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Das Beschwerdeverfahren wird zur Entscheidung auf die Kammer übertragen.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 02.08.2022 (Az. 120 M 736/22) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Unter dem 11.04.2022 stellte die Beschwerdeführerin gegen den Schuldner bei der Gerichtsvollzieherverteilerstelle des AG Essen einen Antrag auf Abnahme einer weiteren Vermögensauskunft und vorsorglich für den Fall, dass der Schuldner zum Termin nicht erscheine oder die Abgabe grundlos verweigere, Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Dieser eingescannte Antrag enthält ein maschinell erstelltes Siegel der Gläubigerin und abschließend eine Unterschrift und einen maschinenschriftlichen Namenszug. Die Übermittlung erfolgte ausschließlich über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) ohne qualifizierte elektronische Signatur. Der Vollstreckung liegt eine Forderung aufgrund einer Geldbuße zugrunde.
4Der Obergerichtsvollzieher (OGV) lehnte diesen Antrag nach vorherigem Schriftverkehr unter dem 12.05.2022 mit der Begründung ab, dass dieser zwar über das besondere Behördenpostfach eingereicht worden sei, dies jedoch aufgrund des ebenfalls beantragten Haftbefehls den seitens der Rechtsprechung aufgestellten Formerfordernissen nicht genüge. Es bedürfe noch entweder der Übersendung des Schuldtitels im Original mit Unterschrift und Dienststempelabdruck oder einer elektronischen Übersendung mit qualifizierter elektronischer Signatur mit zu erkennender verantwortender Person.
5Hiergegen hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 13.05.2022 (Bl. 2 d.A.) bei dem Amtsgericht Erinnerung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der OGV habe dem gestellten Vollstreckungsantrag nachzukommen. Die seitens des OGV angeführte BGH-Rechtsprechung sei zum JBeitrG ergangen und finde keine Anwendung auf das hier einschlägige VwVG. Anders als in § 7 JBeitrG werde in § 5a Abs. 4 VwVG klar geregelt, welche formalen Anforderungen zu erfüllen seien. Es bedürfe insbesondere keiner Unterschrift. Auch eines Dienstsiegels habe es mit Blick auf die eigenhändige Unterschrift nicht bedurft. Auch dem Formerfordernis des § 5a Abs. 4 S. 6 VwVG sei hiermit genüge getan.
6Mit Beschluss vom 02.08.2022 (Bl. 35 ff. d.A.) hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass eine elektronische Übersendung zwar im VwVG NRW nicht vorgeschrieben, von § 12 S. 1 VwVG NRW jedoch zugelassen werde. Sollte eine Behörde dergestalt vorgehen, so sei zu berücksichtigen, dass der Auftrag Doppelfunktion habe und den Schuldtitel ersetze. Aufgrund dessen sei zusätzlich weiterhin die Vorlage des schriftlichen Auftrags in Papierform unter Beachtung der §§ 5a Abs. 4 S. 2, 3 und 5 VwVG NRW notwendig. Dies sei auch bei Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur erforderlich, da es keine korrespondierenden Vorschriften wie etwa in den §§ 754a, 829a ZPO gebe.
7Mit Schriftsatz vom 05.08.2022, der am selben Tag beim Landgericht eingegangen ist, legte die Gläubigerin sofortige Beschwerde gegen den ihr am 05.08.2022 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts ein. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest und führt insbesondere aus, dass die zitierte BGH-Rechtsprechung (Beschluss vom 18.12.2014) auf den hiesigen Fall der Vollstreckung nach dem VwVG NRW nicht anwendbar sei und sämtliche formalen Anforderungen des § 5a VwVG und des § 130a ZPO erfüllt worden seien. Betreffs die seitens des OGV geforderte qualifizierte elektronische Signatur sei es hier so, dass die verantwortende Person, wenn sie den sicheren Übermittlungsweg wähle (hier: beBPo), bereits durch einfache Signatur dokumentiere, die Verantwortung für das Dokument (hier: Vollstreckungsauftrag und Antrag auf Erlass eines Haftbefehls) übernehmen zu wollen. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 05.08.2022 (Bl. 5 ff. eA) Bezug genommen.
8Mit Beschluss vom 15.08.2022 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
9II.
10Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.
11Die erhobene Erinnerung ist zulässig. Das Amtsgericht hat sie jedoch zurecht als unbegründet zurückgewiesen. Der Obergerichtsvollzieher hat den streitgegenständlichen Vollstreckungsantrag richtigerweise mangels qualifizierter elektronischer Signatur abgelehnt.
12Mit der hier gewählten Übermittlung des Vollstreckungsauftrages, über ein besonderes Behördenpostfach (beBPo) als sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 3, 4 ZPO ohne qualifizierte elektronische Signatur, ist die Gläubigerin nur den prozessualen Anforderungen an eine formell ordnungsgemäße Übermittlung eines Antrages nach §§ 130d, 130a ZPO gerecht geworden. Sie genügte damit jedoch nicht den erweiterten, materiellen Anforderungen an einen titelersetzenden Vollstreckungsauftrag.
13Unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Formvorschriften bei Einreichung derartiger – wie im hiesigen Fall – titelersetzender Vollstreckungsaufträge ist – unter Übertragung auf die nunmehr nach dem 01.01.2022 geltende Rechtslage – der höchstmögliche Sicherheitsstandard und damit die qualifizierte elektronische Signatur einzufordern. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in § 5a Abs. 4 S 1 VwVG NRW geregelt ist, dass die schriftliche Erklärung der Vollstreckungsbehörde über die Vollstreckbarkeit, die Höhe und den Grund der Forderung gegenüber dem Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung an die Stelle der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung gemäß § 284 AO tritt. Der Vorlage eines gesonderten Titels bei dem Gerichtsvollzieher, wie es § 754 ZPO vorgesehen ist, bedarf es nicht. Der Antrag hat insofern eine Doppelfunktion und stellt gleichzeitig den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme und den hierfür erforderlichen Vollstreckungstitel dar.
141.
15Hinsichtlich der konkreten Anforderungen an die seit dem Inkrafttreten des § 130d ZPO und der auf diesen Bezug nehmenden Verweisungsvorschriften am 01.01.2022 verpflichtende Einreichung diverser Anträge und Erklärungen auf elektronischem Wege fehlt es bisher an ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung. Es bedarf daher der Übertragung der bisherigen höchstrichterlich herausgearbeiteten Grundsätze auf die neue Rechtslage.
16a)
17Bisher hat der BGH betreffs eines (mit dem hiesigen Fall vergleichbaren) Antrages der Gerichtskasse auf Abnahme der Vermögensauskunft und nötigenfalls Erlass eines Haftbefehls zu deren Erzwingung - im Hinblick auf die auch hier relevante titelersetzende Funktion - entschieden, dass ein nur mit aufgedrucktem Dienstsiegel versehener, nicht unterschriebener Vollstreckungsauftrag den zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Formerfordernissen nicht genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – I ZB 27/14 –, Rn. 10, juris). Der Bundesgerichtshof hat die titelersetzenden Vollstreckungsanträge über das formelle Schriftformerfordernis hinaus einem materiellen Schriftformerfordernis unterworfen, mithin ergänzende Anforderungen über die Vorschriften der ZPO hinaus aufgestellt.
18Der Haftantrag ist hiernach ein Vollstreckungsauftrag gemäß § 753 Abs. 1 und 2 ZPO. Grundsätzlich muss dem Gerichtsvollzieher mit dem Vollstreckungsauftrag die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels übergeben werden. Durch den Auftrag und die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels wird der Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung legitimiert und ermächtigt, Leistungen des Schuldners entgegenzunehmen und zu quittieren (§ 754 Abs. 1 und 2 ZPO). Der Vollstreckungsauftrag ist grundsätzlich an keine besondere Form gebunden. Bei der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bestehen allerdings auch kaum Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Authentizität eines formlos erteilten Vollstreckungsauftrags mit dem Ziel der Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Abweichendes gilt ausweislich der zitierten und auch zwischen den Parteien diskutierten BGH-Rechtsprechung jedoch für Vollstreckungsaufträge, die - beispielhaft - die Beitreibung von Gerichtskosten zum Ziel haben. Weder für einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft noch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft ist die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels erforderlich. Dies folgt in dem seitens des BGH entschiedenen Fall aus § 7 Satz 2 JBeitrO (nunmehr JBeitrG), wonach der Vollstreckungsauftrag zur Beitreibung von Gerichtskosten die nach §§ 754, 802a Abs. 2 ZPO grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels an die zuständigen Vollstreckungsorgane ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – I ZB 27/14 –, Rn. 12 - 17, juris).
19Der Vollstreckungsauftrag zur Beitreibung von Gerichtskosten musste hiernach in der Rechtslage bis zum 31.12.2021 schriftlich gestellt werden, weil er den schriftlichen Schuldtitel ersetzt. Da dieser Antrag die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang bis hin zu einer Freiheitsentziehung und damit die einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht von der Gerichtskasse erhalten, dürfen keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen. Ein lediglich maschinell erstellter und nicht unterschriebener Antrag kann dies ausweislich der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht sicherstellen.
20Aufgrund dessen forderte der BGH zum alten Recht einen unterschriebenen und mit dem Dienstsiegel versehenen Vollstreckungsauftrag ein. Dadurch wird - so der BGH - gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Dabei genügt die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift, wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. zu dem zuvor Gesagten insgesamt BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – I ZB 27/14 –, Rn. 12 - 17, juris).
21b)
22Die dargestellten Maßgaben sind auch auf den vorliegenden Fall der Vollstreckung nicht der Gerichtskasse oder eines Landesamtes, sondern auch einer Stadt auf Grundlage von Gebührenforderungen anwendbar. Wie in dem zitierten Fall liegt auch hier eine titelersetzende Wirkung vor. Ob es sich bei der antragstellenden Behörde dann um die Zahlstelle der Justiz, ein Landesamt oder eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Finanzamt handelt, kann dahinstehen. Zwar vollstreckt die hiesige Gläubigerin nicht - wie in dem zitierten BGH-Urteil der Fall - nach dem JBeitrG, jedoch hat sie sich durch die Beauftragung eines Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung gemäß § 5a Abs. 4 S. 1 VwVG NRW dem Anwendungsbereich der ZPO unterworfen.
