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Der Angeklagte wird wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und mit Sachbeschädigung, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, mit Nötigung und mit Sachbeschädigung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 4 Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Nötigung, und wegen Nötigung in einem weiteren Fall zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten
verurteilt.
Im Übrigen wird er freigesprochen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die der Nebenklägerin erwachsenden notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt ist. Soweit er freigesprochen ist, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5, 229, 240, 303, 22, 23, 52, 53 StGB
Gründe:
2(hinsichtlich des Teilfreispruchs (VII.) abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 StPO)
3I.
4Feststellungen zur Person
51.
6Der heute 35 Jahre alte Angeklagte wurde am … in N geboren. Er hat eine zwei Jahre ältere Schwester; seine Eltern sind geschieden. Der Angeklagte ist seit dem … mit der Zeugin und Nebenklägerin N1 verheiratet, mit der er die drei gemeinsamen Kinder F (*…), B (*…) und F1 (*…) hat. Derzeit ist ein Scheidungsverfahren anhängig.
7Nach dem regelrechten Besuch der Grundschule besuchte der Angeklagte eine Gesamtschule, an der es regelmäßig zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Mitschülern kam. In der 7. Klasse wechselte er von der Gesamtschule auf die Hauptschule, die er in der 8. Klasse aufgrund häufiger Fehlzeiten vorzeitig beendete. Er versuchte sodann zunächst erfolglos, seinen Hauptschulabschluss im D nachzuholen, was ihm schließlich in der VHS N2 gelang.
8Ein anschließendes Praktikum als Maler und Lackierer wurde vorzeitig wegen seiner häufigen Fehlzeiten beendet. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete der Angeklagte zunächst als Kassierer auf 400-Euro-Basis und begann dann ab dem 01.09.2008 eine Ausbildung zum Fachlageristen bei der Firma L in E. Die Lehrstelle verlor er aufgrund der vom 30.12.2008 bis 13.01.2009 verbüßten Untersuchungshaft in dem Strafverfahren … LG F2. Er war sodann erneut arbeitslos, fand jedoch, nachdem seine Revision gegen das Urteil des Landgerichts F2 vom 13.01.2009 (…) Erfolg hatte und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts F2 verwiesen worden war, eine Beschäftigung auf Ein-Euro-Basis, die er bis zum Antritt der Haftstrafe am 25.05.2010 aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts F2 vom 30.10.2009 (…) ausübte. Die Freiheitsstrafe verbüßte er bis zum 01.07.2015 zuletzt in der Sozialtherapeutischen Anstalt H, in der er eine Ausbildung zum Industriemechaniker abschloss. Er absolvierte nach der Haftentlassung zudem eine Schulung zum Flanschmonteur und arbeitete in diesem Beruf bis Ende 2016/Anfang 2017. Wenige Tage vor der Hochzeit mit der Zeugin N1 erlitt der Angeklagte eine Lungenembolie und war daraufhin ein halbes Jahr erwerbsunfähig. In der Folgezeit wurde bei dem Angeklagten ein Aneurysma im Gehirn festgestellt, infolgedessen er bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 bis 9 Stunden über einen Zeitraum von 4 Stunden nur 3 bis 4 kg, im restlichen Zeitraum 8 bis 10 kg heben bzw. transportieren darf. Der Angeklagte und seine Ehefrau leben seither von Sozialleistungen.
9Der Angeklagte erfuhr in seiner Jugend körperliche Gewalt durch seinen Vater. Seine Mutter versuchte zunächst erfolglos, den Angeklagten hiervon fernzuhalten. Schließlich gelang es ihr, ihm im Alter von 17 Jahren eine eigene Wohnung zu besorgen, sodass der Angeklagte den von seinem Vater ausgehenden Gewalthandlungen nicht mehr ausgesetzt war.
10Mit 15 Jahren begann der Angeklagte zunächst gelegentlich, ab 16/17 Jahren dann täglich Cannabis zu konsumieren. Der Konsum erstreckte sich später auch gelegentlich auf Anabolika, Viagra, Ecstasy, Amphetamine und Kokain. Vor dem Antritt seiner Haftstrafe im Jahr 2010 nahm der Angeklagte keine Betäubungsmittel mehr zu sich, konsumierte in dieser Zeit jedoch täglich Alkohol. In der Haft waren regelmäßig durchgeführte Drogenscreenings stets negativ. Nach der Entlassung aus der Haft im Juli 2015 trank der Angeklagte nur noch ein einziges Mal an seinem Hochzeitstag Alkohol. Cannabis oder andere Betäubungsmittel konsumierte der Angeklagte nach der Haft zunächst gar nicht, nach der Hochzeit mit der Zeugin N1 aber über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten wieder beinahe täglich, wobei er den Konsum vor der Zeugin verheimlichte. Danach beschränkte er seinen Cannabiskonsum auf einige wenige Gelegenheiten. Während der Ehe mit der Zeugin N1 besuchte der Angeklagte beinahe täglich die Spielhalle, um an Spielautomaten zu spielen. Den täglichen Spielhallenbesuch finanzierte er u.a. durch den Verkauf des eigenen Hausrates sowie durch Geld, das er von seiner Mutter erhielt, der gegenüber er wahrheitswidrig vorgab, Geld für Anschaffungen für die Kinder oder etwaige Reparaturen zu benötigen.
11Der Angeklagte nahm während seiner Inhaftierung in der Sozialtherapeutischen Anstalt H an einer Rückfallverhütungsgruppe für Vergewaltiger sowie an einer Psychotherapie teil. Nach seiner Haftentlassung wurde er im Rahmen der Führungsaufsicht bis zuletzt durch den Zeugen U sozialtherapeutisch betreut.
122.
13Der Angeklagte ist wie folgt vorbestraft:
14a) Mit Urteil des Amtsgerichts N3 (…) vom 25.05.2001, rechtskräftig seit dem 25.05.2001 wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Erwerbs von Betäubungsmitteln und Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwarnt und mit der Erbringung von Arbeitsleistungen belegt.
15b) Mit Urteil des Amtsgerichts N3 (…) vom 13.03.2002, rechtskräftig seit dem 13.03.2002, wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen verwarnt und ihm eine richterliche Weisung erteilt. Ferner wurde eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 12.03.2003 angeordnet.
16c) Mit Urteil des Amtsgerichts N3 vom 21.05.2003 (…), rechtskräftig seit dem 29.05.2003, wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung in drei Fällen, gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde bis zum 28.05.2005 zur Bewährung ausgesetzt Es wurde eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis bis zum 28.05.2004 angeordnet.
17Das Amtsgericht traf dabei u.a. folgende Feststellungen:
18Am 08.02.02 gegen 20:10 Uhr folgte der Angeklagte der Zeugin C, die in dem Bus der Linie … der W Straßenbahn befuhr und mit der er einige Zeit befreundet gewesen war, mit seinem Motorroller bis zu der Haltestelle, an der sie ausstieg. Nachdem die Zeugin weglief, folgte er ihr, entriss ihr das Handy und hielt sie gegen ihren Willen fest. Als die Zeugin sich daraufhin wehrte, versetzte der Angeklagte ihr einen Kopfstoß. Nachdem die Zeugin zu Boden gegangen war, erfasste er sie am Arm und zog sie über den Boden. Am 1.6.2002 gegen 14:20 Uhr traf er auf dem Spielplatz H1-Straße in N auf die Zeugin C und lieferte sich mit ihr zunächst eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf er die Zeugin schubste, so dass sie zu Boden ging. Anschließend hielt er sie zunächst am linken Handgelenk fest und ferner am Hals, ohne aber zu würgen. Als es der Zeugin schließlich gelang, sich loszureißen, schlug er ihr von hinten auf den Kopf.
19Nachdem die Zeugin weggelaufen war, holte der Angeklagte seinen Motorroller und verfolgte sie bis zur Kreuzung T/H1-Straße. Hier zog er ihr vom fahrenden Motorroller aus an den Haaren. Die Zeugin erlitt aufgrund dieser Handlung eine Schürfwunde am rechten Ellenbogen, eine kleine Hautverletzung am linken Handgelenk und klagte längere Zeit über Kopfschmerzen und Übelkeit.
20Am 13.06.2002 traf der Angeklagte die Zeugin C gegen 17:10:Uhr auf der C1-Straße in N und äußerte ihr gegenüber, dass sie Schuld sei, dass er „unten in den Knast müsse“ und „mit so etwas“ wie ihr sollten andere „nicht abhängen“. Zudem spuckte er ihr ins Gesicht.
21Am 9.1.2003 in der Zeit zwischen 11:30 Uhr und 11:58 Uhr schickte der Angeklagte unter Benutzung des B1-Namens L1 des gesondert verfolgten C2 an die Geschädigte C 6 SMS auf deren Handy mit folgendem Inhalt: „Na du alte Hurre. Ich werde dich die Tage kriegen. Ich werde bezahlt das ich dich umbringe. Du wirst schon sehen der Tag kommt schnell. Ich weiß das du in T1 wohnst und auf die Gesamtschule gehst du Hurre. Werde dich schon bekommen glaub dran by by. Du kannst kommen mit wem du willst sage dir bist tot glaub dran by by. Ich werde dich tot ficken bringe dich um du standgebläse komme aus H2 werde dich die Tage bekommen by by.“
22d) Mit Urteil des Amtsgerichts N3 vom 07.07.2004 (…), rechtskräftig seit dem 15.07.2004, wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts N3 vom 21.05.2003 zu einer Jugendstrafe von elf Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde bis zum 14.07.2006 zur Bewährung ausgesetzt.
23e) Am 03.03.2006 stellte das Amtsgerichts N3 (…) ein Verfahren wegen Körperverletzung gegen Erteilung einer richterlichen Weisung nach § 47 JGG ein.
24f) Mit Urteil des Amtsgerichts N3 vom 10.05.2006 (…), rechtskräftig seit dem 10.05.2006, wurde der Angeklagte wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts N3 vom 21.05.2003 und vom 07.07.2004 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde bis zum 09.05.2008 zur Bewährung ausgesetzt. Nach Ablauf der Bewährungszeit wurde die Jugendstrafe mit Wirkung vom 06.09.0211 erlassen und der Strafmakel als beseitigt erklärt.
25g) Mit Urteil des Landgerichts F2 vom 30.10.2009 (…), rechtskräftig seit dem 08.04.2010, wurde der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
26Das Landgericht traf dabei folgende Feststellungen:
27Zur Vorgeschichte:
28Der Angeklagte lernte Anfang Juni 2009 die wenige Jahre jüngere C3 kennen, die zu diesem Zeitpunkt noch mit L2 liiert war. C3 fand Gefallen am Angeklagten und beide trafen sich zunächst heimlich. C3 gab dem L2 zu verstehen, dass sie ihre Beziehung beenden wolle. L2 wollte die Trennung jedoch nicht akzeptieren. Er stellte ihr nach und versuchte mehrfach, sie an ihrer Arbeitsstelle abzufangen. Ihr war das lästig und unangenehm und sie ließ sich, um sich vor ihm zu schützen, vom Angeklagten abholen. Dabei kam es am 06.06.2009 zu einem Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten und L2. Die körperliche Auseinandersetzung der beiden endete in wechselseitigen Strafanzeigen, die Gegenstand anderweitiger Verfahren sind.
