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Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, seine notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
Angewendete Vorschriften: § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 01.04.1998, § 53 StGB
Gründe
Angesichts der Dauer des Verfahrens und zur Klärung etwaiger rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen hat die Kammer im Freibeweis zu dessen Gang folgende Feststellungen getroffen, die sie im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hat.
3Die Geschädigte L wurde am 08.07.2019 erstmalig polizeilich vernommen. Durch die Ermittlungsbehörden wurde entschieden, ein aussagepsychologisches Gutachten einzuholen, womit die Zeugin L einverstanden war. Unter dem 19.08.2019 wurde ein Aktendoppel der Sachverständigen E zugeleitet.
4Mit Schreiben vom 31.01.2020, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Essen am 10.02.2020, teilte die Sachverständige E mit, dass die Zeugin L (vormals D) planungsgemäß am 31.01.2020 zur Begutachtung erschienen sei. Im Rahmen dessen berichtete die Zeugin von akuten Suizidgedanken. Vor diesem Hintergrund sowie der Mitteilung der Zeugin, dass ein Netz an sicheren Hilfen und Betreuungen derzeit nicht vorhanden sei, sah die Sachverständige von einer vollständigen Exploration am 31.01.2020 ab.
5Unter dem 17.02.2020 teilte die zuständige Staatsanwältin der Sachverständigen mit, dass zunächst einige Monate abgewartet werden solle, bis sich die Lebensumstände der Zeugin stabilisiert hätten. Unter dem 27.05.2020 übersandte die Staatsanwaltschaft die Akte erneut der Sachverständigen zum Zwecke der Begutachtung. Eine Exploration der Zeugin fand am 11.08. und 12.08.2020 statt. Das vorläufige schriftliche Gutachten der Sachverständigen vom 28.08.2020 ging am gleichen Tag bei der Staatsanwaltschaft Essen ein.
6Mit Datum vom 08.10.2020 erhob die Staatsanwaltschaft Essen Anklage bei dem hiesigen Gericht. Die Anklage ist am 12.10.2020 bei Gericht eingegangen.
7Unter dem 10.01.2021 legte die damalige Vorsitzende in einem Vermerk nieder, dass das Verfahren wegen vorrangig zu verhandelnder Haftsachen sowie vorrangig zu terminierender älterer Verfahren derzeit nicht terminiert werden könne. Mit Beschluss der Kammer vom 20.04.2021 wurde sodann die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Unter dem 07.07.2021 vermerkte der Vorsitzende, dass das Verfahren aufgrund vorrangiger Haftsachen und Altverfahren aktuell nicht gefördert werden könne.
8Unter dem 26.08.2021 fragte der Vorsitzende bei den Beteiligten nach möglichen Terminen im Februar/März 2022 an. Mit Verfügung vom 09.09.2021 beraumte der Vorsitzende den Hauptverhandlungstermin für den 01.03.2022 sowie Fortsetzungstermine für den 03.03.2022 sowie den 08.03.2022 an.
9Unter dem 18.02.2022 legte der Vorsitzende in einem Vermerk nieder, dass das Verfahren aufgrund der kammerinternen Belastungssituation nicht planmäßig ab dem 01.03.2022 durchgeführt werden könne. Der Vorsitzende hob den Hauptverhandlungstermin insoweit auf.
10Unter dem 08.03.2022 wurde nach vorangegangener Terminabstimmung mit den Beteiligten der Hauptverhandlungstermin auf den 15.08.2022 sowie die Fortsetzungstermine auf den 17.08.2022 und 18.08.2022 anberaumt. Das Verfahren begann sodann planmäßig und wurde am 18.08.2022 abgeschlossen.
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 47-jährige Angeklagte wurde am … in der Türkei geboren und wuchs dort im elterlichen Haushalt auf. Der Angeklagte hat fünf Brüder und eine Schwester, wobei er das mittlere Kind der insgesamt sieben Kinder ist. Seine Geschwister wuchsen ebenfalls im elterlichen Haushalt auf. Sowohl seine Mutter als auch seine sechs Geschwister leben in der Türkei. Der Vater des Angeklagten ist bereits verstorben.
12Der Angeklagte besuchte in der Türkei im Alter von acht Jahren regelgerecht die Grundschule. Bereits in jungen Jahren entdeckte er den Ringkampf für sich. Im Anschluss an die Grundschule besuchte er eine speziell auf den Ringkampf ausgerichtete Schule, die ihn sowohl schulisch als auch sportlich förderte und die er im Alter von etwa 16 oder 17 Jahren beendete.
13Im Alter von 15 oder 16 Jahren lernte der Angeklagte seine jetzige Ehefrau kennen, die er im Alter von 17 Jahren heiratete. Die Ehe besteht auch heute noch fort. Aus der gemeinsamen Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die Tochter des Angeklagten wurde 1994, die beiden Söhne 1995 bzw. 2007 geboren. Der jüngste Sohn des Angeklagten lebt noch im elterlichen Haushalt. Die beiden anderen Kinder sind bereits verheiratet und aus dem elterlichen Haushalt ausgezogen.
14Im Jahr 1993 kam der Angeklagte nach Deutschland. Er begann zunächst auf dem Großmarkt in H zu arbeiten. Daran anschließend war er als Gerüstbauer in W sowie als Schweißer bei der Firma Q tätig. In der Vergangenheit betrieb der Angeklagte zudem ein Café sowie einen Markt mit türkischen Lebensmitteln. Da sich die selbstständige Tätigkeit für den Angeklagten und seine Familie langfristig finanziell nicht lohnte, gab der Angeklagte seine Selbstständigkeit letztlich auf.
15Aktuell ist der Angeklagte im Bereich Großküchentechnik beruflich tätig. Der Angeklagte hat nach eigenen Angaben keine Schulden. Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen nicht.
16Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.
Der Angeklagte ist der Onkel der am … geborenen Geschädigten L (vormals D). Die Geschädigte ist zunächst in der Türkei aufgewachsen. Ungefähr im Jahr 2010 zog der Vater der Geschädigten, der Zeuge D1, in die Bundesrepublik Deutschland, wo er als Kind aufgewachsen war. Seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder verblieben zunächst in der Türkei. Ca. ein Jahr später holte er seine Tochter, die Zeugin L, und seinen Sohn nach Deutschland, während, seine Ehefrau, die Zeugin D2, sowie die jüngere Tochter in der Türkei verblieben. Da die Geschädigte der deutschen Sprache zunächst nicht mächtig war, verbrachte sie viel Zeit bei ihrer Tante, der D3, die die Ehefrau des Angeklagten ist.
18Nachdem sich die Eltern der Geschädigten scheiden ließen, heiratete der Vater der Geschädigten erneut, wobei die Geschädigte mit der neuen Frau ihres Vaters - unter anderem aufgrund sprachlicher Barrieren - nicht zurechtkam. Der Vater der Geschädigten erkrankte an Kehlkopfkrebs, was unter anderem dazu führte, dass die Geschädigte im Alter von etwa vierzehn Jahren für eine längere Zeit bei dem Angeklagten und seiner Familie in F lebte und sich dort ein Zimmer mit ihrer gleichaltrigen Cousine teilte.
19Im Folgenden kam es dann durch den Angeklagten zu den nachfolgend dargestellten Taten.
Als die Geschädigte etwa vierzehn Jahre alt war, kam der Angeklagte an einem nicht näher bestimmbaren Tag im Jahr 2012 oder 2013 auf sie zu und fragte sie, ob sie einen „Putzjob“ machen wolle. Dies sei für sie eine Gelegenheit Taschengeld zu erhalten. Sie solle ihrer Cousine nichts davon erzählen, da es sonst Streit geben würde. Da die Geschädigte von ihrem Vater kein Taschengeld erhielt, ging sie auf das Angebot des Angeklagten ein.
21Der Angeklagte holte die Geschädigte an einem nicht näher bestimmbaren Tag mit seinem Pkw ab und fuhr mit der Geschädigten zu einer Wohnung in F, die nach Angaben des Angeklagten gesäubert werden sollte. Die Wohnung befand sich in einem Mehrfamilienhaus in einer der oberen Etagen, für die der Angeklagte einen Schlüssel hatte.
22Nachdem die Geschädigte gemeinsam mit dem Angeklagten die Wohnung betreten hatte, erklärte ihr der Angeklagte, dass er zunächst Putzmittel holen müsse. Die Geschädigte sollte währenddessen im Schlafzimmer der Wohnung verweilen. Nach kurzer Zeit näherte sich der Angeklagte der Geschädigten, die mit dem folgenden Geschehen nicht rechnete, von hinten, ohne Putzmittel geholt zu haben. Er hielt ihr den Mund zu und schubste sie in Richtung des Bettes der Wohnung, da er bestrebt war, den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten durchzuführen. Der Angeklagte zog zunächst die Hose der Geschädigten und dann sich selbst aus. Er schubste die Geschädigte auf das Bett und drang mit seinem Penis vaginal in die Geschädigte ein, wobei er sie entjungferte. Hierbei hielt er die Handgelenke der Geschädigten fest, um sie zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu fixieren. Ein Kondom verwendete der Angeklagte nicht. Die Geschädigte schrie vor Schmerzen als der Angeklagte vaginal in sie eindrang, wobei der Angeklagte ihr erneut den Mund zuhielt Der Angeklagte führte für kurze Zeit den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten durch, zog dann seinen Penis aus ihrer Vagina und ejakulierte auf den Bauch der Geschädigten. Hierbei handelte der Angeklagte entgegen des Willens der Zeugin L, was ihm bewusst war. Die Zeugin L war zu diesem Zeitpunkt sexuelle unerfahren und war körperlich dem Angeklagten unterlegen.
23Anschließend säuberte der Angeklagte den Bauch der Geschädigten.
An einem weiteren nicht mehr näher konkretisierbaren Tag, indes nach dem unter Punkt III. 2. a) geschilderten Geschehen, als die Geschädigte noch bei dem Angeklagten und seiner Ehefrau lebte, befand sich die Geschädigte im Zimmer ihrer Cousine und hielt einen Mittagsschlaf. Der Angeklagte, der zuvor geduscht hatte und lediglich mit einem Handtuch bekleidet war, betrat das Zimmer, weckte die Geschädigte auf und brachte sie in das Zimmer ihres Cousins D4. Hierbei war er bestrebt, mit der Geschädigten erneut sexuell zu verkehren. Dort schubste er die Geschädigte zum Bett ihres Cousins. Der Angeklagte positionierte die Geschädigte gegen ihren Willen dahingehend, dass sie mit ihrem Bauch und ihrem Gesicht auf dem Bett lag und sich ihre Beine außerhalb des Bettes befanden. Der Angeklagte zog der Geschädigten ihre Hose von hinten aus und drang anal in sie ein, wobei die Geschädigte erhebliche Schmerzen erlitt und weinte. Ein Kondom verwendete der Angeklagte hierbei nicht. Auch verwendete der Angeklagte für die Durchführung des Analverkehrs keine Hilfsmittel, wie z.B. Gleitmittel, sondern schob seinen Penis gewaltsam in den Anus der Geschädigten. Als die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrung über Analverkehr verfügte und diesen auch nicht wollte, anfing zu schreien, drückte der Angeklagte ihren Kopf in die Bettdecke, um so den Analverkehr gegen ihren Willen zu ermöglichen. Er führte den Analverkehr einige Zeit durch, ejakulierte der Geschädigten auf den Rücken und wischte das Ejakulat mit seinem Handtuch ab. Hierbei führte der Angeklagte den Geschlechtsverkehr entgegen des Willens der damals jugendlichen Geschädigten durch, was ihm auch bewusst war. Auch einige Tage danach hatte die Geschädigte noch Schmerzen und Blutungen im Analbereich.
Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt, indes nach den Geschehnissen die unter Punkt III. 2. a) und b) dargestellt sind, zog die Geschädigte zu ihrer Großmutter nach F. Der Angeklagte klingelte an der Wohnungstür der Großmutter, wobei die Geschädigte die Tür öffnete. Der Angeklagte gab der Geschädigten ein Zeichen, ihr in den Keller zu folgen, was die Geschädigte auch tat. Der Angeklagte forderte die Geschädigte im Keller auf, ihm „einen zu blasen“. Zu diesem Zweck drückte er die Geschädigte auf die Knie, holte seinen Penis aus der Hose, griff ihre Haare von hinten und führte ihren Mund zu seinem Penis, um so den Oralverkehr zu ermöglichen. Ein Kondom verwendete der Angeklagte nicht. Gegen ihren Willen nahm die Geschädigte den Penis in ihrem Mund auf, wobei der Angeklagte seinen Penis selbst rein und raus bewegte. Als die Geschädigte den Penis des Angeklagten mit den Zähnen berührte, schimpfte er mit der Geschädigten und sagte, dass sie es richtig machen solle. Der Angeklagte führte kurz den Oralverkehr durch und ejakulierte teilweise in den Mund der Geschädigten und teilweise auf den Kellerboden. Die Geschädigte empfand großen Ekel. Dem Angeklagten war bewusst, dass er die Handlungen gegen den Willen der damals noch jugendlichen Geschädigten ausführte.
Neben den unter Ziff. III Nr. 2 festgestellten Taten kam es in der Folgezeit zu weiteren sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten, die u.a. Gegenstand der Anklage vom 08.10.2020 waren. Diese über den Schuldspruch hinaus angeklagten Taten hat die Kammer aus den Gründen zu Ziff. IV Nr. 2 d) gemäß § 154 Abs. 1, 2 StPO in der Hauptverhandlung vorläufig eingestellt.