23Das Verfahren richtet sich für die Vollstreckungsbehörde selbst nach § 284 AO. Alternativ kann mit dem Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft nach den §§ 802a bis 802l ZPO ein Vollstreckungsbeamter der Justizverwaltung beauftragt werden, § 5a Abs. 1 VwVG NRW. Beauftragt die Vollstreckungsbehörde nach § 5a Abs. 4 VwVG NRW den Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung mit der Vollstreckung, tritt die schriftliche Erklärung der Vollstreckungsbehörde über die Vollstreckbarkeit, die Höhe und den Grund der Forderung gegenüber dem Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung an die Stelle der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung gemäß § 284 der AO Wird der Vollstreckungsauftrag mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt, ist der Auftrag mit einem Dienstsiegel und dem Namen des für die Beauftragung zuständigen Bediensteten zu versehen. Einer Unterschrift bedarf es nicht. Dem Vollstreckungsauftrag kann eine Anlage beigefügt werden, aus der sich die einzelnen Forderungen zur Gesamtforderung des Vollstreckungsauftrages dem Grund und der Höhe nach sowie die jeweiligen Fälligkeiten ergeben. Die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit erfolgt auf dem Vollstreckungsauftrag selbst. Wird der Vollstreckungsauftrag mit einem Antrag auf Erzwingungshaft verbunden, ist er zu unterschreiben oder mit einem Beglaubigungsvermerk zu versehen.
24Die Systematik des § 5a VwVG NRW, jedoch auch des § 284 AO, zeigen, dass sich das Verfahren im Falle der Beauftragung eines Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung an den Vorgaben der ZPO und der Rechtsprechung der für den Haftbefehl zuständigen ordentlichen Gerichtsbarkeit orientiert. So nimmt § 5a Abs. 1 S. 5 VwVG NRW auf die §§ 802a bis 802l ZPO Bezug und der § 284 Abs. 8 S. 3 AO erklärt ausdrücklich die entsprechende Anwendung der §§ 802g bis 802j ZPO. Beide Normen nehmen insoweit auf § 802g Abs. 1 ZPO Bezug, welcher das Antragserfordernis für den Haftbefehl normiert. Anträge einer Behörde gegenüber dem Gerichtsvollzieher sind über § 753 Abs. 5 ZPO und Anträge gegenüber dem Vollstreckungsgericht unmittelbar aus § 130d ZPO auf elektronischem Wege im Sinne des § 130a ZPO einzureichen.
25Dieser Antrag hat sodann - parallel zu der ausdrücklichen Regelung des § 7 S. 2 JBeitrG - titelersetzende Wirkung. Dass dem so ist, ergibt sich aus § 5a Abs. 4 S. 1 VwVG NRW bzw. § 284 Abs. 8 AO. Nach dem dortigen Regelungskonstrukt bedarf es der grundsätzlich von der ZPO geforderten Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung im Sinne des § 754 ZPO gerade nicht. Der Antrag macht dies entbehrlich, ersetzt mithin den Titel.
26Dass derartige Vollstreckungsanträge an der zitierten und nach Rechtsauffassung der Kammer auf den nunmehr stattfinden elektronischen Rechtsverkehr zu übertragenden Rechtsprechung des BGH zu messen sind, ergibt sich überdies auch ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung zu § 5a VwVG NRW. In dieser (LT-NRW Drs. 16/11845, S. 32 = https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-11845.pdf;jsessionid=77CB48129305B2A34B3F01E06B3AABFA) heißt es hierzu unter anderem wie folgt:
27„Zum anderen wird in den Absatz 4 wegen eines bestehenden praktischen Bedürfnisses eine Regelung zur Erteilung von Vollstreckungsaufträgen im Massendruck mit Hilfe automatischer Einrichtungen ohne Unterschriftserfordernis aufgenommen. Sowohl das Land als auch die großen Kommunen drucken ihre Vollstreckungsaufträge im Massendruck über eine Druckstraße, um die steigende Zahl der Vollstreckungsfälle weiterhin bearbeiten zu können.
28Auch bei einem mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellten Vollstreckungsauftrag ist ein Dienstsiegel (im Gegensatz zur Unterschrift) künftig weiterhin erforderlich. Die Regelung eröffnet hierbei im Hinblick auf die Weiterentwicklung und den Ausbau der elektronischen Verwaltung auch die Möglichkeit der Verwendung eines elektronischen Dienstsiegels.
29Bereits § 6 Absatz 3 Satz 3 der Justizbeitreibungsordnung sieht vor, dass ein Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten im Massenverfahren erstellt werden kann und ohne Unterschrift gültig ist.
30Allerdings ist hierbei auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu berücksichtigen.
31Der BGH hat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2014 (I ZB 27/14) entschieden, dass bei der Vollstreckung von Gerichtskosten nach der Justizbeitreibungsordnung der Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher, sofern der Auftrag mit einem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls für den Fall des Nichterscheinens des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft kombiniert wird, im Original unterschrieben sein muss. Alternativ genügt die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift, wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist.