291) Vorfall am Nachmittag des 29.07.2009
30Am frühen Nachmittag des 29.07.2009 hatte der Angeklagte C3 wieder von ihrer Arbeitsstelle abgeholt. In ihrem Pkw fuhren sie – der Angeklagte als Beifahrer - zu seiner Wohnung. Während der Fahrt bemerkte der Angeklagte den L2, der ihnen zu Fuß auf dem Gehweg entgegen kam. Der Angeklagte forderte C3 auf anzuhalten. Er ärgerte sich über L2, weil er vermutete, dass er der C3 wieder nachstellen wollte, und er hatte vor, „die Sache jetzt zu klären“. L2 hatte die beiden zwar auch gesehen, war aber weitergegangen. Nachdem C3 das Fahrzeug angehalten hatte, verließ der Angeklagte das Fahrzeug und setzte dem L2 nach. Er erreichte ihn, als dieser an einer Ampel stehen bleiben musste, und begann, ihn zu beschimpfen, er solle, die C3 „gefälligst“ in Ruhe lassen. Als er bemerkte, dass L2 mit seinem Handy die Polizei anrief, drehte er sich ab und ging in Richtung des PKW zurück. L2 beendete das Telefonat, indem er sagte, der Vorfall hätte sich erledigt.
31Kurze Zeit später hielt das Fahrzeug der C3 jedoch direkt neben ihm und der Angeklagte sprang heraus und beschimpfte ihn erneut. Mit ihm sei nicht zu spaßen und L2 solle sich bei C3 entschuldigen. Es kam zu einem Gerangel zwischen ihnen, wobei sie sich gegenseitig schubsten. Als der Angeklagte bemerkte, dass dabei die metallene Halskette des L2 zu Boden gefallen war, nahm er sie an sich, um den L2 dadurch zu „schädigen“, und wollte sich von L2 entfernen. L2 hatte das aber bemerkt und forderte ihn auf, die Kette zurückzugeben. Der Angeklagte gab seine Absicht auf, warf ihm die Halskette vor die Füße und ging zum PKW zurück. Mit L2 war er aber „noch nicht fertig“.
32Im Fahrzeug griff er sich aus dem Fach in der Beifahrertür einen Schlüssel, indem er ihn wie einen Dorn zwischen die Finger seiner rechten Hand nahm. Mit der zur Faust geballten Hand ging er auf L2 zu, schimpfte auf ihn ein und machte dabei vor ihm Schlagbewegungen mit der Faust. Seine Absicht war es, den L2 dadurch nachhaltig zu beeindrucken und einzuschüchtern, um ihn von C3 abzubringen. L2 ging aber davon aus, er wolle ihn angreifen und befürchtete, der aufgebrachte Angeklagte wolle ihn ernstlich verletzen. Er fühlte sich ihm unterlegen. Als er zur Abwehr, des vermeintlichen Angriffs seine Hände vor sein Gesicht hielt, streifte ihn, der Angeklagte mit dem Schlüssel in seiner rechten Hand und hinterließ eine kleine Schürfwunde an der Hand.
33Der Angeklagte, der die Verletzung nicht beabsichtigt und davon auch nichts mitbekommen hatte, ließ dann von ihm ab, stieg ins Auto und fuhr mit C3 davon.
342) Vorfall am Abend des 29.07.2009
35Am Abend des gleichen Tages kam es zu Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und C3. Sie befanden sich in der Wohnung des Angeklagten und der Angeklagte hatte sich in ein Gefühl der Eifersucht hineingesteigert. Er machte C3 Vorwürfe, sich nicht genügend um ihn zu kümmern und sich nicht klar genug für ihn entschieden zu haben. Beide stritten und beschimpften sich lautstark. Der Angeklagte ließ dabei seinen Emotionen freien Lauf und schlug der C3 mit der flachen Hand ins Gesicht in der Absicht, ihr Schmerzen zuzufügen und ihren Widerstand zu brechen. C3 war von den Schlägen zwar beeindruckt, aber nicht bereit, nachzugeben. So ging der Streit einige Zeit hin und her. Phasen übler Beschimpfungen wechselten sich mit Phasen ab, in denen der Angeklagte sich bei ihr entschuldigte und ihr seine Liebe beteuerte. Mehrfach forderte er sie auf, seine Wohnung zu verlassen, warf ihr aber dann wieder die bereits gepackte Tasche vor die Füße und bat sie, ihn nicht zu verlassen. Als sie einmal die Wohnung bereits verlassen hatte, eilte er ihr nach, schlug ihr ins Gesicht und zog sie an den Lippen in die Wohnung zurück. In der Wohnung packte er sie, hielt ihren Kopf zwischen seinen Knien und drückte ihr für einen Moment ein Kissen ins Gesicht. Er zog kräftig an ihren Haaren und riss ihr dabei mehrere aus. Der Widerstand von C3 erlahmte. Sie erkannte die Aussichtslosigkeit ihres Widerstandes, fühlte sich ihm hilflos ausgeliefert und befürchtete eine Eskalation seiner Aggressivität. Zum Schein ging sie deshalb auf seine Entschuldigungen ein, weil sie keine Chance mehr sah, die Wohnung verlassen zu können. Durch Schläge hatte sie schmerzhafte Rötungen im Gesicht und sie hatte eine gerötete Stelle am Kopf, nachdem der Angeklagte sie an den Haaren gerissen hatte. Sie war erschöpft und schlief neben dem Angeklagten ein.
363) Vorfall am Morgen des 30.07.2009
37Nach dem Erwachen eskalierte der Streit am nächsten Morgen erneut. Auch dabei ließ der Angeklagte seinen Aggressionen freien Lauf und biss C3 in die Lippe und in den Oberarm, so dass sie eine blutende Wunde an der Unterlippe und zwei rote Bissabdrücke am Oberarm und der Schulter davontrug.
38Auf seine Beteuerungen, es täte ihm leid, ging sie zum Schein ein, erstattete aber noch am gleichen Tage, nachdem sie durch eine List von ihm weggekommen war, wegen der Vorfälle Strafanzeige gegen ihn.
39In den Vorfallszeiträumen war der Angeklagte in seiner Schuldfähigkeit nicht im Sinne der §§ 20, 21 StGB eingeschränkt.
40Zur Strafzumessung führte das Landgericht aus:
41Für die Strafzumessung hat die Kammer hinsichtlich der Taten zu Lasten C3 jeweils den sich aus § 223 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren - und für die Tat zu Lasten des L2 den sich aus § 229 StGB ergebenden Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zugrunde gelegt.
42Bei der konkreten Straffindung hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
43Die Kammer hat bei allen Taten in erheblicher Weise strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte mehrfach einschlägig vorbestraft war. Das erschien auch bei der fahrlässigen Körperverletzungstat angezeigt, weil diese ebenfalls auf eine aggressive Handlung des Angeklagten zurückzuführen war. Die Kammer hat den Angeklagten jedoch nicht als Bewährungsversager angesehen. Denn die Bewährungszeit aus früherer Verurteilung war – auch wenn die Strafe im Zeitpunkt der hier abzuurteilenden Tatbegehungen noch nicht erlassen war - vor den Tatbegehungen bereits seit geraumer Zeit abgelaufen.
44Mildernd hat sich in allen Fällen ausgewirkt, dass der Angeklagte sich jedenfalls „im Prinzip“ zu seinen Tatbegehungen bekannt und dabei auch eine gewisse Schuldeinsicht gezeigt und eingeräumt hat, „Mist gebaut“ zu haben. Allerdings war die Kammer der Ansicht, dass diese Strafmilderungswirkung durch die deutlichen Verharmlosungstendenzen nicht unerheblich geschmälert worden ist, weil sie erkennbar werden ließen, dass der Angeklagte nicht bereit war, sich die über die körperlich sichtbaren Folgen hinausgehenden psychischen Verletzungen, insbesondere die angesichts seiner Aggression empfundenen Ohnmachtsgefühle seiner Opfer einzugestehen.
45Es kam ihm aber zugute, dass die Verletzungen bei seinen Opfern im Ergebnis nicht schwerwiegend waren. Mildernd hat die Kammer auch bedacht, dass er sich bei den Tathandlungen von seinen Eifersuchtsempfindungen und seinem Besitzanspruch auf C3 hat hinreißen lassen, sich im Nachhinein aber eingestanden hat, sich gegen diese emotionalen Gefühle nicht genügend gewehrt zu haben.
46In Anbetracht dieser Umstände und insbesondere im Hinblick auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten erschien die Verhängung von Geldstrafen jeweils nicht mehr schuldangemessen und zur Einwirkung auf ihn auch nicht mehr ausreichend. Unter Abwägung der strafzumessungsrelevanten Umstande gemäß § 46 StGB hat die Kammer auf Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten für die Tat am Abend des 29.07.2009 (II 2 zum Nachteil C3), von acht Monaten für die Tat am 30.07.2009 (II 3 zum Nachteil C3) und vier Monaten für die Tat vom 29.07.2009 (II 11 zum Nachteil L2) erkannt.
47Dabei hat die Kammer jeweils differenzierend die Auswirkungen der Tathandlungen auf die Opfer bedacht. Bei den beiden Taten zum Nachteil der C3 hat sie die Tathandlungen in der Nacht vom 29. Zum 30.07.2009 als die schwerwiegendere angesehen, weil die Zeugin dem Angeklagten über einen längeren Zeitraum ausgeliefert war und sich seine Aggression auf sie noch stärker ausgewirkt hat, als bei der Tathandlung am Morgen des 30.07.2009. Die insoweit von der Kammer festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen erschienen ebenso wie die Freiheitsstrafe für die Tat zum Nachteil L2 tat- und schuldangemessen. Bei letzterer hat die Kammer die Vorschrift des § 47 StGB bedacht, wonach unter 6 Monate liegende Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen zu verhängen sind. Die Unter 6 Monaten liegende Freiheitstrafe erschien aber zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich, weil mit Rücksicht auf früher wegen Körperverletzungshandlungen bereits verhängte Strafen eine Geldstrafe das falsche Zeichen für den Angeklagten gewesen wäre.
48Aus den Einzelstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53, 54 StGB unter nochmaliger Berücksichtigung sämtlicher und insbesondere der oben aufgeführten Zumessungsgesichtspunkte durch eine wegen des engen zeitlichen und - in Bezug auf die Taten .zum Nachteil der C3 - situativen Zusammenhangs zwischen den Taten angemessen maßvoll erscheinende geringfügige Erhöhung der verwirkten höchsten Einsatzfreiheitsstrafe von zehn Monaten eine insgesamt tat- und schuldhaft angemessene
49Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten
50gebildet.
51Die Kammer hat die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil sie die nach § 56 Abs. 2 StGB insoweit erforderlichen besonderen Umstände bei gesamtwürdigender Betrachtung der Taten und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht für gegeben erachtet hat.
52Es sprach zwar für den Angeklagten, dass er eine gewisse Schuldeinsicht gezeigt hat und bereit war, durch Antiaggressionsmaßnahmen zukünftigem Fehlverhalten vorbeugen zu wollen. Seine im Einlassungsverhalten beobachteten Verharmlosungstendenzen waren für die Kammer jedoch Beleg dafür, dass seine Einsicht zur Notwendigkeit einer Verhaltensänderung nicht so stark ausgeprägt ist, dass sie Grundlage eines erneuten Bewährungsversuchs sein konnte und die in Anbetracht aller Umstände notwendige Einwirkung des Strafvollzugs auf den Angeklagten entbehrlich gemacht hätte.
53h) Mit Urteil vom 04.08.2010, rechtskräftig seit dem 26.01.2011, verurteilte ihn das Landgericht F2 (…) wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, Raubes, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Entscheidung des Landgerichts F2 vom 30.10.2009 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Die Strafvollstreckung war am 01.07.2015 erledigt. Das Landgericht ordnete die Führungsaufsicht beginnend ab dem 02.07.2015 bis zum 01.07.2020 an.