27Im Einzelnen kam es zu folgenden, weiteren sexuellen Handlungen, die die Geschädigte nicht wollte, indes an diesen mitwirkte, da sie nicht wusste, wie sie sich der Situation gegenüber dem Angeklagten entziehen sollte:
28An einem nicht näher konkretsierbaren Tag holte der Angeklagte die Geschädigte mit seinem Transporter ab und verbrachte sie an einen Ort, an dem wenig Publikumsverkehr herrschte. Der Angeklagte begab sich gemeinsam mit der Geschädigten in den Laderaum des Fahrzeugs wo es zu vaginalem Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam, wobei der Angeklagte – in Abweichung zu sonstigen Vorfällen – ein Kondom verwendete. Zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs lag die Geschädigte auf einem auf dem Boden ausgebreiteten Pappkarton. In diesem Transporter kam es im Folgenden zu weiteren sexuellen Handlungen zwischen ihr und dem Angeklagten, die die Kammer indes nicht näher konkretsierbar feststellen konnte.
29An einem weiteren nicht mehr näher bestimmbaren Tag kam es auf der Rückbank des Privatfahrzeugs des Angeklagten zu Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten. In diesem Fahrzeug kam es auch zu anderen Zeitpunkten zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten, die die Kammer indes nicht näher konkretsierbar feststellen konnte.
30An einem weiteren Tag brachte der Angeklagte die Geschädigte in eine Dachgeschosswohnung in F, die sich in unmittelbarer Nähe zur Autobahn befand. In der Wohnung befand sich lediglich eine Matratze, die auf dem Boden lag. Der Angeklagte zog die Geschädigte bis auf die Unterwäsche aus und fertige mit seinem Mobiltelefon Fotos von ihrem Körper, wobei ihr Gesicht nicht zu erkennen war. Anschließend zog er der Geschädigten die Unterwäsche aus und begann, ihre Scheide zu lecken. Der Angeklagte sagte der Geschädigten, dass sie ihm einen „blasen“ solle. Zu diesem Zweck positionierte er die Geschädigte so, dass diese den Penis des Angeklagten in den Mund nehmen und er gleichzeitig ihre Scheide lecken konnte.
31Als die Geschädigte bereits in N lebte, holte der Angeklagte sie an einem nicht näher konkretsierbaren Tag von der Berufsschule ab. Der Angeklagte erzählte der Geschädigten von einem unbekannten Mann, mit dem die Geschädigte ebenfalls schlafen sollte. Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte die Geschädigte in eine Wohnung nach F, wo sich der ihr unbekannte Mann aufhielt. In der Wohnung kam es zu Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten. Zum Geschlechtsverkehr zwischen dem unbekannten Mann und der Geschädigten kam es nicht, da dieser keine Erektion bekam.
32Nach den jeweiligen sexuellen Handlungen äußerte der Angeklagte gegenüber der Geschädigten, dass sie niemandem von den Vorfällen erzählen dürfe. Sie müsse das Geheimnis mit ins Grab nehmen. Es sei eine Schande, dass die Geschädigte keine Jungfrau mehr sei. Die Familie der Geschädigten würde das nicht akzeptieren und sie töten. Des Weiteren äußerte er, dass ihr krebskranker Vater sterben würde, wenn sie ihm davon erzähle.
33Die Geschädigte war durch das Verhalten des Angeklagten derart eingeschüchtert, dass sie sich zunächst niemandem anvertraute und die weiteren sexuellen Handlungen des Angeklagten über sich ergehen ließ.
34Die Geschädigte zog sich immer weiter zurück und verbrachte nahezu ausschließlich Zeit in ihrem Zimmer. Ca. im Jahr 2017 endeten die sexuellen Begegnungen zwischen der Angeklagten und der Geschädigten, die zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in F lebte, sondern in einer Wohnung in N, in der sie zusammen mit ihren Eltern wohnte.
35Im Jahr 2018 vertraute sich die Geschädigte über die Geschehnisse mit dem Angeklagten erstmalig ihrer damaligen Internetbekanntschaft „I“ an, der den Angeklagten über die Internetplattform G mit den Vorwürfen konfrontierte. Letztlich schenkte er, der „I“, der Geschädigten keinen Glauben, sodass der Kontakt abbrach.
36Im August 2018 lernte die Geschädigte ihren jetzigen Ehemann, den Zeugen L, über eine Internetplattform kennen. Der Zeuge L lebte zum damaligen Zeitpunkt in der Türkei. Im November 2018 äußerte die Geschädigte erstmalig gegenüber dem Zeugen L Suizidgedanken, wobei sie zunächst nicht bereit war, sich diesem gegenüber weiter zu öffnen. Nachdem sich die Geschädigte und der Zeuge L im Februar 2019 persönlich begegneten und annäherten, vertraute sich die Geschädigte diesem an und erzählte ihm von den sexuellen Übergriffen seitens ihres Onkels, dem Angeklagten. Der Zeuge L, der den Bekundungen der Geschädigten nach zunächst bestehenden Zweifeln Glauben schenkte, nahm in der Folgezeit persönlich Kontakt zu dem Angeklagten auf und konfrontierte ihn mit den Vorwürfen, wobei der Angeklagte diese ihm gegenüber abstritt. Die Geschädigte litt derart unter den Taten, dass sie sich das Leben in der Türkei nehmen wollte. Am 24.06.2019 übersandte sie ihrer Mutter, der Zeugin D2, eine Sprach- und Textnachricht, in denen sie sich verabschiedete und mitteilte, dass ihr schlimme Dinge geschehen seien und sie dies nicht länger dulden könne.
37Die Eltern der Geschädigten meldeten diese unter demselben Datum bei der Polizei als vermisst. Mit Hilfe der deutschen und türkischen Behörden konnte das Mobiltelefon der Geschädigten in der Türkei geortet werden. Die Zeugin D2 flog gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Bruder der Geschädigten, in die Türkei, um diese von ihrem Vorhaben abzubringen, was letztlich auch gelang.
38Nachdem sich die Geschädigte ihren Eltern gegenüber offenbart hatte, erstattete sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland am 27.06.2019 Strafanzeige gegen den Angeklagten. Aufgrund der psychischen Verfassung der Geschädigten wurde sie am selben Tag auf freiwilliger Basis in das K in P in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Die Geschädigte befand sich vom 27.06.2019 bis 18.07.2019 in teils geschlossener und teils offener stationärer Behandlung, wobei eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert wurde.
39Die Geschädigte befindet sich seit dem 20.02.2020 bis heute in ambulanter Psychotherapie bei Herrn G1, der eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte. Im Rahmen der Psychotherapie hat keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorfällen stattgefunden.
Die Kammer stützt ihre Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Ange-klagten (Ziffer II.) auf seine diesbezügliche Einlassung in der Hauptverhandlung. Der Angeklagte hat seinen Lebensweg, seine familiären Verhältnisse und seinen schulischen und beruflichen Werdegang im Sinne der unter Ziffer II. getroffenen Feststellungen beschrieben. Dabei waren seine Angaben jeweils detailliert, plausibel und chronologisch nachvollziehbar, sodass die Kammer keine Anhaltspunkte hatte, diese in Zweifel zu ziehen.
41Die Feststellung, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, stützt die Kammer auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 28.06.2022.
Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen, sondern über seinen Verteidiger erklären lassen, dass er von seinem Schweigerecht Gebrauch mache.
43Die Feststellungen zu den einzelnen Taten zum Nachteil der Zeugin L sowie die Feststellungen zum Vor- und Nachtatgeschehen trifft die Kammer aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin L sowie der Beweisaufnahme im Übrigen. Die Zeugin L hat die Taten, letztlich wie festgestellt, wenn auch mit gewissen, nachstehend in der Darstellung der Aussageentwicklung von der Kammer noch im Einzelnen darzustellenden Unsicherheiten, glaubhaft bekundet.
Dabei hat die Kammer ausgehend von der sog. Nullhypothese zunächst die Aussagetüchtigkeit der Zeugin L überprüft und ist – sachverständig beratend durch die Diplom-Psychologin E – zu der Überzeugung gelangt, dass bei ihr die erforderliche Aussagetüchtigkeit uneingeschränkt besteht.
45Die Zeugin hat sich vor der Kammer von jedenfalls durchschnittlicher Intelligenz gezeigt. Sie hat die Schule ordnungsgemäß durchlaufen und einen Hauptschulabschluss erreicht. Daran anschließend hat sie eine Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin absolviert. Zudem ist es ihr gelungen, die deutsche Sprache zu erlernen und vermag diese uneingeschränkt zu verstehen und im Wesentlichen flüssig zu sprechen, wovon sich die Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen konnte.
46Die Zeugin L war in der Lage die einzelnen Taten und deren Rahmenbedingungen flüssig und eigenständig zu beschreiben. Fragen der Beteiligten konnte sie klar und präzise beantworten. Auch ihre Angaben zum Verlauf ihrer Kindheit, ihren familiären Verhältnisse und ihrem Sexualwissen zum Zeitpunkt der Taten waren stets nachvollziehbar und zeugten von guter Erinnerungsfähigkeit. Die Angaben der Zeugin L haben äußere Validität erfahren durch die bestätigenden Angaben ihrer Mutter, der Zeugin D2. Diese hat die allgemeine familiäre Entwicklung gleichermaßen beschrieben wie die Zeugin L. Darüber hinaus hat sie geschildert, dass die Zeugin L in der Türkei eine gute Schülerin gewesen sei und sie zum Zeitpunkt der Taten noch über kein Sexualwissen verfügt habe, da der Sexualunterricht erst zu einem Zeitpunkt angefangen habe, als ihre Tochter bereits in Deutschland gelebt habe.
47Kognitive Beeinträchtigungen, etwa in Gestalt von Denkstörungen, wahnhaften oder halluzinatorischen Erscheinungen, waren nicht ansatzweise feststellbar. Derartige Einschränkungen vermochte zudem auch die Sachverständige, wie sie die Kammer im Rahmen ihres Gutachtens plausibel und nachvollziehbar erläuterte, ebenfalls weder im Rahmen der Exploration der Zeugin noch im Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung festzustellen. Soweit sich in der Hauptverhandlung eine leichtgradige Beeinträchtigung des Sprachausdrucks zeigte, ist dies im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Zeugin bis zu ihrem 13. Lebensjahr in der Türkei gelebt und dort die Schule besucht hat. Die Zeugin L hat im Rahmen ihrer Vernehmung Unsicherheiten selbstkritisch offenbart und stets ein kritisches Reflexionsvermögen gezeigt.
48Bei der Beurteilung der Aussagetüchtigkeit hat die Kammer nicht übersehen, dass sich die Zeugin aufgrund ihrer psychischen Verfassung vom 27.06.2019 bis 18.07.2019 in der Psychiatrie befand, wobei eine depressive Störung diagnostiziert wurde. Die Zeugin wurde medikamentös eingestellt, zusätzlich wurde ein Therapiekonzept gefertigt. Weiter wurde durch den Psychotherapeuten der Geschädigten eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
49Trotz dieser Gegebenheiten zeigten sich keine Beeinträchtigungen der Aussagetüchtigkeit der Zeugin. Sie war bei sämtlichen Vernehmungen zur Sache in der Lage, konzentrierte Angaben zu machen. Dies sogar dann, wenn es zu einem Springen zwischen den unterschiedlichen Tatvorwürfen gekommen ist.
50Der Eindruck der Kammer deckt sich mit den Erkenntnissen des in der Hauptverhandlung erstatteten aussagepsychologischen Gutachtens der Sachverständigen E. Die Sachverständige vermochte auch vor dem Hintergrund der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung sowie der ambulanten Therapie keinerlei Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Aussagetüchtigkeit der Zeugin L zu erkennen. Die hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass im Rahmen der Therapie bislang keine inhaltliche Aufarbeitung der Taten erfolgt sei, sondern diese ausschließlich verhaltensorientiert angelegt sei. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung an.
Die Kammer hat sodann die Aussagequalität der Bekundungen der Zeugin L geprüft. In diesem Zusammenhang hat die Kammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beachtet, wonach dann, wenn eine Verurteilung im Wesentlichen auf der Aussage einer Belastungszeugin beruht und diese sich entgegen früheren Vernehmungen teils abweichend erinnert, jedenfalls die entscheidenden Teile der bisherigen Aussage in das Urteil aufgenommen werden müssen, da dann, wenn es an einer umfassenden Darstellung der früheren Angaben des Zeugen z.B. vor der Polizei und in der Hauptverhandlung fehlt, eine revisionsgerichtliche Überprüfung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss v. 17.06.2009, Az. 2 StR 178/09, StV 2011, 6; BGH, Urteil v. 12.12.2012, Az. 5 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 119; BGH, Urteil v. 22.10.2014, Az. 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52).
52Aus diesem Grunde folgt nun – unter dem Aspekt der Konstanzanalyse – eine geschlossene Darstellung der Angaben der Zeugin L.
Die Angaben der Zeugin im Hinblick auf die sexuellen Kontakte mit dem Angeklagten wurden erstmalig in ihrer polizeilichen Vernehmung am 08.07.2019 protokolliert.
54Auf die Frage der Vernehmungsbeamtin, der Zeugin W1, ob sie erzählen könne, was damals passiert sei, bekundete die Zeugin L im Wesentlichen Folgendes:
Sie habe damals quasi bei ihrem Onkel gewohnt, nachdem sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder nach Deutschland gekommen sei. Ihre Eltern hätten sich damals scheiden lassen, seien aber mittlerweile wieder zusammen. Sie sei 14 oder 15 Jahre alt gewesen als sie dort quasi eingezogen sei. Sie sei aber auf keinen Fall 13 Jahre alt gewesen.
56Das erste Mal sei so gewesen, dass sie geschlafen habe und keiner zu Hause gewesen sei. Ihr Onkel sei nach Hause gekommen und habe sie gefragt, ob sie putzen könne. Ihr Onkel habe in seinem damaligen Café einen Kunden gehabt, der alleine lebe und jemandem im Haus brauche. Sie habe ihrer Cousine davon nicht erzählen sollen, da sie das sonst auch machen wolle.
57Ihr Onkel habe sie mit dem Auto zu einem Haus gefahren. Sie habe hinten sitzen sollen. Sie habe mit ihrem Onkel die Wohnung betreten, allerdings sei dort nichts zu putzen gewesen. Ihr Onkel habe gesagt, dass sie dort stehen bleiben solle, da er Putzsachen aus einem anderen Raum hole.