32Zur Begründung stellt der BGH darauf ab, dass die Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls unter dem richterlichen Vorbehalt steht. Der Richter muss die Möglichkeit haben, die entscheidungsrelevanten Tatbestände zu prüfen. Wird der Haftbefehl mit einem sog. Kombiauftrag beantragt, kann der Richter nicht sicher sein, ob die Voraussetzungen für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls im Einzelfall von der Vollstreckungsbehörde geprüft wurden. Schließlich legt die Vollstreckungsbehörde mit ihrem Vollstreckungsauftrag keinen der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel vor.
33Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sieht die neue Regelung in § 5a Absatz 4 VwVG NRW vor, dass die Behörden das maschinelle Massendruckverfahren ohne Unterschrift nur dann nutzen können, wenn es sich um die gesetzlichen Befugnisse des Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung im Rahmen der Abnahme der Vermögensauskunft handelt. Die Beantragung des Haftbefehls bedarf dagegen einer Originalunterschrift oder – wie im Beschluss des BGH alternativ dargestellt – eines Beglaubigungsvermerkes neben der Namenswiedergabe.
34[…]
35Mit der neuen Regelung wird somit sowohl dem Richtervorbehalt bei der Beantragung eines Haftbefehles als auch dem Problem der Bewältigung der Masse in großen Vollstreckungsbehörden Genüge getan.“
36In Fällen wie dem vorliegenden bedarf es daher - entsprechend der auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH - mit Blick auf die Tatsache, dass eine unabhängige und neutrale Prüfung und Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den begehrten und grundrechtsrelevanten Vollstreckungsakt nicht erfolgt - jedenfalls der Möglichkeit, dem Antrag eine konkrete Person zuzuordnen. Zur Schaffung hinreichenden Vertrauens muss eine voll überprüfbare Übernahme der Verantwortung durch eine identifizierbare Einzelperson gegeben sein, da es an der unabhängigen, neutralen Prüfung und Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für einen derart starken Grundrechtseingriff fehlt. Nur so kann nach der zitierten Rechtsprechung ein die titelersetzende Funktion rechtfertigender Vertrauenstatbestand geschaffen werden. Diesen Rechtsgedanken entnimmt die Kammer dem in der vorgenannten Entscheidung des BGH dargestellten, über die grundsätzlich einzuhaltende Schriftform hinausgehenden Erfordernis einer Unterschrift und eines Dienstsiegels.
372.
38Nach nunmehriger Rechtslage gestaltet sich das auch hier grundsätzlich anwendbare und seitens der Gläubigerin eingehaltene formelle Schriftformerfordernis wie folgt.
39a)
40Wie bereits dargestellt, sind nach Rechtsauffassung der Kammer auch die nach § 5a VwVG bzw. § 284 AO über die Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung, mithin die Gerichtsvollzieher, vollstreckenden Behörden dem seit dem 01.01.2022 in der ZPO geltenden Zwang zum elektronischen Rechtsverkehr unterworfen.
41Der zum 01.01.2022 in Kraft getretene § 130d ZPO legt sodann fest, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Nur bei vorübergehender Unmöglichkeit aus technischen Gründen bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Ein elektronisches Dokument in diesem Sinne ist in § 130a ZPO definiert. Ein solches muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss ferner entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sein, § 30a Abs. 3 S. 1 ZPO. Sichere Übermittlungswege sind unter anderem der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts und sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind, § 130a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und 6 ZPO. Näheres zu diesem Übermittlungsweg regelt die nach § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO erlassene Rechtsverordnung zu den technischen Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht, § 130a Abs. 4 S. 2 ZPO.
42b)
43Hierbei ist zu beachten, dass die in § 130a ZPO normierten Anforderungen nicht etwaige verschärfte Schriftformerfordernisse aus dem materiellen Recht ersetzen (vgl. AG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2022 – 665 M 867/22 –, Rn. 26, juris mit weiteren Nachweisen in Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 130a Rn 2; Streyl in Schmidt-Futterer MietR, 15. Aufl. § 568 Rn 29; ArbG Stuttgart B. v. 25.02.22 - 4 Ca 688/22; Kießling in Saenger ZPO 9. Aufl. § 130a Rn 13; Fritsche in MüKo ZPO 6. Aufl. § 130a Rn 3; D. Müller in Ory/Weth jurisPK ERV § 129 ZPO Rn 14 und nicht zuletzt BT-Drs. 17/12634, 25: "Materiell-rechtliche, weitergehende Formerfordernisse bleiben jedoch unberührt."). Mithin bleibt zu berücksichtigen, dass eine entsprechend der Anforderungen des § 130a übermittelte Erklärung zwar in prozessualer Hinsicht ordnungsmäßig ist, dies jedoch ohne Aussagekraft für etwaige außerhalb des reinen Prozessrechts liegende, besondere Schriftformerfordernisse insbesondere des materiellen Rechts bleibt.
443.
