss des Sachverständigen, dass aufgrund der schweren Persönlichkeitsstörung eine erhebliche Verminderung des Steuerungsvermögens bei dem Angeklagten vorlag, ohne Weiteres für die Kammer nachzuvollziehen. Die Kammer kommt aufgrund eigener Bewertung zu demselben Ergebnis.
116Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige OP. in seinem vorläufigen schriftlichen Gutachten noch die Voraussetzungen des§ 21 StGB abgelehnt hatte und lediglich dazu kam, dass zwar eine Sexualstörung in Form einer Pädophilie und eines möglichen Fetischismus im Zusammenhang mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit Aggressivität und mangelnden Selbstbewusstsein vorliege, welche insgesamt keinen Krankheitswert habe. Der Sachverständige hat aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung lediglich seine Diagnose dahin berichtigt, dass er die dissoziale Störung als stärker bewertet und zusätzlich emotional-labile und asthenische Anteile festgestellt hat und in der Gesamtschau mit der Pädophilie und dem ausgeprägten Machtverhalten des Angeklagten im Rahmen der sexuellen Beziehung neu bewertet hat. Damit hat der Sachverständige aber nicht eine Umkehr um „180 Grad" vorgenommen, sondern er hat das Ausmaß der Persönlichkeitsstörung, deren Intensität und Grad neu bewertet, und damit, was sich zwangsläufig daraus ergibt, den Krankheitswert der Störung neu beurteilt.
117Als der Sachverständige OP. mit seinem Gutachten beauftragt wurde, lagen nur die polizeilichen Vernehmungen des Angeklagten und der Zeuginnen LP., DU. und MX., sowie der Zeugin WJ. von Juli 2008 vor. Daraus ergaben sich insbesondere, was die Machtbetontheit der sexuellen Beziehung zu den Kindern mit Verboten, Bestrafungen und Kontrollen anging, lediglich folgende Umstände:
118Die Zeugin DU. hatte gegenüber der Zeugin QI. dort erst erwähnt, dass MX. geschlagen worden und gegen den Bettpfosten geknallt sei. MX. hatte der Zeugin UY. gegenüber erklärt, sie habe den Arsch voll gekriegt, wenn sie gesagt habe, dass sie die Stange nicht eingeführt haben wolle. Sie haben auch in anderen Situationen dann befürchtet, den Arsch voll zu kriegen. Darüber hinaus hat diese Zeugin auch schon der polizeilichen Vernehmung erwähnt, dass sie zur Strafe nichts zu essen und nichts zu trinken bekam.
119Die Zeugin LP. hat gegenüber der Zeugin UY. bei ihrer Anhörung im Juli 2008 angegeben, wenn sie sich geweigert habe, dass zu machen, was der Angeklagte wolle, ihr eine geknallt habe auf die Wange, und dass sie aufs Bett geflogen sei. Sie hat auch schon den Essensentzug erwähnt, welcher auch DU. und MX. gegenüber ausgeübt wurde und hat erklärte, dass sie in manchen Situationen sich nicht geweigert habe, Anordnungen des Angeklagten Folge zu leisten, da sie den Essensentzug gefürchtet habe. Auch hat LP. in ihrer Anhörung erwähnt, dass DU. und MX. mal „den Arsch voll bekommen" hätten. Sie hätte auch sein Lecken der Scheide erduldet, weil sie sonst kein Essen bekommen hätte oder eine geknallt bekommen habe. Diese Zeugin hat auch der Zeugin UY. gegenüber erklärt, dass der Angeklagte ihr gegenüber so brutal und aggressiv gewesen sei, so dass sie aus Angst vor Schlägen durch den Angeklagten von den gesamten Vorfällen nichts ihrer Mutter erzählt habe. LP. hatte auch schon davon berichtet, dass sie auf seinem Verlangen hin den Zettel „1 love you" scheiben musste. Weiterhin berichtete die Zeugin, dass nach 3 Jahren körperlicher Züchtigung der Angeklagte damit aufhörte, und es nur noch "Klatscher" gab. Dafür habe er aber Gewalt gegen Sachen ausgeübt, z. B. habe er teilweise seine Wohnungseinrichtung zerstört, weil sie ohne sein Wissen im lnternetcafe mit einem Unbekannten gechattet hatte. Dabei habe der Angeklagte erklärte, er habe dies getan, damit er keinen auf der Straße hätte schlagen müssen.
120Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen oben unter Ziffer II ergibt, sind dies Feststellungen zu den Gewalttätigkeiten des Angeklagten, seinen Verboten, seinen Kontrollen und seiner Inszenierung von Macht gerade auch in dem sexuell geprägten Verhältnis zu den Zeuginnen nach Umfang, Vielfältigkeit und Intensivität erheblich erweitert worden, so dass für die Kammer die Änderung des Gutachtens, welche gerade auch auf die Inszenierung der Macht in der sexuellen, asymmetrischen Beziehung zu den Kindern abstellt, für die Kammer ohne Weiteres nachvollziehbar ist.
121Die Kammer war auch nicht gehalten, ein neues Gutachten einzuholen, da sie in der Lage ist, aus eigener Sachkunde die Nachvollziehbarkeit der Änderung des Gutachtens, welche lediglich eine andere Bewertung der schon im vorläufigen Gutachten diagnostizierten Persönlichkeitsstörung aufgrund der Feststellungen in der Hauptverhandlung beinhaltete, zu beurteilen. Aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen LP. und W., sowie der Zeuginnen QI. und UY. sind in der Hauptverhandlung, insbesondere folgende Umstände - für den Sachverständigen OP. - : neu eingeführt worden: sein ausgeprägte Kontrollverhalten des Angeklagten gegenüber LP. und auch den beiden Zeuginnen DU. und MX., insbesondere was das Verbot im Umgang mit Jungen in der Schule anging; ein viel erheblicheres Ausmaß an Gewalttätigkeiten gegenüber LP., sowie später Gewalttätigkeit gegen Sachen, wenn LP. nicht das tat, was er wünschte; die umfangreichen Verbote LP. gegenüber, wie Schminkverbot, Verbot gewisser Kleidungsstücke, Verbot Urlaub zu machen, usw. sowie die drastischen Strafmaßnahmen wie u.a. Schlafentzug auch gegenüber DU. und MX..
122Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergab sich nachvollziehbar, dass diese neuen Umstände die entscheidenden Punkte dafür waren, dass der Sachverständige letztlich dazu kam, dass auf Grund der schweren gemischten Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit Pädophilie und dem Fetischismus eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen ist. Diese Neubewertung der festgestellten Störungen und ihre Auswirkungen war alleine auf Grund der in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen OP. für die Kammer überzeugend, so dass sie aus eigener durch das Gutachten des OP. vermittelter Sachkunde die Richtigkeit des Gutachtens nachvollziehen konnte, nachdem die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung den Ermittlungsstand des Verfahrens zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens festgestellt hat. Dass der Sachverständige OP. in der Hauptverhandlung nicht vollständig im Einzelnen darlegen konnte, welche Umstände ihm schon aus der Aktenlage und der Exploration bekannt und welche Umstände neu für ihn in der Hauptverhandlung waren, ändert daran nichts, da die Kammer durch die Beweisaufnahme dies aufgeklärt hat.
123Ein neues Gutachten musste demnach nicht eingeholt werden. Auch aus dem Gesichtspunkt des ,,fair trial" ergab sich nichts anderes, da, wie soeben dargelegt, das Gutachten keine plötzliche Kehrtwende um 180 Grad gemacht hat, sondern eine auf Grund der durch die Beweisaufnahme eingebrachten neuen Tatsachen eine nachvollziehbare Neubeurteilung der Art und Intensität der Persönlichkeitsstörungen nachvollziehbar vorgenommen hat.“
1244.2.3.
125In der Strafzumessung hat sich die Kammer seinerzeit vor allem von folgenden Erwägungen leiten lassen:
126„Strafmildernd fiel ganz erheblich das Geständnis des Angeklagten ins Gewicht, welches, zumindest im Hinblick auf sein letztes Wort, von Reue und Unrechtseinsicht getragen war. Allerdings war dieses Geständnis nicht umfänglich, was die Umstände der Tatbegehung anging, so dass er nur den beiden Zeuginnen und Nebenklägerinnen DU./MX. gänzlich eine Vernehmung erspart hat und der Zeugin LP. zumindest eine nicht mehr so ausführliche Vernehmung zu den Taten selbst. Zu Gunsten des Angeklagten war weiterhin zu berücksichtigen, dass er im Wesentlichen unbestraft ist und er als Erstverbüßer und noch junger Mann sowie als Sexualstraftäter, welcher üblicherweise den Repressalien seiner Mitgefangenen ausgesetzt ist, besonders haftempfindlich ist. Strafmildernd wirkte sich auch aus, dass der Angeklagte schon 9 Monate in Untersuchungshaft gesessen hat. Ferner war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er eine desolate Jugend mit eigener Gewalt- und Missbrauchserfahrung hatte, welche ihn auch heute noch prägt. Ganz erheblich zu Gunsten des Angeklagten musste seine erheblich verminderte Schuldfähigkeit berücksichtigen werden. Strafmildernd wirkte sich auch aus, dass die Taten teilweise sehr lange zurückliegen, die anfänglichen Taten bis zu 8 Jahren, wodurch sich der Strafanspruch des Staates mindert.
127Strafmildernd wirkte sich auch aus, dass der Angeklagte durch seine Hilfsbereitschaft den Müttern der missbrauchten Kinder zumindest in der Weise geholfen hat, dass sie ihren beruflichen Tätigkeiten bzw. Umschulungsmaßnahmen nachgehen konnten. Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die eigentlich gesamtstrafenfähige Vorstrafe durch Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe erledigt ist.“
128Strafschärfend berücksichtigte das Landgericht Dortmund seinerzeit insbesondere Folgendes:
129„Strafschärfend fiel demgegenüber ins Gewicht, dass der Angeklagte die Situationen, in welcher ihm der sexuelle Missbrauch ermöglicht wurde, bewusst geschaffen hat, indem er die Beaufsichtigung der Kinder in seiner eigenen Wohnung vorgenommen hat, wo ihm die Einflussnahme und das Einwirken auf die Kinder erleichtert wurde. Darüber hinaus hat er zumindest auch bei der Zeugin LP. bewusst darauf Einfluss genommen, dass diese nicht in den Ferien, wenn sie üblicherweise bei ihm war, wegfuhr, indem er ihr dieses verbot.
130Ganz erheblich fiel strafschärfend ins Gewicht, dass der Angeklagte nicht nur das Vertrauen der Mädchen, sondern auch das der Mütter erheblich missbraucht hat. Ferner wirkte sich strafschärfend aus, dass er über das für den sexuellen Missbrauch erforderliche Maß hinaus Druck und Kontrolle über die Kinder ausübte, welche nicht normales Erziehungsverhalten eines ,,Kindersitters" darstellten.
131Strafschärfend wirkte sich in den Fällen 1 - 10 das geringe Alter der LP., in den Fällen 26- 32 das geringe Alter der Nebenklägerin DU. und in den Fällen 33 - 38 das besonders geringe Alter der Geschädigten MX. aus. Bei den Taten 1 - 6 war strafschärfend die lange Tatdauer sowie die Tatsache, dass die Geschädigte für mehrere Stunden Schmerzen ausgesetzt war, zu berücksichtigen. In den Fällen 7 - 10 fiel zu lasten des Angeklagten ins Gewicht, dass er neben des zur Erfüllung des Tatbestandes des§ 176 a StGB erforderlichen Einführens des Fingers vor dem Opfer masturbierte und in den Fällen 24 - 25 neben den Lecken des Scheidenbereichs ebenfalls vor dem Kind onanierte. In den Fällen 26, 29 und 30 kam es neben dem Einführen des Fingers ebenfalls zur Selbstbefriedigung. Im Fall 32 hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er den Griff einer Gabel sowohl in die Vagina und in den After einführte. Strafschärfend wirkte sich auch aus, dass die Opfer bei den Taten durch den von dem Angeklagten ausgeübten Druck, die Gewalttätigkeiten und Aggressionsausbrüche sowie sein Kontrollverhalten besonders belastet wurden. Zu Lasten wirkte sich auch aus, dass durch den langjährigen sexuellen Missbrauch erhebliche psychische Folgen für die Kinder zu befürchten sind und insbesondere bei DU. und MX. in Anbetracht ihrer schulischen Auffälligkeiten und übrigen Verhaltensauffälligkeiten schon eingetreten sind.“
1324.2.4.
133Zur von ihm angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB führte das Landgericht Dortmund seinerzeit Folgendes aus:
134„Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden, gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen OP., welcher, wie oben schon im Einzelnen dargelegt, ausgeführt hat, dass der Angeklagte die Taten im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen habe. Weiterhin hat der Sachverständige ausgeführt, dass ohne die Unterbringung weitere erhebliche Straftaten von dem Angeklagten zu erwarten sind. Dieses ist für die Kammer ohne Weiteres nachvollziehbar und liegt auch auf der Hand. Die Ausprägung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten in asymmetrischen Beziehungen zu Kindern machtbetonte Sexualität auszuüben, lässt erwarten, dass der Angeklagte wieder vergleichbare Taten begeht, wenn er ohne vorherige Behandlung wieder in vergleichbare Situationen kommt. Angesichts seiner Unfähigkeit, adäquate sexuelle Beziehungen zu erwachsenen Frauen einzugehen, ist damit zu rechnen, dass der Angeklagte sich wieder Kindern in seiner Umgebung zuwenden wird. Dieses begründet aus Sicht der Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen OP. die Notwendigkeit der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus.“
1355.Persönlichkeitsentwicklung, psychische Entwicklung
136Die Persönlichkeits- und psychische Entwicklung des Angeklagten zeigt sich auch anhand des Verlaufs der Vollziehung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus:
1375.1. Vollzugsverlauf
138Nachdem der Angeklagte am 00.00.0000 in vorstehender Sache in Untersuchungshaft genommen wurde, wurde die Maßregel nach Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 15.05.2009 ab dem 29.03.2010 zunächst in der UD.-Klinik in RS. und ab dem 04.02.2011 bis heute unter jährlicher Überprüfung der Notwendigkeit seiner Fortsetzung in der UD.-Klinik in WP. vollzogen.
139Der Vollzugsverlauf war anfänglich schleppend. Es musste zunächst eine tragfähige Therapiebeziehung aufgebaut werden, was nicht einfach war. Durch den Wechsel von RS. nach WP. fürchtete der Angeklagte, therapeutisch von vorne beginnen zu müssen. Direkt zu Beginn der Unterbringung zeigten sich zudem deutliche Externalisierungstendenzen. Im Laufe der Jahre gelang dann aber doch eine gute Entwicklung. Der Angeklagte war gut in die Gemeinschaft integriert, nahm auch Führungsaufgaben wie die Aufgabe eines Gruppensprechers war, bemühte sich um eine Ausbildung und wirkte auf das Therapeutenteam therapiewillig. Er nahm proaktiv an Therapiestunden teil und war auch prosozial in das Gruppengefüge integriert.
140Es kam aber wiederholt auch zu Brüchen. Im Einzelnen:
141Schon kurz nach dem Wechsel von der JVA in die Psychiatrie wurde ein 12 cm langer angeschliffener Metallstab, den der Angeklagte noch von der JVA aus in die Klinik eingeschleust haben will, bei ihm gefunden.
142Nachdem sich der Vollzugsverlauf dann eine Zeitlang schleppend, aber eher unauffällig zeigte, erfuhr er im Jahr 2015 – nach dem 09.09.2015 - als eine Lockerungsmaßnahme die Gewährung begleiteten Einzelausgangs. Das ihm entgegengebrachte Vertrauen zerstörte er, indem er missbräuchlich das Internet nutzte. Als Konsequenz wurde die ausgesprochene Lockerung mit Mitteilung vom 13.11.2015 zurückgenommen. Der Angeklagte hatte heimlich Computer der Klinikschule missbraucht, um deliktrelevantes Material im Internet zu recherchieren und anzuschauen (Internetseiten im Zusammenhang mit Windelfetischismus, auch mit Abbildungen von Kindern). Dieses Verhalten wurde von dem Angeklagten so begründet, dass er nicht das Vertrauen gehabt habe, von den Behandlern mit seinen Bedürfnissen und deren Dringlichkeit verstanden zu werden.
143Ab Sommer 2016 nahm der Angeklagte regelmäßig und sehr zuverlässig an der Gruppentherapie für Sexualstraftäter teil.
144Anfang 2017 wurden dem Angeklagten dann wiederum begleitete Einzelausgänge gewährt, allerdings stellte das Klinikum Ende Mai 2017 fest, dass der Angeklagte am gleichen PC wie zuvor mit dem Schlagwort “Windel” von Februar bis Mai 2017 recherchiert hatte. Das abermalige Fehlverhalten räumte der Angeklagte auch ein.
145Nach längerer Diskussion der beteiligten Fachleute wurde entschieden, dem Angeklagten als vertrauensbildende Maßnahme nunmehr das Windeltragen zu gestatten und die Lockerung nicht auszusetzen. Dieses funktionierte augenscheinlich gut, mit der Zeit benötigte der Angeklagte immer seltener Windeln, die ihm zur Emotionsregulierung und Entspannung, aber – wenn auch nicht primär – zur Ausübung seines Fetisch, d.h. zu seiner sexuellen Stimulation – dienten.
146Im Laufe des Jahres 2019 wurden die Lockerungen erweitert. Ihm wurden seit dem 28.06.2019 – abgesehen von einer pandemiebedingten Pause im Frühjahr 2020 nunmehr unbegleitete Einzelausgänge gestattet. In dieser Zeit absolvierte er auch ein Praktikum bei der DS. in AH.. Dort schaute er sich den Beruf des Konstruktionsmechanikers und des Schweißers an und ihm wurde eine Ausbildung im Bereich Metallbau ab Februar 2020 angeboten, die er machen wollte. Am 01.10.2020 begann der Angeklagte dann eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker Metallbau. Die Zwischenprüfung schloss er erfolgreich ab.
147Ab Ende November 2020 wurde der Angeklagte langzeitbeurlaubt. Er bezog eine eigene kleine Wohnung außerhalb des psychiatrischen Krankenhauses in AH., die spätere hiesige Tatortwohnung.
148Die Gruppentherapie für Sexualstraftäter nach „Marshall&Marshall“ wurde nach vierjähriger Teilnahme im Zuge der Ausgliederung erfolgreich beendet. Im letzten Behandlungsblock „Rehabilitation“ zeigte der Angeklagte ein gewohnt aktives und motiviertes Teilnahmeverhalten und präsentierte sich prosozial den anderen Gruppenmitgliedern gegenüber. Der Angeklagte hatte umfassend Kenntnis über die eigenen Risikofaktoren und zeigte ein Bewusstsein dafür, welche Herausforderungen im Zuge der Ausgliederung auf ihn zukommen könnten.
149Der Wechsel von dem hochstrukturierten und teils größtenteils fremdbestimmten Klinikalltag in die eigene Wohnung wurde von dem Angeklagten zwar als herausfordernd erlebt. Auch bereitete ihm eine anstehende Prüfung Sorgen, weil er in früheren Prüfungen gescheitert war. Die Klinik zahlte Gelder an ihn nicht rechtzeitig aus. Das berichtete er aber auch seinem Bezugstherapeuten HH., zu dem ein sehr guter, vertrauensvoller Kontakt – ein echter „Draht“ zu einander – bestand. Der Angeklagte schilderte ihm auch, dass es ihn belastete, dass er sich Geld leihen musste.
150In der Zeit nach dem Bezug der eigenen Wohnung wurde der Angeklagte von seinem Bezugstherapeuten und einer Sozialarbeiterin, dem Zeugen HH. und der Zeugin VP., im wöchentlichen Wechsel besucht. Der Angeklagte suchte den Kontakt zum Behandlungsteam und nahm Unterstützungsangebote in Form von Gesprächen und Besuchsmöglichkeiten auf seiner Station an, so dass es ihm nach dem Eindruck der Therapeuten nach und nach immer besser gelang, mit den neuen Herausforderungen zurecht zu kommen. Auch zu seiner Mutter hatte er wieder Kontakt aufgebaut.
151In dieser Zeit lernte der Angeklagte zufällig den Zeugen D. – den Vater der hiesigen Nebenklägerin - bei der Durchsicht von Sperrmüll kennen, wobei beide über eine gemeinsame Technikaffinität ins Gespräch kamen. Zunächst berichtete der Angeklagte darüber auch gegenüber dem Klinikum offen. Er berichtete später dem Klinikum auch offen davon, dass der Zeuge D. eine siebenjährige Tochter, M., habe und ferner davon, dass er im Frühjahr 2021 mit einem weiteren Bekannten namens U. einen gemeinsamen Spaziergang, auch mit dem Zeugen D. und dessen Tochter auf einer Halde unternommen habe. Ebenso zeigte er sich vordergründig einsichtig, als ihm seitens des Klinikums gesagt wurde, dass er keinen Kontakt zu M. pflegen dürfe, auch nicht in Form solcher Gruppenspaziergänge. Bezüglich des dabei seitens der Klinik ebenfalls thematisierten Rückfallvermeidungsplans zeigte sich der Angeklagte auch sehr einsichtig.
152Der Aufforderung des Klinikums, dem Vater D. offen – d.h. wahrheitsgemäß – über seine Vergangenheit aufzuklären, kam der Angeklagte indes nicht nach. Statt wahrheitsgemäß zu berichten entschied der Angeklagte dem Zeugen D. zwar von einer strafrechtlichen Verurteilung zu erzählen, ließ den Zeugen D. aber in dem Glauben, dass dies mit einer Beziehung zu einem 16jährigen Mädchen in Zusammenhang stehe. Auch suggerierte er ihm, in Haft gewesen und nicht im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht zu sein.
153Ebenso wenig berichtete der Angeklagte von einem gegenüber den vorbeschriebenen Problemen zugenommenen Gefühl der Überforderung und des Alleingelassenseins, wenn die Zeugen HH. oder Frau VP. aus dem UD.-Klinikum ihn vor Ort in seiner Wohnung besuchten. Auch pflegte er entgegen der Weisung des Klinikums weiter den Kontakt zu der Nebenklägerin M..
1545.2. Psychologische Begutachtungen/Einschätzungen während der Unterbringung
155Während des Vollzugs der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde der Angeklagte jährlich im Rahmen der Überprüfung einer Notwendigkeit der Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus seitens des Klinikums aber auch durch die Strafvollstreckungskammer im ersten Jahr durch das Landgericht AX. und danach durch das Landgericht Q. nach Wechsel in das UD.-Klinikum WP. durch verschiedene gerichtliche Sachverständige begutachtet und bis heute gemäß §§ 67 d, e StGB trotz auch positiver Entwicklungen deren Fortdauer angeordnet. Danach ergab sich nachfolgende Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten:
1565.2.1.
157Durch Beschluss vom 04.03.2011 ordnete das Landgericht – Strafvollstreckungskammer - AX. die Fortdauer der Unterbringung mit der Begründung an, dass bei dem Betroffenen
158- eine kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen (ICD 10: F 61.0),
159- Pädophilie (ICD 10: F 65.4) sonstige Störung der Sexualpräferenz (ICD 10: F 65.8)
160-sowie Multisubstanzmissbrauch (Alkohol (ICD 10: F 10.2), Cannabis (ICD 10: F 12.1) und weitere u.a. Coffein (ICD 10: F 15.1))
161vorliege.
162Im Rahmen des Versuchs eine tragfähige Therapiebeziehung aufzubauen habe sich der Eindruck ergeben, dass der Betroffene deutliche Externalisierungstendenzen zeige, sich passiv verhalte und sich als Opfer der Umstände betrachte. Es seien manipulative Züge erkennbar. Zudem sei der Betroffene nicht in der Lage Probleme oder Streitigkeiten selbst anzusprechen. Raum für Lockerungen wurden seitens des Klinikums zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen, da schon im Dezember 2010 – relativ zu Beginn des Maßregelvollzugs – ein verbotener Gegenstand (12 cm langer angeschliffener Metallstab) beim Angeklagten aufgefunden wurde, wie bereits ausgeführt. Deswegen wurde ihm zunächst keine Eignung für Lockerungen zuerkannt. Die Behandlung stehe ganz am Anfang, die Prognose sei noch sehr schlecht. Die Fortdauer der Unterbringung sei angezeigt, da der Betroffene bei der Schwere der Störung, wie sie sich schon allein aus den Taten ableiten lasse, noch viele Jahre intensiver Behandlung bedürfen werde.
1635.2.2.
164Das Landgericht Q. beschloss am 20.03.2012 ebenfalls die Fortdauer der Unterbringung, nachdem sie eine Stellungnahme des UD.-Klinikums WP. vom 14.12.2011 eingeholt hatte, die die Diagnosen aus YX. im Wesentlichen bestätigte. Allerdings sei die kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen (ICD 10: F 61.0) um selbstunsicher-vermeidende, dependente und passiv-aggressive Anteile zu ergänzen und es wurde zusätzlich eine nichtorganische Enuresis (ICD 10: F98.0; Bettnässen) festgestellt. Im Zuge der Arbeit an Konfliktfähigkeit und Miktionsproblematik (Blasenschwäche/Einnässen) seien mehr und mehr arbeitsfähige therapeutische und pflegerische Beziehungen entstanden. Es wurde dem Angeklagten Krankheitseinsicht und Compliance attestiert, aber es sollte abgewartet werden, ob eine dauerhafte/langfristige, tragfähige und stabile Motivation bestand, um Therapieangebote wahrzunehmen. 2012 sah man die Therapie noch im Anfangsstadium, insbesondere was Gewaltaspekte, sowie evtl. sadistische Komponente oder Perversionen (Windeln, Urin) betraf. Die in YX. festgestellten Tendenzen (deutliche Externalisierung, passives Verhalten und „Opferrolle") bestanden auch nach Ansicht des Klinikums in WP., wenn das Klinikum auch Besserungen meinte festzustellen. Brüche in der Therapie traten insoweit zu Tage, als dass beim Angeklagten Kataloge mit Kinder- und Babykleidung sowie Spielzeug gefunden wurden, welche dieser zufällig bzw. unaufgefordert erhalten haben wollte. Der Zustand des Angeklagten wurde aus therapeutischer Sicht als stabiler und authentischer eingeschätzt, auch wenn der Angeklagte weiterhin als gefährlich eingeschätzt wurde.