54Dabei traf das Landgericht folgende Feststellungen:
55I. Taten zum Nachteil von C
561. Vorgeschichte der Beziehung
57Der Angeklagte und die Nebenklägerin C lernten sich 1999 kennen, sie besuchten Parallelklassen derselben Gesamtschule. Es entwickelte sich eine Beziehung; für die Nebenklägerin C war es die erste große Liebe. Im Alter von 15 Jahren wurde die Nebenklägerin vom Angeklagten schwanger, sie ließ das Kind jedoch abtreiben. Lediglich in den ersten Monaten verlief die Beziehung harmonisch, dann zeigte sich schnell die extreme und grundlose Eifersucht des Angeklagten, die häufig nach heftigen Eifersuchtsszenen in Beleidigungen und körperlichen Angriffen gegen die Nebenklägerin ausuferte. Bei verschiedenen Gelegenheiten schlug und schubste er die Nebenklägerin, riss ihr auch Haarbüschel aus. Es kam daraufhin zu ca. 50 Trennungen im Laufe der Jahre, der Angeklagte entschuldigte sich jedoch auch für sein Verhalten und versprach Besserung. Teilweise dauerten die Trennungen nur wenige Minuten oder Stunden.
58U. a. zeigte C ihn wegen Beleidigungen und Körperverletzungen, die er im Jahr 2002 begangen hatte, an, so dass er u. a. wegen der zu ihrem Nachteil begangen Taten durch das oben genannte Urteil des AG N3 vom 25.03.03 (…) zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt wurde.
59Der Nebenklägerin gelang es trotzdem nicht, sich dauerhaft von dem Angeklagten zu lösen, obwohl ihr soziales Umfeld, insbesondere ihre Familie, zunehmend gegen eine Beziehung zu dem Angeklagten war. Auch nach dem Urteil des AG N3 vom 21.05.03 kehrte sie zu ihm zurück, da er ihr versprach, sich zu ändern und ein Anti-Aggressions-Training zu absolvieren.
60Im Dezember 2006 waren die beiden erneut ein Paar.
612. Anklage vom 28.02.07 (…)
62Am 28.12.06 wartete die Nebenklägerin vor der Haustür des Angeklagten gemeinsam mit einem Bekannten des Angeklagten auf seine Heimkehr. Nach dem Eintreffen des Angeklagten, als die drei gemeinsam hoch in die Wohnung gingen, fragte der Bekannte die Nebenklägerin, ob sie Stress mit den Kindern gehabt habe. Dies erzürnte den eifersüchtigen Angeklagten sehr, da er daraus den Rückschluss zog, dass die Nebenklägerin in seiner Abwesenheit ein Gespräch mit dem Bekannten geführt und ihm von ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin erzählt haben musste. Als der Bekannte weggegangen war, machte der Angeklagte ihr deswegen eine heftige Eifersuchtsszene. Der Angeklagte, der immer mehr in Rage geriet, drehte der Nebenklägerin C im Verlauf der Auseinandersetzung bewusst und gewollt den Finger um, was sehr schmerzhaft war und eine Verstauchung zur Folge hatte. Im weiteren Verlauf, als die Zeugin auf einer Sessellehne im Wohnzimmer des Angeklagten Platz genommen hatte, warf er einen harten bunten Plastikbecher nach ihr, welcher sie auf die Nase traf. Dabei erkannte er jedenfalls die Möglichkeit, sie zu verletzen, und nahm dies billigend in Kauf. Die Nase schwoll an. Der Angeklagte schleuderte sodann eine große Porzellan-Tasse, aus der er üblicherweise seinen Kakao trank und die noch auf dem Wohnzimmertisch stand, in ihre Richtung, wobei er jetzt sicher voraussah, sie erneut körperlich zu verletzen. Die Porzellantasse traf die Nebenklägerin seitlich am Kopf, so dass diese aufgrund der Wucht des Treffers kurz bewusstlos wurde und zu Boden fiel. Sie erlangte jedoch bei ihrem Aufprall auf den Boden das Bewusstsein wieder. Der Angeklagte beruhigte die Zeugin, die an der Kopfseite eine Beule aufwies, mit den Worten, dass es nicht so schlimm sei, da die Wunde nicht bluten würde, und kam ihrer Bitte, einen Krankenwagen zu holen, nicht nach. Stattdessen legte ihr einen von ihm herbeigeholten nassen Lappen zum Kühlen auf den Kopf. Als es an der Haustür klingelte, zog er sie ins Schlafzimmer und wies sie an, sich ruhig zu verhalten und ihre Mutter mit ihrem Mobiltelefon darüber zu informieren, dass sie über Nacht bei ihm bleiben würde. Die Nebenklägerin schickte ihrer Mutter eine entsprechende SMS. Später verschloss der Angeklagte dann die Wohnungseingangstür. Er war jedoch weiterhin wütend, so dass ihm die Zeugin, um ihn zu beruhigen, das Lied „Ich habe einen Schatz gefunden“ von der Band T2 vorsummte, und bei ihm übernachtete.
63Am nächsten Morgen klingelten Polizeibeamte an der Wohnungstür, die den Angeklagten zur Musterung abholen wollten. Dieser suchte den Wohnungsschlüssel heraus und öffnete die Tür. Die Nebenklägerin, die immer noch unter dem Eindruck der vergangenen Nacht stand, brach in Tränen aus, was die Polizeibeamten falsch dahingehend deuteten, dass sie wegen der Abholung ihres Freundes in Sorge sei und sie mit den Worten trösteten „der kommt gleich wieder“. Die Nebenklägerin informierte später die Mutter des Angeklagten telefonisch und begab sich wegen der Fingerverletzung ins N4-Hospital. Dort wurde eine Verstauchung diagnostiziert, der Finger wurde verbunden. Die Verletzung am Kopf war nicht weiter behandlungsbedürftig. Die Zeugin hatte jedoch zunächst Schmerzen bei Berührung der verletzten Stelle am Kopf. Danach trennte sie sich kurzzeitig für ca. eine Woche von dem Angeklagten und suchte nunmehr Hilfe bei dem Verein „G“, versöhnte sich jedoch sodann erneut mit dem Angeklagten wie schon so viele Male zuvor.
643. Anklage vom 17.07.2007 (…)
65Am 16.03.07 war die Beziehung zwischen den beiden wiederum in einem kritischen Zustand. Die Mutter der Nebenklägerin, die Zeugin C4, hatte mit ihr im Verlauf des Tages eine neue SIM-Karte besorgt, um Anrufe des Angeklagten zu unterbinden. Sie war gegen die Beziehung der beiden. Am Abend traf sich die Zeugin C mit der Zeugin Q, die sie im Rahmen ihrer Erzieherausbildung kennengelernt und mit der sie sich angefreundet hatte.
66Die Nebenklägerin wollte sich mit dem Angeklagten erneut aussprechen, obwohl die Zeugin Q, der sie einiges von der Beziehung und dem Verhalten des Angeklagten berichtet hatte, dagegen war. Entgegen diesen Ratschlägen nahm sie im Verlauf des Abends erneut Kontakt zum Angeklagten auf, wobei sie entweder mit ihm telefonierte oder textete, als sie sich mit der Zeugin Q in der Gaststätte T3 befand. Die Zeuginnen hatten an dem Abend beide Alkohol konsumiert, wobei genaue Feststellungen zu den Trinkmengen und der Getränkeart nicht mehr getroffen werden konnten. Beide waren jedoch nicht betrunken. Als sie die Gaststätte T3 bereits verlassen hatten und sich eigentlich auf dem Heimweg befanden, beschlossen sie gegen 1.00 bzw. 2.00 Uhr spontan, noch die Gaststätte X aufzusuchen. Darüber informierte die Nebenklägerin den Angeklagten telefonisch und bat ihn, dort auch hinzukommen, damit sie sich aussprechen könnten. Der Angeklagte traf dort auch kurze Zeit später ein und wollte mit der Nebenklägerin vor der Gaststätte allein reden. Diese dagegen befürchtete eine Eskalation und wollte in dem Ladenlokal bleiben. Der Angeklagte beleidigte die Nebenklägerin als „Hure und Schlampe“. Schließlich willigte die Nebenklägerin, die zuvor die Zeugin Q davon abgehalten hatte, die Polizei anzurufen, ein, mit ihm draußen das Gespräch weiterzuführen. Sie hoffte, ihn auf diese Weise besänftigen zu können.
67Alle drei begaben sich nunmehr nach draußen, der Angeklagte, der sich wieder in seine Wut hineingesteigert hatte, drohte ihnen, als sie das Gespräch abbrechen und wieder hereingehen wollten, damit, dass er ihre Handys zerstören Würde. Dann griff er die zierliche Nebenklägerin, nahm sie auf die Schulter und rannte mit ihr ein paar Meter weiter. Er setzte sie dann ab und nahm sie an die Hand. Die Nebenklägerin, die glaubte, sich ohnehin nicht gegen ihn wehren zu können, ging ein Stück mit ihm zu Fuß weiter über die T4-Straße bis zu dem Spielplatz C5 Kindergarten und setzte das Gespräch mit ihm fort. Der Zeugin Q, die sich ein Taxi gerufen hatte und hoffte, so mit der Zeugin C vom Angeklagten wegkommen zu können, konnte die Nebenklägerin telefonisch erreichen und begab sich daraufhin mit dem Taxi zur Wohnanschrift des Angeklagten. Die verängstigte Nebenklägerin erklärte dem Angeklagten, dass sie vor der Haustür auf die Zeugin Q warten wolle, da sie dieser deren Bankkarte und deren Geld, welches sie aufbewahrt habe, noch zurückgeben müsse. Der Angeklagte erlaubte dies jedoch nicht mit der Bemerkung, dass er ihre Tricks kenne und sie nur zu der Zeugin Q ins Taxi steigen und verschwinden wolle. Die Nebenklägerin begab sich daraufhin mit dem Angeklagten in seine Wohnung. Die kurze Zeit später eintreffende Zeugin Q ging hoch zur Wohnung, wo ihr die Zeugin C, die neben dem Angeklagten zitternd und völlig verängstigt in der Wohnungseingangstür stand, ihre Sachen aushändigte. Deren Aufforderung mitzukommen lehnte sie jedoch ab. Denn sie sah keine Chance zu entkommen.
68Die Zeugin Q lehnte das Angebot des Angeklagten, in seiner Wohnung zu bleiben, ab und verließ die Wohnung, nachdem sie mit der Nebenklägerin verabredet hatte, sie im Halbstundentakt anzurufen. Tatsächlich rief die Zeugin Q, die die Situation nicht genau einordnen konnte, jedoch nicht wie verabredet an.
69Die Zeugin C, nunmehr allein mit dem Angeklagten, fürchtete, wie schon häufig zuvor, vom Angeklagten in seiner Wut geschlagen zu werden. Denn er hatte wieder einen Gesichtsausdruck, den sie von früheren Streitereien her kannte und der bedeutete, dass es zu körperlichen Attacken gegen sie kommen würde.
70Angsterfüllt kauerte sie sich in der Hocke sitzend auf die Couch und schlug dann zwei- oder dreimal seitlich ihren Kopf gegen die Wand. Sie wollte damit den aggressiven und aufgewühlten Angeklagten von heftigeren Schlägen gegen sie abhalten. Bei der Aktion zog sie sich keinerlei Verletzungen zu, sie fühlte sich weder benebelt, noch hatte sie eine Schwellung oder Blutung. Der Angeklagte teilte ihr daraufhin mit, dass sie aufhören solle, er werde sie nicht schlagen.