45Wie eingangs bereits ausgeführt, bedarf es jedoch der Einhaltung des seitens des BGH für die Rechtslage vor dem 01.01.2022 bereits herausgearbeiteten und nunmehr auf die neue Rechtslage zu übertragenden materiellen Schriftformerfordernisses. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende elektronische Übersendung des Antrages über das beBPo mit einfacher Signatur nicht. Es bedarf - unter Übertragung dieser Rechtsprechung auf die hier zu berücksichtigende Rechtslage ab dem 01.01.2022 - vielmehr einer qualifizierten elektronischen Signatur des Antrags (vgl. hierzu auch als bisher veröffentlichte Stimmen der Rechtsprechung AG Dorsten, Beschluss vom 6. September 2022 – 16 M 361/22 –, juris, AG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2022 – 665 M 867/22 –, juris).
46Die Gläubigerin hat den Zwangsvollstreckungsantrag mit einfacher Signatur über das bePBo an das EGVP und damit grundsätzlich in Erfüllung der bestehenden aktiven Nutzungspflicht zum elektronischen Rechtsverkehr gestellt. Die Übermittlung eines elektronischen Dokuments nach den vorstehenden Maßgaben führt zwar dazu, dass das prozessuale Schriftlichkeitsgebot gewahrt wird, indem fingiert wird, dass das eingegangene Dokument der Schriftform entspricht (vgl. Ulrici, in: BeckOK-ZPO, 45. Edition, Stand: 01.07.2022, § 753 Rn. 20). Über die Schriftform hinausgehende Formerfordernisse werden durch die elektronische Übermittlung hingegen nicht berührt, da die elektronische Übermittlung nach Maßgabe des § 130a ZPO nur das Schriftformerfordernis ersetzt (vgl. Greger, in: Zöller-ZPO, 34. Auflage 2022, § 130a Rn. 2; LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 1. September 2022 – 1 T 113/22 –, Rn. 19, juris). Auf Grundlage der vorgenannten materiellen Form-Anforderungen und in Übertragung der bisherigen Rechtsprechung des BGH betreffs Vollstreckungsaufträge bzw. -anträge zum Erlass eines Haftbefehls bedarf es hierbei - anders als in § 130a Abs. 4 ZPO in Form von Alternativen suggeriert – der qualifizierten elektronischen Signatur (oder gegebenenfalls eines den gleichen Anforderungen unterliegenden elektronischen Siegels, § 12 Abs. 3 VDG).
47a)
48Hierfür spricht zunächst, dass in dem auch hier streitgegenständlichen Fall der Übermittlung durch eine Behörde nur auf diese Weise personenscharf Verantwortung für den Vollstreckungsauftrag übernommen wird und nur so die seitens des BGH geforderte besondere Authentizität durch Erkennbarkeit und Nachweis der die Verantwortung tragenden Person im elektronischen Rechtsverkehr entsprechend umgesetzt werden kann.
49Dies ist darauf zurückzuführen, dass das grundsätzlich einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ZPO darstellende beBPo ohne qualifizierte Signatur gerade keine spezifische Personenzuordnung erlaubt. Das in § 6 ERVV normierte beBPo unterliegt zwar grundsätzlich einem Identifizierungsverfahren nach § 7 ERVV und der Zugang erfolgt ausweislich § 8 Abs. 2 ERVV ausschließlich mithilfe des Zertifikats und des Zertifikats-Passworts des Postfachinhabers. Zu beachten ist jedoch, dass der Postfachinhaber im Sinne der ERVV keine natürliche Person ist. Vielmehr ist in § 8 Abs. 1 ERVV ausdrücklich geregelt, dass der Postfachinhaber die natürlichen Personen bestimmt, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen und ihnen das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung stellt. Im Rahmen des Identifizierungsverfahrens nach § 7 ERVV wird insofern die Identität geprüft, als dass ermittelt wird, ob der Postfachinhaber eine inländische Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist und Name und Sitz des Postfachinhabers zutreffend bezeichnet sind.
50Hieraus ergibt sich jedoch, dass dieser Übermittlungsweg die seitens des BGH bisher für die Einreichung in Papierform geforderte Möglichkeit der persönlichen Identifizierung der konkreten, in Verantwortung stehenden natürlichen Person betreffs den Vollstreckungsauftrag nicht bietet. Vielmehr gibt es ein Zertifikat und ein Passwort für den Postfachinhaber und damit die gesamte Behörde, auf welche sämtliche nach § 8 Abs. 1 ERVV von der Behörde bestimmten Mitarbeiter gleichermaßen zugreifen können. Im Rahmen dieses allgemeinen Zugriffs ist es jedoch jedem Zugreifenden rein denklogisch ohne weiteres möglich, in das per beBPo zu versendende Dokument einen beliebigen Namen - sei es maschinengeschrieben oder in Form einer eingescannten Unterschrift - oder ein entsprechendes Siegel einzufügen.