58Er habe sich von hinten genähert und habe ihr mit der Hand den Mund zugehalten. Er habe sie aufs Bett gelegt und ihre Hose aufgemacht. Ob er auch die Unterhose ausgezogen oder nur zur Seite gemacht habe, könne sie nicht mehr sagen. Sie habe sich kaum bewegen können, da er über ihr gewesen sei. Ihr Onkel habe dann seine Hose aufgemacht, seinen Penis in ihre Vagina gesteckt und ihr die Jungfräulichkeit genommen. Befragt, ob der Penis sofort reingegangen sei, erklärte die Zeugin L, ihr Onkel habe kräftig drücken müssen. Ihr Onkel habe zu ihr gesagt, dass sie sich nicht verkrampfen solle, sonst tue es noch mehr weh. Sie solle locker lassen. Als der Penis irgendwann reingegangen sei, habe es wehgetan. Ihr Onkel sei früher Ringer gewesen und habe viel Kraft.
59Ein Kondom habe er nicht benutzt. Er habe aber nicht reingespritzt. Er habe auf ihren Bauch gespritzt und es hinterher selber abgeputzt. Befragt, wie lange der Geschlechtsverkehr gedauert habe, schilderte die Zeugin, dass es nicht lange gewesen sei. Ihr Onkel habe sie währenddessen an den Händen bzw. Handgelenken festgehalten. Sie habe nicht geschrien, da sie so geschockt gewesen sei und nicht gewusst habe, was sie machen solle.
60Als ihr Onkel fertig gewesen sei habe er zu ihr gesagt, dass sie es niemandem erzählen dürfe, da ihre Familie sie sonst töten würde, weil sie keine Jungfrau mehr sei. Auch ihr Vater, der damals an Kehlkopfkrebs litt, würde diese Nachricht nicht aushalten und könne sterben.
Die Zeugin L schilderte weiter, dass der Angeklagte es auch zu Hause gemacht habe. Sie sei im Zimmer ihrer Cousine gewesen. Ihr Onkel sei nach Hause gekommen, habe geduscht und sich ein Handtuch umgelegt. Er sei nur mit einem Handtuch bekleidet in das Zimmer ihrer Cousine gekommen und habe sie in das Zimmer ihres Cousins geführt. Dort habe er zum ersten Mal Analverkehr durchgeführt. Der erste Analverkehr sei richtig schlimm gewesen. Sie habe vor Schmerzen geschrien. Sie könne sich erinnern, dass es sehr wehgetan habe und sie zwei oder drei Tag nicht habe sitzen können. Als sie auf der Toilette gewesen sei, habe es im Analbereich geblutet. Ihr Onkel habe sie immer wieder bedroht, dass sie es niemandem erzählen könne bis sie tot seien. Sie sei zu diesem Zeitpunkt 14 oder 15 Jahre alt gewesen.
Die Zeugin hat ferner bekundet, dass es unter anderem auch zu Oralverkehr mit ihrem Onkel gekommen sei. Wo der erste Oralverkehr gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Ihr Onkel habe ihre Haare genommen. Er habe ihren Zopf genommen und ihr Gesicht zu seinem Penis geführt. Sie habe blasen sollen. Ihr Onkel habe ihr gesagt, dass sie es richtig machen solle. Ihre Zähne seien so spitz gewesen und sie sei damit an seinen Penis gekommen. Sie habe dann geblasen bis er in ihrem Mund gekommen sei. Befragt, wo das Sperma hingegangen sei, erklärte die Zeugin, dass sie das Sperma teilweise ausgespuckt und teilweise runtergeschluckt habe. Der Angeklagte habe zu ihr gesagt, dass sie das Sperma schlucken solle, da es gut gegen Pickel sei. Sie habe früher schon unter Pickeln gelitten. Bei dem ersten Oralverkehr sei sie 14 oder 15 Jahr alt gewesen.
63Die Zeugin L äußerte sich weiter dahingehend, dass ihr Onkel manchmal vorbeigekommen sei als sie bei ihren Großeltern gelebt habe. Ihr Onkel habe vorher bei ihren Tanten angerufen, die nebenan gewohnt hätten und gefragt, ob ihre Großeltern da seien. Ihre Tanten hätten manchmal gesagt, dass nur sie da sei. Dann sei ihr Onkel vorbeigekommen. Sie könne sich daran erinnern, dass er sie einmal in den Keller geführt habe wo es zu Oralverkehr gekommen sei. Sein Sperma sei auf den Boden gegangen. Er habe ihr immer wieder gedroht, dass sie es nicht erzählen dürfe und dass es eine Schande sei.
64Die Zeugin L schilderte weiter im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung, dass sie ihrem Onkel immer wieder gesagt habe, dass sie das nicht wolle, was er mit ihr mache. Sie habe ihm gegenüber geäußert, dass sie gar nicht mehr heiraten könne, weil er das mit ihr gemacht habe. Ihr Onkel habe gesagt, dass er einen Arzt kenne, der das wieder zunähen könne. Wenn sie das nicht erzähle, werde das auch keiner checken.
Über den Schuldspruch hinaus hat die Zeugin im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung Folgendes geschildert:
66An einem nicht näher bestimmbaren Tag sei ein Mann aus der Türkei zu Besuch gewesen. Dieser Mann sei ein Bekannter ihres Onkels gewesen und für drei Monate zum Arbeiten nach Deutschland gekommen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt 16 oder 17 Jahre alt gewesen und habe bereits in N gewohnt. Ihr Onkel habe gewollt, dass sie auch mit diesem Mann schlafe. Ihr Onkel habe sie gemeinsam mit dem Mann von der Schule abgeholt. Sie seien dann gemeinsam zu einer Wohnung gefahren, die einem Kollegen ihres Onkels gehört habe. Bevor sie sich mit dem fremden Mann getroffen habe, habe ihr Onkel ihr bereits davon erzählt. Er habe ihr gesagt, dass sie dem fremden Mann einen anderen Namen nennen solle, damit er nicht wissen, dass die verwandt seien. Der Mann habe gedacht sie sei über 20. Ihr Onkel habe zuvor Bier gekauft, das sie zu dritt getrunken hätten. Ihr Onkel sei dann mit ihr ins Schlafzimmer gegangen und habe dort mit ihr Vaginalverkehr durchgeführt. Er habe gesagt, dass sie auch mit dem anderen Mann schlafen solle. Sie habe es mit dem anderen Mann versucht, aber sein Penis sei nicht hochgegangen, das habe irgendwie nicht geklappt.
67Ihr Onkel habe auch gewollt, dass sie mit ihrem Cousin rummache. Ihr Cousin habe davon nichts gewusst und es sei auch nie dazu gekommen. Ihr Onkel habe auch gewollt, dass sie ihm erzähle, was sie mit anderen Jungen mache. Sie habe aber gar keine anderen Jungen gehabt.
68Die Zeugin bekundete weiter, dass sie und ihr Onkel nicht mehr viel Kontakt gehabt hätten nachdem sie nach N gezogen sei. Ab dieser Zeit sei es besser geworden. Im Jahr 2017 habe sie einen jungen Mann namens I aus der Türkei kennengelernt. Sie hätten überlegt zu heiraten. Aus diesem Grund habe sie dem Jungen gesagt, dass sie keine Jungfrau mehr sei. I sei dann in Kontakt mit ihrem Onkel getreten, der alles abgestritten habe. Er habe gesagt, dass sie etwas mit einem Jungen in ihrem Alter gehabt habe. Sie habe dadurch Stress mit ihrem Exfreund I bekommen, sodass sie sich getrennt hätten. Ihr Onkel habe auch Videos auf seinem Handy, die ihm ihr Exfreund I geschickt habe. Der Onkel habe später gesagt, dass er die Videos als Beweis dafür aufheben wolle, damit alle sehen, was sie für eine Schlampe sei.
69Sie habe sich immer umbringen wollen. Sie habe gemerkt, dass sie so keiner nehme. Im Jahr 2018 habe sie ihren jetzigen Ehemann, den Zeugen L, kennengelernt, dem sie im Februar 2019 von dem Vorfall erzählt habe. Er habe daraufhin ihren Onkel kontaktiert, der alles abgestritten habe. Ihr Onkel habe gesagt, dass sie sich nur rausreden wolle, weil sie keine Jungfrau mehr sei.
70Befragt, wie oft es noch zu sexuellen Handlungen gekommen sei, nachdem sie bei ihrem Onkel ausgezogen sei, erklärte die Zeugin, dass es im Durchschnitt mindestens einmal im Monat gewesen sei. Ihr Onkel habe gewusst, dass sie es nicht gewollt habe. Sie habe es immer wieder gesagt. Er habe ihr die Jungfräulichkeit genommen und sie dazu gebracht, dass sie nicht mehr leben wolle. Es habe aufgehört als sie mit I zusammen gewesen sei und ihr Onkel eine Freundin gehabt hätte.
Gegenüber der Sachverständigen E gab die Zeugin L, wie die Sachverständige in der Hauptverhandlung ausführte, im Rahmen der Exploration am 11.08.2020 bzw. am 12.08.2020 Folgendes an:
Sie habe zu Hause in der Wohnung ihres Onkels und ihrer Tante Mittagsschlaf gemacht. Ihr Onkel sei nach Hause gekommen und habe ihr vorgeschlagen, einen Putzjob zu machen, um so an Taschengeld zu kommen. Sie sei einverstanden gewesen, da ihre Familie wenig Geld gehabt habe. Ihr Onkel habe ihr gesagt, dass sie es nicht ihrer Cousine F1 erzählen solle, weil sie das dann auch machen wolle und neidisch wäre.
73Sie könne sich nicht mehr erinnern, ob sie am selben Tag oder einem anderen Tag zu der Putzstelle gefahren seien. Ihr Onkel habe sie mit dem Auto mitgenommen und zu einem Haus nach F gefahren, zu dem er die Schlüssel gehabt habe. Ihr Onkel habe erzählt, dass die Wohnung von einem Mann sei, die sauber gemacht werden müsse. Die Wohnung habe sich im ersten oder zweiten Obergeschoss befunden. Als sie die Wohnung betreten hätten, habe sie gesehen, dass die Wohnung sauber gewesen sei. Sie habe sich gefragt, was sie jetzt machen solle, da alles sauber gewesen sei. Ihr Onkel meinte, dass er Putzmittel hole und sie im Schlafzimmer bleiben und warten solle. Als er zurückgekommen sei, habe er ihr schon den Mund zugehalten. Er sei von hinten gekommen. Er habe sie dann ins Bett geschoben und angefangen von hinten ihre Hose und Unterhose auszuziehen. Er habe dann Sex mit ihr gehabt. Sie meine, sie habe geweint. Geschrien habe sie nicht so laut, dass es die Nachbarn hätten hören können. Sie habe Schmerzen gehabt. Sie sei geschockt gewesen, was da passiere.
74Er habe ihr hinterher gesagt, dass das keiner erfahren dürfe, weil sonst ihr krebskranker Vater sterbe oder ihr Vater sie umbringen werde. Wenn sie das erzähle, würde er sagen, dass sie lüge. Zu diesem Zeitpunkt sei sie 14 Jahre alt gewesen.
75Auf Befragen, ob die Zeugin auf der Seite, dem Rücken oder Bauch gelegen habe, erklärte die Zeugin, dass sie auf dem Gesicht, also auf dem Bauch gelegen habe. Ihr Onkel habe seine Hand noch an ihrem Mund gehabt.
76Auf Befragen, zu welcher sexuellen Handlung es gekommen sei, schilderte die Zeugin, dass es Analsex gewesen sei. Auf weitere Nachfrage wie das geklappt habe, schilderte die Zeugin, dass ihr Onkel den Penis reingedrückt habe, was wehgetan habe. Sie könne das nicht vergessen, weil es so wehgetan habe. Sie habe geschrien, woraufhin er gesagt habe, dass sie leise sein müsse.
77Auf Nachfrage wie es zum ersten vaginalen Geschlechtsverkehr gekommen sei, erklärte die Zeugin, dass sie nicht mehr sicher sei, ob es an diesem Tag zum Analverkehr gekommen sei. Sie sei sich nicht sicher. Es könne auch sein, dass es (der Analverkehr) in seiner Wohnung gewesen sei.
78Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Aussage, dass es bei dem ersten Vorfall mit dem Putzangebot erstmalig zu Vaginalverkehr gekommen sein und die Zeugin ihre Jungfräulichkeit verloren haben soll, bekundete die Zeugin, dass sie meine, dass das erste Mal Analverkehr gewesen sei. Es könne aber auch andersrum sein. Sie müsse erst nachdenken.
79Die Exploration wurde an dieser Stelle unterbrochen und am 12.08.2020 fortgesetzt.
80Hierbei schilderte die Zeugin, dass ihr eingefallen sei, dass der Analverkehr in der Wohnung ihres Onkels stattgefunden habe. Der Geschlechtsverkehr bei dem sie ihre Jungfräulichkeit verloren habe, sei im Zusammenhang mit der Putzstelle gewesen. An genaue Details habe sie keine Erinnerung mehr. Sie wisse noch, dass ihr Onkel mit seiner Hand ihren Mund festgehalten und über ihr gestanden habe. Er habe seinen Penis in ihre Vagina eingeführt. Ihr Onkel sei nicht in ihr gekommen. Er habe seinen Penis rausgeholt und auf ihren Bauchbereich gespritzt. Er habe ihr gesagt, dass sie so bleiben und sich nicht bewegen solle. Er habe ein Handtuch oder Tücher geholt und das sauber gemacht. Danach seien sie wieder ins Auto gestiegen, er habe sie nach Hause gefahren.