71Im Verlauf des Streits fragte der Angeklagte sinngemäß, „wie viele Schwänze sie schon gehabt“ habe.
72Sie quetschte sich völlig verängstigt in eine Ecke zwischen Wand und Sessel. Der Angeklagte äußerte nunmehr, dass er sie „die ganze Nacht ficken werde“ und zog die weiter Weinende aus dieser Ecke heraus, indem er sie an den Füßen festhielt. Es gelang ihr nicht, sich mit den Händen abzustützen und in der Ecke zu bleiben. Dann zog er der Zeugin die schwarzen Stiefel, ihre Strumpfhose und das Kleid, welches einen Reißverschluss vorn aufwies, aus und brachte die immer noch weinende Zeugin ins Schlafzimmer. Ihr Versuch, sich an der Schlafzimmertür festzuhalten, misslang. Er legte sie im Schlafzimmer auf das Bett. Nachdem er sich Hose und Unterhose ausgezogen hatte, hielt er ihre Hände fest und küsste und leckte ihre Brust. Dann steckte er seinen Finger in ihre Scheide. Auf seine Aufforderung hin nahm die Zeugin seinen Penis in den Mund und befriedigte ihn oral. Dann setzte sie sich auf weitere Anweisung des Angeklagten auf ihn. Der Angeklagte drang in sie ein und bewegte sie durch Festhalten an den Hüften bis zum Samenerguss. Den Geschlechtsverkehr führte der Angeklagte wie in der Beziehung üblich ohne Kondom durch. Die Zeugin C verhütete mittels der Anti-Baby-Pille. Der Angeklagte erkannte bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs, dass dieser gegen den Willen der Zeugin stattfand.
73Nach dem Geschlechtsverkehr stand die Zeugin auf und begab sich ins Badezimmer, um sich sauber zu machen. Als sie sich dann wieder ins Schlafzimmer begab und den auf dem Bett liegenden Angeklagten sah, überfiel sie erneut Panik. Sie gab vor, dass ihr schlecht sei und sie noch einmal ins Badezimmer müsse. Dort überlegte sie fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit. Den Gedanken, dass sie ihren Vater mit ihrem Mobiltelefon telefonisch erreichen könne, verwarf sie, da sich ihr Handy bei ihren Sachen im Wohnzimmer befand und sie glaubte, dass der Angeklagte sie daran hindern würde. Sie erwog, den Angeklagten einzuschließen, verwarf aber auch diesen Plan, weil sie fürchtete, er sei zu schnell. Sie zog sich sodann ein zum Trocknen aufgehängtes T-Shirt des Angeklagten über und ergriff einen dort herumliegenden Rasierer, damit sie sich bei einer Verfolgung durch den Angeklagten zur Wehr setzen konnte. Sie rannte aus der Wohnung heraus und schrie dabei laut um Hilfe. Sie lief zum gegenüberliegenden Haus und betätigte alle Klingeln. Der Zeuge L3, der gerade von der Nachtschicht heimgekehrt war und eine Wohnung in einem der oberen Stockwerke bewohnte, öffnete die Tür. Die Zeugin lief hinein und rannte hoch bis in seine Wohnung, wo sie sich verängstigt in eine Ecke hockte. Der Zeuge L3, der aus ihr nichts herausbekommen konnte, informierte die Polizei. Die eintreffenden Streifenbeamten N5 und S befragten die Zeugin nach dem vorgefallenen Geschehen, wobei sich die Befragung der völlig aufgelösten, zitternden und unter Schock stehenden Nebenklägerin schwierig gestaltete. Sie brachten die Nebenklägerin schließlich zu ihren Eltern nach Haus, wo sie gegen 6:00 Uhr eintrafen. Der Mutter der Nebenklägerin erklärten die Beamten, dass aus der Zeugin nichts Konkretes herauszubekommen gewesen sei. Ihrer Mutter erzählte sie den Ablauf des 16./17.03.07 in den folgenden Tagen nur stückchenweise in mehreren Gesprächen, wobei sie erst in einem der späteren Gespräche erzählte, dass sie gedacht habe, dass der Angeklagte sie „tot ficke“. Sie habe es aber über sich ergehen lassen, weil sie gedacht habe, er höre sonst nicht mehr auf. Erst später erklärte die Nebenklägerin der Zeugin Q, dass der Angeklagte ihr etwas angetan habe und sie weggelaufen sei. Auch bei dieser Erzählung war sie stark aufgelöst und erzählte keine weiteren Details.
74Die Zeugin C begab sich zunächst in ambulante ärztliche Behandlung bei dem in der M-Klinik in I tätigen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. X1. Nachdem sie ihre Ausbildung beendet hatte, begab sie sich vom 07.08.07 bis zum 04.10.07 zur stationären ärztlichen Behandlung in die T5-Klinik in U1, von Februar 2008 bis zum 19.03.08 begab sie sich erneut dorthin.
75Im Mai 2008 kam es für wenige Wochen zu einer Versöhnung zwischen C und dem Angeklagten, nachdem sich die beiden in einer der von ihnen besuchten Kneipen getroffen hatten. Der Angeklagte machte der Zeugin einen Heiratsantrag, wobei er hinzusetzte, dass dies im Hinblick auf das laufende Strafverfahren nach Auskunft seines Rechtsanwalts günstig wäre.
76Nach einem Streit beschriftete die Nebenklägerin, um ihre Liebe zu bekräftigen, ein T-Shirt mit Lippenstift vorn mit dem Schriftzug „Ich liebe Dich“ und hinten mit „Willst Du mich heiraten?“.
77Die Heiratspläne waren so weit fortgeschritten, dass beide zusammen in einem Ladengeschäft am N6 Ringe gekauft und hatten gravieren lassen und die Zeugin sich auch schon im Internet ein Brautkleid bestellt hatte. Das Aufgebot war ebenfalls bestellt worden. Die Zeugin sagte die Hochzeit jedoch kurz vor ihrer Einlieferung ins Krankenhaus wegen einer Nierenbeckenentzündung ab. Denn im Verlaufe der wenigen Wochen, in denen sie wieder zusammen gewesen waren, hatte es wiederum Ansätze von Eifersucht gegeben, bei denen der Angeklagte sein früheres Verhalten gezeigt hatte und die die Nebenklägerin erneute körperliche Übergriffe befürchten ließ.
78II. Taten zum Nachteil des Zeugen U2 (Anklage vom 19.03.2007 (…)
79Den Abend des 20.01.07 hatte der Angeklagte mit seinem Freund, dem gesondert verfolgten L4, verbracht. Beide hatten zunächst in der Wohnung des L4 Alkohol getrunken, und sich dann zur Gaststätte X begeben und dort weiter Alkohol zu sich genommen. Der Angeklagte nahm dabei im Verlauf des Abends ca. 5-6 Flaschen Bier der Marke L5 (0,5 I) sowie eine halbe Flasche Wodka zu sich.
80Gegen 1.00 Uhr kam es dann in der Gaststätte X zu Streitigkeiten, sodass der Angeklagte und L4 beschlossen, diese zu verlassen.
81Kurz darauf begegneten die zu Fuß laufenden jungen Männer dem·auf seinem Fahrrad fahrenden Zeugen U2, der damals 15 Jahre alt war, auf der T-Straße. Der Zeuge U2, der in der Nachbarschaft des Angeklagten wohnte und den dieser vom Sehen her kannte, hatte zuvor ebenfalls in der Gaststätte X Alkohol konsumiert und war leicht angetrunken. In die Auseinandersetzung, die der Angeklagte in der Gaststätte gehabt hatte, war er nicht involviert gewesen. Er fuhr in dieselbe Richtung, in die der Angeklagte C6 und L4 liefen. Aus Frustration drehte sich der Angeklagte um und trat plötzlich ohne Vorwarnung gegen das Fahrrad des Zeugen U2, so dass dieser stürzte und sich dabei am rechten Knie und am Kinn verletzte. Dabei nahm er billigend in Kauf, den Zeugen zu verletzen. Diesem brach ein Schneidezahn ab. Der Angeklagte C6 setzte sodann mit dem gesondert verfolgten L4 seinen Heimweg fort und ließ den verletzten Zeugen U2 zurück.
82Der Zeuge U2 nahm einen anderen Heimweg aus Angst vor erneuten Angriffen durch den Angeklagten. Er traf zwei Bekannte, die ihn ein Stück seines Heimweges begleiteten. Nachdem er sich von diesen getrennt hatte, begegnete er gegen 1:45 Uhr dem Angeklagten und L4 auf der C7-Straße in der Nähe des Kindergartens erneut. Als der Angeklagte rief, dass er stehen bleiben sollte, ergriff der Zeuge U2 zunächst auf dem Fahrrad die Flucht. Der Angeklagte und L4 setzten ihm nach. Da er sich so bessere Fluchtchancen versprach, sprang er schließlich vom Rad und versuchte zu Fuß über einen ca. 1,20 m hohen Zaun zu springen und zu fliehen. Der Angeklagte C6 und L4 setzten ihm jedoch weiter nach, wobei sie ebenfalls den ca. 1,20 m hohen Zaun übersprangen und den Zeugen stellten. Nunmehr nahm der Angeklagte den Kopf des Zeugen U2 in seine Armbeuge und hielt ihn auf diese Weise so fest, dass er kaum mehr Luft bekam. Er sagte zu dem Zeugen „Ein Wort und Du bist tot“. Währenddessen griff L4 aufgrund eines Tatentschlusses, den er spontan gemeinsam mit dem Angeklagten gefasst hatte, dem Zeugen in die Hosentasche und nahm dessen Mobiltelefon sowie seine Brieftasche, die kein Bargeld, aber seinen Personalausweis, die Prüfbescheinigung für sein Mofa sowie eine Bankkarte enthielt, an sich. Die Angeklagten hatten vor, die Beute unter sich aufzuteilen. Sie entfernten sich nunmehr. Der Zeuge konnte auf seinem Fahrrad die Heimfahrt fortsetzen. Er begab sich am nächsten Morgen zunächst in zahnärztliche Behandlung und dann zur Polizei. Die·Wunde am Kinn wurde mit zwei Stichen genäht.
83Als der Angeklagte die Taten beging, war seine Steuerungsfähigkeit aufgrund seiner Alkoholisierung erheblich beeinträchtigt. Die Kammer schließt sicher aus, die Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit sei aufgehoben gewesen.
84Aufgrund des Sturzes vom Fahrrad entwickelte sich am verletzten Knie des U2 ein Blutgeschwür. Im Rahmen einer im Herbst 2009 durchgeführten Knieoperation stellte sich heraus, dass es durch den Sturz zu einem Meniskusanriss gekommen war, der fortdauernde Kniebeschwerden hervorgerufen hatte. Der abgebrochene Schneidezahn wurde provisorisch überkront. Erst mit Erreichen der Volljährigkeit sind aus zahnmedizinischer Sicht dauerhafte Behandlungsformen möglich.