51Aufgrund dessen fehlt es ohne qualifizierte elektronische - und damit personenspezifische - Signatur an der hierdurch gewährleisteten und ausweislich der auf den elektronischen Rechtsverkehr zu übertragenden höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Identitäts-bzw. Authentizitätsfunktion. Hieran ändert auch die Übermittlung über einen grundsätzlich sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO nichts. Die sichere Übermittlung mit dem bePBo ohne qualifizierte elektronische Signatur ist damit durch das Identifizierungsverfahren und die Regelungen zur Zugangsberechtigung (§§ 7 und 8 ERVV) zwar geeignet, den Antrag einer konkreten Behörde zuzuordnen und dies rechtssicher zu garantieren. Einen Identifizierungsnachweis betreffs die die Verantwortung für den Antrag übernehmende natürliche Person, mithin die Tatsache, dass der Aussteller dem eingefügten Namenszug entspricht, ist jedoch nicht möglich.
52b)
53Dem zuvor Gesagten schließt sich nach hiesigem Verständnis auch die Literatur jedenfalls in Teilen an. So wird ausgeführt, dass für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers nach § 7 JBeitrG - welcher die Kammer hinreichende Parallelität zu dem hiesigen Fall beimisst - zwar die Rechtsprechung zur Übermittlung in Papierform überholt sein dürfte und eine Einreichung mit qualifizierter elektronischer Signatur oder mit einfacher Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg erfolgen müsste. Jedoch wird auch das Erfordernis einer elektronischen Signatur durch eine natürliche Person als erforderlich angesehen (vgl. BeckOK KostR/Berendt/Rieder, 38. Ed. 1.7.2022, JBeitrG § 7 Rn. 9a). Eine solche - die verantwortende Person erkennbar machende - Signatur liegt nur bei qualifizierter elektronischer Signatur vor.
54c)
55Betreffs die Differenzierung zwischen formellem und materiellem Formerfordernis kann auch auf eine parallele gesetzliche Regelung betreffs der Ersetzung der Schriftform im elektronischen Rechtsverkehr zurückgegriffen werden. So normiert § 126a Abs. 1 BGB, dass der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronischen Dokument mit seiner qualifizierten Signatur versehen muss, wenn die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden soll.
56Übertragen auf den hiesigen Fall stützt dies das bereits dargestellte Bedürfnis nach einer zweifelsfreien Überprüfbarkeit der Identität zwischen ausgewiesenem und tatsächlichem Aussteller durch qualifizierte elektronische Signatur.
57d)
58Das Vorstehende wird überdies auch durch die jüngere, bereits mit dem jedenfalls fakultativen elektronischen Rechtsverkehr konfrontierte Rechtsprechung gestützt. So entschied der BGH noch im Herbst 2021, dass bei dem Erlass eines Haftbefehls wegen der Grundrechtsrelevanz einer Freiheitsentziehungsmaßnahme (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) der Missbrauchsgefahr in besonderem Maß entgegenzuwirken ist und das Vollstreckungsgericht deshalb trotz in bestimmten Fällen nach § 754a ZPO vereinfachtem Verfahren mit elektronisch eingereichtem Vollstreckungsauftrag die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids - ungeachtet der damit verbundenen Verfahrensverlängerung - verlangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 9/21 –, Rn. 21, juris).
59Hierin zeigt sich - trotz fehlender Anwendbarkeit des § 754a ZPO im konkreten Fall - die besondere Vorsicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade im Bereich der Authentizität von Vollstreckungsaufträgen mit Bezug zu dem grundrechtssensiblen Bereich der Freiheitsentziehungen. Auch unter Berücksichtigung dessen vermag die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgen und sieht es auch im konkreten Fall als erforderlich an, die größtmögliche Authentizität und damit die qualifizierte elektronische Signatur einzufordern.
60e)
61Als weiteres Argument für das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur kann § 802d Abs. 2 ZPO herangezogen werden, welcher für die umgekehrte Korrespondenz von Gerichtsvollzieher zu Gläubiger für die Übermittlung des Vermögensverzeichnis die Möglichkeit der Übersendung als elektronisches Dokument ermöglicht. Hierbei ist eine qualifizierte elektronische Signatur ausdrücklich vorgeschrieben. Dass der die titelersetzende Grundlage dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahme darstellende Antrag im Gegensatz hierzu geringeren Anforderungen unterliegen soll, erschließt sich der Kammer - trotz der Tatsache, dass dem Gerichtsvollzieher ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Abs. 4 ZPO gegebenenfalls nicht zur Verfügung steht - nicht.
62f)
63Soweit in der Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten wird, die vorzitierte Rechtsprechung des BGH betreffs das materielle Formerfordernis für titelersetzende Vollstreckungsaufträge sei nicht sinngemäß auf den elektronischen Rechtsverkehr zu übertragen, sondern vielmehr in wörtlicher Anwendung der Entscheidung ein (einfaches) Dienstsiegel auf dem elektronischen Dokument erforderlich (vgl. LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 1. September 2022 – 1 T 113/22 –, Rn. 21, juris), so schließt sich die Kammer dieser nicht an. Ein entsprechendes Erfordernis ist mit Sinn und Zweck des elektronischen Rechtsverkehrs nicht in Einklang zu bringen. Ein in ein elektronisches Dokument eingefügtes Dienstsiegel bietet für das elektronische Dokument - anders als die qualifizierte elektronische Signatur oder das elektronische Siegel im Sinne des § 12 VDG oder das gestempelte Siegel auf einem papierschriftlichen Dokument - für die Beurteilung der Echtheit und des Ausstellers keinerlei Mehrwert, kann vielmehr - wie die „einfache“ Signatur problemlos von einem anonymen Aussteller eingefügt werden. Zu beachten ist, dass der BGH in dem zitierten Beschluss (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – I ZB 27/14) auch ein Dienstsiegel nicht ausreichen lässt, sondern zusätzlich eine handschriftliche Unterschrift oder eine maschinenschriftliche Unterschrift nebst Beglaubigungsvermerk verlangt. Ein - der qualifizierten elektronischen Signatur gleichzustellendes - elektronisches Dienstsiegel im Sinne des § 12 VDG dürfte im Hinblick auf die in diesem enthaltenen Zertifikate demgegenüber ausreichen.