81Auf Befragen, ob sie Schmerzen beim ersten Geschlechtsverkehr gehabt habe, schilderte die Zeugin, dass sich nicht erinnern könne. Sie wisse nur noch, dass der Vorfall mit dem Analverkehr schmerzhaft gewesen sei. Das vergesse sie nicht.
Die Zeugin L bekundete, dass sie in der Mittagszeit in der Wohnung ihres Onkels geschlafen habe. Neben ihrem Onkel sei keine andere Person in der Wohnung gewesen. Sie habe auf dem Bett ihrer Cousine gelegen. Ihr Onkel sei in das Zimmer gekommen. Er habe sie berührt, wodurch sie wach geworden sei. Er habe sie in das Zimmer ihres Cousins D4 geführt. Sie habe nicht gewusst, was passiere und habe sich nichts dabei gedacht. Er sei wieder von hinten gekommen und habe ihren Mund festgehalten. Er habe sie zum Bett von D4 geführt und in eine Position gebracht, in der sie mit ihrem Kopf auf dem Bett gelegen habe und ihre Beine außerhalb des Bettes gestanden hätten. Ihr Onkel habe ihr dann die Unterbekleidung ausgezogen. Er selbst sei aus der Dusche gekommen und habe untenrum nur ein Handtuch getragen. Er habe hinter ihr gestanden und sei mit seinem Penis in ihren Analbereich eingedrungen. Der Penis sei nicht sofort reingegangen, weswegen ihr Onkel ihr gesagt habe, dass sie locker lasse solle. Er habe dann weiterversucht seinen Penis einzuführen bis es letztlich geklappt habe. Er habe seinen Penis hin und her bewegt. Sie habe Schmerzen empfunden. Ihr Onkel sei schließlich auf ihrem Rücken gekommen und habe das Sperma selbst weggewischt.
Als die Zeugin zu ihren Großeltern gezogen sei, sei es zu einem weiteren Vorfall mit ihrem Onkel gekommen. Er habe sie in den Keller im Haus ihrer Großeltern geführt. Dort sei es dunkel gewesen. Der Raum habe nur kleine Fenster gehabt. Es hätten auch Mülleimer dort gestanden. Ihr Onkel habe ihr gesagt, dass sie auf die Knie gehen solle. Er habe dann seinen Penis rausgeholt und ihre Haare festgehalten, sodass sie Oralverkehr habe durchführen sollen. Er habe ihren Kopf währenddessen festgehalten und entsprechende Bewegungen gemacht. Er sei ein bisschen in ihren Mund gekommen. Der Rest sei auf den Boden gegangen. Weggewischt habe er das Sperma auf dem Boden nicht. Sie habe Ekel empfunden. Später habe ihr Onkel einmal zu ihr gesagt, dass das Sperma gut gegen Pickel sei.
Über den Schuldspruch hinaus berichtete die Zeugin gegenüber der Sachverständigen E von weiteren Vorfällen wie folgt:
85Ihr Onkel habe sie mit seinem Auto von der Berufsschule abgeholt. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereits in N gelebt. Ihr Onkel habe ihr von einem Mann aus der Türkei erzählt, der zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sei. Der Mann wisse aber nicht, dass sie und ihr Onkel verwandt seien. Ihr Onkel habe gewollt, dass sie mit dem anderen Mann schlafe. Sie habe das nicht gewollt. Ihr Onkel habe sie mit seinem Auto in eine Wohnung nach F gefahren, zu der ihr Onkel die Schlüssel gehabt habe. Ob der Mann bereits mit im Auto gesessen habe, könne sie nicht mehr sagen. In dem Haus habe sich unten ein Kiosk befunden, wo ihr Onkel zuvor W2 Bier gekauft habe. Sie hätten zu dritt Alkohol konsumiert. Sie habe im Schlafzimmer der Wohnung zunächst Geschlechtsverkehr mit ihrem Onkel gehabt. Danach sei sie mit einem Bademantel bekleidet zurück in das Wohnzimmer der Wohnung, wo der andere Mann gewartet habe. Sie habe dann auch mit dem anderen Mann schlafen sollen. Zu diesem Zweck sei sie mit dem Mann in das Schlafzimmer gegangen. Der Geschlechtsverkehr habe allerdings nicht geklappt, da der Penis des Mannes nicht bei ihr reingegangen sei. Es habe nicht funktioniert.
86Die Zeugin schilderte weiter, dass es einen Vorfall im Transporter ihres Onkels gegeben habe. Er habe sie mit dem Fahrzeug abgeholt und sei an eine ruhige Stelle gefahren. Der Transporter habe im hinteren Bereich eine Art Laderaum gehabt, in dem es zunächst zu Oralverkehr mit ihrem Onkel gekommen sei. Ihr Onkel habe sie aufgefordert ihm „einen zu blasen“, weil sein Penis dann härter werde und besser reingehen könne. Ihr Onkel habe gestanden, sie habe gekniet. Im Transporter hätten sich Holzregale und Kartons befunden. In einem der Regale habe sich ein Paket mit Kondomen befunden. Es seien viele Kondome gewesen. Fast 100 Stück. Nach dem Oralverkehr sei es zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Onkel gekommen. Auf dem Boden habe Pappe gelegen auf die sie sich gelegt habe. Ihr Onkel sei über ihr gewesen und habe seinen Penis in ihre Vagina gesteckt. Ihr Onkel sei über ihren Körper gekommen und habe das Sperma mit einer Küchenrolle weggewischt.
87Die Zeugin schilderte einen weiteren Vorfall im Transporter, in dem es zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Onkel gekommen sei, wobei er ein Kondom verwendet habe. Dies sei nur selten vorgekommen.
88Weiter bekundete die Zeugin L, dass es mit ihrem Onkel auch zu Anal- und Vaginalverkehr auf der Rückbank seines schwarzen Fahrzeugs gekommen sei. Sie habe sich hinten auf der Rückbank in einer teils liegenden und teils hockenden Position befunden, da dort wenig Platz gewesen sei. Ihr Onkel sei zunächst anal- und danach vaginal in sie eingedrungen, nachdem er sie gedreht habe.
89Ferner schilderte die Zeugin L einen Vorfall, der sich in einer Dachgeschosswohnung ereignet haben soll. Die Dachgeschosswohnung habe sich neben der Autobahn befunden und habe ihrem Onkel gehört, der die Wohnung an Bulgaren vermietet habe. Auf dem Boden habe sich lediglich eine Matratze befunden. Daneben habe ein kleiner Koffer gestanden. Ihr Onkel habe sie ausgezogen. Er habe Fotos von ihr gemacht, auf denen ihr Gesicht nicht zu erkennen gewesen sei. Er habe unter anderem ein Foto von seinem in ihrer Scheide befindlichen Penis gemacht. Anschließend habe er angefangen ihre Scheide zu lecken. Ihr Onkel habe sie in die Position geführt, damit sie ihm gleichzeitig „einen blasen“ könne.
90Ihr Onkel habe auch von ihr verlangt, dass sie Pornofilme schaue und ihm von Erfahrungen mit anderen Jungen erzähle. Nach dem Geschlechtsverkehr habe ihr Onkel immer eine Zigarette geraucht. Er habe auch einmal zu ihr gesagt, dass Sperma gut gegen Pickel sei und er einen Arzt kenne, der ihr Jungfernhäutchen zunähen könne.
91Weiterhin berichtete die Zeugin L, dass es daneben zu weiteren sexuellen Handlungen zwischen ihr und dem Angeklagten gekommen sei, die teils in ihr unbekannten Wohnungen, teils in Fahrzeugen des Angeklagten und zwar in einem schwarzen Fahrzeug und einem Firmenwagen stattgefunden hätten.
92Der Angeklagte habe auch immer wieder gesagt, dass sie keinem von den Vorgängen erzählen dürfe, ihr keiner glauben werde und die Familie sie töten werde sowieihr Vater aufgrund seiner schweren Erkrankung versterben werde, wenn er das erfahre.
Die Zeugin L hat im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Kammer am 12.08.2022 folgende Angaben getätigt:
94Sie sei ungefähr 14 Jahre alt gewesen, als sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder nach Deutschland gezogen sei. Da sie noch kein Deutsch sprechen konnte, habe sie viel Zeit mit ihren Tanten verbracht, die auch Kinder in ihrem Alter gehabt hätten. Ihr Vater sei damals mit einer deutschen Frau verheiratet gewesen, mit der sie sich nicht gut verstanden habe. Ihr Bruder und sie seien bei ihren Tanten aufgeteilt gewesen. Sie sei dann bei ihrem Onkel und ihrer Tante eingezogen und habe dort mehrere Monate gewohnt.
Als die sexuellen Kontakte mit ihrem Onkel angefangen hätten sei sie ca. 14 Jahre alt gewesen. Bis dahin sei alles ganz normal mit ihrem Onkel gewesen. Als sie bei ihrem Onkel gewohnt habe, habe er ihr angeboten, bei einer Frau putzen zu können, um sich Taschengeld zu verdienen. Ihr Vater habe ihr kein Taschengeld gegeben, sodass sie eingewilligt habe. Sie habe das geheim halten sollen, damit es keinen Stress mit ihrer Cousine gebe. Ihr Onkel habe sie mit dem Auto von zu Hause abgeholt und zu einem Mehrfamilienhaus gefahren. Er habe sowohl einen Schlüssel für die Außen- als auch für die Innentür gehabt. Sie sei dann mit ihrem Onkel Treppen hochgelaufen bis sie die Wohnung erreicht hätten. Die Wohnung sei im ersten oder zweiten Obergeschoss gewesen. Ihr Onkel habe ihr gesagt, dass die Wohnung einer alten Frau gehöre. Nachdem sie die Wohnung mit ihrem Onkel betreten habe, habe er zu ihr gesagt, dass er Putzmittel hole. Sie habe im Schlafzimmer gewartet. Als ihr Onkel zurückgekommen sei, sei er von hinten angekommen. Er habe sie festgehalten und ihren Mund zugehalten. Er habe ihr die Hose ausgezogen. Danach habe er sich ausgezogen. Er habe sie aufs Bett geschubst und mit ihr den Geschlechtsverkehr ohne Verwendung eines Kondoms durchgeführt, wobei er während des Geschlechtsverkehrs ihre Handgelenke festgehalten habe. Sie habe dabei Schmerzen empfunden. Es sei nichts Schönes gewesen. Sie habe durch den Vorfall ihre Jungfräulichkeit verloren.
96Auf Befragen wie der Geschlechtsverkehr konkret durchgeführt worden sei erklärte die Zeugin Folgendes:
97Sie wolle sich nicht falsch ausdrücken, aber ihr Onkel habe seinen Penis in ihre Vagina gesteckt, sodass es wehgetan habe. Sie habe geschrien, woraufhin er ihren Mund zugehalten habe. Der Geschlechtsverkehr sei eher kurz gewesen. Ihr Onkel sei dann auf ihrem Bauch gekommen und habe das Sperma mit einem Handtuch von zu Hause sauber gemacht. Im Nachhinein habe er sie bedroht und gesagt, dass der Vorfall ihr Geheimnis bleiben müsse. Sie dürfe keinem davon erzählen. Insbesondere dürfe es der Vater der Geschädigten nicht erfahren, der damals an Krebs erkrankt gewesen sei, da er sterben oder sie töten würde, wenn er hiervon Kenntnis erlange. Danach habe ihr Onkel sie zurück zur Wohnung ihrer Tante gefahren. Den Geschlechtsverkehr habe sie nicht gewollt.
Die Zeugin L äußerte sich weiter dahingehend, dass es auch zu Analverkehr mit ihrem Onkel gekommen sei als sie noch dort, d.h. in der Wohnung des Onkels, gelebt habe. Sie sei zu diesem Zeitpunkt ca. 14 Jahre alt gewesen. Erstmalig sei es zum Analverkehr im Zimmer ihres Cousins gekommen. Das habe sehr wehgetan. Sie habe Analschmerzen gehabt und habe sich nicht richtig hinsetzen können. Der erste Analverkehr sei so abgelaufen, dass sie auf dem Bett ihrer Cousine Mittagsschlaf gemacht habe. Es sei neben ihrem Onkel niemand zu Hause gewesen. Wahrscheinlich habe ihre Tante ihren Cousin vom Kindergarten abgeholt. Ihr Onkel sei in das Zimmer ihrer Cousine gekommen und habe sie nebenan in das Zimmer ihres Cousins geholt. Sie habe sich erschreckt als sie aufgewacht sei. Er habe nur ein Handtuch getragen. Er habe sie zu dem Bett ihres Cousins geschubst. Sie habe mit dem Gesicht und dem Bauch auf dem Bett gelegen. Ihre Beine seien außerhalb des Bettes gewesen. Ihr Onkel habe ihre Hose von hinten ausgezogen. Ihr Onkel sei untenrum nur mit einem Handtuch bekleidet gewesen. Obenrum sei er nackt gewesen. Er habe dann direkt mit Analverkehr angefangen ohne ein Kondom zu verwenden. Sie habe geweint. Als sie geschrien habe, habe er ihren Kopf in die Bettdecke gedrückt, damit sie nicht so laut schreie. Er habe sein Sperma über ihren Rücken gespritzt. Anschließend habe er das Sperma mit seinem Handtuch weggewischt. Der Analverkehr sei nicht lange gewesen. Der Verkehr sei bereits nach knapp zwanzig Minuten beendet gewesen.
99Es sei sehr schmerzhaft gewesen. Sie habe auch noch Tage danach Schmerzen beim Sitzen sowie Blutungen im Analbereich gehabt. Auch diesen sexuellen Verkehr habe sie nicht gewollt.