1655.2.3.
166Am 28.03.2013 beschloss das Landgericht Q. erneut die Fortdauer der Unterbringung, nachdem ihm eine Stellungnahme der UD.-Klinik vom 08.11.2012 vorlag, in der folgende Diagnosen angegeben wurden:
167- Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0) mit dissozialen und narzisstischen Anteilen, selbstunsicher - vermeidenden, dependenten und passivaggressiven Anteilen
168- Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F10.2),
169- Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: schädlicher Gebrauch (ICD-10: F12.1),
170- Psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzen, einschl. Coffein: schädlicher Gebrauch (ICD-10: F15.1),
171- Pädophilie (ICD 10: F 65.4)
172- V.a. Fetischismus (ICD-10 F65.0)
173- V.a. fetischistischen Travestitismus (ICD-10 F65.0)
174- V.a. Sonstige Störung der Sexualpräferenz (ICD 10: F 65.8 - V)
175- Versagen genitaler Reaktionen (ICD-10 F 52.2)
176- Nichtorganische Enuresis (ICD 10: F98.0)
177Dem Angeklagten wurde eine kleinschrittige Entwicklung bei einer motivierten Mitarbeit sowie Zuverlässigkeit in der Behandlung attestiert und ihm zunehmend ein positives Verhalten wegen entsprechender Therapiemotivation bescheinigt. Externalisierungstendenzen sowie Passivitätskonstruktionen und eine eher stark ausgeprägte Opferhaltung traten weiterhin, aber in geschwächter Form auf. Die deliktrelevante psychopathologische Störung wurde als stark ausgeprägt und stark chronifiziert eingestuft. Wegen ungünstiger familiärer Rahmenbedingungen und nur weniger tragfähiger sozialer Kontakte wurde die Sozialprognose weiter als ungünstig eingestuft. Nicht nur das Klinikum, sondern auch WO. in seinem Prognosegutachten gemäß § 16.3 MRVG-NW vom 19.02.2013 erwarteten auch nach drei Jahren Maßregelvollzug außerhalb des gesicherten Umfelds des Klinikums schwerwiegende Delikte gegen die sexuelle und psychische Integrität von Anderen mit hoher Rückfallgeschwindigkeit und zwar insbesondere aufgrund der diagnostischen Befunde in Form einer schweren Persönlichkeitsstörung und sexueller Paraphilien. Eine entscheidende Rolle spiele auch die gestörte sexuelle Identitätsbildung und der Umstand, dass Angeklagte nicht uneingeschränkt die Verantwortung für seine Taten übernehme.
1785.2.4.
179Ein weiteres Jahr später - 2014 - wurden nach Einholung einer Stellungnahme des UD.-Klinikums folgende Diagnosen angegeben:
180- Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0) mit Anteilen verschiedener Persönlichkeitsstörungen, wobei histrionische Züge im Mittelpunkt stehen
181- Pädophilie (ICD 10: F 65.4)
182- Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10:
183F10.2),
184- Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: schädlicher Gebrauch (ICD-10: F12.1),
185- Psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzen, einschl. Coffein: schädlicher Gebrauch (ICD-10: F15.1),
186- V.a. Fetischismus (ICD-10 F65.0)
187- V.a. fetischistischen Travestitismus (ICD-10 F65.0)
188- V.a. Sonstige Störung der Sexualpräferenz (ICD 10: F 65.8 - V)
189- Versagen genitaler Reaktionen (ICD-10 F 52.2)
190- Nichtorganische Enuresis (ICD-10 F98.0)
191Der Sachverständige HR. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 28.8.2014 eine heterosexuelle Pädophilie (ICD10: F 65.4), Fetischismus {ICD-10: F.65.0) sowie eine unreife Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.8) und teilte die Einschätzung des Klinikums einer histrionischen Akzentuierung. Er diagnostizierte eine Fixierung auf Mädchen im vorpubertären Alter und eine auf diese gerichtete heteropädophilen Sexualdevianz vor dem Hintergrund einer im engeren Sinne psychisch gesunden, durchschnittlich intelligenten, mit unreifen Merkmalen gestörten und womöglich suchtmittelgefährdeten, nicht jedoch krankheitswertig gestörten Persönlichkeit. Die bisherige Behandlung im Maßregelvollzug habe seiner Meinung nach zwar eine gewisse Persönlichkeitsnachreifung ergeben; an der pädosexuellen Orientierung habe sich indes nichts geändert. Der Betroffene verfüge im Hinblick auf eine zukünftige Deliktvermeidung über keine ausreichendes Kontroll- bzw. Vermeidungsstrategien. Mangels weiterhin fehlenden sozialen Empfangsraums sei der Angeklagte weiter gefährlich und es seien entsprechende Sexualstraftaten von ihm zu erwarten.
192Während HR. die Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB sowie des § 63 StGB verneinte, bejahte das Klinikum deren Vorliegen mit der Begründung, dass allein das Vorliegen einer fixierten sexuellen Deviation - hier: Pädophilie - impliziere, dass die Sexualstruktur weitestgehend durch die paraphile Neigung bestimmt sei und andere Formen soziosexueller Befriedigung nicht erfolgen könnten. Beide Merkmale sprächen für die Einstufung einer Paraphilie als schwere andere seelische Abartigkeit.
193Das Landgericht Q. – Strafvollstreckungskammer – beschloss am 04.12.2014 die Fortdauer der Unterbringung und folgte der Einschätzung der Klinik. Zu dem Gutachten des Sachverständigen HR. führte es u.a. aus, dass angesichts der im Ausgangsverfahren gestellten Diagnose, des Lebenslaufs des Angeklagten, der Anlassdelikte und der über sechs Jahre hinweg psychiatrisch beobachteten Behandlungsverlaufs eine schwerwiegende Beeinträchtigung durch die Persönlichkeitsstörung sowie insbesondere der pädophilen Neigung, die vorliegend als schwere andere seelische Abartigkeit zu klassifizieren sei, bestehe. Entscheidend sei, dass dieselbe „Defektquelle“, die hier in Form „einer sexuellen Deviation“, konkret „einer Pädophilie“ vorliege, fortbestehe.
194Das Landgericht schloss sich der von HR. und der Klinik gleichermaßen abgegebenen Einschätzung an, dass die Behandlungsprognose ungünstig sei, weil dem Angeklagten ein als authentisch einzuschätzendes Empathievermögen in Bezug auf mögliche Opfer ebenso fehle wie Rückfallstrategien, so dass daher auch die Legalprognose ungünstig sei.
1955.2.5.
196Am 10.12.2015 beschloss das Landgericht Q. erneut die Fortdauer der Unterbringung, nachdem ihm eine Stellungnahme der UD.-Klinik vom 03.09.2015 vorlag, in der folgende Diagnosen angegeben wurden:
197- Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung (ICD 1 0:F 61.0) mit Anteilen verschiedener Persönlichkeitsstörungen, wobei histrionische Züge im Mittelpunkt stehen
198- Multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-1 0: F 65.6) mit Pädophilie Fetischismus und v.a. fetischistischen Transvestitismus
199- Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig in beschützender Umgebung abstinent (ICD-10: F10.21),
200- Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch: schädlicher Gebrauch (ICD-10: F19.1)
201- Versagen genitaler Reaktionen (ICD-1 0: F 52.2)
202Die UD.-Klinik WP. attestierte dem Angeklagten insoweit eine positive Entwicklung bei Steigerung seiner Zuverlässigkeit und Einbindung in die Strukturen. Er sei offener bereit, gewaltsame Anteile im Umgang mit seinen Opfern einzuräumen. Die fetischistische Neigung bezüglich Windeln/Urinieren und ihre Rolle als motivierendes und erregendes Moment im Deliktgeschehen sei vollständig eingeräumt. Weiterhin offen seien hingegen Fragen des „cross-dressing" und der Transsexualität. Insgesamt sei die Zuverlässigkeit des Betroffenen gestiegen und die Einbindung verbessert.
203Unter Hervorhebung manipulativer Facetten und gewaltsamer Verhaltensweisen unter Ausnutzung der Bedürftigkeit seiner Opfer bei den Anlasstaten wurden weiterhin trotz therapeutischer Mitarbeit, insbesondere einer intensiven Auseinandersetzung des Angeklagten mit seiner Problematik und der zunehmenden Verantwortungsübernahme für seine Taten erhebliche rechtswidrige Taten (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern) erwartet.
204Das Landgericht Q. wies darauf hin, dass trotz der in letzter Zeit so erzielten Fortschritte und des sehr guten Wegs, auf dem sich der Angeklagte befinde, zunächst ein erfolgreicher Verlauf von Erprobungen abgewartet werden müsse.
2055.2.6.
206Ein weiteres Jahr später im Jahr 2016 bestätigte das UD.-Klinikum in seiner weiteren Stellungnahme vom 18.10.2016 die Diagnosen aus dem Vorjahr. Trotz weiteren therapeutischen Fortschritts und inzwischen sechsjährigem Maßregelvollzug und entsprechender Therapie seien zentralen Fragen wie die eigene Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung unbeantwortet.
207Wegen des fehlenden sozialen Empfangsraums trotz nunmehr festgestellter praktischer, intellektueller und sozialer Kompetenzen, die zur Besserung der Sozialprognose beitragen könnten, verblieb das Klinikum bei der Einschätzung seiner negativen sozialen Prognose. Auch erwartete man weiterhin außerhalb des Klinikums schwerwiegende Delikte gegen die sexuelle und psychische Integrität wegen der vorstehenden ungeklärten Fragen. SJ. als Sachverständiger für ein Prognosegutachten gem. § 16 MRVG diagnostizierte am 10.08.2016
208- eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0),
209- eine multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10: F65.6),
210- ein Versagen genitaler Reaktionen (ICD-10: F52.2) und
211- eine Verhaltensstörung durch Alkohol, gegenwärtig abstinent in beschützender Umgebung (ICD-10: F10.21) vor
212und teilte die Einschätzung des Klinikums, dass der Maßregelvollzug noch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, sondern außerhalb des Klinikums mit einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit zu rechnen sei.
213Am 01.12.2016 beschloss das Landgericht Q. daher erneut die Fortdauer der Unterbringung.
2145.2.7.
215Ein weiteres Jahr später unter dem 15.11.2017 wurden dem Angeklagten seitens der Klinik
216- eine kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0) mit Anteilen verschiedener Persönlichkeitsstörungen, wobei neben dissozialen Zügen auch histrionische Züge im Mittelpunkt stünden,
217- einer multiplen Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F65.6) mit Pädophilie, Fetischismus und
218- V.a. Fetischistischen Transvestismus,
219- einem Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig in beschützender Umgebung abstinent (ICD-10: F10.21),
220- einer Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch (ICD-10: F19.1) und an
221- dem Versagen genitaler Reaktionen (ICD-10 F52.2)
222attestiert.
223Der Angeklagte wurde als prosoziales und motiviertes Mitglied der Gruppentherapie gesehen, der trotz mehrfachen Bezugsbetreuerwechsels in der Einzeltherapie motiviert und zuverlässig mitarbeite. Er erhielt seit Anfang 2017 begleitete Einzelausgänge, nachdem diese - bereits im Jahr 2015 genehmigte - Lockerung zwischenzeitlich aufgrund einer missbräuchlichen Internetnutzung zurückgestellt worden war. Bei einer zufälligen Kontrolle der Computer im Schulungsraum Ende Mai 2017 wurde entdeckt, dass an einem Computer, der ausschließlich von dem Angeklagten genutzt wurde, auf verschiedenen Internetportalen Einträge zum Thema „diaper" (engl. für Windel) gesucht worden war.
224Von 2017 bis 2021 baute der Angeklagte zu seinem damaligen Bezugstherapeuten HH. eine aus dessen Sicht vertrauensvolle Beziehung auf, nachdem der Therapeut auch bei Entdecken des vorstehenden Verstoßes und nach kollegialer Beratung im Behandlungsteam dem Angeklagten das Windeltragen zur Emotionsregulierung erlaubt wurde, wie ausgeführt. Letztlich machte der Angeklagte trotz des Regelverstoßes in der Klinik für die Therapeuten einen gut integrierten Eindruck mit einem gut gesteuerten Umgang seiner Sexualpräferenz. In der UD.-Klinik entwickelte sich der Angeklagte zu einem präsenten und zu einem starken Mitglied in der Gemeinschaft. Er nahm an Koch- und Backkursen teil und war ein anerkanntes Gruppenmitglied und übernahm eine führende Rolle in der Gemeinschaft und setzte sich auch für andere ein. Trotz weiterer Therapiefortschritte blieben aber zentrale Fragen, beispielsweise die Rolle der eigenen Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung, weiterhin ungeklärt.
225Wiederholt wurde seitens der Behandler auf die fehlenden tragfähigen sozialen Kontakte zur Rückfallprophylaxe verwiesen, die trotz einer Reihe intellektueller und sozialer Kompetenzen weiterhin schwerwiegende Delikte gegen die sexuelle und psychische Integrität von anderen Personen langfristig noch als wahrscheinlich erscheinen und den Angeklagten als gefährlich einstufen ließen.
226Erneut wurde auf manipulative und gewalttätige Verhaltensweisen verwiesen und die Sorge des Klinikums, dass der Angeklagte erneut gewalttätig würde im Falle der Verunsicherung und Zunahme an Selbstzweifeln außerhalb des geschützten Klinikums trotz der ihm nunmehr in positiver Hinsicht attestierten Auseinandersetzung mit seinen Taten und der Übernahme der Verantwortung für selbige, den im Klinikalltag festzustellenden überwiegenden prosozialen Verhaltensweisen bei gleichzeitigen Abbau eigenmächtiger und intransparenter Verhaltensweisen.
227Neben der Weiterarbeit in der Holzwerkstatt – wenn auch ohne Ausbildung – arbeitete er in der Küche mit und trieb regelmäßig Sport und signalisierte dem Klinikum Vertrauen ob des Umstandes der Erlaubnis der Windelnutzung. Trotz dieser Fortschritte wurde dem Angeklagten weiter eine große Therapiebedürftigkeit attestiert.
228Angesichts dieser Einschätzung ordnete das Landgericht am 30.11.2017 abermals die Fortdauer der Unterbringung an.
2295.2.8.
230Bei dieser Einschätzung verblieb das Klinikum im Ergebnis auch 2018 und wurde in dieser Ansicht von dem Sachverständigen NB. unter dem 10.07.2018 bestätigt. Trotz des zwischenzeitlich andauernden Maßregelvollzugs von acht Jahren und sechs Monaten sprach der Sachverständige von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung aus dem Cluster B - dissozial, narzisstisch, histrionisch, emotional-instabil - sowie von einer kombinierten sexuellen Präferenzstörung - Windelfetischismus und Pädophilie –, verbunden mit einer sexuellen Funktionsstörung in Form einer erektilen Dysfunktion und einer Blasenfunktionsstörung mit paraphiler Fixierung. Beide Störungskomplexe – chronisch fixiert und nur schwer und auch nur teilweise therapeutisch veränderbar – seien für die zur Unterbringung führende Delinquenz hochgradig motivations- und tatrelevant gewesen.
231Der Grad der pädophilen Fixierung, der für das Rückfallrisiko des Angeklagten in erneute einschlägige Sexualdelinquenz besonders relevant sei, sei noch nicht mit genügend hoher Sicherheit bestimmbar. Die Angaben des Angeklagten im Rahmen der Anhörung zur Frage der Fortdauer des Maßregelvollzugs zu seinen Sexualpräferenzen, der biographische Niederschlag von mindestens einzelnen homo- und heterosexuellen Kontakten mit Erwachsenen bzw. der Suche hiernach sowie das nicht vollständige „emotionale Aufgehen in der Kinderwelt" sprächen gegen eine Kernpädophilie. Das gezeigte hohe Interesse am kindlichen Genital, der lange, intensive und alltagsintegrierte Missbrauch der präpubertären Mädchen sowie das Schreiben von Windelfetisch-Phantasien aus der Kinder-, wenn auch imaginierten Ich-Perspektive, sprächen mindestens für eine hochgradige sekundäre pädosexuelle Fixierung. Ferner würde der Windelfetisch den Angeklagten zu Kindern hinziehen, die neben alten Menschen, zu denen er sich nicht hingezogen fühlt - die Hauptkonsumenten von Windeln seien. Des Weiteren wurde testpsychologisch und auch nach dem aktuellen klinischen Befund der Angeklagte als eher überdurchschnittlich intelligent eingestuft, der sich sehr wahrscheinlich der Tatsache bewusst sei, dass jegliches Argument gegen eine primäre Pädophilie bei ihm zu einer günstigeren Prognosebeurteilung und somit zu besseren Entlassungschancen führen könne. Daher könnten die von dem Betroffenen weiteren paraphilen Neigungen - Transvestismus und Transsexualität - sowie homosexuelle Präferenz erwachsener Männer nicht sicher als Argumente für ein vermindertes pädophiles Rückfallrisiko ausgelegt werden.
232Es konnte auch 2017 nicht ausgeschlossen werden, dass die pädophile Fixierung unter der Vielzahl der diagnostizierten Begleitstörungen leitend ist und eine damit verbundene hohe einschlägige Rückfallneigung besteht. Erneut wurde ausgehend von der kombinierten Persönlichkeitsstörung jedenfalls eine erhebliche Manipulationsneigung, das Ausblenden der Delinquenzfolgen für die tatsächlichen kindlichen Opfer, das Sich-als-Opfer-der-Umstände-Wahrnehmen, das Konstellieren und Ausagieren von Macht-/Ohnmachts-Situationen im Zusammenhang mit den Delikten und ansatzweise auch im Unterbringungsverlauf dem Angeklagten erneut attestiert. Auch Vertuschungsneigungen im Zusammenhang mit der therapeutischen Aufarbeitung der Sexualstörungen aus Angst, negativ beurteilt zu werden, wurden in Form von verdeckten Internetrecherchen zum Fetischobjekt „Windel“ im Behandlungsverlauf festgestellt. Ohne zu verkennen, dass der Angeklagte inzwischen kritisch seine Kognitions- und Verhaltensstörungen reflektierte, in Konflikten mit Mitpatienten nicht gewalttätig wurde, sich auf die therapeutische Arbeit konstruktiv einlasse und sich proaktiv auf die therapeutische Arbeit einlasse und prosozial sich in die Patientengemeinschaft einbringe, wurde therapeutisch und sachverständig herausgearbeitet, dass der Angeklagte prognostisch gerade in emotionalen Belastungssituationen seine bis dato attestierten negativen Persönlichkeitsmerkmale wieder in den Vordergrund rücken lassen würde.
233An der Selbstversorgergruppe nahm der Angeklagte nicht mehr teil. Das Amt des Patientensprechers gab er zurück, um Platz für jemand Neuen zu machen. Er wechselte von der Holzarbeitsherapie zur Gartentherapie, da ihm bei der Holzarbeit eine Ausbildung nicht mehr angeboten werden konnte. Neben der Einzel- und Gruppentherapie zur Aufarbeitung seiner Straftaten erfuhr er als Lockerung begleiteten Gruppenausgang in Vierergruppen, begleitet durch einen Pfleger. Die Ausgänge verliefen stets problemlos, zuverlässig und absprachegemäß.
234Vorfälle wie eine missbräuchliche Internetnutzung, gab es nach dem 15.11.2017 zwar nicht mehr, jedoch wurde im Rahmen einer Zimmerkontrolle ein nicht angemeldeter USB-Stick und ein MP3-Player mit einem gebrochenen Siegel aufgefunden. Dadurch wartete das Klinikum mit dem Eintritt in die nächste Lockerungsstufe des Einzelausgangs erst einmal ab. Die Windelnutzung, die auch der Beruhigung diente, konnte demgegenüber reduziert werden.
235Wichtig sei für die weitere Therapie, inmitten derer sich der Angeklagte – aktuell in der Bearbeitung des Themas „Emotion und Empathie“- noch befinde, dass ein realistischer Arbeitskontext geschaffen würde und weitere Erprobungsschritte erfolgten.
236Mit diesen, wesentlichen Ausführungen beschloss das Landgericht am 04.10.2018 weiterhin die Fortdauer der Unterbringung.
2375.2.9.
238Auch ein weiteres Jahr später – im Jahr 2019 – attestierte das Klinikum dem Angeklagten in seiner jährlichen Stellungnahme vom 14.08.2019 folgende aktuelle Diagnosen:
239- multiple Störung der Sexualpräferenz, die pädophile, fetischistische und mutmaßlich auch transvestitische Elemente umfasst (F65.6);
240- erektile Dysfunktion (F52.2);
241- nichtorganische Enuresis mit Bettnässen (F98.0);
242- kombinierte Persönlichkeitsstörung, insbesondere mit Facetten von Narzissmus und Dissozialität, aber auch Histrionik und emotionaler Instabilität (F61.0);
243- Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent in geschützter Umgebung (F10.21 );
244- posttraumatische Belastungsstörung in der Vorgeschichte (F43.1 ).
245Die Genese dieser Störungen werde wohl durch deutlich multiple Traumatisierungen als Opfer körperlicher Gewalt und sexuellen Missbrauch begünstigt. Bei der Persönlichkeitsstörung imponierten die dissozialen Anteile im Alltag kaum noch, histrionische Züge hingegen bei deutlich geringerer Frequenz immer noch manchmal; hier befinde sich der Betroffene allerdings noch in einer Entwicklung, deren Verlauf abgewartet werden müsse. Bezüglich der Diagnose einer Pädophilie seien die Kriterien einer Störung der Sexualpräferenz erfüllt. Indes hätten sich in den letzten Jahren keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme einer Ausschließlichkeit dieser sexuellen Präferenz ergeben. Es liege eine progrediente Dynamik vor, bei der sich noch erweisen müsse, ob homosexuell-fetischistische oder pädophile Anteile größeres Gewicht gewönnen.
246Der Angeklagte nahm in diesem Zeitraum an einer Soziomilieutherapie im Stationsalltag, einer Psychotherapie in Form von wöchentlichen Einzelgesprächen und an einer Gruppe für Sexualstraftäter teil, wobei sich die Mitarbeit positiv gestaltete. Im Rahmen seiner Einzelausgänge absolvierte er ein Praktikum in einer gemeinnützigen Einrichtung. Im Rahmen einer Art paradoxer Intervention nach missbräuchlicher Computernutzung wurde es ihm erlaubt, unter therapeutischen Auflagen Windeln zu bestellen und zu nutzen. Aus Sicht des Klinikums wollte er eigeninitativ die Windelnutzung reduzieren. Nunmehr benutzte der Angeklagte die Windeln nur noch zur sexuellen Stimulation und nur an Wochenenden, nachdem er funktionale Techniken und Hilfsmittel zur Emotionsregulation entwickelte hatte und der Drang zu Toilettengängen durch urologische Medikation eingedämmt werden konnte.
247Zudem fand eine intensive traumatherapeutische Aufarbeitung der Kindheitserlebnisse statt und dem Angeklagten wurde nunmehr der Lockerungsstatus Einzelausgang gewährt, den er regelmäßig und zuverlässig wahrnahm. Hinweise auf pädophile Fantasien oder dranghafte pädophile Bedürfnisse fanden sich zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des Klinikums nicht. Zentrale Fragen, wie z.B. die Rolle der eigenen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung, waren aber noch zu bearbeiten. Die Behandlungsprognose wurde deutlich positiver eingeschätzt als noch zu Beginn der Unterbringung aufgrund der Abschwächung von Exkulpierungs- und Externalisierungstendenzen, Passivitätskonstruktionen und der vormals ausgeprägten Opferhaltung und mit Blick auf seine gute Intelligenz und Verbalisierungsfähigkeit, seine gute Reflexions- und lntrospektionsfähigkeit, seine prinzipiell vorhandene Mentalisierungs- und Empathiefähigkeit sowie seine Therapiemotivation und -anstrengung.
248Es verblieb aber wiederum eine Restunsicherheit hinsichtlich der Identitätsproblematik, die Frage nach einer Rückfallprophylaxe, den weiterhin wenig vorhandenen, tragfähigen sozialen Kontakten, auch wenn sich der Kontakt zur Familie, insbesondere zur Mutter derart gebessert hatte und erstmals von einem protektiven Wert der Mutter-Sohn-Beziehung gesprochen wurde. Dem Angeklagten wurden eine Reihe praktischer, intellektueller und sozialer Kompetenzen zugesprochen, von denen sich das Klinikum erhoffte, dass sie - konstruktiv eingesetzt - zur Besserung und Stabilisierung der Sozialprognose beitragen könnten. Man fürchtete aber weiterhin außerhalb des geschützten Umfeldes des Klinikums schwerwiegende Delikte gegen die sexuelle und psychische Integrität von anderen durch ein nicht nur theoretisch denkbares „Hineinrutschen" in alte und sich selbstverstärkende Verhaltensweisen, die in von Macht und Dominanz geprägten Beziehungen enden, bei denen die Beziehungspartner (seien es Kinder oder Erwachsene) herabgewürdigt und sexuell ausgenutzt werden.
249Die statistische Rückfallwahrscheinlichkeit sei lange als hoch eingeschätzt worden, neuere Daten deuteten auf eine evtl. nur moderate Wahrscheinlichkeit hin. Ungünstig erscheine allerdings u.a., dass der Betroffene alleine gehandelt und mehrere Delikte in Folge begangen habe und er über längere Zeit unter Einsatz manipulativer wie auch gewalttätiger Verhaltensweisen unter Ausnutzung der Bedürftigkeit seiner Opfer Abhängigkeitsbeziehungen aufgebaut habe, die die Taten ermöglicht haben.