85In den folgenden Monaten war der Zeuge U2 aufgrund der Erlebnisse des Abends verängstigt und verließ das Haus nur noch unter Mitnahme eines Schraubenziehers, um sich schützen zu können im Falle eines Überfalles. Als der Angeklagte am Morgen nach der Tat erwachte, konnte er sich an die gewaltsame Wegnahme des Portemonnaies nicht erinnern. Als er ein ihm nicht gehörendes O und ein Portemonnaie, in dem sich jedoch keine Bankkarte mehr befand, bei sich fand, rief er L4 an, der ihm mitteilte, dass sie den Zeugen U2 „abgezogen“ hätten. Ihm tat sein Verhalten leid und er bat zunächst entgegen dem ausdrücklichen Rat von L4 seinen Bekannten, den Zeugen Q1, die Sachen dem U2 zurückzugeben. Der Zeuge Q1 begab sich noch am gleichen Tag zur Wohnung, in der der Zeuge U2 mit seinen Eltern lebte, und händigte das Mobiltelefon sowie das Portemonnaie, aus·dem jedoch die Bankkarte entfernt worden war, der Mutter des Zeugen U2 aus. Er richtete ferner aus, dass es dem Angeklagten C6 leid tue. Der Angeklagte selbst begab sich noch am selben Tag ebenfalls zur Wohnung der Familie U3 und erklärte auch gegenüber der Zeugin Q2 sein Bedauern über die Taten. Diese teilte ihm jedoch mit, dass ihr Sohn U2 gerade auf dem Weg zur Polizei sei, um Anzeige zu erstatten. Der Zeuge hatte die Bankkarte sofort sperren lassen. Einige Zeit nach dem Vorfall entschuldigte sich der Angeklagte persönlich bei dem Geschädigten U2 und trank mit ihm gemeinsam ein Bier. Ein von dem Angeklagten schon bei dieser Gelegenheit angebotenes Schmerzensgeld lehnte der Zeuge U2 zunächst ab, da er etwaige Spätschäden wegen der aus dem Vorfall resultierenden Zahnverletzung nicht überblicken konnte. ln der Hauptverhandlung entschuldigte sich der Angeklagte erneut bei dem Zeugen U2, der diese Entschuldigung annahm und sich sodann auf schriftliches Angebot des Verteidigers mit der Zahlung eines Schmerzensgeld von 1000 € in Raten einverstanden erklärte.
86III. Tat zum Nachteil der Nebenklägerin H3 (Anklage vom 09.01.2008, …)
87Am …, einen Tag nach ihrem 18. Geburtstag, lernte die Nebenklägerin H3 den Angeklagten über den Zeugen I1, der mit ihr die gleiche Schulklasse im Berufskolleg E1 besuchte, kennen und begann bald eine Beziehung mit ihm. Nachdem die Partnerschaft in den ersten Wochen trotz der erkennbaren außergewöhnlichen Eifersucht des Angeklagten noch harmonisch verlaufen war, kam es bald zu heftigen Eifersuchtsszenen des Angeklagten. So gab es am 26.08.07 einen heftigen Streit allein deswegen, weil die Nebenklägerin einem alten Bekannten geschrieben hatte, um sich mit diesem zu treffen. Der Angeklagte beleidigte die Nebenklägerin daraufhin am Busbahnhof. Dies war der Grund für die Nebenklägerin, die Beziehung zum Angeklagten zu beenden. Am nächsten Tag, dem 27.08.07, erschien sie in der Wohnung des Angeklagten, um ihre Sachen abzuholen. Es kam erneut zu einer Eifersuchtsszene, der Angeklagte nahm ihr ihr Mobiltelefon weg, verlangte von ihr die Herausgabe ihrer PINs, drohte damit, die SIM-Karten durchzubrechen, und löschte schließlich die Nummern ihrer Freunde. Als sie die Wohnung verlassen wollte, fasste er sie mit einer Hand an den Hals, und drückte sie auf diese Weise an die Tür. Da er kurz mit seiner Mutter telefoniert hatte, teilte er ihr mit, dass er nunmehr eine Zeugin dafür habe, dass er allein in der Wohnung gewesen sei. Im weiteren Verlauf des Streites aschte er die Nebenklägerin H3 mit·einer brennenden Zigarette an und sagte ihr, dass es ihr nur recht geschehe, wie er sie behandele. Die Nebenklägerin wurde dadurch nicht verletzt, fühlte sich jedoch erniedrigt. Schließlich beruhigte sich der Angeklagte und flehte sie an, ihm noch eine Chance zu geben. Zunächst aus Angst vor dem Angeklagten willigte die Nebenklägerin schließlich ein. Der Angeklagte versprach, dass so etwas nie wieder passieren würde, und brachte sie zum Bahnhof.
88Das Verfahren ist insoweit gem. § 154 StPO eingestellt worden.
89In der folgenden Woche hielt sich die Nebenklägerin H3 wieder jeden Tag nach der Schule bei dem Angeklagten auf, ohne dass es zu Streitereien kam.
90Den Abend des 02.09.07, einen Sonntagabend, verbrachte sie wiederum in der Wohnung des Angeklagten. Sie schauten gemeinsam fern, sie auf der Couch, er auf dem Sessel. Die Zeugin wollte den letzten Bus nehmen und zu Haus übernachten, da sie am nächsten morgen früh zur Schule musste. Als sie deswegen auf die Aufforderung des Angeklagten, zu ihm herüber zu kommen, ablehnend reagierte, verärgerte dies den Angeklagten. In aggressivem Tonfall stellte er ihr Fragen, deren Antwort er nicht abwartete. Die Nebenklägerin H3, die sich an die Situation von vor einer Woche erinnert fühlte und erneute körperliche Übergriffe befürchtete, beschloss daraufhin, die Flucht zu ergreifen. Als der Angeklagte seine Füße auf dem Couchtisch ablegte, sprang sie auf und lief auf Socken aus der Wohnung. Ihre Schuhe hatte sie nämlich wie üblich vor der Wohnungseingangstür abgestellt.
91Der Angeklagte folgte ihr und sprang dabei, um ihr den Weg zu versperren, über das Treppengeländer einen Treppenabsatz nach unten, wobei er sich den Fuß verletzte. Die Zeugin schrie vor Schreck einmal laut auf. Nunmehr nahm der Angeklagte sie in seine Arme und führte sie so zurück in die Wohnung, wobei er ihr versicherte, dass er ihr nichts tun werde. Die Zeugin leistete keine Gegenwehr, weil sie davon ausging, dass sie sowieso keine Chance mehr zur Flucht habe. Er nahm ihre Stiefel, die immer noch vor der Wohnungseingangstür standen, mit in die Wohnung und schloss die Wohnungseingangstür ab. Dann nahm er der Nebenklägerin die zwei Mobiltelefone, die sie mit sich führte, ab und holte einen Schal herbei, mit dem er sie knebeln wollte. Durch das Versprechen, nicht zu schreien, konnte sie ihn jedoch dazu überreden, den Schal nicht einzusetzen. Der Angeklagte war weiterhin sehr aggressiv und stand unter großer Anspannung, da er befürchtete, jemand habe den Schrei im Treppenhaus gehört und die Polizei alarmiert. Er ging mit der Nebenklägerin ins Schlafzimmer und verschloss auch diese Tür von innen. Dort ließ er die Rollläden so herunter, dass nur ein kleiner Spalt als Sichtmöglichkeit für ihn verblieb. Während die Nebenklägerin sich verängstigt auf das Bett setzte, lief er in dem nunmehr abgedunkelten Schlafzimmer hin und her und sagte sinngemäß, dass er sie am liebsten nunmehr schlagen würde. Die verängstigte Nebenklägerin wich dem Angeklagten auf dem Bett aus, da sie Übergriffe befürchtete. Durch seine Stimme konnte sie auch im Dunklen erkennen, wo er sich ungefähr gerade befand.
92Der Angeklagte drohte der Nebenklägerin im Verlaufe dieses Geschehens damit, dass ihr etwas passiere, wenn „jetzt die Bullen kämen“, nur weil sie im Treppenhaus geschrien habe. Schließlich setzte er sich auf das Bett, weinte und sagte, dass es ihm leid täte. Er forderte die Zeugin auf, ihn zu küssen. Dies lehnte die Nebenklägerin mit der Begründung ab, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sei. Sie drehte sich weg. Dies provozierte den Angeklagten nunmehr erneut, er bedrängte sie aggressiv weiterhin, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben. Die Nebenklägerin bekam nunmehr noch größere Angst und erinnerte sich daran, wie er sie eine Woche zuvor in einem solchen Wutanfall gewürgt hatte. Sie befürchtete, dass es erneut dazu kommen würde. Aus Angst kam sie nunmehr seiner Aufforderung nach. Der Angeklagte zog sich selbst aus. Nicht mehr geklärt werden konnte, ob sie sich selbst entkleidete oder der Angeklagte dies ohne ihre Gegenwehr tat. Sie setzte sich sodann auf seine Aufforderung auf sein erigiertes Glied. Er hielt mit festem Druck ihre Hüften mit seinen Händen fest und führte den Geschlechtsverkehr aus. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Nebenklägerin nur deswegen den Geschlechtsverkehr mit ihm ausführte, weil sie Todesangst hatte und ihre Situation als aussichtslos einschätzte. Als sie Schmerzen im Unterleib verspürte, sagte sie ihm dies. Der Angeklagte forderte sie daraufhin auf, weiterzumachen mit der Begründung, dass er ohnehin gleich „kommen würde“. Der Angeklagte kam in der Scheide der Nebenklägerin zum Samenerguss. Ein Kondom benutzte er nicht, was in der Beziehung so üblich war, da sie mittels Anti-Baby-Pille verhütete. Nach der Beendigung des Geschlechtsverkehrs legte sich die Nebenklägerin neben den Angeklagten und sagte ihm, dass sie am nächsten morgen früh losfahren wolle. Der Angeklagte war damit einverstanden und händigte ihr eines ihrer beiden Mobiltelefone aus, so dass sie dessen Weckfunktion aktivieren konnte. Er sagte ihr, dass sie Schuld an seinen Schmerzen im Fuß wegen des Sprungs über das Treppengeländer sei. Sie blieb über Nacht in der immer noch verschlossenen Wohnung des Angeklagten. Am nächsten Morgen gab er ihr auch das andere Mobiltelefon zurück und schloss die Wohnungstür auf. Als die Zeugin den Bus bestiegen hatte, teilte sie ihm per SMS mit, dass sie die Beziehung beende.
93Da der Angeklagte sie jedoch weiter belästigte, anrief und beschimpfte und ihr auflauerte, erstattete sie am 07.09.2007 (Straf-)Anzeige wegen der Vorfälle vom 27.08.07 und 02.09.07, wobei sie auf der Polizeiwache E2 in Begleitung ihrer Eltern erschien und nach ausführlicher Vernehmung durch den POK I2 ein Vernehmungsprotokoll unterzeichnete, in dem es zu dem Geschlechtsverkehr am 02.09.07 heißt „Er wollte dann mit mir schlafen. Ich sagte, dass ich das nicht wolle. Aus lauter Angst willigte ich dann ein. Es kam zum Beischlaf. Am anderen Morgen konnte ich die Wohnung verlassen.“ Ferner beantragte sie am 10.09.07 bei der Rechtsantragstelle des AG E3 ein Kontaktverbot nach § 1 GewSchG. Ihren Antrag begründete sie lediglich mit dem Vorfall vom 26.08.07. Protokolliert wurde insoweit folgendes: „Seit dem 26.08.2007 ist die Antragstellerin massiven Übergriffen des Antragsgegners ausgesetzt. Am 26.08.2007 kam es zwischen den Parteien zu einem Streit. Am 27.08.2007 hat die Antragsteller den Antragsgegner noch einmal zwecks Klärung der Angelegenheit und zur Herausgabe einiger Sachen aufgesucht. Bei dieser Gelegenheit hat der Antragsgegner die Antragstellerin tätlich angegriffen, hat sie gewürgt, und mit Schlägen bedroht. Er hat sie gegen ihren Willen in einem Zimmer eingesperrt und dort festgehalten. Erst am Abend des betroffenen Tages hat er die Antragstellerin wieder freigelassen. Seit diesem Vorfall wird die Antragstellerin dauernd von dem Antragsgegner mit Schlägen u.ä. bedroht. Sie traut sich nicht mehr alleine auf die Straße.“
94Die Nebenklägerin begab sich in der Zeit von Mai bis Juli 2008 in die Medizinisch-Psychosomatische Klinik S1, wo eine posttraumatische Belastungsstörung, eine somatoforme autonome Funktionsstörung und eine leicht depressive Episode diagnostiziert wurden. Es schloss sich eine Behandlung bei einer Psychologin in N an, die die Nebenklägerin jedoch vorzeitig abbrach. Noch heute leidet sie psychisch unter den Folgen des Vorfalls.