Die Zeugin L schilderte weitergehend, dass sie auch einmal mit ihrem Onkel im Keller ihrer Oma gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bei ihrer Oma gewohnt. Ihr Onkel habe bei ihrer Oma an der Tür geklingelt. Sie habe die Tür geöffnet. Er habe ihr dann ein Zeichen gegeben, dass sie in den Keller gehen solle. Sie sei ihrem Onkel in den Keller gefolgt. Im Keller hätten Container gestanden. Ihr Onkel habe gewollt, dass sie ihm „einen blase“. Wenn sie sich richtig erinnere, sei es das erste Mal gewesen. Ihr Onkel habe gestanden und sie sei auf den Knien gewesen. Er habe sie in diese Position gedrückt. Er habe ihr immer gesagt, wie sie sich bei diesen Sachen positionieren solle. Er habe die Hose bis zu den Knien runtergezogen gehabt. Er habe ihren Kopf, also ihre Haare, von hinten gegriffen, ihren Mund zu seinem Penis geführt und den Penis in ihrem Mund rein und raus bewegt. Er habe mit ihr geschimpft und gesagt, dass sie das nicht richtig mache, weil ihre Zähne gegen seinen Penis gestoßen seien. Er sei dann gekommen und habe sein Sperma in ihren Mund laufen lassen. Auf den Boden seien allerdings auch Tropfen gegangen. Es sei insgesamt schnell gegangen. Danach sei sie wieder hoch gegangen in die Wohnung ihrer Oma. Auch diesen sexuellen Verkehr habe sie nicht gewollt.
101Auf Befragen, ob es weitere Erklärungen im Zusammenhang mit dem Schlucken von Sperma gegeben habe erklärte die Zeugin, dass ihr Onkel gesagt habe, es sei gut gegen Pickel. Sie wisse aber nicht mehr, ob er das im Keller oder zu einem anderen Zeitpunkt zu ihr gesagt habe.
Über den Schuldspruch hinaus bekundete die Zeugin gegenüber der Kammer Folgendes:
103Ihr Onkel habe sie an einem nicht mehr bestimmbaren Tag mit einem weißen Transporter abgeholt. Er sei mit ihr irgendwo hingefahren, wo keine anderen Personen zu sehen gewesen seien. Er sei mit ihr in den hinteren Bereich des Transporters gegangen und habe die Schiebetür von innen zugemacht. In dem Transporter hätten sich fest montierte Holzregale befunden. In den Regalen hätten Werkzeuge sowie ein Karton mit Kondomen gelegen. Der Karton sei bis oben voll gewesen. Auf dem Boden habe sich ein ausgebreiteter Pappkarton befunden, auf den sie sich in Rückenlage gelegt habe. Es sei dann zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Onkel gekommen, bei dem er das erste und einzige Mal ein Kondom verwendet habe. In dem Transporter habe auch eine Küchenrolle gelegen, aber sie wisse nicht mehr, was er damit gemacht habe.
104Weiter schilderte die Zeugin, dass es auch auf der Rückbank im Fahrzeug des Geschädigten zu Geschlechtsverkehr gekommen sei. Die Scheiben seines Fahrzeugs seien hinten dunkel getönt gewesen.
105Sie berichtete ferner von einem Vorfall in einer Dachgeschosswohnung, die neben der Autobahn gelegen habe. Die Wohnung habe ihrem Onkel gehört. Es sei eine Zwei-Zimmer Wohnung gewesen. In der Wohnung habe lediglich eine Matratze gelegen, neben der ein Koffer gestanden habe. Ihr Onkel habe ihr gesagt, dass er die Wohnung an einen Kollegen vermietet habe. Er habe viele Leute über sein Café gekannt. Ihr Onkel habe sie ausgezogen und mit seinem Handy Fotos von ihrem Körper gemacht, wobei ihr Kopf nicht zu sehen gewesen sei. Nachdem er die Fotos gefertigt habe, habe er angefangen sie auszuziehen. Er habe angefangen, ihre Scheide zu lecken. Ihr Onkel habe gewollt, dass sie ihm „einen blase“. Er habe sie daraufhin in die entsprechende Position gebracht, sodass es gleichzeitig zu Oralverkehr gekommen sei. Nach dem Oralverkehr sei es noch zu Geschlechtsverkehr mit ihrem Onkel gekommen.
106Ihr Onkel habe auch einmal gewollt, dass sie mit einem anderen Mann schlafe. Er habe sie mit seinem Fahrzeug von der Berufsschule aus N abgeholt und sei mit ihr zu einem Mehrfamilienhaus nach F gefahren. Bereits im Fahrzeug habe ihr Onkel ihr gesagt, dass sie keine Angst zu haben brauche, da sie den Mann nie wiedersehen werde. Er werde keinem von dem Vorfall erzählen. Als sie die Wohnung betreten habe, habe sich der andere Mann bereits in der Wohnung befunden. Ihr Onkel habe sie mit einem anderen Vornamen vorgestellt. Der andere Mann habe nicht gewusst, dass sie und ihr Onkel verwandt seien. Ihr Onkel sei kurz runter und habe unten im Kiosk Flaschenbier (W2 Bier) gekauft. Der Mann habe erzählt, dass er aus der Türkei komme und für drei Monate zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sei. Er habe auch erzählt, dass er verheiratet sei und Kinder habe. Sie könne sich auch noch etwas an den Mann erinnern. Er habe Locken und eine knochige Nase gehabt. Sie hätten dann zu dritt auf der Couch gesessen und Bier getrunken. Sie sei mit dem anderen Mann ins Schlafzimmer gegangen. Es sei nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen, da sein Penis nicht hoch gegangen sei. Ihr Onkel habe ihr im Wohnzimmer einen Bademantel gereicht, den sie übergezogen habe. Sie sei dann noch mit ihrem Onkel ins Schlafzimmer gegangen, wo es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei.
107Es sei daneben zu weiteren sexuellen Handlungen gekommen, die in freien Wohnungen oder in Autos stattgefunden hätten, konkrete Details zu weiteren Einzelfällen vermochte sie indes nicht mehr zu konkretisieren. Sie habe den sexuellen Kontakt zu dem Angeklagten nicht gewollt, was sie ihm auch mehrmals gesagt habe, was er indes ignoriert habe. Sie habe nicht gewusst, wie sie sich der Situation entziehen sollte, vor allem weil er ihr jeweils gesagt habe, sie dürfe es keinem erzählen, es müsse ein Geheimnis bleiben, dass es bei Aufdeckung zum Versterben des Vaters der Geschädigten oder dazu führe, dass ihre Familie, die traditionell muslimisch geprägt sei, sie töte.
Gegenüber ihrer Mutter, der Zeugin D2, öffnete sich die Zeugin L erstmalig im Jahr 2019. In der Hauptverhandlung bekundete die Zeugin D2 der Kammer Folgendes glaubhaft:
109Sie habe von den sexuellen Übergriffen des Angeklagten erfahren als sich ihre Tochter das Leben habe nehmen wollen. Als sie von den Suizidabsichten ihrer Tochter erfahren habe, sei sie mit dem Haushalt beschäftigt gewesen. Sie habe eine Sprachnachricht von ihrer Tochter erhalten, in der sie mitgeteilt habe, dass sie nicht mehr leben wolle. Sie habe erzählt, dass sie von dem Angeklagten gegen ihren Willen vergewaltigt worden sei. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sie alleine mit ihrer Tochter sprechen wollen und ihr gesagt, dass die Familie immer hinter ihr stehe. Sie habe ihrer Tochter gesagt, dass sie sich öffnen müsse, um einen Schritt nach vorne machen zu können. Ihre Tochter habe ihr erzählt, dass der Angeklagte ihr immer gesagt habe, sie dürfe kein Wort über die Vorfälle verlieren. Der Angeklagte habe sie unter anderem in einem Haus vergewaltigt, das er vermietet habe. Er habe auch gewollt, dass sie mit einem anderen Mann schlafe. Beim ersten Vorfall sei der Angeklagte in ihr Zimmer gekommen, das sie sich mit ihrer Cousine geteilt habe. Der Angeklagte habe ihr den Mund zugehalten und sie dann vergewaltigt.
110Im November 2018 äußerte die Zeugin L erstmalig ihre Suizidgedanken gegenüber ihrem Ehemann, dem Zeugen L, im Rahmen eines Videoanrufs. Der Zeuge L schilderte der Kammer Folgendes glaubhaft:
111Im Oktober 2018 habe seine Frau nicht mehr mit ihm sprechen wollen. Sie habe gesagt, dass sie nicht seine Freundin sein könne und er sie nicht mehr aus dieser Sicht betrachten könne. Er habe daraufhin weiter Druck gemacht und im November 2018 einen Videoanruf getätigt. Dabei habe er Messerstiche auf ihrem Arm festgestellt. Als er sie, die Zeugin L, darauf angesprochen habe, habe sie geäußert, dass sie sich umbringen wolle. Sie wolle von einer Brücke springen. Er habe die Zeugin L im Februar 2019 besucht, wobei sie sich angenähert hätten. Die Zeugin habe ihm die Brücke gezeigt, von der sie habe springen wollen. Nach seiner Rückkehr in die Türkei habe er weiterhin regelmäßig Kontakt zu der Zeugin L gehabt. Sie habe im Rahmen eines Telefonats angefangen von den Vorfällen mit dem Angeklagten zu erzählen. Er habe ihr zunächst nicht geglaubt.
112Die Zeugin habe ihm erzählt, dass sie alleine in der Wohnung des Angeklagten gewesen sei und geschlafen habeDer Angeklagte sei aus der Dusche gekommen und habe sie anal vergewaltigt. Er habe ihren Kopf mit einer Hand in das Bett gedrückt. Sie habe geweint und Schmerzen im Analbereich gehabt. Als ihre Cousine F1 gefragt habe, warum sie weine, habe sie geantwortet, dass sie ihre Mutter vermisse. Es sei auch zu sexuellen Übergriffen im Auto und verschiedenen Wohnungen gekommen. Es sei ein Mann aus der Türkei zu Besuch gewesen. Ihr Onkel habe sie gezwungen mit dem anderen Mann zu schlafen. Es sei nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen, weil der Penis nicht erigiert gewesen sei. Nachdem sie nach N gezogen sei, sei es nur noch zu ein bis zwei Vorfällen mit dem Angeklagten gekommen.
Ausgehend von diesem Aussageverhalten ist festzustellen, dass sich die Angaben der Zeugin L durch eine hohe Konstanz auszeichnen. Die Zeugin schilderte in allen Befragungssituationen über mehrere Jahre hinweg das Kerngeschehen gleichbleibend ohne wesentliche Abweichungen.
114So schilderte die Zeugin in sämtlichen Vernehmungen konstant, wie sie von dem Angeklagten unter dem Vorwand eines Putzangebotes in eine Wohnung in F gelockt worden sei. Die Zeugin bekundete übereinstimmend, dass der Angeklagte ihr gegenüber geäußert habe, zunächst Putzmittel holen zu wollen und sie so lange auf ihn gewartet habe. Er habe sich dann von hinten genähert, ihr den Mund zugehalten und sie auf das Bett geschubst. Sie führte ferner gleichbleibend aus, dass er ihre Hose ausgezogen und sie ohne Verwendung eines Kondoms entjungfert habe. Konstant war ebenfalls die Schilderung, dass der Angeklagte seinen Penis aus ihrer Vagina gezogen und auf ihren Bauch ejakuliert sowie das Ejakulat später selbst weggewischt habe. Übereinstimmend schilderte sie auch Details zum Randgeschehen, etwa dass sie sich durch das vermeintliche Putzangebot Taschengeld erhofft habe, er sie mit seinem Pkw von zu Hause abgeholt und sich die Wohnung im ersten oder zweiten Obergeschoss in einem Mehrfamilienhaus in F befunden habe.
115Im Rahmen der Konstanzanalyse hat die Kammer nicht übersehen, dass die Zeugin im Rahmen der Exploration der Sachverständigen im Vergleich zu der polizeilichen Vernehmung zunächst abweichende Angaben dahingehend gemacht hat, dass es bei dem ersten Vorfall mit dem Angeklagten zu Analverkehr gekommen sei, während es zunächst hieß, beim ersten Vorfall sei es zu Vaginalverkehr und zur Entjungferung gekommen. Auch wenn in Übereinstimmung mit der Sachverständigen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass bei einer ersten Erfahrung negativer Intimität besonders gute Erinnerungen vorhanden sein müssten, steht die abweichende Angabe der Aussagekonstanz der Zeugin nach Auffassung der Kammer nicht entgegen. Zum Zeitpunkt der Befragung der Zeugin durch die Sachverständige zum ersten sexuellen Übergriff des Angeklagten war, wie die Sachverständige ausgeführt hat, die Exploration bereits zeitlich fortgeschritten. Die Begutachtung musste kurz darauf unterbrochen werden, da die Zeugin nach Schilderung der Sachverständigen angestrengt und belastet erschien. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass die Zeugin L bereits am ersten Untersuchungstag ihre Unsicherheiten, ob es beim ersten Mal Anal- oder Vaginalverkehr gewesen sei, zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat offen eingeräumt, dass es auch erst Vaginal- und später Analverkehr gewesen sein könne.
116Am darauffolgenden Untersuchungstag berichtigte sich die Zeugin L aus eigenem Antrieb bezüglich des ersten Vorfalls dahingehend, dass sie im Zusammenhang mit dem Putzangebot Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gehabt habe, bei dem sie ihre Jungfräulichkeit verloren habe. Sie machte weiter eigenständige, konkretisierende Angaben, die im Vergleich zu den Inhalten der polizeilichen Vernehmung sowie auch den Angaben in der Hauptverhandlung durchweg konstant ausfielen.
117Soweit die Zeugin L in der Hauptverhandlung - anders als im Rahmen der polizeilichen Vernehmung und der Vernehmung durch die Sachverständige -schilderte, dass der Angeklagte geäußert habe, die Wohnung gehöre einer alten Dame, kommt dieser Abweichung nach Auffassung der Kammer keine größere Bedeutung zu. Denn die Zeugin L hat geschildert, dass sie über die Jahre in vielen verschiedenen Wohnungen mit dem Angeklagten gewesen sei, zu denen er die Schlüssel gehabt habe und dieser durch sein Café viele Leute gekannt habe. Auch die Sachverständige wies darauf hin, dass die Abweichung aus den vorgenannten Gründen unbedenklich sei. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich um einen Irrtum der Zeugin L handelte. Zudem handelt es sich um den Umstand, von wem die Wohnung bewohnt worden sein soll, um ein bloßes Randdetail, das sich nicht derart in den Fokus drängt, wie das eigentliche Tatgeschehen. Hinzu kommt, dass die Zeugin L den oder die Wohnungsinhaber/in nicht persönlich kennengelernt hat, ihr Wissen hierüber vielmehr auf den Angaben des Angeklagten ihr gegenüber beruhte.