250Ungünstig sei zudem das Zusammenspiel sexueller Devianz und Persönlichkeitsstörung als motivationaler Hintergrund der Delikte und das Vorliegen einer Suchtproblematik. Auch die bisherige Kriminalitätsentwicklung sei ungünstig (dissoziales Milieu, kriminelles Verhaltensmuster, Gewalt). Bezüglich der sexuellen Störung sei die Prognose ebenfalls ungünstig, da die Tatfrequenz hoch und es zu einer erheblichen Progredienz gekommen sei.
251Weiterhin sah man aus therapeutischer Sicht die Gefahr, dass die erarbeiteten und erlernten Regulierungsmechanismen außerhalb des Klinikums bei Verunsicherung und Selbstzweifeln zu Lasten eines Durchbruchs neuerlicher Gewaltanwendung in den Hintergrund treten könnten. Man attestierte dem Angeklagten, im nicht geschützten Rahmen des Klinikums aus einer vermeintlichen (Selbstwert-)Verteidigung heraus agieren zu können. Es wurde aber nicht verkannt, dass er sich mit seiner diesbezüglichen Problematik auseinandersetze und Verantwortung für seine Taten übernehme und zumindest im Klinikalltag prosoziale Verhaltensweisen deutlich überwiegen würden und begleitete Lockerungen und auch unbegleitete Einzelausgänge zuverlässig und absprachefähig von ihm durchgeführt würden. Klinikum wie Gericht gingen seinerzeit davon aus, dass sich der Angeklagte auf einem guten Weg befand.
252Aufgrund der für die Kriminalprognose noch ungünstigen Aspekte ordnete das Landgericht am 26.09.2019 weiter die Fortdauer der Unterbringung an.
2535.2.10
254Das Landgericht ordnete am 04.11.2020 die Fortdauer der Unterbringung an, wobei es darauf hinwies, dass angesichts der mehr als zehn Jahre dauernden Unterbringung konkret festgestellt werden müsse, dass der Angeklagte eine ungünstige Legalprognose habe. Davon ging es aber unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen XV. vom 14.08.2020 und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klinik vom 30.07.2020 aus. Danach bestanden folgende Diagnosen:
255- kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Facetten von Narzissmus und Dissozialität, aber auch
256- Histrionik und emotionaler Instabilität (ICD-10: F61.0),
257- eine Posttraumatische Belastungsstörung in der Vorgeschichte (ICD-10: F43.1),
258- Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent in geschützter Umgebung (ICD-10: F10.21) sowie
259- eine erektile Dysfunktion (ICD-10: F52.2) und
260- eine nichtorganische Enuresis mit Bettnässen (ICD-10: F98.0).
261Soweit die Klinik zusätzlich eine multiple Störung der Sexualpräferenz, die pädophile, fetischistische und mutmaßlich auch transvestitische Elemente umfasse (ICD-10: F65.6,) diagnostiziere, so teilte der Sachverständige hierzu eine Einordnung in den Diagnosekatalog des ICD-10 nicht zwanglos. Es sei – so der Sachverständige – auch in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Diagnosen gekommen. Sicher sei aber, dass es sich bei dem Betroffenen um einen multipel in seiner Persönlichkeit und insbesondere im Teilbereich der Persönlichkeit Sexualität gestörten Menschen handele. Formal bejahe aber auch er das Merkmal der Pädophilie. Inzwischen seien allerdings die Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale der Persönlichkeitsstörung abgemildert. Dies änderte aber weder für die Strafvollstreckungskammer noch für den Sachverständigen etwas an der Bewertung, dass die Persönlichkeitsstörung unverändert fortbestehe.
262Die Persönlichkeitsstörung bestand unverändert auch in dem festgestellten Schweregrad fort, auch wenn Akzentuierungen möglicherweise unterschiedlich gesehen wurden, wie bereits ausgeführt. Die Strafvollstreckungskammer sah weiterhin keinen Raum die Maßnahme für erledigt zu erklären und verwies mitunter auf die geringe berufliche Qualifikation, wenige tragfähige soziale Kontakte, auch wenn sich der Kontakt zur Familie, insbesondere zur Mutter verbessert habe. Statistisch sei von einer moderaten Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen. Ungünstig sei unverändert das bestehende Zusammenspiel von sexueller Devianz und Persönlichkeitsstörung als motivationaler Hintergrund der Delikte sowie das Vorliegen der Suchtproblematik. Hinzu käme die bisherige Kriminalitätsentwicklung, die von Gewalt, hoher Tatfrequenz und erheblicher Progredienz geprägt sei. Positiv werteten Klinikum und Strafvollstreckungskammer, dass sich der Betroffene intensiv mit der Übernahme von Verantwortung für seine Taten auseinandersetze.
263In dieser Zeit stellte das Klinikum auch keine weiteren Grenzüberschreitungen fest und es wurde ausgeführt, dass die bedürfnisorientierten, eigenmächtigen und intransparenten Verhaltensweisen weitgehend abgebaut seien. Auch im Rahmen der unbegleiteten Lockerungen zeigte sich der Angeklagte zuverlässig und absprachefähig. Dennoch bestand weiterhin ein relevanter Therapiebedarf. Es sollte das Ergebnis der Erprobung in der Langzeitbeurlaubung abgewartet werden, da weiterhin eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehe, dass der Angeklagte im Falle der Erledigung der Maßregel mittel- bis langfristig Straftaten begehen würde, durch die die Opfer körperlich und/ oder seelisch schwer geschädigt würden. Diese Gefahr sei nicht nur latent, so der Sachverständige, da psychosozialer Stress mit nachfolgendem sozialem und beruflichem Scheitern, aber auch das Eingehen einer Beziehung zu einem hochgradig sexualisierten Partner sehr schnell die dissoziale und dissexuelle und damit auch sexualdelinquente Handlungsbereitschaft reaktivieren könne. Ohne eine positive Entwicklung des Angeklagten zu verkennen, wirkten die Entwicklungsgeschichte des Angeklagten mit vielfachen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend äußerst ungünstig. Gerade bei einer neuerlichen sexuellen Verwahrlosung würde eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit bestehen. Skepsis bestand aus sachverständiger Sicht, ob der Angeklagte seine erlernten Handlungsstrategien umsetzen werde können und plädierte für eine Erprobung in der Langzeitbeurlaubung als nächste Lockerungsstufe.
264Der Angeklagte verbalisierte anfänglich Überforderungsgefühle in der zwischenzeitlich durchgeführten Langzeitbeurlaubung ab November 2020 noch gegenüber dem Behandlungsteam, das ihn einmal in der Woche besuchte. Dadurch verbesserte sich die Situation des Angeklagten, da er diese Kontakte als haltgebend empfand. Der Angeklagte suchte – wie bereits unter I. 5.1. ausgeführt – den Kontakt zum Behandlungsteam und nahm Unterstützungsangebote in Form von Gesprächen und Besuchsmöglichkeiten auf seiner Station an, so dass es ihm nach und nach immer besser gelang, mit den neuen Herausforderungen zurecht zu kommen.
265Die Gruppentherapie für Sexualstraftäter nach „Marshall&Marshall“ wurde – wie ebenfalls bereits unter I. 5.1. ausgeführt - nach vierjähriger Teilnahme im Zuge der Ausgliederung erfolgreich beendet. Im letzten Behandlungsblock „Rehabilitation“ zeigte der Angeklagte ein gewohnt aktives und motiviertes Teilnahmeverhalten und präsentierte sich prosozial den anderen Gruppenmitgliedern gegenüber. Der Angeklagte hatte umfassend Kenntnis über die eigenen Risikofaktoren und zeigte ein Bewusstsein dafür, welche Herausforderungen im Zuge der Ausgliederung auf ihn zukommen könnten.
266Gleichwohl baute der Angeklagte in der Langzeitbeurlaubung entgegen der therapeutischen Weisung Kontakt zur hiesigen Nebenklägerin auf und intensivierte diesen bis es zu den hier abgeurteilten Taten, zu denen unter II. näher ausgeführt wird, kam.
267II.
268Feststellungen zur Sache
2691. Vorgeschehen
270Der Angeklagte befand sich seit Herbst November 2020 im Langzeiturlaub von seiner Unterbringung in der UD.- Klinik in WP. und hatte zu diesem Zweck eine kleine Wohnung angemietet. Er wurde im wöchentlichen Wechsel von dem Zeugen HH. und Frau VP. besucht. Zu seiner Mutter, zu der er in der Unterbringung langsam (wieder) eine Beziehung aufgebaut hatte, pflegte er zumindest sporadisch Kontakt und traf sich auch ab und an mit ihr und nahm an Familienfeiern teil.
271Seine Wohnung richtete er sich nach und nach ein. Zu diesem Zweck und aufgrund einer Sammelleidenschaft durchsuchte er Sperrmüll bzw. partizipierte von Haushaltsauflösungen und kaufte sich in diesem Zusammenhang Gegenstände für seine Wohnung. Aufgrund seiner Vorverurteilung sollte der Angeklagte – so war es seitens der Klinik mit ihm abgestimmt – keinen Kontakt zu Kindern aufzunehmen.
272Etwa zu Beginn dieses Langzeiturlaubs lernte der Angeklagte den Zeugen D. zufällig kennen, als sie beide Sperrmüll durchsuchten, kamen ins Gespräch und waren sich sympathisch. Beide stellten fest, technikaffin zu sein und hatten darüber schnell eine Gesprächsbasis gefunden und suchten gemeinsam nach entsprechenden Dingen. So erwarb der technikaffine Angeklagte in Begleitung des Zeugen D. auch mehrere Festplatten für sich im Rahmen einer Haushaltsauflösung. Es entwickelte sich rasch eine Freundschaft zwischen den beiden. Der Angeklagte hatte bei einem Besuch in der Wohnung des Zeugen D. zu einem späteren Zeitpunkt bemerkt, dass dort auch Kinderschuhe herumstanden und auf diese Weise zufällig erfahren, dass der Zeuge D. eine Tochter hatte.
273Der Zeuge D. lebte von der Kindsmutter getrennt und hatte gerade eine neue Partnerin kennen gelernt. Das Sorgerecht teilte er sich mit seiner Ex-Partnerin, allerdings wohnte M. bei ihm und verbrachte nur ab und an Wochenenden bei der Mutter oder besuchte diese, so dass er sich als alleinerziehender Vater verstand. M. hatte noch einen kleinen Bruder, der bei der Kindsmutter lebte, und noch im Wickelalter war. Auch lernte der Angeklagte im Laufe der Zeit die Mutter von M. kennen und relativ zeitgleich mit dem Kennenlernen des Zeugen D. auch dessen Arbeitskollegen und Kumpel U., der auch ein Freund des Angeklagten wurde, zu dem der Angeklagte – ebenso wie insbesondere zu dem Zeugen D. – grundlegend eine sozial adäquate, freundliche, zugewandte und verlässlich erscheinende persönliche Bindung aufbauen konnte.
274Ende November/Anfang Dezember 2020 traf der Angeklagte sodann erstmals auch die am 00.00.0000 geborene Tochter des Zeugen D., die Nebenklägerin M.. Der Angeklagte, der Zeuge D. und der weitere gemeinsame Bekannte U. unternahmen zusammen einen Haldenspaziergang, zudem der Zeuge D. auch seine Tochter mitbrachte. Hiervon berichtete der Angeklagte auch noch dem Klinikum, das ihn daraufhin erinnerte, keinerlei Kontakt zu Kindern aufzunehmen. Auch hatte das Klinikum den Angeklagten aufgefordert, dem Zeugen D. über seine Vergangenheit aufzuklären. Insoweit hatte es auch ein Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt gegeben, indem der Angeklagte ungenau von einer strafrechtlichen Verurteilung wegen eines Kontaktes zu einem Mädchen berichtet hatte und ihm suggerierte, dass sich dieses im Teenageralter von etwa 16 Jahren befand. Der Zeuge D. empfand das ihm so geschilderte Geschehen als nicht so schlimm und hatte keine Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen der Verurteilung und dem tatsächlichen Tatgeschehen und hegte keinerlei Misstrauen gegenüber dem Angeklagten.
275Der Angeklagte fühlte sich in der Langzeitbeurlaubung trotz regelmäßiger Kontakte von HH. und Frau VP. zeitweise aber auch „gestresst“. So bereitete ihm eine anstehende Prüfung Sorgen, weil er in früheren Prüfungen gescheitert war. Die Klinik zahlte Gelder an ihn nicht rechtzeitig aus. Das berichtete er aber auch seinem Bezugstherapeuten HH.. Gerade nach dessen Eindruck bestand zu dem Angeklagten ein sehr guter, vertrauensvoller Kontakt – ein echter „Draht“ zueinander. Das war im Kern auch die Sicht des Angeklagten, unabhängig davon, dass dieser sich im Laufe des Jahres 2022 nicht traute, dem Zeugen HH. von weiterhin bestehenden Kontakten zu M. zu berichten, weil er dann eine Ablösung aus der Langzeitbeurlaubung befürchtete. Der Angeklagte schilderte ihm auch, dass es ihn belastete, dass er sich Geld leihen musste.
276Aufgrund der enger werdenden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen D. bot der Angeklagte, der um die Familiensituation des Zeugen D. wusste, in Kenntnis des Umstands, dass er – insbesondere allein - keinen Kontakt zu Kindern haben sollte, an, dass die Geschädigte M. auch gelegentlich bei ihm übernachten könne. Dieses Angebot nahm der Zeuge D. ahnungslos und dankend an, um u.a. auch einmal Zeit mit seiner neuen Partnerin zu verbringen und diese besser kennen zu lernen. Zur Durchführung solcher Treffen war seine Ex-Partnerin nämlich nicht bereit, auf ihre Tochter aufzupassen.
277Bereits im Januar 2021 – d. h. wenige Wochen nach dem Kennenlernen von M. – übernachtete diese erstmals beim Angeklagten. Nach ein paar Wochen wiederholte sich ein solcher Wochenendbesuch, bis er ab Sommer 2021 regelmäßig etwa alle zwei Wochen stattfand. Diese Wochenenden nutzte der Angeklagte, um seinen pädophilen Neigungen nachzugehen und die Geschädigte ab Sommer 2021 zu missbrauchen. Bis dahin hatte sich zwischen dem Angeklagten und M. ein so gutes Vertrauensverhältnis entwickelt, dass diese ihm auch ihre Geheimnisse und Sorgen anvertraute. M. vertraute dem Angeklagten und erzählte ihm etwa auch davon, dass sie eifersüchtig auf ihren kleinen Bruder sei, der viel Zuwendung erfahre. Daraufhin bot der Angeklagte ihr an, sie auch „zu betütteln“. Als sie einmal gemeinsam in den Drogeriemarkt „YW.“ gingen, um einzukaufen, sah M. einen Schnuller, den der Angeklagte ihr kaufte, als sie ihn haben wollte. Zugleich fragte er, ob er ihr auch Windeln „ummachen“ solle. Sie antwortete, es nicht zu wissen und darüber nachdenken zu wollen. Ein Fläschchen, von dem der Angeklagte ihr ebenfalls anbot es zu kaufen, wollte sie indes nicht haben.
278Von dem bestehenden und enger werdenden Kontakt zu M. berichtete der Angeklagte dem Klinikum nicht.
279Als M. an einem anderen nicht näher feststellbaren Wochenende bei dem Angeklagten schlief, teilte sie ihm mit, dass sie das „gewickelt werden“ ausprobieren wolle. Der Angeklagte besorgte daraufhin Windeln, legte einen Vorrat an, den er in seiner Wohnung in einem Schrank aufbewahrte und verbrauchte in der Folgezeit zwei Windeln pro Tag, wenn M. bei ihm war, da er M. zweimal täglich durch unterschiedliche Penetrationen, mindestens mit einem Finger in den Scheidenvorhof eindringend, sexuell missbrauchte. Den Umfang eines solchen Missbrauchs räumte der Angeklagte erstmals von sich aus in der Hauptverhandlung ein. Bis dato waren nur die sich aus den von dem Angeklagten gefertigten Videos bzw. Fotos ersichtlichen Missbräuche bekannt, auf die sich die konkreten einzelnen, hier verurteilten Taten spätestens ab August 2021 beschränken.
2802. Tatgeschehen
2812.1. Tatentschlüsse
282Vor dem Hintergrund der bereits seit Jahrzehnten bestehenden, aber grundlegend therapeutisch bearbeiteten Motivation des Angeklagten, Kinder auch unter Ausübung seines Windelfetisch zu wickeln und in diesem Zuge sexuell zu missbrauchen, entschloss sich dieser in der ab November 2020 bestehenden Langzeitbeurlaubung ab August 2021 an der minderjährigen Nebenklägerin M. sexuelle Befriedigung nunmehr und auch zukünftig zu suchen und an ihr allein zur eigenen sexuellen Befriedigung die – nachstehend im Einzelnen näher beschriebenen – sexuellen Handlungen vorzunehmen, sie dabei – teilweise – auch zu wickeln, mit einem Feuchttuch über die Vulva zu streicheln, sie an der Vulva streichelnd einzucremen und mindestens in den Scheidenvorhof mit einem Finger oder einem Gegenstand, wie einem Fieberthermometer, zum Teil aber auch in die Vagina, einzudringen. Ihm war bewusst, dass M. längst „trocken“ war, keine Windel mehr benötigte und auch in der Lage war, sich selbst zu säubern, so dass es keine Notwendigkeit gab, die Vulva von M. mit einem Feuchttuch „zu reinigen“ oder sie dort einzucremen. Vielmehr tat der Angeklagte auch dies allein zu eigenen sexuellen Befriedigung.
283Dem Angeklagten war ebenfalls bewusst, dass die Nebenklägerin, bei allen nachstehend näher beschriebenen Taten das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet und keine sexuellen Erfahrungen hatte. Schließlich war ihm bewusst, dass die Vornahme sexueller Handlungen an der Nebenklägerin ihm – dem Angeklagten – nicht erlaubt war. Mit all diesen Umständen fand sich der Angeklagte jedoch ab, um das von ihm erstrebte Ziel der eigenen sexuellen Erregung und Befriedigung zu erreichen.
284Ferner entschloss sich der Angeklagte aus sexueller Motivation, die Nebenklägerin M. bei den Misshandlungen zu videografieren oder Fotos zu machen und so den Missbrauch bilddokumentarisch festzuhalten, auch um ihn sich später anschauen zu können, um sich dann auch dabei sexuell zu erregen. Damit fand sich der Angeklagte vor dem Hintergrund seiner eigenen sexuellen Motivation ab.
2852.2. Ausführung der Taten
286In Umsetzung dieser jeweiligen Tatentschlüsse kam es im Einzelnen zu folgenden Taten:
2871.
288Am Sonntag, den 00.00.0000 um 00:11:55 Uhr zog der Angeklagte der Geschädigten zunächst ihre grau-weiß gestreifte Schlafhose über den Intimbereich herunter, so dass sie mit entblößter Vulva vor ihm lag. Sodann streichelte er die Geschädigte an der Vulva und führte sodann den Zeigefinger seiner rechten Hand zunächst von Sekunde 25 bis Minute 1:10 des von ihm gefertigten Videos mindestens in den Scheidenvorhof der M. ein. Diese Handlung wiederholte er von Minute 1:26 bis 1:50 des Videos. Das gesamte gefilmte Geschehen erstreckte sich über eine Dauer von 2:18 Minuten.
2892.
290Am selben Tag gegen 00:28 Uhr führte der Angeklagte, der auch dies mit seinem Handy auf Video aufnahm, in kurzem zeitlichen Abstand zueinander zunächst den Mittelfinger seiner rechten Hand für etwas mehr als 20 Sekunden mindestens in den nackten Scheidenvorhof des Kindes ein. Das filmte er, wobei das gesamte Video 32 Sekunden dauerte.
291Nach kurzer Pause – immer noch gegen 00:28 Uhr - führte der Angeklagte zunächst erneut – von Sekunde 25 bis Sekunde 48 - den Mittelfinger seiner rechten Hand und sodann – von Minute 1.31 bis Minute 1:50 den Zeigefinger der rechten Hand mindestens in den nackten Scheidenvorhof des Kindes ein. Auch diese Handlungen videografierte er, wobei die Dauer des gesamten Videos 2:18 Minuten beträgt.
292Bei den Handlungen bewegte der Angeklagte den jeweiligen Finger im Scheidenvorhof mehrfach auf und ab.
2933.
294Am Dienstag, den 00.00.0000 um 00:01:40 Uhr zog der Angeklagte der Nebenklägerin M. erneut ihre Schlafanzughose herunter und spreizte mit zwei Fingern, nämlich mit dem Zeige- und Mittelfinger, drei Mal die entblößten Schamlippen des Kindes jeweils für mehrere Sekunden. Dabei fertigte der Angeklagte videografisch Nahaufnahmen mit einer Gesamtdauer von 1:24 Minuten von der nun gut sichtbaren Vulva des Kindes.
2954.
296Am selben Tag um 00:08:38 Uhr führte der Angeklagte, der auch dies mit seinem Handy auf Video aufnahm, ein Fieberthermometer vaginal in das am Unterleib entblößte Kind M. ein. Dabei wurde die gesamte silberne Spitze des Thermometers vaginal eingeführt und mehrfach in der Vagina gedreht. Ferner bewegte der Angeklagte das Thermometer in der Vagina mehrfach vor und zurück. Diese sexuellen Handlungen, die von Sekunde 15 bis Sekunde 40 dauerten, wurde von ihm gefilmt. Die Dauer des gesamten Videos beträgt 48 Sekunden.
2975.
298Auch am 00.00.0000 gegen 13:05:35 bis 13:07:58 Uhr führte der Angeklagte einen Finger mindestens in den nackten Scheidenvorhof des Kindes ein und fertigte hiervon zwei Lichtbilder.
2996.
300Am 00.00.0000 um 00:50:33 Uhr filmte der Angeklagte das Kind, während er die nackte Vulva mit einem Feuchttuch „reinigte“, d.h. mehrere Sekunden lang streichelnd darüberfuhr. Auch dieses Säubern geschah aufgrund der sexuellen Präferenz des Angeklagten. Die Nebenklägerin erklärte dabei auf die Frage des Angeklagten, ob man sie – an der Vulva – auch noch eincremen müsse, oder ob das auch so ginge: „Geht so.“
3017.
302Am Freitag, den 00.00.0000 um 20:21:47 Uhr saß M. auf dem Sofa des Angeklagten und spielte Playstation. Hierbei trug sie - ohne hygienische Not-wendigkeit - eine Windel. Der Angeklagte, der auch dies mit seinem Handy auf Video aufnahm, kam zu ihr und begann, ihr zunächst die kurze Hose und anschließend die Windel auszuziehen und erklärte, dass er ihr eine „frische“ (Windel) anlegen wollte. Sodann nahm er ein Feuchttuch und gab vor, nunmehr die Vulva des Kindes damit reinigen zu wollen, wobei er genau wusste, dass dazu keine Notwendigkeit bestand. Vielmehr war er entschlossen, das Kind abermals sexuell zu missbrauchen, um sich durch den vermeintlichen Reinigungs- und nachfolgenden Windelvorgang entsprechend seines darauf bezogenen Fetisch sexuell zu erregen. Dazu rieb er von Minute 2:22 bis Minute 3:30 mit dem Feuchttuch immer wieder über die Vulva und drückte mit dem Zeigefinger der rechte Hand hinein, woraufhin M. mit höher werdender Stimme dreimal „Aua“ sagte. Zudem spreizte der Angeklagte mit zwei Fingern hierbei die Schamlippen des Kindes derart auseinander, dass der Scheideneingang gut zu erkennen war. Der Angeklagte legte M. sodann erneut eine Windel an, da ihn auch dies sexuell erregte. Zudem gab er ihr danach mit seiner linken Hand auf den linken Oberschenkel des Kindes einen Klaps und zeitgleich mit seiner rechten Hand auf den rechten Oberschenkel des Kindes und fuhr mit diesen Händen die Oberschenkel mehrfach von den Knien bis zum Windelansatz mehrfach streichelnd hoch- und herunter. Diese Handlung nahm der Angeklagte auf Video auf. Während der vorgenannten Tat unterhielt er sich dabei auch mit M. und gab Spieletipps, als sie einwandte „mir ist langweilig“. Das gesamte Video hat eine Dauer von 8 Minuten und 19 Sekunden.
3038.
304Am Samstag, den 00.00.0000, um 18:59:01 begab sich der Angeklagte, der auch dies mit seinem Handy auf Video aufnahm, mit M. auf sein Sofa. Sie lag vor ihm und spielte mit einem Tablet. Sodann zog der Angeklagte ihr die Unterhose aus, so dass sie mit entblößtem Unterleib vor ihm lag. Sodann ging der Angeklagte wieder seiner sexuellen Neigung nach und rieb mit einem Feuchttuch zunächst zwischen den Gesäßbacken des Kindes und anschließend – mit kreisenden Bewegungen - die Vulva. Anschließend cremte er zunächst M. zwischen den Gesäßbacken und sodann an der Vulva ein, die er dabei mit kreisenden Bewegungen streichelte. Zuletzt legte er dem Kind eine Windel an. Diesen Vorgang videografierte der Angeklagte, wobei das gesamte Video eine Dauer von 7:16 Minuten hat. Dabei begann der festgestellte Reinigungsvorgang nach einer Videolaufzeit von 1:15 bis 2:10 Minuten, das Eincremen zwischen den Pobacken nach einer Dauer von 2:35 Minuten bis 2:48 Minuten, das Eincremen der Scheide nach einer Dauer ab Minute 3:25 bis zur Minute 4:08 und schlussendlich das abermalige Eincremen zwischen den Pobacken von 4:25 bis 4:44 Minuten.
3059.