95Zur Strafzumessung führte das Landgericht aus:
96I. Taten zum Nachteil der Zeugin C
971. Tat vom 28.12.06
98Auszugehen war vom Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
99Die Kammer hat dabei unter Berücksichtigung aller Umstände in diesem Einzelfall einen minder schweren Fall verneint. Zwar war dabei zugunsten des Angeklagten der inzwischen vergangene Zeitablauf, der durch die der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung entstanden ist, zu berücksichtigen. Der noch junge Angeklagte wurde durch die Ungewißheit erheblich in seiner weiteren Lebensplanung beeinträchtigt. Die Kammer hat zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass aufgrund dieser Verzögerung das Verfahren bei Antritt der Strafhaft in der Strafsache … noch nicht abgeschlossen war mit der Folge, dass er aus dem offenen Vollzug in den geschlossenen Vollzug verlegt worden ist. Auch mussten sich strafmildernd das Teilgeständnis des Angeklagten und seine Entschuldigung auswirken. Mildernd war ferner zu berücksichtigen, dass er eingestanden hat, dass er zu einer extremen Eifersucht und einem extremen Besitzanspruch neigt. Zu seinen Lasten fiel jedoch ins Gewicht, dass es schon früher wiederholt zu körperlichen Übergriffen gegen die Nebenklägerin C gekommen war und er in einem Fall sogar schon strafrechtlich einschlägig verurteilt worden war. Auch der Umstand, dass es sich um zwei Würfe handelte und die Nebenklägerin durch den zweiten Wurf kurzzeitig bewusstlos wurde, musste sich zu seinen Lasten auswirken.
100Die Kammer hat im Ergebnis unter Berücksichtigung aller genannten Strafzumessungsgründe eine Freiheitsstrafe von·
101einem Jahr
102für tat- und schuldangemessen erachtet.
1032. Tat vom 17.03.2007
104Ausgangspunkt für die Strafzumessung war insoweit der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB, der eine Strafe von zwei Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht. Die Kammer hat dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles jedoch Anlass gesehen, nicht nur vom Strafrahmen des Abs. 2, sondern auch vom Regelstrafrahmen des Abs. 1 abzusehen und im Ergebnis einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 5 StGB zu bejahen. Die Kammer ist dabei davon ausgegangen, dass Umstände vorliegen, die trotz Erfüllung des Regelbeispiels in ganz außergewöhnlichem Umfang schuldmindernd waren.
105Denn strafmildernd musste sich bei der konkreten Strafzumessung hinsichtlich der Tat vom 16./17.03.2010 auswirken, dass der Angeklagte Gewalt nur im unteren Rahmen des für die Tatbestandsverwirklichung Erforderlichen anwandte. Auch der Umstand, dass die über Jahre andauernde Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin C und das Verhalten der Nebenklägerin gegenüber dem Angeklagten in hohem Maße ambivalent war, was zu der Eskalation der Situation in der Tatnacht beigetragen hat, war zu seinen Gunsten zu werten. Außerdem war der Umstand zu berücksichtigen, dass sich die Ambivalenz auch nach der Tat fortsetzte und in Heiratsplänen mündete. Mildernd war des weiteren hier zu berücksichtigen, dass er eingestanden hat, dass er zu einer extremen Eifersucht und einem extremen Besitzanspruch neigt.
106Auch hier musste zudem Berücksichtigung finden, dass seit der Tat ein der Justiz anzulastender erheblicher Zeitablauf vergangen ist und der noch junge Angeklagte während des schwebenden Strafverfahrens erheblich in seiner weiteren Lebensplanung eingeschränkt war und dies Auswirkungen auf die von ihm inzwischen in dem Verfahren … zu verbüßende Strafhaft hat.
107Zu Lasten des Angeklagten war demgegenüber zu werten, dass er schon als Jugendlicher vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, und während der Tat unter laufender Bewährung stand. Straferschwerend war auch zu würdigen, dass die Nebenklägerin C auch heute noch ganz erheblich psychisch unter den Folgen der Tat leidet.
108Unter Berücksichtigung aller Umstände hielt die Kammer im Ergebnis eine Freiheitsstrafe von
109einem Jahr und sechs Monaten
110für tat- und schuldangemessen
111II. Taten zum Nachteil von U2
1121. Hinsichtlich der Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen U2 war von dem Strafrahmen des§ 223 StGB auszugehen, der Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht. Den somit maßgeblichen Strafrahmen hat die Kammer sodann gem. §§ 49, 21 StGB auf einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten gemildert.
113Die Kammer ist dabei aufgrund der von dem Angeklagten zu seinen Trinkmengen gemachten Angaben und den Ausführungen des Zeugen U2 davon ausgegangen, dass eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedenfalls nicht auszuschließen war.
114Der Strafrahmen war sodann gern. §§ 46 a, 49 StGB ein weiteres Mal zu mildern auf einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 9 Monaten.
115Denn es ist zu einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich gekommen. Der Zeuge U2, der zuvor schon eine Entschuldigung des Angeklagten angenommen hatte, hat dies in der Hauptverhandlung erneuert und auch das ihm angebotene Schmerzensgeld von 1 000 €, dessen ratenweise Zahlung der Angeklagte in Aussicht gestellt hat, angenommen, auch wenn insoweit am Schluss der Hauptverhandlung die vollständige Zahlung noch nicht erfolgt war.
116Bei der Strafzumessung im Einzelnen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein von Bedauern getragenes Geständnis abgelegt hat. Auch die lange der Justiz anzulastende Verfahrensdauer, die ihn in seiner weiteren Lebensführung beeinträchtigt hat, war ganz erheblich zu Gunstendes Angeklagten zu berücksichtigen, ebenso wie die schon genannten Auswirkungen auf die Strafhaftausgestaltung in dem Verfahren … . Gleiches galt für den Umstand, dass der Angeklagte noch jung ist. Zu seinen Lasten musste sich demgegenüber auswirken, dass er einschlägig vorbestraft ist, zur Tatzeit unter laufender Bewährung stand und die durch die Tat erlittenen Verletzungsfolgen sowohl körperlich als auch psychischer Art erheblich sind.
117Die Kammer hat insoweit eine Einzelstrafe von
118acht Monaten
119für tat- und schuldangemessen erachtet.
1202. Hinsichtlich des Raubes war vom Strafrahmen des§ 249 I StGB auszugehen, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren vorsieht.
121Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles geprüft und im Ergebnis bejaht. Dabei war ausschlaggebend das Zusammentreffen ganz erheblicher Milderungsgründe. So war der Angeklagte weitgehend - soweit er sich erinnern konnte - geständig. Dem Zeugen U2 ist im Ergebnis kein großer materieller Schaden entstanden. Er musste lediglich eine neue Bankkarte beantragen. Ganz beträchtlich musste sich auch hier die lange, der Justiz anzulastende Verfahrensdauer auswirken, die den noch jungen Angeklagten ganz erheblich in seiner weiteren Lebensführung und Zukunftsplanung beeinträchtigt hat.
122Auch dass er im Rahmen der Hauptverhandlung Angaben zum bisher unbekannten Aufenthaltsort des gesondert verfolgten L4 gemacht hat, die allerdings bis zum Schluss der Hauptverhandlung nicht zu einer Ergreifung führen konnten, war strafmildernd zu werten. Es handelte sich zwar, da die Angaben erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgten, nicht um einen Fall des § 46 b StGB, jedoch jedenfalls um einen sich bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten auswirkenden Umstand.
123Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte sich bei Begehung des Raubes in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befand, lag demnach ein minder schwerer Fall vor mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
124Die Kammer hat sodann eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 49, 46 a StGB vorgenommen, da schon die genannten Milderungsgründe ohne die Berücksichtigung des zusätzlich erfolgten Täter-Opfer-Ausgleichs die Annahme eines minder schweren Falles ermöglichten und mithin die Strafmilderung nach § 46 a StGB noch nicht verbraucht war. Der Angeklagte hat durch seine - auch schon zeitnah zur Tatbegehung erfolgte - Schadenswiedergutmachung durch Rückgabe der entwendeten Gegenstände und Entschuldigung, die der Zeuge U2 spätestens im Rahmen der Hauptverhandlung auch angenommen hat, die Tat zum überwiegenden Teil wieder gutgemacht.
125Maßgeblich für die konkrete Strafzumessung war daher der Strafrahmen von einem Monat bis zu 3 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe.
126Die Kammer hat dabei unter Berücksichtigung aller genannten Umstände zugunsten des Angeklagten sowie zu seinen Lasten des Umstands, dass er trotz seines jugendlichen Alters schon vorbestraft war und zur Tatzeit unter laufender Bewährung stand und die Tat nur kurze Zeit nach der ersten Tat- der Körperverletzung- zum Nachteil des Zeugen U2 geschah, eine Freiheitsstrafe von
12710 Monaten
128für tat- und schuldangemessen erachtet.
129III. Tat zum Nachteil H3
130Die Kammer hat dabei den Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zugrunde gelegt, der eine Strafe von zwei Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht.
131Die Kammer hat dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles keinen Anlass gesehen, vom Strafrahmen des Absatzes 2 abzuweichen. Anders als bei der Zeugin C kam es nach der Tat zu keinerlei Aussöhnung zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten, die Nebenklägerin hat durch ein ambivalentes Verhalten im Vorfeld die Tatbegehung auch nicht begünstigt.
132Die Kammer hat bei der Strafzumessung im Einzelnen berücksichtigt, dass der Angeklagte noch sehr jung ist und sich jetzt erstmals in Strafhaft in dem Verfahren … befindet. Zu seinen Gunsten war ferner auch hier zu berücksichtigen die lange, der Justiz anzulastende Dauer des Strafverfahrens, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung seit Beginn der Anklageerhebung für den Angeklagten darstellte und ihm eine weitere Lebensplanung erschwerte. Die Kammer hat zu seinen Gunsten auch hier berücksichtigt, dass aufgrund dieser Verzögerung das Verfahren bei Antritt der Strafhaft in der Strafsache … noch nicht abgeschlossen war mit der Folge, dass er aus dem offenen Vollzug in den geschlossenen Vollzug verlegt worden ist. Mildernd war zu berücksichtigen, dass er eingestanden hat, dass er zu einer extremen Eifersucht und einem extremen Besitzanspruch neigt. Strafmildernd musste sich ebenfalls auswirken, dass die Zeugin H3 unmittelbare körperliche Folgen nicht davongetragen hat.
133Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass es zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin H3 kam trotz der laufenden Bewährung und des laufenden Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Nebenklägerin C, sowie der Umstand, dass die Zeugin H3 auch heute noch erheblich psychisch unter den Folgen der Tat leidet.
134Die Kammer hat daher im Ergebnis eine Freiheitsstrafe von
135zwei Jahren und vier Monaten
136für tat- und schuldangemessen erachtet.
137Die Einzelstrafen aus dem Urteil des LG F2 vom 30.10.09 (…)) in Höhe von zehn Monaten, acht Monaten und vier Monaten waren nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe gern. §§ 53, 55 StGB einzubeziehen.
138Unter nochmaliger Berücksichtigung sämtlicher genannten Strafzumessungsgesichtspunkte sowie des Umstands, dass der Angeklagte die Tat zum Nachteil der Zeugin C3 während des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens in dieser Sache, nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils der XVI. großen Strafkammer begangen hat und insoweit die gleichen einschüchternden, aggressiven Verhaltensweisen wie bei den Nebenklägerinnen C und H3 an den Tag gelegt hat, hat die Kammer unter Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe von zwei Jahren und vier Monaten eine
139Gesamtfreiheitsstrafe von
140fünf Jahren und drei Monaten
141gebildet. Sie hat dabei gesehen, dass die Taten zum Nachteil C und U2 in recht engem zeitlichem Zusammenhang stehen.
142i) Mit Urteil des Amtsgerichts H4 vom 19.02.2018 (…), rechtskräftig seit dem 27.02.2018, wurde der Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt. Die Geldstrafe ist bereits vollständig bezahlt.
1433.
144Der Angeklagte befindet sich seit dem 20.05.2020 aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts F2 vom 24.04.2020 in Untersuchungshaft in der JVA F3. Dort befindet er sich auf der Behandlungsabteilung „sozialorientierte Abteilung – Prophylaxe (SOA-P)“ und nimmt an der „BiG-Staffel“ teil, einem Behandlungsprogramm für inhaftierte Gewalttäter, bei dem die eigene Biographie und Delinquenz reflektiert und ein Rückfallprophylaxeplan erarbeitet wird. Aktuell arbeitet der Angeklagte in der JVA als Hausarbeiter.
145II.
146Feststellungen zur Sache
1471. Beziehung des Angeklagten und der Zeugin N1
148Der Angeklagte lernte die Zeugin N1 im April 2017 über die Dating-App M1 kennen. Kurze Zeit später folgte ein erstes persönliches Kennenlernen, bei dem es zum Geschlechtsverkehr kam. In der Folgezeit trafen sich die beiden täglich und beschlossen nach wenigen Tagen, eine feste Beziehung einzugehen.
149Die Zeugin N1 brachte in die Beziehung ihren zum damaligen Zeitpunkt drei Jahre alten Sohn J (*…) mit und bewohnte mit diesem eine Wohnung in der B2-Straße in H5.
150Nach drei bis vier Wochen lernte der Angeklagte die Eltern der Zeugin N1 kennen. Dieses Kennenlernen verlief harmonisch, jedoch gab es zum damaligen Zeitpunkt Konflikte zwischen dem Angeklagten und J´s Vater. Es wurde sodann vereinbart, dass J´s Vater den gemeinsamen Sohn nicht mehr bei der Zeugin N1, sondern bei deren Eltern abhole, damit es nicht zu einem Aufeinandertreffen mit dem Angeklagten komme.
151Der Angeklagte zog schon nach kurzer Zeit aus seiner eigenen Wohnung in der C8-Straße in H5 zu der Zeugin N1 in deren Wohnung in der B2-Straße in H5. Kurz vor der Hochzeit am … beschlossen der Angeklagte und die Zeugin, ein Kind zu bekommen. Der erste gemeinsame Sohn F wurde am … geboren. Vor der Geburt zogen die Eheleute in eine Wohnung unter der Anschrift I3-Straße … in H5.
152Wenige Monate nach F´s Geburt war die Zeugin N1 erneut – diesmal ungeplant – schwanger. Die Familie zog daraufhin in eine neue Wohnung unter der Anschrift I4-Weg … in H5, in der die Eheleute mit den Kindern bis zu ihrer Trennung wohnten. Der Sohn B kam am … auf die Welt.
153Die Beziehung des Angeklagten und der Zeugin N1 verlief zu Beginn harmonisch. Das Verhältnis des Angeklagten zu dem Sohn der Zeugin N1, J, war von Beginn an distanziert, da der Angeklagte Schwierigkeiten hatte, ihn als Sohn eines anderen Mannes zu akzeptieren. Anfangs hatte er deswegen sowie wegen der Schwierigkeiten mit J´s Vater Bedenken gegenüber der Beziehung, die er auch gegenüber der Zeugin N1 äußerte. Das Paar entschied sich jedoch dazu, zusammen zu bleiben. Der Angeklagte berichtete der Zeugin vor der Hochzeit von seinen Vorstrafen und seiner verbüßten Haft. Die Zeugin hoffte, dass der Angeklagte sich durch die in der Haft durchgeführte Therapie geändert habe und war der Auffassung, dass „jeder eine zweite Chance verdiene“.
154Bereits kurz nach der Hochzeit zeigte sich der Angeklagte gegenüber der Zeugin N1 aus nichtigen Anlässen zunehmend eifersüchtig, insbesondere, wenn sie sich mit anderen Männern unterhielt. Als die Zeugin eines Tages gemeinsam mit dem Angeklagten ihren Sohn J aus dem Kindergarten abholte, unterhielt sie sich kurz mit einem anderen Vater, der versehentlich vor der Zeugin die Tür hatte zufallen lassen. Daraufhin untersagte der Angeklagte der Zeugin, J zukünftig aus dem Kindergarten abzuholen, damit sie keine Möglichkeit mehr hatte, sich mit anderen Vätern zu unterhalten. Bei einer anderen Gelegenheit hatte sich die Zeugin mit einem Freund des Angeklagten unterhalten, der bei den Eheleuten zu Besuch gewesen war, woraufhin der Angeklagte aus Eifersucht zwölf Stunden lang nicht mit der Zeugin redete. Ein weiteres Mal unterstellte der Angeklagte der Zeugin, einen Mitarbeiter bei N7 „angegafft“ zu haben, als die Zeugin ihr Erstaunen darüber geäußert hatte, dass sich der Mitarbeiter ihre durchaus umfangreiche Bestellung gemerkt hatte, ohne sich Notizen machen zu müssen. Der Angeklagte beschimpfte sie deswegen als „Hure“ und „Schlampe“. Des Weiteren war der Angeklagte eifersüchtig, wenn er mit der Zeugin im Auto saß und sie an einer roten Ampel standen, da der Angeklagte stets der Auffassung war, die Zeugin sehe dabei anderen Männern hinterher, anstatt auf die Ampel zu achten. Dabei zog der Angeklagte der Zeugin, während diese das Fahrzeug führte, an den Haaren.
155Es kam zu mehrfachen Trennungsversuchen der Zeugin N1, in deren Folge der Angeklagte wütend wurde und die er mit Gewalt zu unterbinden versuchte. Weiterer Streitauslöser waren neben der Eifersucht die täglichen Besuche des Angeklagten in der Spielhalle. Wenn der Angeklagte im Rahmen eines Streits wütend wurde, machte es den Eindruck, als sei er „besessen“, was sich in seinem Blick und seiner Körpersprache äußerte. So bekam der große und kräftige Angeklagte „riesige Augen“, die nur noch aus den geweiteten Pupillen zu bestehen schienen, machte sich groß und baute sich auf diese Art und Weise vor der kleinen und zierlichen Zeugin auf. Die Zeugin sprach mit niemandem über die Vorfälle außer mit dem Angeklagten selbst, da sie dies als einzigen Ausweg aus ihrer Situation sah. Der Angeklagte entschuldigte sich nach einem Streit stets für sein Verhalten in Form der Handgreiflichkeiten, war jedoch der Ansicht, im Grunde mit seiner Eifersucht und seiner Wut Recht zu haben. Er versprach der Zeugin jedes Mal, sich zu bessern.
156Die Zeugin lernte die Verhaltensweisen des Angeklagten zu antizipieren und passte ihr eigenes Verhalten daran an, sodass die Gewaltausbrüche des Angeklagten zum Ende der Beziehung hin abnahmen. So wusste die Zeugin, was sie sagen durfte und was nicht, wenn sie den Angeklagten nicht noch wütender machen wollte. Sie ging nur noch mit gesenktem Blick durch die Stadt, damit der Angeklagte ihr nicht vorwerfen konnte, andere Männer anzusehen. Sie hörte auf, sich zu schminken, da der Angeklagte meinte, sie würde dies nur tun, um anderen Männern zu gefallen. Das Anpassungsverhalten der Zeugin hatte auch Auswirkungen auf ihr Verhältnis zu ihrem Sohn J. Sie bemerkte, dass der Angeklagte ihren mütterlichen Kontakt zu J nicht guthieß, sodass J in der Folge von dem Leben der Familie N8 ausgeschlossen wurde. Er verbrachte die meiste Zeit bei den Eltern der Zeugin N1. Wenn sich J doch in der ehelichen Wohnung aufhielt, vermied die Zeugin den Kontakt zu ihm, z.B. ihn in den Arm zu nehmen oder zu baden, weil sie wusste, dass dies dem Angeklagten missfiel.
157Der Angeklagte ging seiner Ehefrau während der Beziehung insgesamt zwei Mal fremd. So verabredete er sich einmal, als die Zeugin N1 mit F schwanger war, mit einer Frau über F4 zum Geschlechtsverkehr. Der Angeklagte ließ sich von seiner Ehefrau, da er selbst keinen Führerschein besitzt, unter dem Vorwand, er hätte ein über F4 verabredetes Geschäft abzuwickeln, zu der Wohnung der Frau fahren. Die Zeugin N1 wartete im Auto, während sich der Angeklagte, wie er es von vornherein geplant hatte, etwa 1,5 Stunden in der Wohnung der Frau aufhielt und mit ihr Geschlechtsverkehr hatte. Als die Zeugin nach der Rückkehr des Angeklagten bemerkte, dass dieser nach Damenparfüm roch, sagte ihr der Angeklagte, dieses stamme von einer alten Dame, die im Hausflur an ihm vorbeigelaufen sei. Ein weiteres Mal hatte der Angeklagte über F4 einer anderen Frau geschrieben und sich zu einem persönlichen Treffen verabreden wollen. Dabei hatte er der Frau auch Lichtbilder von sich mit freiem Oberkörper übersandt.
158Nachdem es der Zeugin schließlich am 29.09.2019 gelang, sich von dem Angeklagten zu trennen, zog sie aus der ehelichen Wohnung aus und wohnte seitdem mit ihren Kindern bei ihren Eltern.
159Nach einer kurzzeitigen Aussöhnung der Eheleute kam es bei einem letzten Treffen Ende November 2019 zum ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Zeugin N1 äußerte Bedenken, den Geschlechtsverkehr ungeschützt zu vollziehen. Sie wollte nicht erneut schwanger werden, nachdem sie bei F´s Geburt eine Uterusfraktur erlitten hatte und die Ärzte ihr dringend davon abgeraten hatten, erneut schwanger zu werden, da eine erneute Schwangerschaft für die Zeugin lebensgefährlich sein könnte. Der Angeklagte versicherte ihr, er würde nicht in der Zeugin zum Samenerguss kommen, tat es aber schließlich doch, weil er, wie er gegenüber der Zeugin äußerte, „zu geil war“. Die Zeugin N1 war daraufhin erneut von dem Angeklagten schwanger. Die endgültige Trennung erfolgte am 06.12.2020. Die gemeinsame Tochter F1 kam am … auf die Welt.