118Aus aussagepsychologischer Sicht unbedenklich wertet die Kammer auch den Umstand, dass die Zeugin L im Rahmen der Begutachtung durch die Sachverständige nicht bekundet hat, dass der Angeklagte sie im Rahmen des ersten Geschlechtsverkehrs an den Handgelenken festgehalten habe. Auch dieser Auslassung kommt nach Auffassung der Kammer nur geringe Bedeutung zu. Die Zeugin hat das Festhalten an den Handgelenken nicht nur bei der polizeilichen Vernehmung aus sich heraus geschildert, sondern auch im Rahmen ihrer gerichtlichen Vernehmung. Für die Erlebnisfundiertheit ihrer Aussage spricht auch, dass die Zeugin das Festhalten der Handgelenke durch eine entsprechende Gestik in der Hauptverhandlung untermalen konnte. So hat die Zeugin auf Nachfrage der Kammer, wie ihre Hände festgehalten worden seien, ihre Hände über den Kopf zusammengeführt und dargestellt, dass der Angeklagte sie an beiden Handgelenken festgehalten habe.
119Konstant und gleichlautend schilderte die Zeugin ebenfalls den erstmaligen Analverkehr mit dem Angeklagten. So bekundete sie in allen Befragungssituationen, dass der erste Analverkehr im Zimmer ihres Cousins stattgefunden habe, der Angeklagte aus der Dusche gekommen und lediglich mit einem Handtuch bekleidet gewesen sei. Ferner schilderte sie gleichlautend, dass sie Schmerzen beim Analverkehr empfunden habe.
120Entsprechendes gilt für den von der Zeugin geschilderten erstmaligen Oralverkehr mit dem Angeklagten. Auch hier bekundete die Zeugin L konstant, dass der Angeklagte ihre Haare festgehalten und ihren Mund zu seinem Penis geführt habe. Auch ihre Angaben zum Randgeschehen waren insoweit konstant als dass sie in allen Vernehmungssituationen schilderte, der Angeklagte habe sie dahingehend gemaßregelt, dass sie richtig „blasen“ solle. Er sei zum Samenerguss teils in ihrem Mund gekommen. Der Angeklagte habe ihr gegenüber geäußert, dass Sperma gut gegen Pickel sei.
121Soweit die Zeugin im Rahmen der polizeilichen Vernehmung bezüglich des Anal- und Oralverkehrs weniger Details schilderte als bei der Sachverständigen steht dies einer Konstanz ihrer Aussage nicht entgegen. Diese Aussparungen lassen sich zur Überzeugung der Kammer damit erklären, dass die polizeiliche Vernehmung, wie die Zeugin W1 ausführte, lediglich knapp drei Stunden in Anspruch nahm und auf insgesamt sieben Seiten festgehalten wurde, während die sachverständige Befragung, wie aus den Angaben der Sachverständigen folgt, über zwei Tage andauerte und auf 63 Seiten Wortprotokoll festgehalten wurde.
122Auch der Umstand, dass die Zeugin L gegenüber ihrer Mutter, der Zeugin D2 lediglich eine Handvoll Details geschildert hat, ist nach Auffassung der Kammer durchaus erklärbar. Der Zeugin D2 fiel es in der Hauptverhandlung sichtlich schwer, in Anwesenheit des Angeklagten über die Einzelheiten der Taten zu sprechen. Sie war emotional derart aufgewühlt, dass sie wiederholt um kurze Pausen bat. Die Zeugin D2 bekundete unter Tränen, dass sie nach der Schilderung des ersten Vorfalls keine weiteren Informationen von ihrer Tochter habe erhalten wollen. Ihre Tochter habe ihr gegenüber zudem geäußert, dass sie nie mehr über die Vorfälle sprechen wolle.
123Auch die übrigen von der Zeugin L vorgebrachten Abweichungen, Ergänzungen, aber auch Auslassungen stehen nach Auffassung der Kammer einer Konstanz ihrer Aussage nicht entgegen. Dies gilt etwa für die Abweichung betreffend die Frage, ob die Zeugin L bei dem ersten Vorfall mit dem Angeklagten geschrien habe. Letztlich ist zu sehen, dass eine teilweise abweichende Darstellung vor dem Hintergrund des bisherigen Zeitablaufs seit dem Tatgeschehen - die Taten liegen bereits rund zehn Jahre zurück – durchaus erklärlich und lebensnah ist. Es ist auch nicht verwunderlich, insbesondere da sich nicht nur bei der Wiederholung jeder Aussage natürliche Erinnerungsverluste zeigen, sondern spätere Aussagen häufig Ergänzungen enthalten, die wieder aufgetauchten Erinnerungen entsprechen, die der Zeugin zeitweilig nicht zur Verfügung standen.
124Die Zeugin berichtete über den Schuldspruch hinaus von weiteren sexuellen Handlungen des Angeklagten, wobei die Schilderung zum jeweiligen Kerngeschehen der ihr noch konkret in Erinnerungen stehenden Vorfälle auch insoweit durchweg konstant war.
125So schilderte die Zeugin L beispielsweise den im Transporter stattgefundenen Geschlechtsverkehr sowohl gegenüber der Sachverständigen als auch der Kammer gegenüber im Wesentlichen konstant. Denn die Zeugin bekundete gleichlautend, dass im Innenraum des Transporters auf dem Boden ein ausgebreiteter Pappkarton gelegen habe, auf den sie sich gelegt habe. Dort sei es zu Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gekommen. Sie berichtete ferner Nebensächlichkeiten konstant, etwa dass sich ein Karton mit Kondomen im Innenraum des Transporters befunden habe. Die Kammer hat dabei nicht übersehen, dass die Zeugin L in der Hauptverhandlung - anders als gegenüber der Sachverständigen - keinen Oralverkehr, sondern ausschließlich Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in dem Transporter schilderte. Nach Auffassung der Kammer ist dies indes aussagepsychologisch unbedenklich. Denn die Zeugin schilderte gegenüber der Sachverständigen zwei gleichgelagerte Fälle, sodass angesichts des Zeitablaufs zu erwarten war, dass sie diese nicht mehr auseinanderhalten konnte. Dies gilt umso mehr, als dass die Zeugin in sämtlichen Vernehmungssituationen schilderte, dass es über die Anklagevorwürfe hinaus weitaus mehr sexuelle Kontakte zu dem Angeklagten gegeben habe.
126Soweit die Zeugin L im Rahmen der polizeilichen Vernehmung den Geschlechtsverkehr im Transporter, den Vorfall in der Dachgeschosswohnung sowie den Geschlechts- bzw. Analverkehr auf der Rückbank des Fahrzeugs des Angeklagten nicht bekundete, sondern erst im Zusammenhang mit der Exploration durch die Sachverständige, ändert dies nichts an der Konstanz ihrer Aussagen zum Kerngeschehen. Die Aussparungen im Rahmen der polizeilichen Vernehmung lassen sich zur Überzeugung der Kammer abermals damit erklären, dass die polizeiliche Vernehmung im Gegensatz zu der umfangreichen Exploration der Zeugin durch die Sachverständige nur rund drei Stunden in Anspruch genommen hat und auf lediglich sieben Seiten festgehalten wurde. Anders als bei der Sachverständigen erfolgten keine vertieften Rückfragen. Ferner war zu berücksichtigen, dass es sich bei den von der Zeugin L bei der Polizei geschilderten sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten um die wohl einprägsamsten Vorkommnisse gehandelt hat. Denn es handelt sich dabei um den erstmaligen Vaginal-, Oral- und Analverkehr der Zeugin L sowie um das erste und einzige Mal, dass der Angeklagte von ihr verlangte, mit einem fremden Mann den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Hinzu kommt, dass sich die Zeugin L im Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung am 08.07.2019 in einer psychischen Belastungssituation befand, sie sich aufgrund ihres damaligen Zustandes, der von Suizidgedanken geprägt war, in der Psychiatrie befand, während sie im Zeitpunkt der Exploration durch die Sachverständige am 11.08./12.08.2020 wieder einen gefestigten und stabilisierten psychischen Zustand aufwies, der eine eingehender Befragung der Zeugin zuließ.
Die Kammer hat die festgestellten Taten (Ziff. III Nr. 2) gemäß § 154 a Abs. 2 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Vorwurf der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. beschränkt sowie die Taten wie unter Ziff. III Nr. 3 dargestellt, auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1, 2 StPO vor dem Hintergrund der im Übrigen zu erwartenden Strafe vorläufig eingestellt.
128Die Einstellung der angeklagten Taten, die sich im Transporter des Angeklagten ereignet haben, erfolgte, da die Zeugin L diese ähnlich gelagerten Vorfälle nicht weitergehend zeitlich und individuell auseinanderhalten und präzisieren konnte. Die Zeugin konnte nur noch allgemein schildern, dass es zu Geschlechtsverkehr auf einem auf dem Boden ausgebreiteten Pappkarton im Transporter gekommen sei, was vor dem Hintergrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs von rund zehn Jahren durchaus nachvollziehbar ist. Soweit dem Angeklagten auch Oralverkehr im Transporter vorgeworfen wurde, hat die Zeugin diesen Vorfall weder aus sich heraus noch auf Vorhalt der Kammer geschildert.
129Entsprechendes gilt für den Vorwurf der Vergewaltigung in Form des Anal- und Vaginalverkehrs auf der Rückbank des Fahrzeugs des Angeklagten. Die Zeugin schilderte lediglich allgemein, dass es auch zu sexuellen Kontakten im Fahrzeug des Angeklagten gekommen sei. Darüber hinaus war die Zeugin aufgrund der Vielzahl der sexuellen Übergriffe über einen längeren Zeitraum nicht in der Lage, weitere Details zu schildern.
130Soweit dem Angeklagten darüber hinaus eine Vergewaltigung der Geschädigten in einer Dachgeschosswohnung sowie im Zusammenhang mit einem unbekannten Mann in einer Wohnung in F vorgeworfen wurde, hat die Kammer diese Taten aus Rechtsgründen gemäß § 154 Abs. 1, 2 StPO eingestellt. Die Zeugin L schilderte insoweit keine konkreten Handlungen des Angeklagten, die das Tatbestandsmerkmal der Gewalt i.S.d. § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 in der Fassung vom 01.04.1998 erfüllen. Die Kammer sah sich vor dem Hintergrund der übrigen Straftaten nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.
Die Kammer hat weiter – sachverständig beraten durch die Diplompsychologin E – die Entstehung und Entwicklung der Aussagen der Zeugin L geprüft. Hierbei ist insbesondere in den Blick genommen worden, inwieweit sich von außen herangetragene Beeinflussungen auf das Aussageverhalten der Zeugin L ergeben.
132Die Kammer ist überzeugt, dass die Zeugin L den Angeklagten aus eigenem Antrieb nicht angezeigt hätte. Die Zeugin L sowie die Zeugen D haben überzeugend geschildert, dass die Geschädigte den Mut zu einer Strafanzeige erst habe aufbringen können, nachdem sie von ihren Eltern Rückhalt erfahren habe. Die Zeugin L hat sich erstmalig ihrer Internetbekanntschaft „I“ anvertraut, wobei sie zunächst die Erfahrung machen musste, dass ihr nicht geglaubt werde. Entsprechendes gilt für ihre erstmalige Offenbarung gegenüber ihrem jetzigen Ehemann. Dieser ist der Zeugin L zunächst kritisch gegenübergetreten und hat mehrere Tage nicht mit ihr sprechen wollen. Erst nachdem er den Angeklagten mit den Vorwürfen konfrontiert hatte, habe er den Schilderungen der Zeugin L Glauben geschenkt. Bei der Entstehung und Entwicklung der Aussage der Zeugin L war zudem von Bedeutung, dass sich die Zeugin gegenüber dem Zeugen L zu einem Zeitpunkt offenbarte als noch nicht ansatzweise absehbar war, dass sie die Vorwürfe zur Anzeige bringen werde.
133Die Kammer schließt aus, dass die Zeugin L den Angeklagten bewusst oder unbewusst falsch belastet hat. Gegen die Annahme einer konstruierten und einstudierten Falschaussage sprechen bereits die Komplexität der bekundeten Geschehnisse sowie der Umstand, dass die Zeugin L die Vorwürfe ohne sichtbare Erzählstruktur geschildert hat. Sie hat die einzelnen Vorfälle sprunghaft geschildert, ohne sich dabei in Widersprüche zu verstricken. Nach dem persönlichen Eindruck der Zeugin in der Hauptverhandlung wäre diese nicht in der Lage, bei diesem sprunghaften Aussageverhalten den Überblick über die bereits geschilderten Bruchstücke zu behalten und so das gewünschte Gesamtbild entstehen zu lassen, wenn es sich um einen bloß erdachten Sachverhalt handeln würde. Dahingehend vermochte die Zeugin L auch auf Nachfragen der Kammer und anderer Verfahrensbeteiligter sich hinsichtlich der einzelnen Vorwürfe zu orientieren und ihre Angaben hierzu ohne Widerspruch zu wiederholen bzw. zu ergänzen. Insoweit korrigierte sie zudem unrichtige Vorhalte aus eigenem Antrieb und stellte diese in Einklang mit ihren vorangehenden Schilderungen richtig, so etwa auf Vorhalt des Verteidigers, der erste Vorfall habe sich im Dachgeschoss ereignet. Die Zeugin stellte unmittelbar richtig, dass sich der erste Vorfall nicht im Dachgeschoss, sondern im Zusammenhang mit dem Putzangebot ihres Onkels ereignet habe. Dies zeigt auf, dass die Zeugin sich an reell Erlebtes erinnerte und erlebnisbasiert schilderte.