306Am selben Tag um 21:41:20 Uhr lag M. mit einem Schlafanzug bekleidet auf dem Sofa des Angeklagten und spielte am Tablet. Der Angeklagte begann die Geschädigte auszuziehen, "um sie zu wickeln". Er entfernte die Windel, so dass die Geschädigte mit entblößtem Unterkörper vor ihm lag. Nachdem er danach mit seiner rechten und linken Hand jeweils den nackten rechten und linken Oberschenkel von M. mehrfach bis zur Vulva hinauf und wieder herunter gestreichelt hatte, nahm der Angeklagte ein Feuchttuch und rieb damit – mit kreisenden Bewegungen – über die Vulva. Anschließend cremte er M. zwischen den Gesäßbacken und sodann an der Vulva ein, wobei er kreisende Bewegungen machte und schließlich auch - sukzessive mehrfach – mit dem Zeigefinger der rechten Hand mindestens in den Scheidenvorhof des Kindes eindrang. Schlussendlich legte der Angeklagte M. eine neue Windel an. Auch diese Handlung filmte der Angeklagte für einen Zeitraum von 8:27 Minuten. Das Streicheln fand ab Minute 2:17 statt. Von Minute 2:52 bis Minute 3:27 nahm der Angeklagte die vorstehenden Reinigungsbewegungen vor. Das Eincremen zwischen den Gesäßbacken fand zwischen Minute 4:00 und Minute 4:45 statt. Ab Minute 5:11 bis zur Minute 5:50 erfolgte das festgestellte Kreisen an der Vulva mit mehrfacher Einführung des rechten Zeigefingers in der vorstehend festgestellten Art und Weise.
30710.
308Am Sonntag, den 00.00.0000 um 04:48:28 Uhr schob der Angeklagte die Windel von M. derart zur Seite, dass er sich Zugang zu ihrer Vagina verschaffen konnte. Er nahm einen herkömmlichen schwarz-gelben Bleistift und führte das obere Ende des Stifts vaginal in die Geschädigte ein, wobei ein deutliches Stück des Stifts von mehreren Zentimetern bis zum Beginn der Schrift auf dem Bleistift sodann in der Vulva und ein Teil davon auch in der Vagina des Kindes – ab Minute 00:32 bis Minute 2:02 - steckte. Dabei führte der Angeklagte mit dem Stift Auf- und Abbewegungen und zudem kreisend drehende Bewegungen aus. Auch von dieser Handlung fertigte der Angeklagte ein Video, das insgesamt 2 Minuten und 14 Sekunden dauerte.
3092.3.
310Darüber hinaus kam es zu folgenden Geschehen, wobei die Kammer das Verfahren bezüglich der entsprechenden, ursprünglichen Anklagepunkte in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig eingestellt hat.
3112.3.1.
312Am Samstag, den 00.00.0000 um 00:33:28 Uhr wickelte der Angeklagte das schlafende Kind rein aus sexueller Lust. M. trug nämlich keine Windeln mehr. Das Wickeln entsprach jedoch einer sexuellen Präferenz des Angeklagten. Von diesem Vorgang fertigte der Angeklagte ein Video der Geschädigten für eine Dauer von 33 Sekunden, bei dem der Fokus auf der vollständig entblößten Vulva des Kindes lag.
3132.3.2.
314Am Samstag, den 00.00.0000 um 04:56:43 Uhr zog der Angeklagte M. ihre Schlafhose aus und fertigte mit seinem Handy ein Video mit Nahaufnahmen ihres so nackten Intimbereichs. Dabei gähnt die verschlafene M.. Das Video hat eine Gesamtlänge von 28 Sekunden.
3153. Nachtatgeschehen
3163.1. Entdeckung der Taten
317Nach einem anonymen Hinweis aus der Patientenschaft des UD.-Klinikums am 06.10.2021, wonach der Angeklagte einem Mitpatienten davon berichtet hatte, dass er seit längerem intensiven Kontakt zu der Nebenklägerin hatte, sich das Kind insbesondere mehrfach und auch an Wochenenden ohne Anwesenheit Dritter in seiner Wohnung aufgehalten hatte, meldete das Klinikum dies der Staatsanwaltschaft Essen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurden diverse Speichermedien, darunter auch Mobiltelefone des Angeklagten, die sich in der Wohnung des Angeklagten befunden hatten, beschlagnahmt und nachfolgend ausgewertet, nachdem zwischenzeitlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen der Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht Essen einen entsprechenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erlassen hatte. Dabei wurden u.a. die bei den vorstehenden unter 2.2. und 2.3. Taten bzw. weiteren Geschehnissen genannten Videos bzw. Fotos aufgefunden.
3183.2. Rückführung der Lockerungen durch das UD.-Klinikum
319Unmittelbar nach der vorstehenden Information des Mitpatienten des Angeklagten, noch am 07.10.2021 - wurden die bestehenden Lockerungen – die Langzeitbeurlaubung und der damit eingehergehende unbegleitete Ausgang - gegenüber dem Angeklagten zurückgenommen. Seitdem befindet sich der Angeklagte wieder im UD.-Klinikum. Der Angeklagte zeigte sich unmittelbar nach Rückkehr depressiv und anfangs auch aggressiv. Der Angeklagte zeigte keinerlei Interesse mehr an Behandlungsangeboten. Er berichtete zwar davon, mit dem Kind – unter Anbehalten seiner Unterhose – gebadet zu haben, spricht in der Klinik bis heute nicht über die Taten und lässt sich gegenwärtig auch nicht therapieren. Die therapeutische Arbeit beschränkt sich darauf, ihn in der Gruppe zu reintegrieren. Derzeit hat er einzig Ausgänge auf dem Gelände des Klinikums. Die nach Rückkehr aufgetretene Aggressivität hatte sich zwischenzeitlich gelegt, eine Reizbarkeit kam mit Heranrücken der Hauptverhandlung mitunter erneut hinzu.
320Im Oktober 2021 – letztlich ohne tiefergehende Berücksichtigung der erst kurz zuvor durch den Mitpatienten bekannten gewordenen Umstände – diagnostizierten die behandelnden Ärzte im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Notwendigkeit einer Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug erneut
321- eine multiple Störung der Sexualpräferenz, die pädophile, fetischistische und mutmaßlich auch transvestitische Elemente umfasst (ICD-10: F 65.6) sowie
322- eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0).
323- Zudem wurde eine Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent (ICD- 10: F10.20) diagnostiziert,
324- eine erektile Dysfunktion (ICD-10: F52.2) und
325- eine Posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1 ).
326Die Maßregelvollzugsklinik wies in ihrer Stellungnahme aus Oktober 2021 darauf hin, dass der Angeklagte anfangs der Langzeitbeurlaubung Gefühle von Einsamkeit und Überforderung verbalisiert, aber proaktiv Kontakt zum Behandlungsteam gesucht habe, auch vom betreuten Wohnen wöchentlich aufgesucht worden sei und zudem die Marshal&Marshall-Gruppe beendet habe und es den Anschein gehabt habe, er habe Kenntnis über die eigenen Risikofaktoren. Zudem habe der Angeklagte auch Bewältigungsstrategien benennen können. Zunächst einmal wöchentlich, später vierzehntägig habe er an der Einzeltherapie teilgenommen. Allerdings habe sich – nach dem damals nur vorhandenen Kenntnisstand – herausgestellt, dass er weit mehr Zeit mit M. verbracht habe als gegenüber dem Behandlungsteam berichtet. Nach dem in der Klinik indes schon zuvor bekannt gewordenen Spaziergang mit M. habe der Angeklagte gegenüber dem Behandlungsteam – tatsächlich unzutreffend – fortbestehende Kontakte zu M. verneint. Er habe so das Team getäuscht und belogen. Zwar seien die von ihm angegebenen Belastungsfaktoren nicht von der Hand zu weisen, minderten die Tragweite seines Verhaltens indes letztlich nicht und zeigten den nach wie vor hohen Handlungsbedarf. Bislang sei offenbar trotz der langjährigen Therapie der Kern der Themen, obwohl sie auch durch den Angeklagten eingebracht worden seien, nicht erreicht worden. Zudem sei mittlerweile zu hinterfragen, ob überhaupt eine echte Therapiebereitschaft vorliege.
327Darauf anknüpfend beschloss das Landgericht Q. am 04.11.2021 die Fortdauer der Unterbringung. Dazu führte es u.a. weiter aus, die Sozialprognose sei ungünstig. So habe der Angeklagte zwar Freundschaften aufgebaut, trotzdem jedoch deliktpräventive Strategien ignoriert. Auch die Kriminalprognose sei eher ungünstig. Selbst bei der wohlwollenden Annahme, dass der Kontakt zur M. primär zur emotionalen Regulation aufgenommen worden sei, sei die Deliktanalogie und die Gefahr, dass (neue, bis dato noch nicht bekannte, sondern erst im Rahmen der Auswertung der sichergestellten Datenträger später bekannt gewordene) Missbrauchstaten stattgefunden hätten, unverkennbar. Ungünstig sei, dass der Angeklagte nach Wegfall der stützenden Strukturen des (geschlossenen) Maßregelvollzugs mit Verunsicherung und Selbstzweifeln reagiert habe und dabei auf den dysfunktionalen Mechanismus einer Flucht in die kindliche Welt – unter Intransparenz und Belügen der Behandler- zurückgegriffen habe.
328Im Jahr 2022 attestierten das UD.-Klinikum WP. – dieses unter dem 13.09.2022 -sowie der Sachverständige OP. am 12.07.2022 mit ergänzender Stellungnahme vom 04.10.2022 – insoweit übereinstimmend – dem Angeklagten
329- eine multiple Störung der Sexualpräferenz mit pädophilen und fetischistischen Elementen (ICD-10: F 65.6) sowie
330- eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0) mit histrionischen, dissozialen und narzisstischen Anteilen,
331Bezüglich Alkohols wich die Einschätzung der Klinik (psychische und Verhaltensstörungen durch den Konsum von Alkohol, gegenwärtig abstinent in geschützter Umgebung, ICD-10: F10.20) nur geringfügig von der Einschätzung des Sachverständigen (schädlicher Gebrauch von Alkohol, ICD-10: F. 10.21) ab. Zudem litt der Angeklagte nach Einschätzung der behandelnden Ärzte an einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-1 0: F 32.1).
332Über die Diagnosen der Klinik hinaus stellte OP. auch noch die Diagnosen einer Pädophilie (ICD-10: F65.4) und eines Windelfetischismus (ICD-10: F65.8).
333Für alle von ihm angenommenen Diagnosen führte er indes zwar, aber auch nur aus, dass an den vielfach diskutierten Diagnosen kein Zweifel bestehen könne. Eine nähere Auseinandersetzung damit fand ebenso wenig statt, wie mit der bereits in seinem Gutachten vom 14.08.2020 von dem psychiatrischen Sachverständigen XV. angenommenen Umstand, dass zwar damals die Persönlichkeitsstörung nicht beseitigt sei, aber doch stark abgemildert.
334Gegenüber dem Sachverständigen OP. erzählte der Angeklagte auch nicht von seiner Tochter, weil er der Meinung war, dies sei für seine Begutachtung nicht von Relevanz. Erst als es um den Erhalt von Sozialleistungen ging und er den Hinweis bekam, dass er für Kinder auch Leistungen erhalten würde, gab er gegenüber dem Klinikum die Existenz seiner Tochter an. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Q. sah dann darauf aufbauend zwischen den 2009 abgeurteilten Taten und den jetzt abgeurteilten Taten erhebliche Parallelen und beschloss am 31.10.2022 die Fortdauer der Unterbringung auch unter Hinweis auf eine bestehende schlechtere Impulskontrolle.
335Zuletzt am 12.10.2023 beschloss das Landgericht Q. die Fortdauer der Unterbringung, die gegenwärtig noch andauert. Es lägen weiterhin die Voraussetzungen für eine Unterbringung vor. Weder sei die Defektquelle weggefallen noch eine Reduzierung der Gefährlichkeit des Angeklagten festzustellen. Nach den Diagnosen der behandelnden Ärzte liegen bei dem Betroffenen weiterhin
336- eine multiple Störung der Sexualpräferenz mit pädophilen und fetischistischen Elementen (ICD-10:F 65.6),
337- eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 61.0) mit histrionischen, dissozialen und narzistischen Anteilen sowie
338- psychische und Verhaltensstörungen durch den Konsum von Alkohol, gegenwärtig abstinent in geschützter Umgebung (ICD-10: F 10.20)
339vor.
340Diese Diagnosen decken sich im Wesentlichen mit der Einschätzung des Sachverständigen im Vorjahresgutachten und den vorausgegangenen Stellungnahmen der Klinik. Angesichts des während der langen Unterbringungsdauer erlernten deliktspräventiven Wissens sowie des erlernten Wissens zu deliktsfördernden Dynamiken stellte das Klinikum in Frage, ob der Angeklagte noch eingeschränkt oder gar aufgehoben schuldunfähig ist.
341Das Klinikum attestierte dem Angeklagten nach der gescheiterten Langzeitbeurlaubung eine deutlich ungünstigere Behandlungsprognose als bei den zurückliegenden Stellungnahmen aufgrund der durch den Angeklagten begangenen Täuschungen und Lügen in der Langzeitbeurlaubung. Es bestünde – trotz der jahrelangen und augenscheinlich bis hin zur Genehmigung der Langzeitbeurlaubung grundlegend positiv verlaufenden Therapie, wie die gleichwohl begangenen neuerlichen Taten zeigten – ein hoher Therapiebedarf. Grundsätzlich günstig seien zwar Intelligenz, Verbalisierungsfähigkeit und die prinzipiell gute Reflexions- und Introspektionsfähigkeit. Jedoch seien diese Kompetenzen primär dysfunktional und manipulativ genutzt, so dass sie prognostisch nicht günstig seien. Eine Verbesserung der Prognose sei nur durch eine maximale (auch lebenspraktische) externe Unterstützung zu erreichen. Dies wiederum setze eine überdauernde, authentische und transparente Therapiebereitschaft und die Bereitschaft zur dauerhaften Einnahme triebdämpfender Medikamente voraus, wozu der Angeklagte noch nicht bereit gewesen sei. Das Klinikum attestierte ihm eine ungünstige Sozialprognose aufgrund seiner Retrospektivität und den ungünstigen familiären Rahmenbedingungen. Auch die begonnene, aber wieder beendete Ausbildung sowie die in der Langzeitbeurlaubung aufgebauten Kontakte hülfen nicht, deliktspräventive Strategien einzuhalten.
342Auch die Kriminalprognose sei aus Sicht des Klinikums äußerst ungünstig, da der Angeklagte die Anlasstat allein und mehrere Delikte in Folge beging. Er habe über längere Zeit unter Einsatz manipulativer wie auch gewalttätiger Verhaltensweisen unter Ausnutzung der Bedürftigkeit seiner Opfer Abhängigkeitsbeziehungen aufgebaut, die die Taten möglich gemacht hätten und bewusst durch den Angeklagten initiiert worden seien. Der Angeklagte sehe die Beziehung zu Kindern immer noch partnerschaftlich. Auch die Persönlichkeitsstörung und die Suchtproblematik als enthemmende Faktoren spielten eine Rolle.
343Die Strafvollstreckungskammer bejahte unter Verweis auf die klinische Diagnose das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und verneinte am 12.10.2023 eine Aussetzung der Unterbringung letztlich unter Verweis auf das manipulative Verhalten des Angeklagten auch zuletzt.
3443.3. Verfassung des Angeklagten während der Taten
345Der Angeklagte war bei Begehung der Taten weder unfähig das Unrecht seines Tuns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, noch war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert.
3463.4 Verfassung von M. und D.
347Die Nebenklägerin M. hatte ihrem Vater, dem Zeugen D., zwar schon etwa im Spätsommer 2021 davon berichtet, dass sie bei den Besuchen bei dem Angeklagten wie ein Baby behandelt worden sei, u.a. ihr seien Windeln angelegt worden und sie sei im Intimbereich gereinigt worden.
348Der Zeuge D. sprach dies gegenüber dem Angeklagte an und teilte ihm mit, dass, dass er das nicht wolle und die Sorge habe, dass sich M. anderenfalls zurückentwickele. Konkrete Sorgen, gar über einen etwaigen sexuellen Missbrauch, machte er sich aber gleichwohl nicht, da er den Angeklagten als überaus freundschaftlich zugewandt, vertrauensvoll und empathisch sowie fürsorglich mit M. umgehend erlebt hatte. Auf die vorstehende Intervention des Zeugen D. reagierte der Angeklagte entsprechend verständnisvoll und erklärte dem Zeugen D., dass er das verstehe und insbesondere das Wickeln eingestellt habe. Da auch M. dazu nichts mehr sagte, vertraute der Zeuge D. dem Angeklagten, der indes den Missbrauch fortsetzte.
349M. ist aber weiterhin ein fröhliches und aufgewecktes Mädchen mit guten schulischen Leistungen. Sie befindet sich zwar inzwischen in psychologischer Behandlung, dies aber vor allem zur Vorbereitung auf die hiesige Hauptverhandlung. Insgesamt hat sie drei psychotherapeutische Sitzungen bislang absolviert.
350Der Zeuge D. hat sich selbst in psychotherapeutische Behandlung begeben und bislang sieben Sitzungen absolviert. Er empfindet eine Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit und fühlt sich durch den Angeklagten manipuliert.
3513.5. Gefährlichkeit des Angeklagten
352Bei dem Angeklagten besteht ein Hang im Sinne einer auf charakterlicher Anlage beruhenden intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen, zu erheblichen wiederum einschlägigen Straftaten. Aufgrund dieses Hanges besteht die Erwartung, d.h. die bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass von dem Angeklagten weitere erhebliche rechtswidrige Taten, namentlich – durch Einführen von Fingern und Gegenständen auch schwerwiegende – (schwere) sexuelle Missbräuche von Kindern ernsthaft zu erwarten sind. Der Angeklagte ist deshalb für die Allgemeinheit gefährlich. Dabei ist nach dem derzeitigen Persönlichkeitsbild des Angeklagten vor allen Dingen auch für die Zeit nach der Strafverbüßung damit zu rechnen, dass er die Freiheit zu neuen, einschlägigen Straftaten, missbrauchen wird. Es ist nicht zu erwarten, dass der Angeklagte durch den Strafvollzug bzw. etwaig anderweitigen als den hier angeordneten Maßregelvollzug eine Haltungsänderung erfahren wird. Konkrete, belastbare Anhaltspunkte dafür, dass es dem Angeklagten gelingen wird, dort erfolgreich eine Therapie abzuschließen, die ihn befähigten ein Leben ohne schwerwiegende, einschlägige Straftaten zu führen, fehlen.
353III.
354Beweiswürdigung
3551.
356Die Feststellungen zur Person beruhen grundlegend auf den entsprechenden Angaben des Angeklagten, ergänzt bzw. vertieft u.a. durch die verlesenen Feststellungen aus dem Urteil Landgerichts Dortmund vom 15.05.2009 sowie die Bekundungen seines Bezugstherapeuten im Maßregelvollzug, des Zeugen HH..
357Im Einzelnen:
3581.1
359Der Angeklagte hat insbesondere seinen persönlichen Werdegang u.a. mit seiner Schul- und Ausbildungs- bzw. Berufsentwicklung, seinen familiären Verhältnissen, seinen vielfachen Gewalt- und Missbrauchserfahrungen im familiären Kontext, seiner Zeit im Frauenhaus, die On-/Off-Beziehung seiner Mutter zu seinem zweiten Stiefvater – wie festgestellt – geschildert.
360An der Richtigkeit dieser Angaben hat die Kammer letztlich keine Zweifel. Im Wesentlichen stimmen sie – soweit sie bis zum damaligen Zeitpunkt reichten - mit den rechtskräftigen – im Wege des Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten – Feststellungen des Landgerichts Dortmund aus der vorgenannten Verurteilung überein. Auch die damaligen Feststellungen stützen sich – auf die so im Kern konstanten – damaligen Angaben des Angeklagten u.a. gegenüber dem damaligen psychiatrischen Sachverständigen.
361Soweit die Feststellungen zu seiner Biographie von den Feststellungen des Landgerichts Dortmund abweichen, handelt es sich primär um Ergänzungen und Konkretisierungen, die der Angeklagte selbst vorgenommen hat. Dieser Konkretisierungsbedarf hat sich auch erst anhand der inzwischen durchlaufenen Vollzugsgeschichte und im Maßregelvollzug erfolgten Therapiebemühungen gezeigt.
362Soweit die hiesigen Feststellungen von denen des Landgerichts Dortmund abweichen, liegt die Feststellung der Abweichung darin begründet, dass die Kammer im Lichte der Therapiegeschichte des Angeklagten im seit 13 Jahren vollzogenen Maßregelvollzug sehr detailliert nachgefragt hat und so Missverständnisse bzw. Ungenauigkeiten aufklären konnte. Dies betrifft aber ohnehin nur wenige und in der Gesamtschau weniger bedeutende Punkte, wie z. B. die Feststellung zu dem Umstand, dass der Angeklagte doch die ersten zweieinhalb Jahre mit beiden Elternteilen zusammengelebt hat, was im Urteil des Landgerichts Dortmund noch unsicher war.
363Die Kammer verkennt nicht, dass NW. wie auch einige andere Sachverständige im Rahmen des Maßregelvollzugs, über den NW. auch als Zeuge aus anderen Gutachten berichtete, Zweifel an der Authentizität und Erlebnisbasiertheit der Angaben des Angeklagten haben. So äußerte auch NW. zumindest Zweifel, ob die Menge und Intensität der vom Angeklagten geschilderten Missbrauchserfahrungen im häuslichen und außerhäuslichen Umfeld als Kind und Jugendlicher sämtlich erlebnisbasiert sind, was zumindest für das sehr frühe Kindesalter von etwa drei Jahren wenig zu erwarten sei.
364Dazu ist Folgendes zu sagen:
365Zum einen vermochte die Kammer die Biographie auch deshalb wie erfolgt festzustellen, weil der Angeklagte insgesamt umfassende und zumindest über Jahre hinweg auch zumindest grundlegend konstante Angaben zu seiner Biographie machte, (Nach-)fragen der Kammer zwanglos beantworten konnte und die Kammer seine Angaben – soweit sie schon im Urteil des Landgerichts Dortmund festgestellt wurden – durch Angaben im dortigen Ermittlungsverfahren vernommenen Bruders, z.B. betreffend ein auch von ihm miterlebtes Anfassen im Genitalbereich, als so naheliegend erlebnisbasiert festzustellen vermochte.
366Ebenso vermochte der Zeuge D., der Vater der Nebenklägerin, zu berichten, dass der Angeklagte ihm gegenüber ebenfalls von einer schwierigen durch sexuellen Missbrauch geprägten Kindheit gesprochen hat und ebenfalls von seiner leiblichen Tochter berichtete. Die Kammer hat kritisch hinterfragt, warum der Angeklagte vor dem Landgericht Dortmund und auch lange Zeit in der Therapie nicht von seiner eigenen Tochter berichtet hat, sondern erst vor einiger Zeit. Auch insoweit folgt die Kammer den Angaben des Angeklagten, da es angesichts seiner offenbarten Denkstrukturen nachvollziehbar ist, dass er Informationen immer erst bzw. nur dann Preis gibt, wenn er sich einen Nutzen davon verspricht. So hier, wenn er im Klinikum meinte, dass die Angabe seiner Tochter ihm beim Erhalt von Bezügen nützlich seien oder auch in dem Umstand, das Vertrauen des Zeugen D. zu gewinnen.
367Schließlich wurden die Angaben des Angeklagten betreffend Ausbildungsmaßnahmen im Maßregelvollzug als einem Ausschnitt seines Werdegangs durch den Zeugen HH. vollumfänglich bestätigt.
3681.2.
369Die Feststellungen zu Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum sowie Unfällen und Erkrankungen basieren ebenfalls auf den Angaben des Angeklagten. An der Richtigkeit dieser Angaben hat die Kammer keine Zweifel, da sie sich – gerade in Bezug auf den gesteuerten und im schon im Rahmen der Langzeitbeurlaubung wieder reduzierten Alkoholkonsum - stimmig einfügen z.B. in die Angaben des Zeugen D., der bei dem Angeklagten trotz vielfältiger Kontakte keine Hinweise auf einen – gar erheblichen - Alkoholkonsum hatte. Auch konnten weder Frau VP. noch HH. etwas dazu bekunden, etwa leere Flaschen beim Angeklagten bemerkt zu haben.
3701.3
371Die Feststellungen zur sexuellen Entwicklung im Einzelnen und den sexuellen Präferenzen trifft die Kammer zunächst auf Grundlage der Angaben des Angeklagten.
372Auch diese hat die Kammer anhand der biographischen Angaben im Verfahren vor dem Landgericht Dortmund kritisch hinterfragt und sich dabei von NW. sachverständig beraten lassen. Dieser hat dazu ausgeführt, dass es sich um ein auffällig breites Spektrum handelt und die Frage der Sexualität sich durch den gesamten Therapieverlauf in 13 Jahren Maßregelvollzug als ungeklärt zeigt und auch denkbar erscheint, dass bestimmte sexuelle Erfahrungen wie die Trans- und Homosexualität angegeben wurden, um davon abzulenken, dass der Angeklagte sexuell – vor allem auch – eine Präferenz für präpubertäre Mädchen hat. Dass Letzteres der Fall ist, zeigen bereits die 2009 und auch die jetzt verurteilten Taten. Zu einer zumindest auch anteilig heterosexuellen Orientierung des Angeklagten passen die von ihm selbst angegebenen drei Beziehungen zu Frauen. Diese heterosexuelle Orientierung schließt aber nicht aus, dass der Angeklagte auch auf homosexueller und transsexueller Ebene ansprechbar ist, wie auch der Sachverständige ausführte.
373Auch die Feststellung des Windelfetischs beruhen auf seinen eigenen Angaben. Alle Angaben des Angeklagten zur sexuellen Orientierung hat die Kammer kritisch hinterfragt. Gerade der Windelfetisch stimmt aber im Kern mit den rechtskräftigen Feststellungen aus der Verurteilung vor dem Landgericht Dortmund überein. Der Windelfetisch wurde nicht nur anhand des Geständnisses, sondern auch anhand der im Selbstleseverfahren eingeführten Beschlüsse zum Fortbestand der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und von dem Zeugen HH. als Bezugstherapeuten in den Jahren 2017 bis 2022 – so durch auch dessen Bekundungen zum zeitweisen Windeltragen im Rahmen des Maßregelvollzugs nachdem der Angeklagte bei einer illegalen Suche im Internet (siehe vorstehend I. 5.2.7.) aufgefallen war – und den Sachverständigen NW. bestätigt.