64g)
65Ein entsprechendes Problem im Bereich der Übermittlung des Vollstreckungsauftrages durch einen Rechtsanwalt sieht die Kammer indes nicht. So ist hier bereits für die Verwendung des sicheren Übermittlungsweges ohne qualifizierte Signatur anerkannt, dass - so regelt es § 23 Abs. 3 S. 5 RAVPO - das Recht, nicht qualifiziert-elektronisch signierte Dokumente über das beA zu versenden, nicht auf Dritte übertragen werden darf. Nach § 20 Abs. 3 der RAVPO muss die BRAK sicherstellen, dass der Empfänger beim Versand nicht qualifiziert elektronisch signierter Dokumente die persönliche Übermittlung durch den Rechtsanwalt feststellen kann (sog. vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis – VHN). Der Aussteller muss das Dokument eigenhändig aus seinem Postfach versenden. Fehlt es an dieser Identität, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht (vgl. beispielhaft Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl. 2022, ZPO § 130a Rn. 8).
66An dieser - für das beA auch bei lediglich einfacher Signatur sichergestellten - Authentizität fehlt es dem beBPo bei fehlender qualifizierter Signatur, da das Postfach gerade nicht personenspezifisch, sondern übergeordnet behördenweit verwendet wird.
67Hier wird die aufgezeigte Problematik des beBPo wiederum offenbar. Die Übermittlung per beBPo mit einfacher Signatur macht mangels inhaltsgleicher Regelung zur Identität des Postfachinhabers und des einfach Signierenden sogar den Fall denkbar und möglich, dass die per Namenszug einfach signierende Person bereits nicht Teil der nach § 8 ERVV bestimmten Personen ist. Dieses Auseinanderfallen des Versenders und des Ausstellers genügt den besonderen Ansprüchen an die Ernstlichkeit und Authentizität der titelersetzenden Erklärung im Sinne der vorgenannten BGH-Rechtsprechung nicht. Mit der Unterschrift unter einen Vollstreckungsauftrag gibt die verantwortliche Person zu erkennen, dass sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit der Forderung geprüft hat, sich entschlossen hat, die Zwangsvollstreckung zu beauftragen und damit die Verantwortung für die Schaffung des Titels und die Beauftragung übernimmt. Diesen Prozess, also die Legitimation der Vollstreckungsgrundlage, kann das Vollstreckungsgericht bei einem unterschriebenen bzw. mit qualifizierter elektronischer Signatur versehenen Auftrag unmittelbar und eindeutig auf die verantwortliche Person zurückführen, weil ihm in Papierform oder elektronisch das Dokument "im Original unterschrieben" vorliegt. Dies ist bei einer Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nicht der Fall, weil die einfache Signatur eben nicht mit dem nötigen Erklärungswert eindeutig und ausschließlich der genannten Person zugeordnet werden kann und die Übermittlung als solche in dem Sinne anonym bleibt, als dass eine für die Übermittlung als zweiten Teilakt der "Schriftformersetzung" i.S.d. § 130a ZPO verantwortliche Person nicht zu erkennen ist (vgl. auch AG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2022 – 665 M 867/22 –, Rn. 40, juris).
684.
69Soweit teilweise die gleichzeitige papierschriftliche Einreichung des Vollstreckungsauftrages neben der elektronischen Einreichung, wie er bisher eingereicht wurde, eingefordert wird, ist dies nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht mehr geboten. Vielmehr ist eine entsprechende Vorgehensweise nach der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs mit aktiver Nutzungspflicht überholt. Nach dem hiesigen Verständnis der gesetzlichen Kodifikation soll eine Abkehr von der Papierakte erfolgen, welche bei der vorgenannten Einreichungsmöglichkeit bzw. -pflicht stets weiterhin erforderlich bliebe. Auch würde die ausdrücklich normierte aktive Nutzungspflicht ausgehebelt. Eine entsprechende Einreichungsmöglichkeit bleibt für diejenigen Titel vorbehalten, die ausschließlich in dieser Form existieren bzw. für den Fall technischer Unmöglichkeit einer Einreichung über die gebotene elektronische Vorgehensweise.