134Die Kammer schließt auch aus, dass die Zeugin L den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte, um eine Erklärung für ihre fehlende Jungfräulichkeit zu haben. Wäre es der Zeugin allein um eine Erklärung ihrer Defloration gegangen, wäre es naheliegender gewesen, eine unbekannte Person der Vergewaltigung zu bezichtigen anstelle eines Familienmitglieds. Dies gilt umso mehr, als dass die Zeugin L im Rahmen ihrer Exploration gegenüber der Sachverständigen – wie diese gegenüber der Kammer glaubhaft bekundet hat – geschildert hat, dass es im muslimischen Glauben als noch verwerflicher angesehen werde, wenn man von einem Mitglied der Familie vergewaltigt worden sei. Im Übrigen wäre es im Falle der Falschbelastung des Angeklagten vollkommen ausreichend und leichter gewesen, den Angeklagten einer einzigen Tat zu bezichtigen anstatt einen derart komplexen Geschehensablauf zwischen den Jahren 2012 und 2017 mit zahlreichen individuellen Details zu konstruieren. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Zeugin L im Falle der Bezichtigung des Angeklagten mit negativen familiären Konsequenzen rechnen musste, die letztlich auch eingetreten sind. Die Zeugin L sowie die Zeugen D haben übereinstimmend geschildert, dass sich der in F ansässige Teil der Familie von der Geschädigten und ihren Eltern infolge des Bekanntwerdens der Vorwürfe gegen den Angeklagten abgewendet habe. Im Übrigen vermochte die Kammer keinerlei Anhaltspunkte für ein anderweitiges Motiv für eine Falschbelastung feststellen. Vielmehr hat die Zeugin L – wie nachfolgend noch ausgeführt wird – unabhängig von den Taten ein normales Verhältnis zu ihrem Onkel geführt.
135Gegen eine Falschbelastung spricht auch, dass die Zeugin L stets darauf bedacht war, genau dasjenige zu berichten, was sie noch sicher in Erinnerung hatte. Erinnerungslücken räumte die Zeugin von sich aus unumwunden ein. Möglichkeiten, den Angeklagten überschießend zu belasten, hat die Zeugin L nicht wahrgenommen. Vielmehr schilderte die Zeugin die Umstände sachlich, ohne überschießende Tendenzen. So hat die Zeugin L im Rahmen ihrer Vernehmung u.a. bekundet, dass das Verhältnis zu ihrem Onkel im Übrigen normal gewesen sei. Es seien ihre Tanten gewesen, die schlecht über sie gesprochen hätten. Auf Nachfrage der Kammer, ob sie bei dem erstmaligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten Schmerzen gehabt habe, hat sie Erinnerungslücken offen eingeräumt, obwohl sie hierbei ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, den Angeklagten überschießend zu belasten.
136Auch die Frage der Kammer, ob sie den Transporter des Angeklagten hätte verlassen können, hat sie bejaht. Sie hat ferner auf Nachfrage bekundet, dass die sexuellen Übergriffe des Angeklagten stets von kurzer Dauer gewesen.
137Die Kammer schließt aus den vorgenannten Gründen auch aus, dass die Zeugin L Wahrnehmungen aus Filmen pornographischen Inhalts auf den Angeklagten projiziert hat. Dagegen spricht, wie bereits erörtert, das hohe Maß an Individualverflechtungen etwa in Form von Örtlichkeiten, Schilderungen von verbalen Interaktionen sowie die Beteiligung einer weiteren unbekannten Person.
138Für die Hypothese einer gedanklichen Übertragung von Übergriffen einer anderen Person auf den Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Die Kammer hat ferner – weiterhin sachverständig beraten – eine kriterienorientierte Inhaltsanalyse der Aussage der Zeugin L vorgenommen.
140Inhaltlich waren die Angaben der Zeugin L durch Detailreichtum, logische Konsistenz und die stimmige Schilderung räumlich-zeitlicher Verknüpfungen geprägt. Dies gilt zunächst für die Darstellung des äußeren Geschehensablaufs. Die Zeugin L konnte das aus verschiedenen Tathandlungen bestehende und an verschiedenen Tatorten angesiedelte Geschehen facettenreich schildern. Auch wenn sie keine konkreten Tatzeitpunkte benennen konnte, war es ihr möglich, die einzelnen Übergriffe in Gestalt eines zeitlichen Rahmens einzuordnen. Die Zeugin L konnte sich erinnern, dass die erste Tat (Putzangebot) sowie der Analverkehr erfolgt seien, als sie noch bei dem Angeklagten gelebt habe, wohingegen der Oralverkehr erfolgt sei als sie bereits bei ihrer Großmutter gewohnt habe. Nach ihrem Umzug nach N seien die sexuellen Kontakte weitgehend zurückgegangen. Diese Schwierigkeiten, die einzelnen Ereignisse exakt zeitlich einzuordnen, sind angesichts der großen Zeitpanne nicht nur nachvollziehbar, sondern gedächtnispsychologisch nahezu zwingend.
141Für die Qualität der Aussage der Zeugin spricht auch, dass sie jederzeit in der Lage war, auf Nachfragen in sich stimmig zu antworten, ohne dass sie dabei in ein Aussagemuster verfallen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob die Nachfragen zu ihrem Verhältnis zum Angeklagten, zum Tat- oder Nachtatgeschehen gestellt wurden. Die Aussage der Zeugin L war durchgängig von besonderem Detailreichtum geprägt. Die Zeugin war in der Lage, eine Vielzahl unterschiedlicher Sexualpraktiken zu schildern, obwohl ihr im Zeitpunkt des Erlebens eigene sexuelle Erfahrungen gefehlt haben. Letzteres wurde auch durch die Zeugin D2 bestätigt. Diese hat glaubhaft bekundet, dass die Geschädigte in der Türkei noch keine Sexualkunde gehabt habe, bevor sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder nach Deutschland gekommen sei. Sie hat ebenfalls bestätigt, dass die Geschädigte bis auf Schulfreunde keinen festen Freund gehabt habe. Ihr jetziger Ehemann sei der erste richtige Mann im Leben ihrer Tochter gewesen.
142Die Zeugin L hat die unterschiedlichen Handlungen sowie Intensitäten anschaulich beschrieben. So hat die Zeugin eine Bandbreite von Sexualhandlungen beschrieben, die von Vaginal- über Oral- bis hin zu Analverkehr reichten. Im Rahmen dessen konnte sie originelle Details schildern. Dies betrifft etwa die Beschreibung, dass der Angeklagte vor Durchführung des Analverkehrs im Zimmer ihres Cousins lediglich ein Handtuch getragen habe, er stets außerhalb ihrer Vagina ejakuliert und das Ejakulat mit einem Tuch abgewischt habe. Die Zeugin konnte sich auch teilweise an verbale Interaktionen mit dem Angeklagten erinnern. So habe der Angeklagte ihr gegenüber geäußert, dass das Ejakulat gut gegen Pickel sei und er einen Arzt kenne, der ihr das Jungfernhäutchen zunähen könne. Ferner habe der Angeklagte sie während des erstmaligen Oralverkehrs gemaßregelt, dass sie es richtig machen solle, da sie den Penis des Angeklagten mit ihren Zähnen berührt habe.
143Soweit die Zeugin L über den Schuldspruch hinaus weitere sexuelle Übergriffe des Angeklagten schilderte, waren auch diese in sich schlüssig, detailreich und widerspruchsfrei. Dies gilt exemplarisch für den von der Zeugin geschilderten Geschlechtsverkehr im Innenraum des Transporters des Angeklagten. Die Zeugin war nicht nur in der Lage das Kerngeschehen zu schildern, sondern konnte auch ungewöhnliche Randdetails präzise schildern. So bekundete die Zeugin, dass sich in dem Transporter fest montierte Holzregale befunden hätten. Die Regale seien offen gewesen. In den Regalen hätte sich Werkzeug sowie ein Karton mit Kondomen befunden. Der Karton sei bis oben gefüllt gewesen. Es sei der einzige Vorfall, bei dem ihr Onkel ein Kondom verwendet habe. Warum er das gemacht habe, wisse sie nicht. Sie schilderte zudem, dass auf dem Boden ein Pappkarton ausgebreitet gewesen sei auf den sie sich gelegt habe. Es habe sich zudem Küchenrolle im Transporter befunden.
144Das hohe Maß an Individualverflochtenheit spiegelt sich auch in der Aussage der Zeugin wieder, soweit sie das Geschehen mit einem unbekannten Mann in einer Wohnung in F betrifft. Die Zeugin war auch insoweit in der Lage eine Bandbreite von Nebensächlichkeiten zu schildern. So konnte sie sich noch erinnern, dass der Angeklagte zuvor im unten befindlichen Kiosk Flaschenbier der Marke W2 gekauft habe. Der ihr unbekannte Mann habe ihr gegenüber berichtet, dass er verheiratet sei und Kinder habe. Sie habe sich mit einem anderen Namen vorstellen müssen, damit der unbekannte Mann nicht wisse, dass sie und der Angeklagte verwandt seien. Weiter konnte sie sich daran erinnern, dass der Angeklagte ihr einen Bademantel gereicht habe. Die Zeugin schilderte zudem eine nicht zu erwartende Komplikation im Handlungsablauf, etwa dass der ihr unbekannte Mann keine Erektion bekommen habe und es daher nicht zum Geschlechtsverkehr mit ihm gekommen sei.
145Entsprechend detailreich war auch die Schilderung der Zeugin betreffend den Vorwurf der Vergewaltigung in einer Dachgeschosswohnung in F. Auch hier konnte sich die Zeugin an Nebensächlichkeiten erinnern, wie etwa, dass neben der Matratze ein Koffer gestanden und ihr der Angeklagte berichtet habe, die Wohnung an einen Bekannten vermietet zu haben. Ferner vermochte die Zeugin zu erinnern, dass sich die Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Autobahn befunden habe und der Angeklagte sie in eine Stellung gebracht habe, sodass gleichzeitig Oralverkehr durchgeführt worden sei.
146Die Kammer vermochte keine Hinweise auf auswendig gelernte Elemente in der Aussage der Zeugin zu erkennen. Die Zeugin L hat das Kerngeschehen sprunghaft geschildert, was auf die Eigenständigkeit der Angaben der Zeugin hinweist. Die Zeugin schilderte die Vorfälle nicht chronologisch, sondern schilderte episodisch vereinzelte Erlebnisse. So schilderte sie etwa den Vorfall in der Dachgeschosswohnung, in der der Angeklagte Fotos von ihr gefertigt habe, vor dem Analverkehr im Zimmer ihres Cousins, um später wieder auf den Vorfall in der Dachgeschosswohnung zurückzukommen.
147Die Kammer hat nicht den Eindruck erlangt, dass die Zeugin ihre vorherigen Angaben bei der Polizei und der Sachverständigen in der Hauptverhandlung aufzubauschen versuchte, um den Angeklagten schwerwiegender zu belasten. Im Gegenteil wirkten die Angaben der Zeugin stets zurückhaltend und erinnerungskritisch. Auf Nachfragen der Kammer erklärte die Zeugin wiederholt, dass sie nichts Falsches sagen möchte oder sich nicht mehr erinnern könne. Die Aussage der Zeugin L war nicht davon geprägt, den Angeklagten überschießend zu belasten. Die Zeugin L hat das Verhältnis zu dem Angeklagten als überwiegend „normal“ beschrieben. Anders als bei ihren Tanten könne sie sich nicht erinnern, dass der Angeklagte sie ebenfalls schlecht gemacht habe. Bezüglich sämtlicher Taten hat die Zeugin wiederholt klargestellt, dass sie immer die Möglichkeit gehabt habe, die Örtlichkeit zu verlassen. Weder die Fahrzeuge noch die Wohnungen seien von ihrem Onkel abgeschlossen worden. Warum sie die Örtlichkeiten nicht verlassen habe, konnte sie nicht mehr sagen. Sie sei naiv und durch ihren Onkel eingeschüchtert gewesen.
148Letztlich beruhen die Feststellungen neben der glaubhaften Aussage der Zeugin L ergänzend auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen D und L. Die Eltern der Geschädigten, die Zeugen D, haben im Rahmen ihrer gerichtlichen Vernehmung übereinstimmend geschildert, dass sie eine Wesensänderung ihrer Tochter festgestellt hätten. So hat die Zeugin D2 bekundet, dass ihre Tochter vor den sexuellen Übergriffen ein aufgeschlossenes Mädchen gewesen sei. Sie habe Freunde gehabt und sich mit jedem viel unterhalten. Nachdem sie nach Deutschland gekommen sei und bei dem Angeklagten und seiner Frau gelebt habe, habe sie sich immer mehr zurückgezogen. Die Zeugin D2 bekundete der Kammer glaubhaft, dass sie Auffälligkeiten im Rahmen von Telefongesprächen mit ihrer Tochter festgestellt habe. Sie habe dies allerdings auf die Entfernung zwischen Mutter und Tochter zurückgeführt. Nachdem die Zeugin D2 im Jahr 2017 nach Deutschland gekommen sei, habe sie festgestellt, dass ihre Tochter ihr Zimmer nicht mehr verlassen habe und immer in Gedanken gewesen sei. Die Zeugen D haben übereinstimmend bekundet, dass die Zeugin L ihre Eltern nicht habe begleiten wollen als diese den Angeklagten und seine Familie in dessen Wohnung besucht hätten.. Auch an Familienfeiern habe sie nicht teilnehmen wollen. Auch der Zeuge L bekundete im Rahmen der gerichtlichen Vernehmung, dass die Zeugin L kein soziales Leben gehabt habe und ihm gegenüber verschlossen gewesen sei als sie sich kennengelernt hätten. Er habe zudem festgestellt, dass sie sich „ritze“, was die Zeugin L ebenfalls bestätigt hat.