374Gelegentliche Abweichungen in der Schilderung der eigenen sexuellen Entwicklung durch den Angeklagten, wie etwa die Frage eines ersten Geschlechtsverkehrs mit dem Kind LP. (so im vorgenannten Urteil des Landgerichts Dortmund) oder mit FC. (so der Angeklagte aktuell) erklären sich wiederum durch die vor der Kammer tiefgehende Befragung des Angeklagten und der jetzt erstmaligen Erklärung des Angeklagten, der Bericht über die aus dieser Beziehung stammende Tochter (nur) gegenüber dem damaligen Sachverständigen sei ihm „nicht so wichtig gewesen“.
375So konnte die Kammer zum Teil – etwa soweit es um die Feststellung der Existenz einer leiblichen Tochter aus einer heterosexuellen Beziehung mit einer B. – dazu überhaupt erst jetzt Feststellungen treffen, da der Angeklagte deren Existenz selbst erst vor kurzem im Maßregelvollzug anlässlich einer Antragstellung zur Berechnung finanzieller Zuwendungen im Rahmen der Langzeitbeurlaubung erstmals mitgeteilt hat.
376Die Kammer hat insoweit auch den Wahrheitsgehalt im Lichte der Angaben des Sachverständigen NW. und der diversen Begutachtungsergebnisse im Maßregelvollzug zu manipulativen Zügen des Angeklagten kritisch hinterfragt. Ebenso gab Anlass für diesbezügliche kritische Nachfragen der Kammer, dass der Zeuge D. angab, arglos Verständnis für die Bemühungen des Angeklagten um seine Tochter gehabt zu haben, weil dieser ihm berichtet habe, unter dem fehlenden Kontakt zur eigenen Tochter zu leiden. Die vormals fehlende Angabe des Angeklagte zu einer eigenen Tochter vermag die Kammer aber durchaus nachzuvollziehen, weil auch der Sachverständige angab, dass dies durchaus denkbar sei, da es sich auch in das Aussageverhalten des Angeklagten stimmig einfügt, dass dieser in seiner manipulativen und auf sich bezogenen kontrollierenden und steuernden Art selbst bestimmen will und bestimmt, ob und wann er eine Facette seines Lebens preisgibt. So gab der Angeklagte authentisch an, erst dann von seiner Tochter im Klinikum berichtet zu haben, als die Frage im Rahmen einer Antragstellung auf Gewährung öffentlicher finanzieller Hilfen im Rahmen der Planung der Langzeitbeurlaubung aufkam und diesen Umstand vorher weder gegenüber OP. noch den anderen Sachverständigen oder dem Therapeutenteam des UD.-Klinikums berichtet zu haben. Zuvor hatte er dazu - seinen Denkstrukturen geschuldet - keine Notwendigkeit gesehen, da er in einer entsprechenden Mitteilung offenkundig keinen Vorteil darin sah, zumal er keinen Kontakt zu seiner Tochter hatte, nachdem die Kindsmutter von seiner Verurteilung 2009 erfuhr und den Kontakt abbrach.
3771.4
378Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dem verlesenen, aktuellen und entsprechende Verurteilungen ausweisenden Bundeszentralregisterauszug, ergänzt um den Inhalt der – die wiedergegebenen Feststellungen ausweisenden – im Rahmen des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten entsprechenden gerichtlichen Entscheidung, soweit sie jedenfalls die Verurteilung durch das Landgericht Dortmund betrifft.
379Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass es insbesondere im vorliegenden Fall der außerordentlich beschwerenden Maßnahme der angeordneten Sicherungsverwahrung einer eigenständigen Prüfung der Richtigkeit der damaligen Feststellungen bedurfte.
380An der Richtigkeit der damaligen Feststellungen, insbesondere in Bezug auf die Taten zu Lasten LP. und den Schwestern MX. und DU. aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund aus dem Jahr 2009, hat die Kammer keine Zweifel, nachdem der Angeklagte hierzu von der Kammer befragt, diese - wie vom Landgericht Dortmund feststellt - als so geschehen bestätigt und auch Details wie die Gewaltanwendung zu Lasten LP. geschildert hat. Das zu Lasten der seinerzeit Geschädigten LP. und den Schwestern MX. und DU. vom LG Dortmund festgestellte Geschehen hat der Angeklagte gegenüber dem Landgericht auch seinerzeit vollumfänglich gestanden, was auch die damalige Kammer schon, so u.a. aufgrund der Bekundungen der damals als Zeugin vernommenen LP., für glaubhaft hielt.
381Die Richtigkeit der Angaben wird auch durch den bisherigen Therapieverlauf im Maßregelvollzug bestätigt. Ausweislich der im Selbstleseverfahren eingeführten Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer Q., die jährlich die Fortdauer der Unterbringung beschlossen hat, und denen jeweils aktuelle therapeutische Stellungnahmen des Klinikums und Sachverständigengutachten zu Grunde lagen, leugnete der Angeklagte im Maßregelvollzug die – noch vor dem Landgericht Dortmund gestandenen – Taten zwar zunächst, setzte sich aber später aus therapeutischer Sicht mit diesem auseinander.
382Die Feststellung zur Erledigung der Geldstrafe aus der Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Versicherungsschutz durch Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe beruht auf den Angaben des Angeklagten.
383Die Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Verlegung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft in die Maßregelvollzugsklinik nach YX. folgt aus der im Selbstleseverfahren eingeführten Verlegungsmitteilung. Die Feststellung zum Wechsel in das UD.-Klinikum WP. ergibt sich aus den im Selbstleseverfahren eingeführten Beschlüssen zur Fortdauer der Unterbringung der Strafvollstreckungskammern zunächst in AX. und dann in Q., bestätigt durch die Angaben des Angeklagten.
3841.5.
385Soweit die Kammer Feststellungen zur Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und seiner psychischen Entwicklung, so insbesondere zum Vollzugsverlauf bzw. den Begutachtungen /Einschätzung während der Unterbringung getroffen hat, so gilt Folgendes:
386Der Angeklagte hat seine grundlegend seine gesamte, diesbezügliche Entwicklung – wie festgestellt – gegenüber der Kammer selbst, zum Teil in ausführlichen Schilderungen zum Teil auf Vorhalt von Therapieberichten bzw. Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer bestätigend, geschildert. Das gilt insbesondere auch für die festgestellten Brüche.
387Diese grundlegende Entwicklung wird bestätigt und in vielen Details – bzw. einzelner konkreter fachlicher Therapieschritte bzw. diagnostischen Einschätzungen – ergänzt durch die Angaben der Zeugen HH. als Bezugstherapeut in den Jahren 2017 bis 2022, der aber auch aus seiner Kenntnis der Unterlagen aus dem vorherigen Vollzugsverlauf berichtete, wie auch der zugleich als Zeuge vernommene aktuelle psychiatrische Sachverständige, der sich u.a. anhand der Stellungnahmen der Maßregelvollzugsklinik und den zahlreichen Vorgutachten intensiv mit der Entwicklung des Angeklagten beschäftigt und darüber berichtet hat. Das alles fügt sich stimmig ein in die im Selbstleseverfahren eingeführten zahlreichen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer, die entsprechend den hier festgestellten Inhalten, fachlich fundierte und begründete Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung getroffen haben.
3882.
389Die Feststellungen zur Sache beruhen auf Folgendem:
3902.1
391Die Feststellungen zum Vorgeschehen beruhen – ausgenommen fremdes Erleben, so des Zeugen D. - auf den entsprechenden voll geständigen Angaben des Angeklagten vor der Kammer, deren Glaubhaftigkeit und Belastbarkeit die Kammer kritisch geprüft hat. Die Angaben decken sich mit den und werden ergänzt durch die Angaben des Zeugen D. als Vater der Nebenklägerin. Die Angaben des Zeugen D. über sein Erleben sind detailliert, in sich widerspruchsfrei, nachvollziehbar und insoweit ohne jegliche Belastungstendenz. Trotz der persönlichen und menschlichen Enttäuschung des Zeugen und der Fassungslosigkeit über die Taten hat er differenziert geantwortet und auch wertschätzend und positiv über den Angeklagten, insbesondere in seinem Bemühen um M. Wohlergehen, gesprochen. Belastungstendenzen waren daher nicht erkennbar.
392Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass der Angeklagte im Zuge seiner Einlassung am ersten Hauptverhandlungstag sich zu seiner Entwicklung in der Langzeitbeurlaubung ab November 2020 gerade bezogen auf den hiesigen Tatzeitraum im August 2021 bis Oktober 2021 zunächst u.a. dahin eingelassen hatte, er habe ab Mai 2021 nach einer eigenen Coronaerkrankung nicht mehr zu Gesprächen in die Maßregelvollzugsklinik gedurft, sei praktisch ohne jeden Kontakt mit der Klinik letztlich auf sich allein gestellt gewesen, habe sich so allein gelassen gefühlt, so dass es dann auch daher zu den Sexualstraften zu Lasten der Nebenklägerin gekommen sei.
393Abgesehen davon, dass dies schon angesichts der letztlich über die letzten Jahre des Maßregelvollzugs bis zur Langzeitbeurlaubung - insbesondere der Beendigung der Gruppentherapie für Sexualstraftäter nach „Marshall&Marshall“ mit dem letzten Behandlungsblock „Rehabilitation“ und der bis zur Langzeitbeurlaubung umfassend erworbenen Kenntnis über eigene Risikofaktoren einschließlich eines Rückfallvermeidungsplans – umfassend erfolgten Therapie fernliegend erscheint, hat der Angeklagte diese Einlassung umgehend wieder aufgegeben und eingeräumt, dass dies so nicht richtig gewesen sei.
394Er hat sodann klargestellt, dass es zwar – auch von dem Zeugen HH. bestätigte – Belastungsfaktoren wie z.B. nur schleppend anlaufende Unterstützungszahlungen und eine anstehende Zwischenprüfung im Rahmen der Ausbildung, gegeben habe, er aber tatsächlich nicht auf sich allein gestellt gewesen sei. Vielmehr sei er durchgängig von seinem Behandlungsteam, insbesondere auch dem Zeugen HH., wie aber auch von der Sozialarbeiterin, der Zeugin VP., wöchentlich besucht und betreut worden, dem er sich auch habe öffnen können, wenn er gewollt hätte. Da er aber angesichts der – auch nach der zurückliegenden Besprechung in der Klinik über den gemeinsamen Spaziergang mit M. auf der Halde und einem „Verbot“ weiterer Kontakte mit ihr - fortbestehenden Kontakte zu M. bei einer entsprechenden Offenbarung Angst vor der Ablösung aus der Langzeitbeurlaubung gehabt habe, habe er sich entschieden, sich nicht zu öffnen.
395Diese, sich selbst korrigierende Einlassung, ist (allein) tragfähig. Denn sie fügt sich stimmig in die erworbenen Kompetenzen und vor allem auch die entsprechenden Bekundungen der Zeugen HH. und Frau VP. ein, die von einer grundsätzlich – augenscheinlich – vertrauensvollen Zusammenarbeit mit wöchentlichen Terminen berichteten. Gerade auch eine soziale Vereinsamung ist auszuschließen. Denn über den fortbestehenden, regelmäßigen Kontakt zu den Zeugen HH. und Frau VP. hinaus, gabder Angeklagte selbst an, für seine Freunde gekocht zu haben; er berichtete von einer intensiven Freundschaft zu dem Zeugen D. und dem gemeinsamen Freund U. in der Langzeitbeurlaubung.
3962.2
397Die Feststellungen zum Tatgeschehen trifft die Kammer aufgrund des insofern vollumfänglichen Geständnisses des Angeklagten, an dessen Richtigkeit die Kammer keinen Zweifel hat, weil der Angeklagte nicht etwa nur ein kurzes, pauschales Geständnis der ihm zur Last gelegten Vorwürfe abgelegt, sondern sich differenziert zu den einzelnen Taten und vor allem auch zu seiner sexuellen Motivation ausführlich, wie festgestellt, geäußert hat.
398Der Angeklagte hat sich auch selbst schon direkt am ersten Hauptverhandlungstag, vor seinen vorgenannten detaillierten Schilderungen, ohne Nachfrage der Kammer dazu, von sich aus, darauf berufen, dass alles, was auf den sichergestellten Fotos und Videos von den Taten zu sehen sei, auch genauso durch ihn an M. geschehen sei. Das sei alles zutreffend.
399Er war es, der die Fotos und Videos durch seine Angaben erstmals thematisch in die Hauptverhandlung einführte und erklärte sie gefertigt zu haben, um sie sich jederzeit anschauen zu können und künftig M. nicht mehr missbrauchen zu müssen.
400So wird das schon aus sich heraus verständliche Geständnis zudem noch untermauert durch die später in Augenschein genommenen zahlreichen Videos bzw. wenigen Fotos, die die entsprechende Sexualstraften dokumentieren.
401Das Geständnis des Angeklagten wird auch durch die entsprechenden Bekundungen des Vaters der Nebenklägerin des Zeugen D. bestätigt, der bekundete, dass M. ihm schon etwa im Spätsommer 2021 davon berichtet hatte, dass sie bei den Besuchen bei dem Angeklagten wie ein Baby behandelt worden sei, u.a. ihr seien Windeln angelegt worden und sie sei im Intimbereich gereinigt worden.
4022.3
403Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen auf Folgendem:
4042.3.1
405Die Feststellungen zur Entdeckung der Taten beruhen grundlegend auf dem Geständnis des Angeklagten. Dieses wird ergänzt und bestätigt durch die Angaben des Zeugen HH., soweit die Informationen in der Klinik betroffen sind, und des Zeugen IN., der als Durchsuchungsbeamter über die Durchsuchung berichtete.
4062.3.2
407Die Feststellungen zur Rückführung der Lockerungen durch das UD.-Klinikum beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten und ergänzend den im Selbstleseverfahren eingeführten Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer zur Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug in den Jahren 2021, 2022 und 2023.
408Die Feststellungen zum Verhalten des Angeklagten nach Rücknahme der Lockerungen beruhen auf den Angaben der Zeugin ST.. Sie wurde ab dem 26.01.2022 die Bezugstherapeutin, nachdem der Zeuge HH. das Klinikum verlassen hatte und blieb es bis zum 10.07.2023. Die Vorfälle habe der Angeklagte mit ihr nicht besprechen wollen, dies habe „wie ein Elefant“ zwischen ihnen gestanden. Auch benannte sie die Vorfälle in der Langzeitbeurlaubung als „Blackbox“ im therapeutischen Umgang mit dem Angeklagten nach Rücknahme der Lockerung und Rückkehr des Angeklagten in das Klinikum. Ihre Ablösung als Bezugstherapeutin im Juli 2023 habe aber nicht nur damit zu tun, sondern liege auch in organisatorischen Umständen begründet.
4092.3.3
410Soweit die Feststellungen zur unbeeinträchtigten psychischen Verfassung und zur vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten betroffen sind, so ergeben sich diese, weil der Angeklagte selbst erklärt hat, im Gegensatz zu seiner Jugend während der Langzeitbeurlaubung keine Drogen mehr konsumiert zu haben und nur ab und an, etwa bei Zubereitung eines Bierbratens, ein paar Schluck Bier getrunken zu haben. Soweit ein zeitweise darüberhinausgehender Alkoholkonsum betroffen ist (siehe vorstehend unter III. 1.2.) hat der Angeklagte selbst erklärt, bei den hier in Rede stehenden Taten keinen Alkohol konsumiert zu haben. Dazu stimmig sind auch auf den in Augenschein genommenen Tatvideos keinerlei – etwa alkoholbedingte – sprachliche, körperliche oder sonstige Ausfallerscheinungen zu erkennen.
411Darüber hinaus haben sich für die durch den Sachverständigen NW., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, beratene Kammer unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Hauptverhandlung keine Hinweise auf eines der Eingangskriterien des § 20 StGB ergeben, wobei der Angeklagte sich einer Exploration durch den Sachverständigen zunächst verweigert hatte, zumindest aber in der Hauptverhandlung sich umfassend eingelassen und auch Nachfragen des Sachverständigen beantwortet hat.
4122.3.3.1
413So hat der Sachverständige nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Angeklagte wach und bewusstseinsklar sowie die Aufmerksamkeit und seine Konzentration in der Hauptverhandlung regelrecht gewesen seien. Auch habe er keine Hinweise auf Sinnestäuschungen oder Wahnvorstellungen gefunden. Der Angeklagte sei keinen inhaltlichen Denkstörungen unterlegen. Zudem habe der Angeklagte noch nie in seinem Leben an einer psychischen Erkrankung im engeren Sinne, also einer schizophrenen oder affektiven Psychose, gelitten. Bei dem Angeklagten liege danach weder eine krankhafte seelische Störung noch eine forensisch relevante Intelligenzminderung vor, im Gegenteil er sei überdurchschnittlich intelligent, was im Rahmen des Maßregelvollzugs auch durch Testungen belegt worden sei. Die vom Angeklagten angegebene Lese-Rechtschreibschwäche habe damit nichts zu tun. Beides schlösse sich nicht aus. Zudem hätten sich keinerlei Anzeichen dafür ergeben, dass er die die ihm vorgeworfenen Taten im Rahmen einer „tief greifenden Bewusstseinsstörung“ begangen habe.
4142.3.3.2
415Der Sachverständige führte ferner aus, dass das Aussageverhalten des Angeklagten ein wichtiger und zentraler Aspekt bei der Beantwortung der Frage sei, ob ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt sei. Denn die Angaben und Schilderungen des Angeklagten hätten zentrale Auswirkungen auf diagnostische Einordnungen, therapeutische Prozesse und prognostische Einschätzungen. Gerade die Divergenzen der unterschiedlichen Einschätzungen diverser Sachverständiger im Laufe der Vollstreckung des Maßregelvollzugs liege in dem inkongruenten und widersprüchlichen Aussageverhalten und gerade das Aussageverhalten spiele eine wichtige Rolle in Form eines Fundaments für eine therapeutische Beziehung. Anders als über verbal vermittelte Informationen erhalte man keine Informationen über das Binnenleben des Angeklagten. Dies hätten auch schon die im Maßregelvollzug beauftragten Sachverständigen für die Frage der Fortdauer der Unterbringung verschiedentlich herausgearbeitet, etwa WO./ZM. im Jahr 2013, SJ. 2016 und XV. 2020. Diese Sachverständigen hätten schon auf das problematische Aussageverhalten hingewiesen. Auch NW. stufte den Angeklagten – stimmig mit den entsprechenden Bekundungen des den Angeklagten über mehrere Jahre behandelnden Bezugstherapeuten HH. – als intelligent, reflexionsfähig und verbalisierungsfähig ein und verweist darauf, dass für den Fall, dass es zu einem manipulativen, taktierenden Verhalten in Kombination mit einem problematischen, inkonstanten Aussageverhalten komme, eine fundierte Beurteilung der inneren Prozesse des Angeklagten kaum möglich sei. Auch werde es dann kaum möglich sein, eine tragfähige, authentische therapeutische Beziehung zu dem Betroffenen aufzubauen und verlässliche prognostische Schlussfolgerungen abzuleiten. Gerade dieses problematische Aussageverhalten sei wesentlicher Schlüssel für die unterschiedlichen diagnostischen und prognostischen Einschätzungen in der Vergangenheit.
416Soweit unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich des Schweregrades der seelischen Störung des Angeklagten in der Vergangenheit erfolgt seien, etwa durch OP. 2008 im schriftlichen Gutachten die seelische Störung noch verneint worden sei, dann im mündlichen Gutachten vor der Kammer des Landgerichts Dortmund 2009 zu einer Bejahung kam und in der Folgezeit die Prognosesachverständigen Frau WO./Herr ZM., Herr SJ., Herr NB. und Herr XV. diese Einschätzung teilten, dass die psychischen Auffälligkeiten des Angeklagten einem Eingangskriterium des § 20 StGB entsprächen, verneinte der Sachverständige NW. mittlerweile für den aktuellen Tatzeitraum, dass die sich aus den vorstehenden, zurückliegenden Einschätzungen aus vergangenen Jahren ergebende Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. einer Pädophilie aus psychiatrischer Sicht noch vorlagen.
417Dabei wies er einleitend darauf hin, dass das problematische Aussageverhalten die Fähigkeit des Angeklagten zur strategisch-manipulativen Verhaltenssteuerung zeige, was ein wichtiger Aspekt für die unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen sei. Ein intransparent-widersprüchliches Aussageverhalten sowie manipulative Verhaltensstrategien seien gerade keine Defizite und Folgen einer seelischen Störung, sondern zeigten auch Ressourcen und Fähigkeiten, über die nicht alle Menschen verfügten. Bei einem Menschen, der ein strategisch-taktisches Aussageverhalten bei geringer oder unzureichender Offenheit beherrsche, könnten sehr unterschiedliche, vielfältige, widersprüchliche Informationslagen entstehen, die eine einheitliche Bewertung schwer bis unmöglich machen und zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen können - je nachdem, welche Facetten des jeweils aktuellen Aussageverhaltens in den Vordergrund träten.
418Nahezu alle mit dem Angeklagten im Laufe der Jahre befassten Fachleute seien sich einig, dass er über rhetorisch geschickte, strategisch-manipulative Eigenschaften verfüge, die naturgemäß einerseits die diagnostische Einordnung seelischer Störungen erschwerten, sich aber auch deutlich einschränkend auf die Etablierung eines tragfähigen, authentisch-therapeutischen Bündnisses auswirkten.
419Die oftmals gestellte Diagnose „kombinierte Persönlichkeitsstörung ICD-10 F 61“ beruhe auf der komplex problematischen Biographie und berge wegen des problematischen Aussageverhaltens erhebliche Fehlerquellen. Sicher sei jedoch, dass der Angeklagte ausweislich der eingeholten Berichte des UD.-Klinikums im Rahmen der Überprüfung der fortwährenden Notwendigkeit der Unterbringung dissoziale, narzisstische und emotional instabile Persönlichkeitsfacetten aufweise. Es würden wiederholt histrionische Persönlichkeitsanteile beschrieben, d. h. eine theatralisch-oberflächliche Emotionalität mit dramatisierendem Verhalten, Verlangen nach Aufmerksamkeit und Anerkennung durch andere Menschen. Insoweit sei nach heutigem Stand die ursprüngliche Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung nachvollziehbar, und insoweit von einer vormals bestehenden Cluster-B-Persönlichkeitsstörung auszugehen. Der Cluster-B umfasst die antisoziale und die narzisstische Persönlichkeitsstörung.
420Insgesamt – so der Sachverständige NW. – spreche dies aus forensisch-psychiatrischer Sicht für deutlich ausgeprägte und biografisch tief verwurzelte dissozial-narzisstische Persönlichkeitszüge bei dem Angeklagten mit einem vorwiegend an eigenen Bedürfnissen ausgerichteten Lebensstil und mit einem breiten Spektrum an delinquenten Verhaltensweisen, aber auch sozialinteraktionellen Fähigkeiten.
421Allerdings stellten diese Züge – zumindest mittlerweile, auch zu den hiesigen Tatzeitpunkten - eine, wenn auch deutliche Persönlichkeitsakzentuierung und nicht mehr eine krankheitswertige Persönlichkeitsstörung dar.
422Diese Ausführungen des jetzigen psychiatrischen Sachverständigen sind auch nachvollziehbar. Zum einen fügt sich dies in den Umstand ein, dass der psychiatrische Sachverständige XV. bereits in seinem Gutachten vom 14.08.2020 ausführte, dass schon damals die Persönlichkeitsstörung zwar noch nicht beseitigt, so doch aber durch die fortschreitende und grundlegend in ihrer Entwicklung erfolgreich verlaufene Therapie stark abgemildert sei. Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass der nachfolgend psychiatrische Sachverständige OP. in seinem Gutachten aus dem Jahr 2022 u.a. auch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung annahm, ohne dies näher bzw. allein damit zu begründen, dass an den vielfach diskutierten Diagnosen kein Zweifel bestehen könne und auch die Klinik im Jahr 2023 eine solche Störung noch bejahte. Dabei ist aber zugleich zu berücksichtigen, dass die Klinik zuletzt – wenn auch insoweit die Diagnose von deren Auswirkungen zu trennen ist – ausdrücklich darauf hinwies, dass neben den motivationalen Aspekten, die im Wesentlichen in der sexuellen Deviation begründet liegen, sich zumindest in den Anlasstaten (d.h. denjenigen, die dem Urteil des Landgerichts Dortmund zugrunde lagen) auch die Persönlichkeits- sowie die Substanzkonsumstörung als enthemmende Faktoren ausgewirkt und schließlich kumulativ eine Verminderung der Schuldfähigkeit begründen können.
423Die Klinik hob 2023 jedoch zugleich hervor, dass durch einen zu beauftragenden psychiatrischen Sachverständigen zu bewerten sei, ob dies auch bei den jetzt in Rede stehenden Taten so zutreffend sei. Dabei – so ergänzte die Klinik - erscheine aus dortiger Sicht ohnehin eher fraglich, dass der Angeklagte in Anbetracht der mehr als 10-jährigen Behandlung seiner Persönlichkeit und Kenntnis allen zur Verfügung stehenden deliktpräventiven Wissens und Wissens um die unterschiedlichen Dynamiken, die tatfördernd bzw. hemmend wirken, tatsächlich und über den gesamten Tatzeitraum nicht in der Lage gewesen sein solle, für die bestehende Norm ansprechbar zu sein.