70Nichts anderes ergibt sich nach der Rechtsauffassung der Kammer aus der bestehenden Ausnahmeregelung der §§ 754a, 829a ZPO. Die Vorschrift des § 754a ZPO soll die in § 753 Abs. 3 S. 2 ZPO vorgesehene elektronische Einreichung von Anträgen erleichtern. Für Vollstreckungsaufträge an den Gerichtsvollzieher auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden ist die Übermittlung von deren Ausfertigung in bestimmten Fällen entbehrlich. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, 19. Aufl. 2022, ZPO § 754a Rn. 1).
71Die besagte Norm umfasst den hiesigen Fall der Vollstreckung mit titelersetzendem Antrag ihrem Wortlaut nach nicht und ist auch nicht aufgrund ihres Ausnahmecharakters als Argument dafür heranzuziehen, dass in sämtlichen nicht von ihr geregelten Fällen - mithin Vollstreckungsaufträgen abseits von Vollstreckungsbescheiden - eine Ausfertigung des Titels in Papierform zu übermitteln ist. Vielmehr gilt es unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze und im Hinblick auf die Rechtslage nach dem 01.01.2022 den über § 753 Abs. 5 ZPO entsprechend anwendbaren § 130d ZPO zur Ersetzung der Schriftform zu beachten.
72Während es bei gesonderten Titelurkunden nach geltendem Recht (jedenfalls für den Haftantrag) eine unvermeidbare Notwendigkeit ist, diese als Papierausfertigung einzureichen, verhält sich dies im hiesigen Fall anders. Denn der Vollstreckungsauftrag mit den dort geregelten Formerfordernissen ist zugleich die prozessuale Erklärung bzw. der prozessuale Antrag. Verlangt nunmehr § 130d ZPO die elektronische Übermittlung des Antrages, kann der Antrag nur noch elektronisch übermittelt werden und muss das Unterschriftserfordernis (oder die Beglaubigung) mit elektronischen Mitteln erfüllt werden. Hierzu bedarf es - mit Blick auf das zuvor Gesagte - der qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. auch AG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2022 – 665 M 867/22 –, Rn. 56 - 57, juris). Der wesentliche Unterschied liegt in dem fehlenden Erfordernis zur Erteilung einer Vollstreckungsklausel. Eine solche wird auch bei elektronisch geführter Gerichtsakte derzeit noch in papierschriftlicher Form ausgestellt und übersandt, während in der elektronischen Akte lediglich ein Vermerk über die Ausstellung als elektronisches Dokument mit dem Urteil verbunden wird. Dies macht - in Anwendung der §§ 724, 734, 754 ZPO nach Rechtsauffassung der Kammer die papierschriftliche Übersendung erforderlich, da eine elektronische Fassung des originalen, die Vollstreckungsklausel enthaltenden Titels nicht existiert. Dem ist betreffs der titelersetzenden Vollstreckungsaufträge anders, da es einer solchen Klausel nicht bedarf und kein übergeordnetes Erfordernis oder Bedürfnis dafür besteht, ein papierschriftliches Dokument zu erstellen.
73Die dem entgegen stehenden Rechtsauffassungen in der Rechtsprechung (vgl. LG Berlin Beschl. v. 7.7.2022 – 51 T 203/22, BeckRS 2022, 19555 Rn. 3, beck-online) werden aus den vorgenannten Gründen daher nicht geteilt. Soweit dort unter anderem ausgeführt wird, dass der Gerichtsvollzieher das seitens des BGH in seinem Beschluss vom 18.12.2014 (Az. I ZB 27/14) aufgestellte (materiell-rechtliche) Formerfordernis nur prüfen könne, wenn er das Original des Vollstreckungsauftrages in den Händen halte, so ist dem nach Rechtsauffassung der Kammer mit Blick auf § 130d ZPO und die Tatsache, dass in Zeiten der elektronischen Aktenführung auch (beispielhaft) in richterlicher Tätigkeit keinerlei handschriftliche Unterschriften mehr geleistet werden, sondern der Verlass auf die (qualifizierte) elektronische Signatur geboten ist, nicht zu folgen. Abweichendes entnimmt die Kammer auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12634, 20) nicht. Diese setzt sich vielmehr nicht mit dem hiesigen Einzelproblem im Rahmen der Zwangsvollstreckung bei titelersetzenden Vollstreckungsaufträgen auseinander. Diese spricht nach hiesiger Auffassung bei fortwährender Hervorhebung der Bedeutung des elektronischen Rechtsverkehrs vielmehr gegen ein nach der Einführung des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs fortbestehendes Erfordernis schriftlicher Einreichung.
74III.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
76IV.
77Die Sache wird aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowohl für den hiesigen Bezirk, als auch darüber hinaus gemäß § 568 S. 1 Nr. 2 ZPO auf die Kammer übertragen.
78Aus den vorgenannten Gründen wird zudem gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtssache hat zum einen grundsätzliche Bedeutung und zum anderen ist zur Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich. Es ist zu erwarten, dass die hier für klärungsbedürftig erachtete Frage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten wird, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Die Frage ist - soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
79Rechtsbehelfsbelehrung:
80Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
81Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
82Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
831.
84die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
852.
86in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,
873.
88die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
89- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
90- soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
91Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.
92Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
93Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
94Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.