149Die Kammer hat sich bei der Bewertung der Zuverlässigkeit der Bekundungen der Zeugin L der Beratung durch die forensisch erfahrene Sachverständige Diplompsychologin E bedient. Diese ist vor dem Hintergrund ihrer umfassenden, über zwei Tage andauernden Exploration sowie ihrer Eindrücke aus der Hauptverhandlung zu dem Schluss gelangt, dass die Angaben der Zeugin L aus aussagepsychologischer Sicht als erlebnisfundiert zu beurteilen sind. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung aus den dargelegten Gründen vollumfänglich an. Die Sachverständige hat ihr Gutachten nach ausführlicher Exploration der Zeugin L sowie unter besonderer Berücksichtigung der Erkenntnisse in der Hauptverhandlung umfassend, auch für Laien verständlich, sehr gründlich und nachvollziehbar erstattet. Sie war in der Lage, Rückfragen der Beteiligten präzise und verständlich zu beantworten.Darüber hinaus war die Vorgehensweise der Sachverständigen in der auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebotenen Weise strukturiert, wobei sie sich mit vereinzelten Unsicherheiten in der Aussage der Zeugin L auseinandersetzte und erklärte, warum diese aussagepsychologisch unbedenklich seien. So hat die Sachverständige unter anderem die Abweichung in der Schilderung der Zeugin aufgegriffen, dass diese im Rahmen der Exploration geschildert habe, es sei bei dem ersten sexuellen Übergriff im Zusammenhang mit dem Putzangebot zu Analverkehr gekommen. Die Sachverständige ist nach dem Eindruck der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Abweichung nicht geeignet sei, gegen die Zuverlässigkeit der Aussage der Zeugin zu sprechen. Denn die Zeugin hat in der Hauptverhandlung wie auch im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung konstant von Geschlechtsverkehr und nicht von Analverkehr während des ersten sexuellen Übergriffs gesprochen. Die Sachverständige geht davon aus, dass es aufgrund der Vielzahl der Vorgänge zu einer Verwechselung der Vorfälle durch die Zeugin gekommen sei. Zudem habe sich die Zeugin am zweiten Untersuchungstag aus sich heraus korrigiert und geschildert, dass sie nunmehr wisse, dass es beim ersten Vorfall zu Geschlechtsverkehr gekommen sei. Auch der Umstand, dass die Zeugin in der Lage war, eigenpsychisches Erleben zu berichten, spreche nach Auffassung der Sachverständigen für eine erlebnisfundierte Aussage. So hat die Sachverständige angeführt, dass Personen, die die Unwahrheit sagen, in der Regel lediglich das äußere Geschehen beschreiben und das in der Regel kurz und belastend. Dies habe sie weder im Rahmen der Exploration noch im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Zeugin L ansatzweise feststellen können. Die Aussage sei vielmehr von außergewöhnlichen Details geprägt.
Aus der Gesamtschau der Umstände zieht die Kammer den sicheren Schluss, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt und den entgegenstehenden Willen der Zeugin konkret erkannt hat, er sich aber bewusst und gewollt über die ablehnende Haltung hinwegsetze und die Durchführung des Vaginal-, Anal- und Oralverkehrs erzwang. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Angeklagte die sexuellen Übergriffe jeweils mittels körperlicher Kraftentfaltung, etwa durch Zuhalten des Mundes der Zeugin oder Festhalten ihrer Handgelenke, durchsetzte sowie die Zeugin derart einschüchterte, dass diese davon ausging, sie müsse tun, was der Angeklagte von ihr verlange. Die Zeugin L schilderte zudem überzeugend, dass sie nach dem ersten sexuellen Übergriff stets ihren entgegenstehenden Willen verbal zum Ausdruck gebracht habe.
Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen wegen Vergewaltigung in drei Fällen gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 01.04.1998 schuldig gemacht.
152Indem der Angeklagte gegen den erkennbaren Willen der Zeugin L mit seinem Penis vaginal in diese eindrang hat er den Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. erfüllt. Entsprechendes gilt für den von ihm vollzogenen Anal- und Oralverkehr, die jeweils als dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlungen an der Zeugin L zu qualifizieren sind.
153Der Angeklagte nötigte die Zeugin in allen drei Fällen mit Gewalt i.S.d. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F., die vorgenannten sexuelle Handlungen an sich zu dulden.
154Gewaltanwendung ist jede gewisse – nicht notwendig erhebliche – körperliche Kraftentfaltung darstellende Handlung, die von der Person, gegen die sie gerichtet ist, als ein nicht nur seelischer, sondern auch körperlicher Zwang empfunden wird. Dafür reicht es aus, dass ein psychisch determinierter Prozess mit nur geringem körperlichem Kraftaufwand in Lauf gesetzt wird. Unerheblich ist auch, ob sich das Opfer tatsächlich wehrt (vgl. BGH, Urteil vom 10. 10. 2002 - 2 StR 153/02; BeckOK StGB/Ziegler, 17. Ed. 1.12.2011, StGB § 177 Rn. 11, beck-online). Einer Gewalteinwirkung zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes bedarf es insoweit nicht (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18 –, BGHSt 63, 220-228).
155Diese Voraussetzungen liegen vor.
156Indem der Angeklagte die Zeugin vor Durchführung des Vaginalverkehrs in Richtung des Bettes schubste, ihren Mund zuhielt sowie ihre Handgelenke während des Geschlechtsverkehrs festhielt, hat er Gewalt i.S.d. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. eingesetzt. Entsprechendes gilt für die Durchführung des Analverkehrs. Auch hierbei hat er Gewalt dahingehend eingesetzt, dass er die Zeugin zum Bett schubste, sie positionierte und ihren Kopf in die Bettdecke drückte, um die lauten Schreie der Zeugin zu unterdrücken. Letztlich hat der Angeklagte auch bei Durchführung des Oralverkehrs mit der Zeugin Gewalt eingesetzt, indem er diese auf die Knie drückte, ihre Haare von hinten ergriff und ihren Kopf zu seinem Penis führte und den Oralverkehr leitend ausführte.
157Der Angeklagte handelte in allen Fällen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
158Die Vergewaltigungen stehen gemäß § 53 StGB in Tatmehrheit zueinander.
Bei der Strafzumessung ist die Kammer gemäß den Grundsätzen der §§ 46 ff. StGB von der Schuld des Angeklagten ausgegangen und hat die Wirkungen, die von der Strafe für sein zukünftiges Leben in der Gesellschaft zu erwarten sind, berücksichtigt. Im Einzelnen hat sie sich von folgenden Erwägungen leiten lassen:
160Bei der Strafzumessung war der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 S. 1 StGB in der Fassung vom 01.04.1998 zugrunde zu legen, der von Freiheitsstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) reicht.
1611.
162Die Kammer hat geprüft, ob besondere Umstände vorliegen, welche es rechtfertigen, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB a.F. abzuweichen und dies im Ergebnis verneint. Bei einer gesamtschauenden Abwägung aller mildernden und erschwerenden Faktoren überwiegen die mildernden Umstände im konkreten Fall nicht derart, dass das Tatbild in seiner Gesamtheit so erheblich von dem Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle abweichen würde, dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens nicht geboten erschien. Im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung hat die Kammer nicht übersehen, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und die Taten mittlerweile rund zehn Jahre zurückliegen. Gleichwohl fallen diese Umstände nicht derart ins Gewicht, dass von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB a.F. abzuweichen ist. Die Geschädigte war zum Zeitpunkt des ersten sexuellen Übergriffs des Angeklagten erst ca. 14 Jahre alt und sexuell unerfahren. Der Angeklagte nahm der Zeugin L ihre Jungfräulichkeit, wobei er wusste, dass der Umstand der Jungfräulichkeit einen hohen Stellenwert im muslimischen Kulturkreis hat. Der Angeklagte beließ es nicht nur bei Geschlechtsverkehr, sondern führte darüber hinaus Analverkehr unter extremen Schmerzen der Zeugin durch und ejakulierte der Zeugin während des Oralverkehrs in den Mund. Ferner schüchterte der Angeklagte die Zeugin derart ein, dass sie weitere sexuelle Handlungen über sich ergehen ließ, aus Angst vor familiären Konsequenzen. Die Kammer hat schließlich auch bedacht, dass die Taten bei der Zeugin L psychische Folgen hinterließen, die bis heute andauern.
1632.
164Unter Zugrundelegung des zuvor genannten Strafrahmens hat die Kammer bei der Bemessung der jeweiligen Einzelstrafen folgende Umstände berücksichtigt:
165Für den Angeklagten sprach, dass er bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Strafmildernd war ferner zu werten, dass die Taten mittlerweile rund zehn Jahre zurückliegen und der Sühnegedanke mit zunehmendem Zeitablauf an Bedeutung abnimmt. Die Kammer hat des Weiteren zu Gunsten des Angeklagten eine zeitliche, rechtsstaatswidrige, gegen Art. 6 EMRK verstoßende Verzögerung in dem gesamten Verfahren von ca. zehn Monaten festgestellt. Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass der Angeklagte grundsätzlich erwarten konnte, dass das hiesige gerichtliche Verfahren innerhalb eines Jahres ab Anklageerhebung abgeschlossen sein wird, da es sich weder um eine Sache von besonderem Umfang noch von besonderer Schwierigkeit gehandelt hat. Ausgehend von diesem Maßstab hätte das Verfahren, bei Vorliegen hinreichender personeller und sachlicher Ressourcen in der Justiz, grundsätzlich im Oktober 2021 abgeschlossen werden können. Die von der Kammer festgestellte Verfahrensverzögerung von rund zehn Monaten ergibt sich aus der Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem bei rechtsstaatskonformen Verfahrensablauf eine erstinstanzliche Entscheidung hätte vorliegen müssen und dem Beginn der Hauptverhandlung am 15.08.2022, die mit Urteil vom 18.08.2022 endete.
166Dabei war in die Entscheidung mit einzustellen, dass die Kammerbelastung infolge von zahlreichen Haftsachen sehr hoch war. Eine Entlastung der Kammer erfolgte dennoch nicht.
167Die Kammer betont in diesem Zusammenhang allerdings ausdrücklich, dass die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zwar auch mildernd in die Strafzumessung eingeflossen ist, allerdings gerade dabei mit einem nicht allzu hohen Gewicht. Vielmehr ist eine Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2008 (Az.: GSSt 1/07) im Urteil vor allen Dingen dergestalt zu berücksichtigen, dass – soweit erforderlich – als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt (vgl. BGH, a.a.O., Seite 27) oder der Ausspruch einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausdrücklich festgestellt wird (BGH, NStZ-RR 2009, 339). Die Kammer hat es diesbezüglich für ausreichend erachtet, eine solche Verzögerung hier ausdrücklich festzustellen. Dabei hat sie vor allem auch gesehen, dass es einer etwaigen Anrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich nicht stets bedarf, vor allen Dingen dann nicht, wenn der Angeklagte während der Verfahrensverzögerung im vorliegenden Verfahren weder in dieser Sache inhaftiert noch sonst außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt war (BGH, NStZ-RR 2009, 339). So lag der Fall hier.
168Strafschärfend hat die Kammer gewertet, dass die Geschädigte zum Zeitpunkt des ersten sexuellen Übergriffs durch den Angeklagten erst ca. 14 Jahre alt gewesen ist und der Angeklagte das Vertrauen der Zeugin als dessen Onkel bei dem sie zwischenzeitlich gelebt hat, missbraucht hat. Zu seinen Lasten hat die Kammer ferner bedacht, dass der Angeklagte den Beischlaf bzw. die beischlafähnlichen Handlungen in allen Fällen ohne Kondom durchführte und damit Raum für eine mögliche Gefahr der Übertragung von Geschlechtskrankheiten begründete. Zudem ist einzustellen, dass durch die erste Tat die Zeugin ihre Jungfräulichkeit verlor, ein Umstand, der insbesondere im Kulturkreis der Zeugin, der muslimisch geprägt ist, von wesentlicher Bedeutung ist, da nach der kulturell-religiösen Anschauung Sex vor der Ehe verpönt ist und eine Frau jungfräulich in eine Ehe zu gehen hat. Weiter war zu seinen Lasten zu werten, dass die Geschädigte nach Durchführung des Analverkehrs über mehrere Tage extreme Schmerzen im Analbereich erlitt, die mit Blutungen verbunden waren. Schließlich hat die Kammer auch zu seinen Lasten gewertet, dass die Geschädigte derart unter den sexuellen Übergriffen litt, dass sie im Jahr 2019 beabsichtigte, sich das Leben zu nehmen und das Tatgeschehen weiterhin psychologisch aufarbeiten muss.
169Innerhalb des damit zur Anwendung kommenden Strafrahmens hat sich die Kammer bei der konkreten Strafzumessung von den bereits bei der Strafrahmenbestimmung genannten Erwägungen leiten lassen und die dort genannten be- und entlastenden Umstände, auf die insoweit Bezug genommen wird, erneut umfassend berücksichtigt und für die ersten beiden Taten (Vaginal- und Analverkehr) zum Nachteil der Zeugin L
170eine Freiheitsstrafe von jeweils 3 Jahren und 6 Monaten
171sowie für die dritte Tat (Oralverkehr)
172eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten
173für tat- und schuldangemessen erachtet.
174Unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ist gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB aus den Einzelstrafen unter Erhöhung der höchsten Einzelstrafe, die sogenannte Einsatzstrafe, eine Gesamtfreiheitsstrafe von
1755 Jahren und 2 Monaten
176gebildet worden, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand, sondern maßgebend die Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten, das Ausmaß der begangenen Taten, denen sämtlich eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt sowie das Verhältnis der Taten zueinander. Hierbei sah die Kammer es aufgrund der oben genannten Umstände es als erforderlich an, die Einsatzstrafe deutlich zu erhöhen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.