424Anknüpfend an diese, zuletzt sowohl in der Stellungnahme der Klinik aus dem Jahr 2023 als auch dem letzten, sich tatsächlich mit der Frage einer Persönlichkeitsstörung dezidiert auseinandersetzenden und ebenfalls eine insoweit abschwächende Entwicklung aufzeigenden Ausführungen des Sachverständigen XV. im Jahr 2020 zum Ausdruck kommende Persönlichkeitsentwicklung unter Berücksichtigung erworbener Ressourcen, hat der jetzige, forensisch gerade auch in Fragen der etwaigen Persönlichkeitsstörung und mit Unterbringungen im Maßregelvollzug nach §§ 64, 63, 66 StGB sehr erfahrene psychiatrische Sachverständige seine Abgrenzung einer zu den Tatzeitpunkten nicht mehr bestehenden (kombinierten) Persönlichkeitsstörung zu einer, wenn auch deutlichen Persönlichkeitsakzentuierung wie folgt nachvollziehbar begründet:
425So hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt und in der Langzeitbeurlaubung mittlerweile – wie von seinem Bezugstherapeuten, dem Zeugen HH. beschrieben und auch grundlegend zu den eigenen Beschreibung des Angeklagten passend – über die erworbene Fähigkeit verfügte, sich auch in schwierigen Lebenslagen sozial flexibel und anpassungsfähig zeigen zu können (wie zum Bespiel während der letzten und zur Langzeitbeurlaubung führenden Entwicklung im geschlossenen Maßregelvollzug, aber auch gerade während der zuletzt gewährten Lockerungen nach dem letzten Fehlverhalten, welches Jahre zurückliegt und aus Mai 2017 datiert). Dabei konnte er auch – wie er nach einem anfänglich der Hauptverhandlung unternommenen und kurz darauf aufgegeben Versuch, sich gerade während der Langzeitbeurlaubung als allein gelassenes „Opfer“ der Umstände darzustellen, selbst einräumte und auch von den Zeugen HH. und VP. bestätigt wurde – eigene Probleme (z.B. finanzieller Art, Prüfungsangst) von sich aus thematisieren und bearbeiten.
426Das alles passt überaus stimmig zu der mit der Langzeitbeurlaubung nach vier Jahren abgeschlossenen Gruppentherapie nach „Marshall&Marshall“ mit einer umfassend erworbenen Kenntnis der Risikofaktoren und eines von ihm einsichtig verstandenen Rückfallvermeidungsplans. Darin fügt sich der Umstand ein, dass der Angeklagte – auch wenn diese eigene Einschätzung grundsätzlich kritisch zu hinterfragen ist – in der Hauptverhandlung selbst einräumte, er habe um den Risikofaktor M. gewusst, auch darum, dass er sich mit seinen aufkommenden sexuellen Bedürfnissen jederzeit vertrauensvoll an den ihm geschätzten Bezugstherapeuten HH. habe wenden können, er aber bei einer entsprechenden Öffnung Angst um eine etwaige Ablösung aus der Langzeitbeurlaubung gehabt und sich daher ohne Rücksprache dazu entschlossen habe, den Kontakt zu M. weiter aufrecht zu erhalten und die Klinik darüber mit einer entgegen stehenden Angabe zu belügen und schlussendlich auch den sexuellen Missbrauch zu begehen.
427Damit stimmig wies der Sachverständige NW. für den Tatzeitraum zutreffend darauf hin, dass keine Hinweise für eine bedeutsame Einschränkung der Erlebnis-, Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit im Alltag bestanden hätten. Dazu wies er ebenso zutreffend darauf hin, dass der Angeklagte sein Leben sowie verschiedene Freundschaften offenbar nach eigenen Maßstäben und Vorstellungen gestalten konnte und wiederholt in der Lage war, andere Menschen von sich zu überzeugen, etwa zuletzt den Zeugen D.. Das spreche gegen eine klinisch bedeutsame Persönlichkeitsstörung von forensisch-psychiatrischer Relevanz, die z. B. seine Fähigkeiten zur Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen signifikant beeinträchtigen könnten. Der Angeklagte sei – wie seine Vita gerade in den letzten Jahren zeige – (noch) sozial anpassungsfähig, flexibel, so dass die vorbeschriebenen Persönlichkeitsanteile eine sog. Persönlichkeitsakzentuierung ohne Krankheitswert darstellten.
428Selbst aber, wenn man von einer noch bestehenden (kombinierten) Persönlichkeitsstörung ausgehen wolle, so der Sachverständige NW. weiter, so ist die Kammer unter Berücksichtigung seiner weiteren Ausführungen davon überzeugt, dass das Eingangsmerkmal des § 20 StGB der schweren anderen seelischen Störung im Tatzeitraum sicher nicht erreicht war.
429Denn spätestens insoweit kämen – so der Sachverständige – die bereits aufgezeigten Besonderheiten in der bis in den Tatzeitraum reichenden, zuvor umfassend dargestellten positiven Persönlichkeitsentwicklung zum Tragen. Angesichts einer erstmals 2009 gestellten historischen und mittlerweile nach 13 Jahren Therapie positiv veränderten Entwicklung - der Angeklagte hat seit März 2010 vielfältige positive Veränderungen durch die Therapien erfahren und deutliche Fortschritte in der Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit und im Umfang mit seiner sexuellen Präferenzstörung erlernt, so auch schon von der Langzeitbeurlaubung wiederholt vom UD.-Klinikum im Rahmen der jährlichen Überprüfung des Fortbestandes der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgeführt – seien, so auch der Zeuge HH., Auffälligkeiten der ursprünglich einmal gesehenen Persönlichkeitsproblematik kaum noch gesehen worden.
430Diese zuvor dargestellten Ausführungen des forensisch in vielen, komplexen Verfahren überaus erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen sind überzeugend. Denn sie gehen von den zutreffenden, in den hier insgesamt, auch zum Leben und zur Persönlichkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen, aus und stehen auch in Einklang mit dem strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten sowie Ausführungen der psychologischen Dienste, die den Angeklagten zuvor während des Strafvollzugs begutachtet hatten. Sie sind der Kammer, auch im Vergleich zu einer Vielzahl anderer Verfahren, in denen sie sich mit Fragen einer aufgrund einer Persönlichkeitsstörung etwaig bestehenden schweren anderen seelischen Störung nach § 20 StGB zu befassen hatte, sehr gut nachvollziehbar und überzeugend.
431Insbesondere stehen die Ausführungen der Sachverständigen in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach nicht jede Abweichung von Normen eine – der ohnehin im Übrigen vielschichtigen – Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert i.S.d. IDC-10 (bzw. der noch nicht lizensiert in deutscher Fassung zur Verfügung stehenden ICD-11) begründet. Hier fehlt es bereits an den – vorrangig vor der erst nachfolgenden Spezifizierung einer konkret dann näher zu bezeichnenden Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert im vorgenannten Sinne zu prüfenden – Kriterien der sog. allgemeinen Persönlichkeitsstörung (vgl. u.a. Prof. Dr. Kröber und Dr. Dannhorn in NStZ 1998, 80 ff.).
432Denn es fehlt aufgrund der grundlegend positiven therapeutischen Entwicklung des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten in der Langzeitbeurlaubung – trotz des Umstands, dass der Angeklagte die Entscheidung traf, das Behandlungsteam schlussendlich zu belügen und von den erworbenen Rückfallstrategien bewusst keinen Gebrauch zu machen – an dem Kriterium deutlicher Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen. Mangels eines so abnormen Verhaltensmusters fehlt es auch an dem weiteren Kriterium, dass es andauernd und nicht auf Episoden begrenzt ist. Ferner fehlt es angesichts der in der Langzeitbeurlaubung fortgesetzten Ausbildung und der mehreren grundlegend tragfähigen Freundschaften und therapeutischer Beziehungen auch an – meist zu erwartenden - deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit.
433Insbesondere erreicht auch nicht jede Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert einen solchen Grad, dass sie schon eine schwere andere seelische Störung i.S.d. § 20 StGB darstellt. Mit der Diagnose einer krankheitswertigen Persönlichkeitsstörung ist danach für sich allein nichts über den Schweregrad besagt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Störungen des Täters in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung entsprechen und zum anderen sind die von der Sachverständigen beschriebenen Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten von Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugrenzen von solchen, die sich noch innerhalb der Brandbreiten menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können (ohne dass sie die Schuldfähigkeit „erheblich“ – i.S.d. § 21 StGB – berühren, wobei es wegen der erforderlichen Abgrenzung des Eingangsmerkmals des § 20 StGB von den sich erst daran anschließenden konkreten etwaigen Auswirkungen i.S.d. § 21 StGB an Letzterem Kritik gibt - vgl. insgesamt Fischer, 69. Aufl. 2022, § 20 StGB, Rn. 40 ff.; vgl. auch: BGH, NStZ-RR 2003, 165 f.; vgl. auch BGH NJW 1997, 1645 ff.; NStZ-RR 1999, 77 ff.; NStZ 1999, 612 ff. und BGH, Beschluss vom 11.11.2003, 4 StR 424/03).
434Die vorstehenden Ausführungen zeigen indes deutlich, dass schon mangels Vorliegen der allgemeinen Kriterien für eine – bejahendenfalls dann näher zu spezifizierende – Persönlichkeitsstörung keine zureichenden Anhaltspunkte für eine über eine bloße Persönlichkeitsakzentuierung hinausgehende, im Sinne der ICD-10 krankheitswertige Persönlichkeitsstörung bestehen, eine solche jedoch keinesfalls den vorgenannten Schweregrad erreicht.
4352.3.3.3
436Schließlich liegt auch keine sog. – gegebenenfalls ebenfalls unter dem Merkmal einer schweren anderen seelischen Störung zu fassende – Kernpädophilie vor.
437Diesbezüglich hat der Sachverständige NW. – der Kammer inhaltlich aus vielen Verfahren bekannt, in denen sie auch insoweit sachverständig beraten war – darauf hingewiesen, dass die sexuelle Präferenz bereits mit Abschluss der Pubertät festgelegt ist und nicht beliebig im späteren Leben modifiziert werden kann. Es liegt anhand der Vorgeschichte des Angeklagten auf der Hand, dass er zwar in präpubertären weiblichen Kindern eine zentrale Quelle der sexuellen Erregung sieht. Darüber hinaus zeigt sich aber auch eine ausgeprägte sexuelle Ansprechbarkeit durch die Verwendung und das Tragen von Windeln im Sinne eines Fetischismus. Die Benutzung von Windeln bzw. die Verwendung von Windeln bei präpubertierenden weiblichen Kindern dient dem Angeklagten als sexuelle Stimulation, Erregung und Befriedigung.
438Aus fachlicher Sicht spricht danach zwar alles dafür, dass beim Angeklagten primär eine heterosexuelle pädophile Präferenzstörung in Kombination mit einer fetischistischen Präferenzstörung (Windelfetischismus) bestehe. Allerdings sprechen die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung selbst angegebenen heterosexuellen Beziehungen zu zwei Frauen namens B. und zu W. für eine auch heterosexuelle Orientierung. Die entsprechend zu seinem Lebenslauf gemachten Angaben hat die Kammer kritisch hinterfragt, aber aus den insbesondere zu I. 1.1. und 1.3. ausgeführten Gründen für noch tragfähig erachtet.
439Es sei – so der Sachverständige NW. – danach auch gut denkbar, dass der Angeklagte schon immer vielfältig sexuell ansprechbar gewesen sei und polymorphe sexuelle Präferenzen habe, aber die höchste Erregung und Befriedigung durch heterosexuell-pädophile und windelfetisch bedingte Handlungen erfahre.
440Auch die im jetzigen Verfahren eingeräumten Straftaten seien ein klarer Beleg für pädophile und fetischistische Präferenzen, die die sexuelle Ansprechbarkeit gegenwärtig und zukünftig stark prägen werden, weshalb an der Diagnose „multiple Störungen der Sexualpräferenz (nach ICD-10 F 65.6) festzuhalten sei, wobei primär von heterosexuell pädophilen und fetischistischen Präferenzen auszugehen sei, vielleicht aber auch von transvestitischen und/oder transsexuellen Präferenzen.
441Mit dem Sachverständigen ist die Kammer indes davon überzeugt, dass sicher keine Kernpädophilie vorliegt, die dem Schweregrad einer anderen seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB gleichkommt. Der Bundesgerichtshof verlangt insoweit, dass die Störung im Eigenerleben der Sexualität liegt und dabei einen Schweregrad aufweist wie eine schwere psychische Störung.
442Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten zumindest in vormaligen psychiatrischen Gutachten bzw. klinischen Stellungnahmen in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne weiteres mit einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 2016 - 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH, jeweils a.a.O). Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH, StraFo 2017, 247-250, Rn. 30 unter Hinweis auf: BGH, Urteile vom 15. März 2016 - 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 und vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244).
443Vorliegend fehlt es schon – trotz der einschlägigen Vorbelastung – an einer eingeschliffenen Verhaltensschablone, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen.
444An einer zuletzt im Tatzeitraum noch festzustellenden Veränderung der Persönlichkeit des Angeklagten durch seine sexuellen Neigungen, dergestalt, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag, fehlt es.
445Das beruht auch darauf, dass der Angeklagte in der langjährigen Therapie so viel gelernt hat, so gut integriert war, keine Impulsivität an den Tag legte und in der Therapiegruppe auch eine führende Rolle einnahm; weder war der Angeklagte vereinsamt noch wurde er zu irgendeinem Zeitpunkt, insbesondere auch nicht in der Langzeitbeurlaubung allein gelassen. Schließlich aber ist es ihm auch möglich, normale Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen und zu pflegen, wie sich an der Zufallsbekanntschaft mit dem Zeugen D. zeigt. Auch alternative Handlungsstrategien, wie das Ausleben seines Windelfetischismus zur eigenen sexuellen Befriedigung durch eigenes Tragen einer Windel, wie es im Klinikalltag zeitweise stattfand und zudem ausgeschlichen werden konnte, stehen der Annahme der eingangs genannten Kriterien sicher entgegen.
446Die Kammer weist abschließend bezüglich der hier thematisierten und letztlich verneinten Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Störung unter den diskutierten Aspekten einer kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. einer sog. Kernpädophilie klarstellend darauf hin, dass sie bei etwaig verbleibenden Zweifeln diese jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten, was zumindest im Rahmen der Strafzumessung nach §§ 21, 49 StGB Relevanz erlangt hätte, hätte annehmen müssen. So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr hat die Kammer das Eingangsmerkmal sicher verneint.
4472.3.4
448Die Gefährlichkeit des Angeklagten wird unter VI. Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung behandelt.
4492.3.5
450Die Feststellungen zu der Verfassung der Nebenklägerin M. und den Zeugen D. trifft die Kammer aufgrund der Angaben des Zeugen D., der nicht nur über sein eigenes Erleben, sondern auch über die Angaben von M. ihm gegenüber trotz aller Betroffenheit sachlich-nüchtern berichtete.
451IV.
452Rechtliche Würdigung
453Der Angeklagte hat sich danach des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen (Fälle 1, 2, 4, 5, 9 und 10) und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen (3, 6, 7 und 8) schuldig gemacht (§§ 176 Abs. 1 Nr. 1, 176c Abs. 1 Nr. 2 lit. a) in der Fassung vom 16.06.2021, 184 b Abs. 1 Nr. 3, 52, 53).
454Durch das Eindringen mit einem Finger mindestens in den Scheidenvorhof der Nebenklägerin M. hat der Angeklagte eine ähnliche sexuelle Handlung im Sinne der §§ 177 Abs. 6 Nr. 1, 176c Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, an ihr vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2001, Az.: 1 StR 94/01; BGH, Urteil vom 28.01.2004, Az.: 2 StR 351/03, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 17.12.1999, Az.: 3 StR 524/99).
455Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern wird insbesondere bestraft, wer sexuelle Handlung an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt. Sexuelle Handlungen sind gemäß § 184h Nr. 1 StGB solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind.
456Als erheblich i.S.d. § 184 h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen. Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten (vgl. Fischer, StGB, 70. Auflage, § 184h Rn. 2 ff., Rn. 5 ff. m.w.N.; BGH, Urteil vom 21.09.2016, Az.: 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43 m.w.N.).
457Diese Voraussetzung ist bei sämtlichen angeklagten und nicht nach § 154 StPO eingestellten Taten erfüllt. Denn der erforderliche sexuelle Bezug liegt bei sämtlichen Handlungen vor, da diese bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Bei den vorliegenden 10 Taten ist eine für Missbrauchsdelikte typische Steigerung der sexualbezogenen Tathandlungen ersichtlich. Die Tatserie begann mit dem Wickeln und Cremen allein zur sexuellen Stimulierung und dem Massieren der Vulva, über das Eindringen mindestens in den Scheidenvorhof oder zwischen die Gesäßbacken, so dass diese Handlungen eindeutig einen sexuellen Bezug aufweisen und auch als erheblich i.S.v. § 184h Nr. 1 StGB anzusehen sind.
458Schon das jeweilige Wickeln und Cremen sowie Massieren der Vulva der nicht mehr wickelbedürftigen M. allein zur eigenen sexuellen Stimulation und Befriedigung des Angeklagten, erst Recht das Eindringen mit einem Fieberthermometer und einem Bleistift, sowie das Eindringen mit einem oder mehreren Fingern, überschreitet deutlich die Erheblichkeitsschwelle. So hat der Bundesgerichtshof als erheblich beispielsweise schon angesehen ein nachhaltiges Berühren im Schambereich über der Kleidung (NStZ-RR/P 01, 364 Nr. 58; 4 StR 284/08) oder ein längeres Auflegen der Hand auf den unbedeckten Schamhügel (3 StR 44/20). Darunter fallen die hier beschriebenen Tathandlungen erst Recht.
459Tateinheitlich hierzu hat der Angeklagte sich jeweils des Herstellens kinderpornographischer Inhalte schuldig gemacht.
460Sämtliche mit einzelnen Ziffern bezeichneten Taten stehen zueinander in Tatmehrheit, (§ 53 StGB) und die innerhalb der einzelnen Ziffern verwirklichten Tatbestände zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB).
461Insgesamt ist es in Bezug auf die angeklagten Taten nicht erkennbar, dass bei dem Angeklagten bei der Ausführung der Taten ein Eingangskriterium des § 20 StGB vorgelegen haben könnte.
462Mangels Vorliegens eines der Eingangskriterien des § 20 StGB kommt eine Anwendbarkeit des § 63 StGB ebenfalls nicht in Betracht.
463Den im Nachgang der durchgeführten Durchsuchung/Beschlagnahme von der Staatsanwaltschaft (in Fall 13 der Anklage) erhobenen Vorwurf des Besitzes kinderpornographischer Schriften hat die Kammer, ebenso wie die unter II 2.3.1. und 2.3.2. erwähnten Geschehnisse in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 1, 2 StPO vorläufig eingestellt.
464V.
465Strafzumessung
4661. Strafrahmen
467Ausgangspunkt für die Strafzumessung waren – nach § 52 Abs. 2 S.1 StGB - folgende Strafrahmen:
4681.1. Taten 1, 2, 4, 5, 9 und 10
469Für den schweren sexuellen Missbrauch sieht der Gesetzgeber einen Strafrahmen zwischen zwei und fünfzehn Jahren vor.
4701.2. Taten 3, 6, 7 und 8
471Für den sexuellen Missbrauch sieht der Gesetzgeber einen Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren vor.
4721.3. Keine minder schweren Fälle
473Einen minder schweren Fall hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
4741.4. Keine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB
475Die Kammer erwähnt nur der Vollständigkeit halber, dass ein kommunikativer Prozess oder irgendwelche Ausgleichzahlungen oder auch nur solche Bemühungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten, bzw. etwaig dieser vertreten durch den Vater, den Zeugen D., nicht stattgefunden haben und daher auch die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB keiner Erörterung bedürfen.
4762. Strafzumessung
477Innerhalb der genannten Strafrahmen hat die Kammer folgende Umstände berücksichtigt:
4782.1. Zugunsten des Angeklagten
4792.1.1. bei allen Taten
480Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer bei allen Taten Folgendes bedacht:
481Der Angeklagte hat sich zu Beginn der Hauptverhandlung vollumfänglich geständig eingelassen.
482Ebenso zu Gunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich mit der Verlesung der polizeilichen Aussage der Nebenklägerin M. einverstanden erklärt hat. Er hat damit auch der Nebenklägerin M. eine Aussage vor Gericht erspart.
483Ferner hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten den engen räumlichen, zeitlichen und situativen Kontext gewertet.
484Auch hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten seine eigene Biographie mit mannigfachen sexuellen Missbrauchs- und Gewalterfahrungen als ehemaliges Missbrauchsopfer berücksichtigt. Die Besonderheiten in seiner sexuellen Entwicklung und seiner Persönlichkeit kommen hinzu.
485Vor allem aber ist der Angeklagte über die verhängten Strafen hinaus mit der ihn im Ausgangspunkt lebenslang betreffenden Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung belastet.
486Zuvor war er bereits aus der ihm gewährten Chance einer Langzeitbeurlaubung nach vielen Jahren des Maßregelvollzugs abgelöst worden.
487Zu seinen Gunsten wirkt auch, dass seine Taten keine negativen Folgen für M. hatten und sie sie – zum Teil beschäftigt/abgelenkt mit einem Tablet – hinnahm.
488Des Weiteren hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass die einzelnen Taten schon einige Zeit zurückliegend und der Sühnegedanke mit zunehmendem Zeitablauf abnimmt.
489Zumindest außerhalb der Taten war der Angeklagte dem Zeugen D. in dessen Lebenssituation durch die Übernahme der Betreuung von M. auch eine Hilfe.
490Darüber hinaus hat er noch in der Hauptverhandlung die ihn behandelnden Zeugen HH. und ST. von ihrer Schweigepflicht entbunden.
491Zudem hat er sich mit der außergerichtlichen Einziehung dreier PC Tower, eines Handys und vier interner Festplatten einverstanden erklärt.
492Schlussendlich hat der Angeklagte in frühen Zeiten auch straffrei gelebt und so auch – ausgenommen die hiesigen neuen Taten – grundlegend im Maßregelvollzug, auch nach der letzten hiesigen Tat.
4932.1.2 bei einzelnen Taten
494Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer bei einzelnen Taten Folgendes berücksichtigt:
495Die Kammer hat bei den einzelnen Taten zwischen der unterschiedlichen sachlichen bzw. zeitlichen Intensität differenziert, so dem weniger belastenden Eincremen und dem Eindringen entweder in den Scheidenvorhof oder aber in die Vagina, sowie wiederum zwischen dem Eindringen mit einem oder mehreren Fingern oder mit einem Gegenstand.
496Soweit gleichartige Taten betroffen sind, hat die Kammer gesehen, dass die Hemmschwelle nach der ersten Tat gesunken ist.
4972.2. Zu Ungunsten des Angeklagten
498Die Kammer hat bei allen Taten strafschärfend Folgendes berücksichtigt:
499Der Angeklagte war zu den Tatzeitpunkten erheblich und einschlägig mit der Verurteilung des Landgerichts Dortmund aus dem Jahr 2009 vorbestraft.
500Vor dem Hintergrund, dass er seit der Verurteilung als Maßregel in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB aufgrund der Verurteilung durch das LG Dortmund untergebracht und bis zu den ersten Lockerungen gar keine Gelegenheit für einen Rückfall war, hat die Kammer strafschärfend das Maß der kriminellen Energie berücksichtigt, wie es in der – gemessen an dem lange Jahre geschlossenen Vollzug – hohen Rückfallgeschwindigkeit wenige Monate nach Beginn der ersten Langzeitbeurlaubung zum Ausdruck kommt.
501Schließlich hat die Kammer strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte eine tateinheitliche Deliktsbegehung unterschiedlicher Schutzrichtung verwirklicht hat, selbstredend ohne die Tatbestandsverwirklichung als solche zu seinen Lasten zu berücksichtigen.
5022.3.
503Unter Berücksichtigung all dieser für und gegen den Angeklagten angeführten Gesichtspunkte hat die Kammer für die einzelnen Taten folgende Einzelstrafen verhängt:
504 für die Tat 1:
505eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
506(angesichts der höchsten Hemmschwelle)
507 für die Tat 2:
508eine Freiheitsstrafe von drei Jahren
509(aufgrund des mehrfachen Eindringens mit verschiedenen Fingern)
510 für die Tat 3:
511eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten
512(wegen der mehrfachen Spreizung),
513 für die Tat 4:
514eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten,
515(unter Berücksichtigung der vergleichsweise kurzen Dauer von 25 Sekunden)
516 für die Tat 5:
517eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
518(unter Berücksichtigung der Anfertigung von zwei Bildern, aber keines Videos und im Gegensatz zu Fall 2 des nicht mehrfachen Einführens)
519 für die Tat 6:
520eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
521 für die Tat 7:
522eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
523(unter Berücksichtigung der verschiedenen Handlungen des Eincremens, des Spreizens und des Umstandes, dass der Vorgang M. angesichts ihrer spontanen mehrfachen Äußerung „Aua“ offensichtlich mindestens sehr unangenehm war)
524 für die Tat 8:
525eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
526(unter Berücksichtigung der Dauer der Misshandlung)
527 für die Tat 9:
528eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
529(unter Berücksichtigung der Handlungen des Eincremens und Eindringens in Abgrenzung zu Tat 1)
530 für die Tat 10:
531eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
532(harter Gegenstand mit tiefem Einführen des Bleistifts bis zum aufgedruckten Text auf dem Stift, die Dauer des Eindringens und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es eine identische Vorstrafe gab)
5333. Gesamtstrafenbildung
534Die Kammer hat unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
535sechs Jahren und sechs Monaten
536für tat- und schuldangemessen erachtet.
537Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer die oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird und denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt, nochmals berücksichtigt.
538Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund gestanden. Maßgebend für die Strafzumessung sind auch hier die Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten, die Anzahl sowie das Ausmaß der begangenen Taten, denen sämtlich eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt und das Verhältnis der Taten zueinander gewesen. Ferner hat die Kammer dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn zwischen den Taten ein enger zeitlicher und insbesondere sachlicher, personeller und situativer Zusammenhang besteht, der es gebietet, die Einzelstrafen enger zusammenzuziehen.
539VI.
540Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
541Schließlich hat die Kammer neben der Strafe die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gem. § 66 Abs. 2 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a. und Nr. 4 StGB angeordnet.
5421.
543Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a. StGB, auf den die Kammer ihre Entscheidung stützt, sind nach den vorstehenden Ausführungen in diesem Urteil zu den einzelnen Taten und den bemessenen Strafen gegeben.
544Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass § 66 Abs. 2 StGB vom Gesetzgeber in erster Linie für den – hier so nicht vorliegenden – Fall des unentdeckt gebliebenen gefährlichen Serienstraftäters gedacht ist, so dass im Unterschied zu § 66 Abs. 1 StGB Vorverurteilungen und Vorverbüßungen nicht gegeben zu sein brauchen. Liegen sie indes – wie hier, unabhängig von den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB bzw. § 66 Abs. 3 und § 66 Abs. 4 StGB jedenfalls grundsätzlich als solche – vor, so tritt § 66 Abs. 2 StGB nach herrschender Meinung als zusätzlicher Anordnungsfall neben § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Fischer, 70. Auflage, § 66 StGB, Rn. 31).
5452.
546Darüber hinaus ergibt die nach § 66 Abs. 2 StGB i. V. m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB erforderliche Gesamtwürdigung des Angeklagten, seiner Persönlichkeit, seines gesamten Vorlebens, der begangenen Taten und der übrigen, nachstehend im Einzelnen noch näher aufgeführten Gesichtspunkte, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten der hier geschehenen Art, insbesondere des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern für die Allgemeinheit gefährlich ist.
547Grundsätzlich hat sich die Kammer dabei von folgenden Maßstäben leiten lassen:
5482.1. Hang
549Die Kammer hat sich dabei davon leiten lassen, dass das Merkmal des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB einen eingeschliffenen inneren Zustand des Angeklagten verlangt, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest verwurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso aber auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (vgl. Fischer, a.a.O., Rn. 47f..; BGH, NStZ-RR 2004, 202f.; BGH, NStZ 2003, 201f.; BGH, NStZ 2005, 265-266, Rn. 35; BGH, NStZ-RR 2011, 204-205, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 30.03.2010, Az. 3 StR 69/10, über juris, Rn. 5).
550Dabei betont die Kammer zugleich schon an dieser Stelle, dass sie nicht verkannt hat, dass der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand erfordert, dessen Feststellung der Kammer unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner maßgebenden Umstände obliegt (vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 204-205, Rn. 5).
551Ferner hat die Kammer nicht übersehen, dass „Hangtätereigenschaft“ und „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit“ keine identischen Merkmale sind, sondern der Hang nur ein wesentliches Kriterium der Prognose ist und die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür einschätzt, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hangs erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (BGH, Beschluss vom 30.03.2010, 3 StR 69/10, über juris, Rn. 7; BGH, NStZ-RR 2011, 204-205, Rn. 9; Fischer, a.a.O., Rn. 52f.). Der Grad der „Eingeschliffenheit“ beeinflusst hierbei die Beurteilung der Höhe der Wahrscheinlichkeit. Zwar ist die ausreichende Wahrscheinlichkeit regelmäßig gegeben, wenn die Hangtätereigenschaft festgestellt ist, was allerdings nur in der Regel gilt und Fälle denkbar sind, in denen dies nicht so ist (vgl. BGHSt 50, 188-198, Rn. 25; BGH, NStZ-RR 2016, 77f., Rn. 30 m. w. N.). Daran anknüpfend wird insbesondere vertreten, dass die Abgrenzung des Hangs zur Gefährlichkeitsprognose praktische Bedeutung letztlich nur in den Fällen gewinnen kann, in denen äußere Umstände oder Veränderungen der Bedingungen die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Begehung von Straftaten bei fortbestehender innerer Disposition erheblich mindern (Fischer, a.a.O., Rn. 55; BGH, NStZ-RR 2016, 77f., Rn. 34 am Ende).
552Die Feststellung eines Hangs im oben genannten Sinne setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung voraus. Damit ist eine wertende Beurteilung der Gesamtheit der die Persönlichkeit des Angeklagten prägenden Umstände einschließlich seiner psychischen Befindlichkeit gemeint und erfordert eine umfassende Vergangenheitsbetrachtung. Zur Beurteilung sind daher auch die Vortaten, wenn sie auch nicht die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB erfüllen, sowie nicht strafbare Verhaltensweisen herangezogen worden. Ferner spielen Herkunft, Sozialisation, Persönlichkeitsstruktur und Sozialverhalten des Täters eine Rolle (Fischer 70. Auflage, a.a.O., Rn. 50 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
553Aspekte – wie „alternativen Lebensstrategien“ im Sinne eines straffreien Lebenswandels, über längere Zeiträume hinweg (vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 77-78, Rn. 5-7; BGH, StV 2012, 212-213, Rn. 6, vgl. auch Fischer, a.a.O., Rn. 64) – sind „zwar in die Gesamtwürdigung einzustellen, aber beispielsweise auch längere straffreie Zeiträume sprechen nicht zwingend gegen einen Hang (BGH, NStZ-RR 2011, 77-78, über juris, Rn. 5; vgl. auch BGH, NStZ 2005, 265-266, über juris, Rn. 35).
554Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte über 13 Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war und er insoweit schon wenig bis gar keine Gelegenheit zur Begehung von Straftaten – insbesondere gegenüber Kindern – hatte, konkret erstmals nach Erreichen der – eingangs des Urteils dargestellten – Lockerungsstadien, angefangen mit insbesondere unbegleiteten Ausgängen, in denen es indes nicht zu Straftaten kam.
555Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an, da der Angeklagte, wenn auch erst nach einiger Zeit die erste Form der längerfristigen Freiheit aus dem geschlossenen Maßregelvollzug, nämlich die Langzeitbeurlaubung nutzte, in alte Muster zurückzufallen, wenn auch in weniger gewalttätiger Form als noch bis 2008. In diesem Zusammenhang nutzte er die zufällig gemachte Bekanntschaft mit der Nebenklägerin über den ebenfalls zufällig beim Sperrmüll kennengelernten Zeugen D., um M. wiederholt sexuell und schwer sexuell zu missbrauchen.
556Ferner ist der Umstand einer etwaigen Abschwächung der Deliktintensität zu berücksichtigen (vgl. BGH, StV 2012, 212-213, Rn. 6). Insoweit unterscheiden sich die Taten zu Lasten der hiesigen Nebenklägerin M. gegenüber den 2009 abgeurteilten Taten jedenfalls in der Intensität. So gab es neuerlich beispielsweise keinen vollzogenen Geschlechtsverkehr/Oralverkehr. Gleichwohl sieht die Kammer aber auch – in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen NW. und in Übereinstimmung mit den Aussagen der psychologischen Gutachten im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung - , dass es eine Vielzahl von Parallelen in den Taten gibt, etwa das Alter der Kinder, das Windeln, das Penetrieren mit einem Finger und auch das Einführen eines Gegenstandes, wie den hier benutzten Bleistift oder das vaginal eingeführte Fieberthermometer aus sexueller Lust.
5572.2. Gefährlichkeit
558Ferner hat die Kammer nicht übersehen, dass – jedenfalls unter dem weiterhin zu prüfenden Aspekt der Gefährlichkeit – eine Auseinandersetzung mit solchen Umständen erforderlich ist, die geeignet sind, die vom Angeklagten ausgehende Gefährlichkeit im milderen Licht erscheinen zu lassen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob einer von dem Angeklagten ausgehenden Gefährlichkeit statt durch Anordnung der Sicherungsverwahrung als eine der schärfsten Sanktionen des Strafrechts durch eine risikoangepasste scharfe Kontrolle und Betreuung während einer Führungsaufsicht begegnet werden kann. Bei dieser Prüfung kann ferner auch die Frage der Schutzaltersgrenze, eines sofortigen Ablassens von dem Opfer beim Wegdrehen, zum Ausdruck gebrachten Bedauerns und einer Entschuldigung gegenüber dem Opfer von Bedeutung sein (vgl. BGH, NStZ-RR 2010, 43-44, Rn. 14).
5592.3. Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB
560Aus dem Hang muss sich eine ungünstige Prognose ergeben, nämlich die Erwartung, d.h. die bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass von dem Täter weitere erhebliche rechtswidrige Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Erforderlich ist regelmäßig die Feststellung einer erheblichen Gefahr schwerer Gewalt oder Sexualdelikte als solche Delikte, durch welche im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, wofür – wie grundlegend, insbesondere auch bezüglich des nachstehenden Punktes der Frage der Erheblichkeit – ein strenger Maßstab gilt (Fischer, a.a.O., Rn. 59).
5612.3.1. Erheblichkeit
562Bei der Beurteilung der Erheblichkeit kommt es selbstredend nicht auf allgemeine empirische Erwägungen an, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalles unter Einbeziehung aller vorstehend beispielhaft genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte. Insoweit kann allerdings der Schutzzweck des Straftatbestandes des sexuellen und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß §§ 176, 176 c StGB nicht übersehen werden, der die sexuelle Selbstbestimmung und die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern schützt.
563Dabei ist mit einer Tat des – insbesondere hier mehrfachen schweren - sexuellen Missbrauchs typischerweise die Gefahr der schwerwiegenden psychischen Schäden verbunden (so – wenn auch zunächst ausdrücklich bezogen auf die §§ 176, 176 a StGB a.F. – BGH, NStZ-RR 2010, 239-240, über juris, Rn. 10; BGH, NStZ 2013, 277-278, Rn. 16-17). Hinsichtlich künftiger Taten ist es nahezu ausgeschlossen, konkrete seelische Schäden bei kindlichen Opfern zu prognostizieren, weshalb auch die allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten Grundlage von Sicherungsverwahrung sein kann. Dies gilt auch dann, wenn – wie letztlich hier auch – keine gesicherten Erkenntnisse über traumatische Störungen in der weiteren Entwicklung vorliegen (BGH, a. a. O.).
564Im Rahmen der Prüfung der sog. Erheblichkeit ist indes zugleich zur Einordnung darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Angeklagte – wie hier – keine Gewalt angewandt hat, dies nicht etwa die Erheblichkeit seines Tuns beseitigen würde, sondern lediglich dazu führen würde, dass er insoweit nicht auch noch gravierenderer Delikte, wie etwa einer sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB), schuldig wäre. Selbst dies käme ihm aber nicht bei der Prüfung von § 66 StGB zugute (BGH a. a. O.).
565Denn bereits dann, wenn ohne Gewalt allein durch den Missbrauch von etwa erzieherischen Einwirkungsmöglichkeiten Sexualstraftaten zum Nachteil sogar von – hier nicht einmal in Rede stehenden – bereits Jugendlichen im Sinne des § 174 StGB, letztlich meist unter Ausnutzung altersbedingt noch unzureichenden Verstandes bzw. Widerstandskräfte, begangen werden, ist bereits regelmäßig von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung deren sexueller Entwicklung auszugehen. Auch derlei Taten weisen einen erheblichen Schuld- und Unrechtsgehalt auf (BGH, NStZ 2013, 277-278, über juris, Rn. 16). Dies muss dann umso mehr – wie hier – im Hinblick auf Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern gelten.
5662.3.2. Grad der Wahrscheinlichkeit
567Erforderlich ist ferner eine „bestimmte Wahrscheinlichkeit“, also die bestehende Erwartung, dass von dem Täter weitere erhebliche rechtswidrige Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (Fischer, 70. Auflage, § 66 StGB, Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 28.04.2015, 1 StR 594/14, über juris, Rn. 30 und 43; BGH, NStZ-RR 2013, 108-109, über juris, Rn. 5; BGHSt 25, 59-63, über juris, Rn. 9; BGH, NStZ-RR 2003, 108-109, über juris, Rn. 5BGH, wistra 1988, 22-23, über juris, Rn. 14).
568Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass nach der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2001 eine Sicherungsverwahrung nur dann in Betracht kommt, wenn die „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist“. Hierauf kommt es indes im vorliegenden Verfahren nicht an, weil die hier verfahrensgegenständlichen Taten sämtlich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 05.12.2012 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2425) am 1. Juni 2013 begangen worden sind (BGH, Urteil vom 28.04.2015, a.a.O., Rn. 39 und 43).
569Bei Verbrechen nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. (heute § 176c Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB), z.B. durch Einführen der Finger zu Lasten eines Kindes – wie teilweise hier –, handelt es sich um schwere Sexualstraftaten sogar im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts (BGH, NStZ-RR 2013, 204-206, über juris, Rn. 32). Der Bundesgerichtshof hat damit zutreffend die mit dem Einführen von Fingern gegebene Aggressivität hervorgehoben. Zudem stellen – daran sei an dieser Stelle noch einmal erinnert – auch ohne diese beiden besonders gravierenden Handlungen Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern wie auch (möglicherweise auch älteren) Schutzbefohlenen ebenso regelmäßig eine schwerwiegende Beeinträchtigung der sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar (so: BGH, NStZ, 2013, 277-278, über juris, Rn. 16).
5702.3.3. Umstände, die gegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung sprechen können:
571Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Kammer zunächst nach den vorstehenden Maßstäben auch diejenigen Umstände erwogen, die gegen die Anordnung der Maßregel sprechen können. Sie hat aber auch den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift bedacht, wonach das Tatgericht die Möglichkeit haben soll, sich ungeachtet einer festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass er sich diese Strafe hinreichend zu Warnung dienen lässt. Damit soll dem Ausnahmecharakter des § 66 Abs. 2 StGB Rechnung getragen werden, wobei zusätzlich auch die Wirkung eines langjährigen Strafvollzugs und das fortschreitende Lebensalter sowie die Erfolgsaussichten einer etwaigen erstmaligen längerfristigen Therapie in die Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.05.2011, 4 StR 164/11, über juris, Rn. 5 und 6; vgl. auch Fischer, a.a.O., Rn. 66-74 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
572Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, dass insoweit auf die Gesichtspunkte der Wirkung eines langjährigen Strafvollzugs und einer Therapie sowie letztlich auch die zahlreich weiter vorstehend angeführten Aspekte nur abgestellt werden kann und darf, wenn es diesbezüglich konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine Haltungsänderung beim Angeklagten bereits eingetreten ist oder erfahrungsgemäß eintreten wird (vgl. BGH, NStZ 2010, 271-273, Rn. 8; BGH, NStZ-RR 2016, 77, über juris, Rn. 37 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
5732.3.4. Sonstiges
574Hier ist darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Fall in besonderem Maße dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich hier jedenfalls nicht um den vom Gesetzgeber für § 66 Abs. 2 StGB zunächst grundlegend angedachten Fall des unentdeckt gebliebenen gefährlichen Serientäters handelt, der nicht – einschlägig – vorbestraft ist.
575Jedoch kann der hiesige Fall, in dem mindestens ebenso, wenn nicht schwerer geartete Sexualdelikte zu Lasten eines Kindes schon etwas länger zurückliegen, mit dem Fall verglichen werden, in dem Vortaten wegen Eintritts der sogenannten Rückfallverjährung nicht mehr als Symptomtat herangezogen werden können, was indes nicht ihre Verwertung als sonstiges Beweisanzeichen für die Hangtäterschaft im Rahmen der Würdigung der Persönlichkeiten des Angeklagten hindert (BGH, NStZ-RR 2010, 238-239, über juris, Rnr. 14; BGH, NStZ 2005, 265-266, über juris, Rnr. 38). Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass sie hier aus den genannten Gründen nicht von Symptomtaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 4 StGB ausgegangen ist.
5763.
577Übertragen auf den vorliegenden Fall – soweit nicht schon teilweise vorstehend angesprochen – führen diese Maßstäbe zu folgender Bewertung:
578So folgt die Kammer, anknüpfend an die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen NW. bereits zur Persönlichkeitsstruktur, dass der Angeklagte ein kognitiv nicht beeinträchtigter Mann mit einer – wenn auch eben nicht forensisch relevanten krankheitswertigen – u.a. dissozial-narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung ist, der indes gleichwohl sozial flexibel-taktisch agieren und andere Menschen von sich überzeugen kann, der aber – wenn auch etwas im Vergleich zum Urteil aus 2009 etwas abgeschwächt – erneut schwere sexuelle Missbräuche, begangen habe. Betrachte man die individuell vorliegenden Risikofaktoren bei dem Angeklagten, so sei nach gegenwärtigem Kenntnisstand vor dem Hintergrund seiner bisherigen Delinquenzgeschichte und seiner Persönlichkeit von einem sehr hohen Risiko für die Begehung erneuter schwerer sexueller Missbrauchstaten.
579Diesbezüglich hat der Sachverständige von den zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehend und so nachvollziehbar und für die Kammer überzeugend darauf hingewiesen, dass insbesondere auch zu berücksichtigen sei, dass nach mehr als zehnjähriger Therapie im Maßregelvollzug durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus es direkt in der Langzeitbeurlaubung es zu einem viele Parallelen aufweisenden Tatgeschehen wie bis 2008 gekommen sei.
580Auch führte der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass bei dem Angeklagten, dessen Sozialkontakte in der Langzeitbeurlaubung (so u.a. zu dem Zeugen D., dem U., aber auch – so der Angeklagte, bestätigt von HH., zu seiner Mutter) sich als nicht Straftaten hemmend oder vermeidend ausgewirkt hätten, kein realistischer sozialer Empfangsraum bestehe. Auch wenn er beruflich durchaus leistungsfähig sei, werde dies eine neue Straffälligkeit nicht abfangen können. Das hat der Sachverständige zutreffend angesichts der in Langzeitbeurlaubung unternommenen Ausbildungsschritte, erwähnt.
581So ist die Kammer davon überzeugt, dass sich bei dem Angeklagten gerade trotz aller erworbenen Kompetenzen nahezu ausschließlich negative legalprognostische Parameter finden. Denn trotz einer langjährigen Maßregelvollzugsbehandlung, trotz positiver Einschätzungen von erfahrenen Prognosesachverständigen und einem erfahrenen Behandlungsteam ist es kurz nach Beginn der Langzeitbeurlaubung zu einer Kontaktaufnahme zu einem Vater eines minderjährigen weiblichen Kindes – der M. - gekommen. Mit den vom Angeklagten eingeräumten Straftaten kam es zu eindeutigen spezifischen sexuellen Handlungsmustern im Rahmen der vorbekannten heterosexuell-pädophilen und windelfetischistischen Präferenz. Dies stelle ein vergleichbares Handlungsmuster wie schon der Gegenstand der früheren Verurteilung durch das Landgericht Dortmund im Jahre 2009 dar.
582NW. hob auch – für die Kammer nach vielen Jahren der Erfahrung in auch mit der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verbundenen Jugendschutzverfahren sehr nachvollziehbar und daher überzeugend – hervor, dass die sexuellen Präferenzen mit Abschluss der Pubertät festgelegt sind, so dass auch keine Veränderung der Ausrichtung und Inhalte der sexuellen Präferenzen im späteren Leben beim Angeklagten zu erwarten sei. Dass dieser in ganz besonderer Weise sexuell ansprechbar ist durch präpubertierende weibliche Kinder und die Verwendung von Windeln, was sich – so über mehr als ein Jahrzehnt belegt - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft bis zu seinem Lebensende nicht ändern. Dementsprechend – so der Sachverständige weiter - sei es auch nicht Ziel einer Therapie, die sexuellen Präferenzen zu verändern. Eine derartige Therapie könne nur zum Ziel haben, den Betroffenen darin zu stärken, den Umgang mit den eigenen sexuellen Präferenzen sozial angemessen zu gestalten, wie es der Maßregelvollzug jahrelang und, wie zumindest die jetzigen Taten zeigten, trotz aller erworbenen Kompetenzen erfolglos versucht habe. Dies bedeute im Falle von pädophil orientierten Menschen, dass sie lebenslang auf die Praktizierung ihrer diesbezüglichen sexuellen Vorlieben (mit Kindern) verzichten müssen.
583Insbesondere vermochte der Sachverständige auch nach dem von ihm gewonnenen Eindruck des Angeklagten in der Hauptverhandlung – nachvollziehbar - keine Abschwächung der protektiven Faktoren erkennen. Eine ausreichend offene Kommunikation sei ein zentraler Aspekt für eine tragfähige therapeutische Beziehung. Eine solche bestehe angesichts des bewussten Verschweigens der Fortsetzung der Kontakte zu M. nach dem letzten diesbezüglichen Gespräch nach dem Spaziergang auf der Halde, ferner der nun erfolgten Taten nach jahrelanger Therapie nicht, mit der Folge, dass die vom Angeklagten entwickelten Strategien in der Therapie sogar eher zu einer weiteren Risikoerhöhung statt Absenkung geführt hätten. Allein der Umstand, dass der Angeklagte die Nebenklägerin M. als „rettende Oase“ bezeichnete, als er von seinen Gefühlen der punktuellen Stressoren in der Langzeitbeurlaubung berichtete, zeige seine fortwährend bestehende situative Verführbarkeit. Trotz der von Fachpersonal vermeintlich positiven Entwicklungen (die auch als Ausdruck einer Scheinanpassung gedeutet werden könnten), sei es recht schnell zu einem Rückfall in altbekannte sexuelle Verhaltensmuster gekommen, die ganz eindeutig der erkennbaren sexuellen Präferenz des Angeklagten entsprächen.
584Trotz einer günstigen sozialen Perspektive und einer realistischen Aussicht auf soziale Reintegration nach jahrelangem Leben in Unfreiheit habe der Angeklagte während der Langzeitbeurlaubung nicht auf die ihn erregenden sexuellen Handlungen verzichtet.
585Protektive Faktoren, die diese eindeutig sehr ungünstige Legalprognose ab-schwächen könnten, seien derzeit nicht erkennbar. Der Angeklagte sei prinzipiell sozial anpassungsfähig, wahrscheinlich überdurchschnittlich intelligent, auch beruflich leistungsfähig, wie seine im Rahmen des Maßregelvollzugs begonnene Ausbildung zum Metallwerker zeigte. Aber all dies habe keine ausreichend relevante protektive Bedeutung gehabt.
586Bei der Würdigung hat die Kammer entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen, der sich grundlegend an den geforderten Standards (vgl. dazu eingehend: Boetticher, Kröber, Müller-Isberner, Böhm, Müller-Metz, Wolf „Mindestanforderungen für Prognosegutachten“ in NStZ 2006, 537 ff.) orientiert hat, zunächst auch die angeratene Einbettung in erfahrungswissenschaftlich fundierte, standardisierte Prognoseinstrumente gesehen, die natürlich keinesfalls die individuelle Prognose ersetzen, sondern nur begleitend helfen können, empirisches Wissen für die maßgebende individuelle Prognose nutzbar zu machen (dazu, a.a.O., S. 542). Damit geht es also nicht um die Entscheidung im Einzelfall, sondern nur um eine Verortung des Einzelfalls im kriminologischen Erfahrungsraum (a.a.O., S. 543-544; so auch: Drenkhan/Morgenstern in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2020, § 66 StGB, Rn. 205; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 05.02.2004, Az.: 2 BvR 2029/01, in NJW 2004, 739/742).
587Der Sachverständige hat dabei zunächst die nachstehenden, in der psychiatrischen Fachliteratur anerkannten und forensisch erprobten Prognoseverfahren SORAG im Einzelnen näher und nachvollziehbar erläutert. Die Ausgangsdatenbasis des SORAG betraf dabei wegen einer sexuell motivierten Straftat rechtskräftig zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilte Personen. Zu beachten ist, dass es sich bei den Referenzgruppen um Wiederverurteilungsraten (mit und ohne Haftstrafe), nicht aber um Delikt-Wiederbegehungsraten handelt.
588In dieser statistischen Hinsicht unter Anwendung entsprechender Prognoseinstrumente (SORAG) ergibt sich für den Angeklagten generell statistisch betrachtet eine im Vergleich zum Durchschnitt deutlich erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit bezüglich gewalttätiger Taten inklusiver sexuell motivierter Gewalttaten. Das ergibt sich deutlich aus den Ergebnissen des SORAG. Danach liegt die Rückfallgeschwindigkeit vorliegend bei 80%.
589Im Einzelnen:
590Nach SORAG (Sex Offender Risk Appraisal Guide) erreichte der Angeklagte, unterstellt er habe eine – tatsächlich nicht bestehende - krankheitswertige Persönlichkeitsstörung, einen Summenwert von 24. Zutreffend von einer nur bestehenden Persönlichkeitsakzentuierung ausgehend, erreichte er einen Summenwert von 19. Für einen Beobachtungszeitraum von 7 Jahren nach Entlassung in die Freiheit entspricht dieser Summenwert der Risikokategorie 7 (Wert 24) bzw. 6 (Wert 19) (auf einer Skala von 1 bis 9). Unter den Straftätern der Entwicklungsstichprobe des SORAG wiesen 9 % (Wert 24) bzw. 19 % (Wert 6) einen höheren Summenwert als Angeklagter auf. Etwa 58 % der Straftäter, die derselben Risikokategorie wie der Angeklagte zugeordnet wurden (unabhängig davon, ob man von Wert 24 oder 19 ausgeht) wurden erneut wegen eines Gewaltdeliktes (einschließlich Sexualdelikten) angeklagt oder verurteilt.
591Für einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren nach Entlassung in die Freiheit entspricht dieser Summenwert der Risikokategorie 7 (auf einer Skala von 1 bis 9). Etwa 80 % der Straftäter, die derselben Risikokategorie wie der Angeklagte zugeordnet wurden, wurden erneut wegen eines Gewaltdeliktes (einschließlich Sexualdelikten) angeklagt oder verurteilt (bei Wert 24) bzw. etwa 76 % (bei Wert 19).
592Die Punktevergabe erfolge anhand eines Kriterienkataloges mit 14 Kriterien, für die bei Bejahung jeweils ein bestimmter (positiver oder negativer) Punktwert vorgesehen ist. Die Itembewertung setzte sich wie folgt zusammen:
5931) Bis zum 16. Lebensjahr mit beiden biologischen Eltern gelebt 3
5942) Mangelhafte Anpassung an die Grundschule 5
5953) Alkoholprobleme in der Vorgeschichte 2
5964) Zivilstand 1
5975) Punktwert der kriminellen Vorgeschichte für Verurteilungen und Anklagen
598wegen nicht gewalttätiger Delikte vor dem Anlassdelikt -2
5996) Punktwert der kriminellen Vorgeschichte für Verurteilungen und Anklagen
600wegen gewalttätiger Delikte vor dem Anlassdelikt 6
6017) Vorgeschichte von Sexualstraftaten ausschließlich zu Lasten von
602Mädchen unter 14 Jahren 0
6038) Anzahl von Verurteilungen für frühere Sexualstraftaten 1
6049) Versagen bei früherer bedingter Entlassung 3
60510) Alter zum Zeitpunkt des Index-Delikts -2
60611) Erfüllt die DSM-III-Kriterien für irgendeine Persönlichkeitsstörung 3
60712) Erfüllt die DSM-III-Kriterien für Schizophrenie 1
60813) Phallometrische Testergebnisse (COM_FNETCONTENT_SORAG_
609ANSWERS13_04) 0
61014) Anzahl Punkte auf der Psychopatahy Checklist-Revised
611(COM_FNETCONTENT_SO_V_RAG_ANSWERS_12_07) 3
612Summe 24
613Ausgehend von der hier lediglich festgestellten Persönlichkeitsakzentuierung und einem dann insoweit anzunehmenden Wert von -2 bei vorstehendem Punkt 11) (statt 3 bei einer Persönlichkeitsstörung) ergibt sich der bereits vorstehend erwähnte Summenwert 19.
614Die Bedeutung und Anwendung der Kriterien hat der Sachverständige der Kammer verständlich erläutert, insbesondere hat er geschildert, dass sich die Nullpunktevergabe bei dem Kriterium Sexualstraftaten ausschließlich zum Nachteil von Mädchen unter 14 Jahren dadurch erklären lasse, dass diese Täter im Unterschied zu Sexualstraftätern, deren Opfer Jungen unter 14 Jahren sind, auf eine – im Vergleich zu Straftätern mit solchen Opfern – geringere Rückfallgeschwindigkeit aufwiesen.
615Indes ist sich die Kammer der bereits vorstehend erwähnten, allenfalls eine Verortung erlaubenden Einschränkungen der rein statistischen Erfahrungen auch deshalb bewusst, da die gruppenstatistischen Rückfallquoten in sehr vielen Deliktsbereichen ohnehin „nur“ im Spektrum von 20 bis 50 % liegen (Boetticher, Kröber, Müller-Isberner, Böhm, Müller-Metz, Wolf „Mindestanforderungen für Prognosegutachten“ in NStZ 2006, 537 ff.).
616Der Sachverständige ergänzte daher seine Bewertung unter Anwendung der – einzelfallbetrachtenden – Kriterien zur Feststellung eines Hangtäters nach Habermeyer und Saß.
617Ein Hangtäter könne danach als Person mit einer negativen Kriminalprognose und einer stabilen und persönlichkeitsgebundenen Bereitschaft zur Begehung von Straftaten verstanden werden, wobei insbesondere bisherige Verhaltens- und Gestaltungsmuster relevant seien. Diese könne durch folgende Merkmale gekennzeichnet sein:
6181. zustimmende, ich-syntone Haltung zur Delinquenz,
6192. Schuldzuweisung an Opfer, Außenstehende, Umwelteinflüsse,
6203. fehlende psychosoziale Auslösefaktoren bzw. begünstigende Konflikte,
6214. Phasen der Delinquenz überwiegen gegenüber unauffälligen Lebensphasen,
6225. progrediente Rückfallneigung, Missachtung von Auflagen,
6236. aktive Gestaltung der Tatumstände bzw. der Tat,
6247. Spezialisierung auf einen bestimmten Delinquenztyp,
6258. Integration in eine kriminelle Subkultur,
6269. „Psychopathy“ nach Hare,
62710. Reizhunger, sozial unverbundene, augenblicksgebundene Lebensführung,
62811. antisoziale Denkstile, die eine situative Verführbarkeit bedingen oder kriminelle
629Verhaltensstile legitim erscheinen lassen.
630Von den gerade genannten Punkten lassen sich beim Angeklagten bei Auswertung der bisherigen Datenlage die Punkte 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 11 identifizieren, wahrscheinlich auch wesentliche Aspekte von Punkt 9. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen sei es bislang nicht zu einer erkennbaren tragfähigen Modifikation der prognoserelevanten Persönlichkeitsfaktoren gekommen. Unter Berücksichtigung des Alters des Betroffenen, der Delinquenzvorgeschichte bzw. von Art und Zahl der vorliegenden Straftaten müsse der Angeklagte einer Vergleichsgruppe von Straftätern mit einer sehr ungünstigen Legalprognose zugeordnet werden.
631Die bisherige therapeutische Arbeit mit dem Angeklagten weise keine solchen Behandlungsfortschritte auf, die zu einer nennenswerten Reduktion der bei ihm hohen Wahrscheinlichkeit für Rückfälle führen könnten. Der Angeklagte gehöre zu einer Gruppe von Straftätern, die aufgrund der bei ihnen bestehenden prognostisch relevanten Faktoren zu einer sehr ungünstigen Risikokategorie zählen. Die dadurch bedingte hohe Rückfallwahrscheinlichkeit gehe mit einem entsprechend intensiven Behandlungsbedarf einher. Protektive Faktoren bzw. das hohe Rückfallrisiko abschwächende klinische Variablen bzw. Behandlungsfortschritte seien bislang bei dem Angeklagten nicht erkennbar, die geeignet wären, die hohe Wahrscheinlichkeit für zukünftige Rückfälle zu reduzieren. Unter Berücksichtigung der derzeit erkennbaren individuell vorliegenden Risikofaktoren beim Angeklagten sei nach gegenwärtigem Kenntnisstand aus forensisch-psychiatrischer Sicht angesichts des Fehlens von risikoabschwächenden bzw. protektiven Faktoren von einem sehr hohen Risiko für die Begehung erneuter sexuell motivierter Straftaten auszugehen mangels hinreichender protektiver Wirkungen, wie dargestellt. Seine Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und manipulative Fähigkeiten stellten zudem Eigenschaften dar, die unter legalprognostischen Aspekten als risikoerhöhend zu werten seien. Sie führten auch dazu, dass letztendlich erhebliche Schwierigkeiten im therapeutischen Kontext bei der Beurteilung bestünden (und weiter bestehen werden), ob es sich bei Anpassungsleistungen des Angeklagten um strategische Scheinanpassungen bei unverändert vorhandenen Umsetzungsabsichten von sexuellen Fantasien und Skripten handelt oder ob es sich um therapeutische bedingte Fortschritte mit Verzicht auf Umsetzung der sexuell erregenden Aktivitäten handelt.
632Die Kammer hat insgesamt nicht übersehen, dass der Angeklagte im Rahmen der ihm zustehenden Entscheidungsfreiheit nicht zu einer außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen NW. bereit war. Auf diesen Umstand hat auch der Sachverständige selbst hingewiesen. Abgesehen davon, dass der Bundesgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen hat, dass dies eine Gutachtenerstattung und auch die Erarbeitung einer für die hier entscheidenden Fragen ausreichenden Faktengrundlage nicht per se entgegensteht, hat auch der Sachverständige zutreffend auf die zahlreich die Persönlichkeit des Angeklagten beschreibenden vorherigen über Jahre hinweg eingeholten Stellungnahmen hingewiesen, die eine Einordnung erlauben würden. Diese hat er zudem kritisch hinterfragt. Da darüber hinaus auch der Angeklagte selbst die grundlegende inhaltliche Richtigkeit der seine Persönlichkeit und die berichteten Fakten (u.a. Regelverstöße, Einräumen von Fehlverhalten) eingeräumt hat, ergaben sich insoweit keine Zweifel. Mit Gewicht kommt hinzu, dass dem Sachverständigen mit den umfassenden Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu seinem Leben, auch der so de facto erhobenen Sexualanamnese, und zu seiner, die hiesigen Taten leitenden sexuellen Motivation bei dem Kind M., eine breite und belastbare Faktenbasis zur Verfügung stand. Es kommt hinzu, dass insbesondere der Bezugstherapeut des Angeklagten, der Zeuge HH., nicht nur über die Jahre 2017 bis 2022 aus eigenem Erleben, sondern auch über die ihm aus der dortigen Aktenlage bekannte Vorgeschichte im Maßregelvollzug berichten konnte.
633Die sachverständig beratene Kammer hat durchaus gesehen, dass der Angeklagte, der bis dato nach Rückverlegung in den geschlossenen Maßregelvollzug zu einer weiteren Therapie nicht (mehr) bereit war, in der Hauptverhandlung nunmehr angegeben hat, zu erwägen, nach Abschluss des Strafverfahrens weiter an sich zu arbeiten und auch überlege, über Medikamente seinen Sexualtrieb zu unterdrücken. Ausgehend von einer inzwischen 13jährig andauernden Therapie im Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus, die offenkundig erfolglos war, gibt es für die sachverständig beratene Kammer keine konkreten belastbaren Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine weitere Therapie nunmehr zu einem anderen Ergebnis führen soll.
634Der Angeklagte hat zwar durch sein Geständnis der Nebenklägerin M., dieser eine Aussage erspart und zumindest so verbal Verantwortung übernommen. Auch das jeweilige Einräumen der Taten zu Lasten der LP. und der Geschwister DU./MX. 2008 hat – wie das hiesige Verfahren zeigt – nicht dazu geführt, dass er keine Straftaten mehr begangen hat – im Gegenteil. Auch in der Therapie – ausweislich der dargestellten Vollzugsgeschichte – hat er sich vermeintlich mit seinen Straftaten auseinandergesetzt, dann aber bei erster Gelegenheit in der Langzeitbeurlaubung nahtlos an das alte Verhaltensmuster angeknüpft und erneut eine Zufallsbekanntschaft sexuell und schwer sexuell missbraucht.
635Die Kammer hat insbesondere auch im Rahmen der Prüfung der vorstehend näher definierten Gefährlichkeit nicht übersehen, dass sich die Mehrzahl der Taten als so gewichtig darstellt, dass auch – über den Schuldspruch etwa wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern hinaus - Taten i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB drohen, die gerade in ihrer Frequenz und Ausgestaltung schwer sind, wie das mehrfache Einführen von Fingern, aber auch Gegenständen bis in die Vagina von M. zeigt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass das Maß seiner kriminellen Energie gegenüber den, dem Urteil aus dem Jahr 2009 zugrundeliegenden Taten zumindest insofern vergleichbar ist, als er sich jeweils an Kindern aus Zufallsbekanntschaften, vergangen hat, zu denen er zuvor ein Vertrauensverhältnis aufbaute. Die Kammer verkennt nicht, dass er vorliegend zum Nachteil der M. keine Gewalt angewendet hat. Allerdings mindert das nicht die Gefahr der i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB schweren Straftaten, sondern die etwaige Anwendung von Gewalt würde ihr Gewicht nur noch erhöhen.
636Danach besteht bei dem Angeklagten ein Hang im vorstehend ausgeführten Sinne. Der Angeklagte hat nach der erforderlichen Gesamtwürdigung, gerade auch unter Einstellung der für ihn streitenden Aspekte wie seiner Intelligenz, seiner Art der Gesprächsführung, seiner Fähigkeit das Vertrauen von Menschen für sich zu gewinnen, die grundsätzliche Möglichkeit, sich auch beruflich zu etablieren und der Fähigkeit in sozialen Strukturen wie einer Familie (so etwa bei W. und ihren Kindern) oder in enger Freundschaft zu sozialen Kontakten wie dem Zeugen D. zu leben, nach wie vor eine fest verwurzelte Neigung immer wieder – erheblich, insbesondere wegen gravierender Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern – straffällig zu werden und kann den von ihm empfundenen Tatanreizen, wie zuletzt dem Mädchen M., trotz der bereits erfolgten 13jährigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht widerstehen. Hiervon ist die Kammer, insoweit in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen, angesichts der aufgezeigten Gesamtumstände sicher überzeugt.
637Dabei hat die Kammer nicht aus dem Blick verloren, dass der Angeklagte vormals „nur“ einmal und länger zurückliegend wegen Sexualstraftaten zu Lasten eines Kindes verurteilt wurde. Allerdings handelte es sich auch damals nicht nur um eine Tat, sondern um eine Vielzahl auch schwerwiegender Sexualstraftaten zu Lasten der damals geschädigten LP. und den Schwestern DU./MX..
638Die über mehr als ein Jahrzehnt vollzogene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat – trotz vermeintlichem Therapieerfolg – keine grundlegende Verhaltensänderung bei dem Angeklagten bewirkt, im Gegenteil. Es ist ihm sogar gelungen einen Therapieerfolg zu suggerieren, um dann bei sich bietender Gelegenheit in das alte Verhaltensmuster zurückzufallen, wenn auch in nicht gewalttätiger Form. NW. hat insoweit ausgeführt, dass es dem Angeklagten gelungen ist, sich gut in die Struktur des Maßregelvollzugs einzufügen und zu erlernen, sich an seine Umwelt anzupassen ohne tatsächlich an seinen Problemen zu arbeiten. Insoweit hat der Zeuge HH., der über einen Zeitraum von 2017 bis 2021 sein Therapeut war, angegeben, eine gute therapeutische Beziehung aufgebaut zu haben und davon überzeugt gewesen zu sein, dass der Angeklagte – wie ausgeführt – erhebliche Fortschritte gemacht hat.
639Das zeigt, dass die von dem Angeklagten schon bis zum Beginn der hier in Rede stehenden Taten erworbenen alternativen Lebensstrategien letztlich nicht verlässlich sind.
640Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es der Sicherungsverwahrung nicht bedarf und auf andere Art und Weise schwerwiegende Sexualdelikte dauerhaft vermieden werden können, gibt es auch nach Einschätzung der sachverständig beratenen Kammer nicht. So hat die seit 2010 andauernde Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus mit entsprechender intensiver Einzel- und Gruppentherapie und vermeintlichem Therapiefortschritt gerade nicht dazu geführt, dass der Angeklagte keine Straftaten mehr begeht. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte, dass sich dies im Rahmen einer der Strafhaft folgenden Führungsaufsicht anders darstellen würde.
641Nur vorsorglich erwähnt die Kammer, dass selbst bei der – hier abgelehnten - Annahme eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB und einer etwaig sich daran anschließenden (sicheren) Annahme einer der Voraussetzungen des § 21 StGB und der sich (nur) dann stellenden Frage des § 63 StGB – unabhängig von der schon im Zweifelsfall der §§ 20, 21 StGB zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigenden Relevanz im Rahmen der Strafrahmenbemessung – dies nicht zu einem Absehen der Anwendung des § 66 StGB zugunsten des demgegenüber grundsätzlich vorrangigen § 63 StGB geführt, da Letzterer aufgrund des Versagens in der Therapie durch Missbrauch der Nebenklägerin in der Langzeitbeurlaubung keine Aussicht auf Erfolg – Heilung (vgl. Fischer, 71. Aufl., § 63 StGB, Rn. 50) - hat.
642Entgegen der Argumentation der Verteidigung kam auch eine Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a StGB nicht in Betracht. Dies wäre unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zwar die mildere Maßnahme, aber vorliegend nicht gleich geeignet. Denn es besteht angesichts der neuerlichen, mitunter das gleiche Delikt begehend wie bei der Tatbegehung 2008 mitunter auch in derselben Tatausführung, nämlich mittels eines Stiftes bzw. „Zauberstabes“, ein sehr hohes Risiko, dass der Angeklagte ohne die Anordnung der Sicherungsverwahrung erneut gleichgelagerte Taten begehen wird.
643So hat auch der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht zu erwarten sei, dass der Vollzug der für die vorliegenden Taten zu verhängenden Haftstrafe allein geeignet ist, die Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten zu bessern oder gar zu beseitigen. Gleiches gelte für die pädophile Handlungsbereitschaft und die triebhafte Sexualstruktur des Angeklagten. Denn konkrete, tragfähige Anhaltspunkte für eine ernsthafte und durchzuhaltende Therapiemotivation im Vollzug fehlen. Seit Rückkehr in das psychiatrische Krankenhaus lässt sich der Angeklagte nicht therapieren. Die zuvor mehr als ein Jahrzehnt andauernde Therapie haben im Lichte des offenkundigen Scheiterns trotz erlernter Strategien keinerlei Erfolg gezeigt.
644Auch aus dem vergleichsweise noch jungen Alter des Angeklagten mit derzeit … Jahren und seiner grundlegend gesunden körperlichen Verfassung ergeben sich keine Hinweise auf etwa zukünftigen Sexualstraftaten entgegenstehende Umstände.
645Aus dem Hang folgt danach – mangels konkreter, hier entscheidender mildernder Aspekte – die erhebliche Gefährlichkeit, wie eingangs aufgezeigt, gerade auch bei (schwerem) sexuellen Missbrauch von Kindern mit hier mehrfachem Einführen von Fingern bzw. Gegenständen in den Scheidenvorhof bzw. die Vagina als Sexualdelikte, durch welche im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB die Opfer seelisch schwer geschädigt werden.
646Angesichts des im Ausgangspunkt gewählten Prognoseinstruments des SORAG und der letztlich entscheidenden, der vorstehenden Darstellung des SORAG nachfolgenden Ausführungen, kommt es auf eine von dem Sachverständigen zusätzlich noch erwähnte sog. Dittmann-Liste, nach der bei dem Angeklagten die ungünstigen Faktoren dominieren, nicht an, zumal die Dittmann-Liste kein prognostisches Messinstrument im engeren Sinne ist, sondern eine Checkliste, deren Items keiner Operationalisierung unterliegen.
6474. Einwände der Verteidigung
648Soweit der Verteidiger einwendet, dass NW. „ohne den Nachweis“ eines DGPPN-Zertifikats sei und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieser über die zur Beurteilung der hier vorstehend erörterten forensischen Fragen erforderliche Sachkunde verfüge, so kommt es auf eine solche Listung nicht an. Maßgeblich ist Folgendes:
649Das Gericht hat sich zur Prüfung insbesondere der Frage der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen hat (§246a StPO), muss dessen Tätigkeit überwachen und leiten. Dazu gehört insbesondere auch die Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens den anerkannten fachwissenschaftlichen Anforderungen genügen (BGH, Beschluss vom 11.12.2004, Az: 2 StR 367/04). Sind diese Voraussetzungen erfüllt und weist der Sachverständige die grundlegend erforderliche fachliche Qualifikation auf, handelt es sich um ein tragfähiges Gutachten. Das ist hier der Fall.
650Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist der Sachverständige NW. hinreichend qualifiziert. Er ist mit den hier zur Beurteilung stehenden Fragen – soweit seine fachliche Kompetenz betroffen ist – zur Unterstützung der Kammer und zahlreicher anderer Gerichte seit Jahren betraut und hat umfassende Erfahrungen in einer Vielzahl auch komplexer Verfahren mit erwachsenen Angeklagten, vor allem auch, aber nicht nur betreffend Sexualstraftäter, komplexen psychiatrischen Störungsbilder, gerade auch mit unterschiedlichen Persönlichkeitsstörungen, auch Fragen der sog. (Kern-)Pädophilie.
651Seine, auch hiesige Verfahrensweise sowohl bei der Abfassung des vorläufigen schriftlichen Gutachtens als auch der Erstattung des mündlichen Gutachtens in der Hauptverhandlung hat er anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben orientiert (vgl. Boetticher u.a. in NStZ 2005, 57 ff.). Das hat auch die Verteidigung grundsätzlich – wenn auch mit nachfolgender Ausnahme - nicht in Zweifel gezogen. Weder die Qualifikation noch die Ausführungen des Sachverständigen begegnen aber deshalb Bedenken, weil NW. – worauf die Verteidigung abstellte – sämtliche klinikinternen Datenblätter, gleichsam Tag genau, über den multidisziplinären Behandlungsverlaufs nicht selbst in der Klinik eingesehen hat.
652Zunächst entscheidet der Sachverständige grundlegend selbst, was er – ggfs. zusätzlich zu ihm bereits zur Verfügung stehenden Unterlagen – zur Gutachtenerstellung benötigt. Die Kammer hat insoweit nicht verkannt, dass sie den Sachverständigen auch anleiten kann. Einer solchen Anleitung bedurfte es aber vorliegend überhaupt nicht. Denn mit den Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Q. und dem sich aus sämtlichen Vollstreckungsunterlagen ergebenden gesamten Behandlungsverlauf, vor allem auch den dazu gehörten Zeuginnen und Zeugen, insbesondere HH. und Frau VP., die über den Behandlungsverlauf der letzten Jahre – und wie bzgl. HH. bereits vorstehend erwähnt, nicht nur beschränkt auf die Jahre 2017 bis 2022 - dezidiert Auskunft geben konnten, stand dem Sachverständigen NW. der gesamte Verlauf der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Verfügung. Insbesondere HH. hat auch über den Behandlungsverlauf von November 2020 bis Oktober 2021 aus eigenem Erleben besonders intensiv berichtet, weshalb NW. dann auch eine entsprechende Kenntnis über den Behandlungsverlauf hatte. Ebenso berichteten Frau ST. als weitere Therapeutin und Frau VP. als Sozialarbeiterin über das Verhalten des Angeklagten und den Therapieverlauf in der Unterbringung. In dieser Gesamtschau hat der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten unter Berücksichtigung der klinischen Stellungnahme seit Beginn des Maßregelvollzugs und der zahlreichen Vorgutachten erstattet.
6535. Fazit
654Nach alledem hält die Kammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach pflichtgemäßem Ermessen im hier konkret vorliegenden Fall für unabdingbar. Insbesondere die mildere Maßnahme der Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB ist angesichts der vorstehenden Gesamtwürdigung keine ebenso wirksame, indes mildere Maßnahme. Denn vorliegend besteht kein hinter dem für die – wenn auch im Ermessen der Kammer stehende – Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erforderlichen Maß an Sicherheit bezüglich des bestehenden Hangs und der weiter ausgeführten Kriterien im hier dargelegten Maßstab zurückbleibender Grad einer etwa nur erheblichen, naheliegenden Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB.
655Die den Angeklagten außerordentlich beschwerende Anordnung ist auch angesichts der Schwere der in Zukunft von ihm zu erwartenden Straftaten verhältnismäßig (vgl. zu diesem Maßstab: BGH, wistra 1988, 22-23, über juris, Rn. 14). Wegen § 63 StGB wird auf vorstehenden Ausführungen zu 3. Verwiesen.
656Die Kammer hat auch nicht übersehen, dass bei einer etwaig früheren Einschaltung etwa eines KURS-Beamten, so z.B. nach der erfolgten Offenbarung des Kennenlernens von M. durch den Angeklagten selbst, Gelegenheit bestand die Lockerungen zurückzunehmen und/oder den Zeuge D. zu kontaktieren und konkret über die Vergangenheit des Angeklagten zu informieren und dies zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Kontakte seiner Tochter zum Angeklagten hätte führen, können, so dass es etwaig nicht zu den jetzigen Straftaten gekommen wäre.
657Allerdings führt diese Entscheidung des Klinikums, nach Erfahren von dem Umstand, dass der Angeklagte M. als Tochter des Zeugen D. kennen gelernt hatte, nicht dazu, dass der Staat ein Mitverschulden an der Tat hat, welches an den vorstehenden Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB zwar nichts ändern, etwa aber wegen des Verstoßes gegen ein Übermaßverbot dazu führen würde, dass die Kammer ihr Ermessen im Sinne einer dadurch bedingten Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung ausüben müsste. Denn bei den Entscheidungen zur Therapie handelt es sich um Kollektiventscheidungen im Rahmen eines therapeutischen Abwägungsprozesses unter Berücksichtigung des auf größtmögliche Gewährung von Freiheit gerichteten verfassungsrechtlich gewährten Anspruchs eines jeden Einzelnen. Dabei besteht ein Spannungsfeld zwischen einer Vertrauensbasis zwischen Therapeut und Patient und der zu waltenden Vorsicht. Insoweit haben die Therapeuten nicht versagt, sondern eine noch nachvollziehbare Entscheidung unter Berücksichtigung der für eine Therapie nötigen Vertrauensbasis getroffen, die Lockerungen fortwirken zu lassen und auch keinen KURS-Beamten einzuschalten, als der Angeklagte davon berichtete, dass sein neuer Bekannter, der Zeuge D., eine Tochter hat und er diese kennen gelernt hat. Nichts Anderes gilt für den Umstand, dass die Klinik nicht etwa (wie indes die Verteidigung es für erforderlich hielt) – sei es vereinzelt oder regelmäßig – die Wohnung des Angeklagten (mit seinem etwaigen, von der Klinik erfragten Einverständnis) auf das Vorhandensein von Windeln, Alkohol o.ä. durchsuchte.
658Denn zwar hat die Klinik bereits 2015 eine unerlaubte Internetrecherche des Angeklagten zu seinem favorisierten Fetischobjekt den Windeln entdeckt und 2017 trotz neuerlichen Regelverstoßes Lockerungen vorgenommen, die sich sukzessive vom Erlaubten Tragen von Windeln hin zu begleiteten und später unbegleiteten Ausgängen, die schließlich aufgrund ihres angenommenen Erfolges in die Langzeitbeurlaubung mündeten, die aufgrund der jetzt abgeurteilten Taten scheiterte. Auch hätte die Klinik sicherlich auch anders agieren können, etwa aufgrund der jedenfalls zweifachen missbräuchlichen Internetnutzung zur Suche nach dem begehrten Fetischobjekt „Windeln“ das Windeltragen nicht erlauben können, jedoch handelt es sich zum um eine kollegial getroffene Ermessensentscheidung, die sich in der daran anschließenden Entwicklung (siehe oben I. 5.1.) als durchaus belastbar erwies. Vor allem haben die über die Lockerungen zu entscheidenden Personen bei ihrer Ermessensentscheidung die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäbe der auf eine realistische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit abzielenden Therapiebemühungen eingehalten und das Für und Wider entsprechend abgewogen, wie insbesondere der Zeuge HH. der Kammer anschaulich geschildert hat. Das ist angesichts der gerade in den letzten Jahren nach Mai 2017 genommenen, kontinuierlich verfestigten positiven Entwicklung des Angeklagten (siehe I. 5.1.) auch sehr nachvollziehbar.
659VII.
660Kostenentscheidung
661Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1 StPO.