1602. Tatgeschehen
161Zwischen September 2017 und dem 19.08.2019 kam es zu den nachfolgenden Taten:
162a) (Ziffer 1 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
163Im September 2017 zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Tatzeitpunkt kam es in der Wohnung der Eheleute auf der B2-Straße in H5 zu einem Streit der zu dem Zeitpunkt mit F schwangeren Zeugin N1 und dem Angeklagten, nachdem die Zeugin gegenüber dem Angeklagten geäußert hatte, sich von diesem trennen zu wollen. Die Zeugin verließ mit ihrem Sohn J die eheliche Wohnung in der B2-Straße und beabsichtigte, zu ihren Eltern zu gehen, die fünf Gehminuten entfernt wohnten. Der Angeklagte folgte der Zeugin auf die Straße und forderte sie laut brüllend auf, stehen zu bleiben. Als die Zeugin ihren Weg dennoch fortsetzte, warf der Angeklagte einen Schlüsselbund in Richtung der Zeugin in der Absicht, diese zu treffen. Tatsächlich verfehlte der Angeklagte die Zeugin und traf den Sohn der Zeugin an der Wade. J blieb unverletzt, verspürte jedoch Schmerzen und weinte. Die Zeugin hob daraufhin den Schlüsselbund auf, hielt diesen in ihrer Hand fest und fragte den Angeklagten „ob er noch alle Tassen im Schrank habe“. Der Angeklagte antwortete, dass er eigentlich die Zeugin und nicht J habe treffen wollen. Dass der Wurf mit einem Schlüsselbund gegen den Körper eines Anderen bei diesem nicht unerhebliche Verletzungen hervorrufen kann, war dem Angeklagten bei Begehung der Tat bewusst. Er nahm dies jedoch zumindest billigend in Kauf.
164Der Angeklagte ließ nicht von der Zeugin ab und hielt sie an ihrer Tasche fest. Dabei riss einer von zwei Henkeln der Tasche ab, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.
165Die Zeugin, die den Schlüssel weiterhin in ihrer Hand umschlossen hielt, ließ die Tasche auf den Boden fallen und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte folgte ihr, redete weiter auf sie ein und stellte sich ihr in den Weg. Er äußerte gegenüber der Zeugin, dass er alle plattmachen werde, wenn sie sich von ihm trennen sollte. Wenige Minuten nach dem Schlüsselwurf hielt eine Autofahrerin neben der Zeugin an und fragte sie, ob sie Hilfe bräuchte. Die Zeugin sagte ihr, sie solle weiterfahren, da sie den weiteren Verlauf des Streits nicht einschätzen konnte. Die Zeugin gab sodann ihr Vorhaben, den Angeklagten an diesem Tag zu verlassen, auf.
166b) (Ziffer 3 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
167Im Oktober 2017 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt kam es in der vorgenannten ehelichen Wohnung erneut zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin N1, in deren Verlauf die Zeugin äußerte, sich von dem Angeklagten trennen zu wollen. Als die Zeugin die Wohnung verlassen wollte, stellte der Angeklagte sich ihr zunächst im Flur, dann in der Küche und schließlich im Schlafzimmer in den Weg, sodass die Zeugin nicht an ihm vorbei kam. Dabei baute sich der Angeklagte in der zuvor beschriebenen Art und Weise groß vor der Zeugin auf, wie er es immer tat, wenn er wütend wurde. Die Zeugin fing daraufhin an zu schreien, damit ein Nachbar sie hören und ihr helfen würde, aus der Wohnung zu gelangen. Der Angeklagte verhinderte dies, indem er der Zeugin mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, sodass die Zeugin aus beiden Nasenlöchern blutete, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Die Zeugin gab sodann weitere Versuche, die Wohnung zu verlassen, auf.
168c) (Ziffer 4 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
169Im Oktober 2017 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt luden die Eheleute N8 die Eltern des Angeklagten in die vorgenannte eheliche Wohnung zum Abendessen ein. Die Zeugin N1 wollte einen Rinderbraten servieren. Mit der Zubereitung begann sie bereits einen Tag vor dem geplanten Abendessen und setzte sie am nächsten Tag fort. Dabei kam es erneut zu einem Streit, da die Zubereitung des Rinderbratens dem Angeklagten zu lange dauerte. Daraufhin stieß er einen Küchenstuhl um, der die Zeugin jedoch nicht traf. Die Zeugin begab sich sodann ins Badezimmer, da der Angeklagte im Verlauf des Streits wieder in der zuvor beschriebenen Art und Weise laut und groß wurde und sie eine Eskalation des Streites befürchtete. Der Angeklagte folgte der Zeugin und warf ihr vor, vor seinen Eltern absichtlich „verheult“ auszusehen. Er schubste sie derart, dass sie mit dem Hinterkopf entweder gegen die Heizung oder den Badezimmerschrank stieß. Die Zeugin erlitt dabei erhebliche Schmerzen sowie Beulen am Hinterkopf, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Nach ein paar Tagen verschwanden die Beulen wieder.
170Der Mutter des Angeklagten fiel bei dem Abendessen auf, dass die Zeugin geweint hatte. Die Zeugin verschwieg aus Angst vor dem Angeklagten den Vorfall und erklärte, dass das wohl an den Schwangerschaftshormonen liegen müsse. Im Nachhinein entschuldigte sich der Angeklagte, wie immer, bei der Zeugin und beteuerte, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen würde.
171d) (Ziffer 6 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
172Im Dezember 2017 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt kam es in der neuen Wohnung der Eheleute in der I3-Straße in H5 erneut zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und der Zeugin N1. Die Zeugin beschloss, den Angeklagten zu verlassen und holte ihren Sohn J aus dem Bett, um mit diesem gemeinsam die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte hatte wieder seinen wütenden Blick und stellte sich der Zeugin und ihrem Sohn in den Weg. Die Zeugin ging sodann in das im Erdgeschoss gelegene Schlafzimmer, um die Wohnung von dort durch das Fenster zu verlassen. Der Angeklagte folgte ihr ins Schlafzimmer und zertrat vor Wut das Bett. Als die Zeugin versuchte, aus dem Schlafzimmerfenster zu fliehen, gab ihr der Angeklagte eine Kopfnuss, indem er ihr mit seinem Kopf gegen die Stirn schlug, die er im Bereich des Endpunktes der linken Augenbraue traf. Die Zeugin trug an dieser Stelle ein Hämatom davon, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Er forderte die Zeugin daraufhin auf, das Hämatom mit Schminke zu überdecken, damit niemand den Vorfall bemerken würde.
173e) (Ziffer 7 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
174Im Dezember 2017 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt kam es in der vorgenannten ehelichen Wohnung erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen der Zeugin N1 und dem Angeklagten, da der Angeklagte eifersüchtig war, nachdem sich die Zeugin mit einem Freund des Angeklagten, der in der Wohnung der Eheleute zu Besuch gewesen war, unterhalten hatte. Die Eheleute liefen durch die Wohnung und diskutierten, wobei der Angeklagte der Zeugin wieder den Weg versperrte. Als die Zeugin die Polizei rufen wollte, nahm der Angeklagte der Zeugin das schnurlose Festnetztelefon weg und schlug damit mehrfach gegen den Türrahmen. Die Zeugin versuchte, sich zwischen dem Angeklagten und dem Türrahmen hindurch zu zwängen. Dabei traf der Angeklagte die Zeugin mit dem Festnetztelefon, das er weiterhin gegen den Türrahmen schlug, am Rücken. Anschließend schlug der Angeklagte der Zeugin noch mehrfach mit der flachen Hand in das Gesicht, um sie am Verlassen der Wohnung zu hindern.
175f) (Ziffer 8 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
176Im Herbst 2018 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt backte die Zeugin N1 in der Küche der vorgenannten ehelichen Wohnung Kekse. Mit ihr befand sich auch der zu diesem Zeitpunkt sechs bis sieben Monate alte Sohn F in der Küche. Als F anfing zu weinen, begab sich der Angeklagte mit diesem ins Wohnzimmer, damit die Zeugin ungestört weiter backen konnte. Der Angeklagte setzt sich mit F auf die Couch und drückte ihm den Schnuller in dessen Mund und Hals, sodass dieser tief im Hals stecken blieb. Der Schnuller war ein klassischer Schnuller der Marke „O1“ in der kleinsten Größe und bestand aus einem Saugerteil und einem mit Ventilationslöchern versehenen Plastikschild ohne Ring. Der Plastikschild der nächstgrößeren Größe dieses Schnullermodells unterscheidet sich weder in Form noch in Größe von der kleineren Größe; allein die Größe des Saugers verändert sich. Der Schnuller steckte tief im Hals fest und zwar derart, dass der Schild quer im Hals lag und der Sauger nach unten in Richtung Rachen zeigte.
177Dieses Verhalten des Angeklagten, nämlich das Hereindrücken des Schnullers in den Hals des Säuglings, war potenziell lebensbedrohlich. Denn es hätte bei nicht unverzüglicher Entfernung zu einer Verlegung der Atemwege und damit zu einem Ersticken des Kindes kommen können. F wäre aufgrund seines Alters von erst sechs bis sieben Monaten nicht in der Lage gewesen, den Schnuller selbst wieder zu entfernen.
178Dem Angeklagten war bewusst, dass sein Verhalten zumindest eine üble und unangemessene Behandlung darstellte. Dem Angeklagten war auch die potentielle Lebensgefährlichkeit seines Handelns für F bewusst. Er nahm all dies jedoch billigend in Kauf.
179Als der Angeklagte bemerkte, dass F keine Luft bekam, rief er nach der Zeugin, die sofort herbeieilte. Die Zeugin nahm F auf der Couch sitzend unter ihren Arm, hielt ihn mit dem Gesicht nach unten fest und versuchte, den Plastikschild an einem der Ventilationslöcher zu fassen und den Schnuller rauszuziehen. Sie zog dabei F´s Zunge mit den Fingern etwas nach unten, damit er besser Luft bekommen konnte, wodurch der Schnuller zunächst noch weiter in den Hals rutschte. Schließlich gelang es der Zeugin den Fingernagel eines Fingers – die Zeugin hatte zu diesem Zeitpunkt längere Fingernägel – unter den Schild des Schnullers zu schieben und dadurch den mit Blut und Schleim behafteten Schnuller aus F´s Hals zu entfernen. Ob das Blut von dem Hereindrücken des Schnullers durch den Angeklagten oder erst von dem Versuch der Zeugin N1, den Schnuller aus dem Hals zu entfernen, herrührte, konnte nicht mehr festgestellt werden. F nahm einen tiefen Atemzug und weinte, konnte sich aber schnell wieder beruhigen. Die Zeugin N1 wollte einen Notarzt rufen, was der Angeklagte verhinderte, indem er der Zeugin das Mobiltelefon wegnahm und es hochhielt, sodass die Zeugin es nicht erreichen konnte. Die Zeugin forderte den Angeklagten auf, er solle einen Notarzt rufen, was er jedoch nicht tat. In der Folgezeit waren bei F keine auf den Vorfall zurückzuführenden Schäden oder Verhaltensänderungen erkennbar. Er trank noch am selben Tag ohne Auffälligkeiten aus seiner Flasche.
180g) (Ziffer 5 der Anklageschrift)
181Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt nach F´s Geburt am … und vor B´s Geburt am … kam es in der vorgenannten ehelichen Wohnung erneut zu einem Streit zwischen den Eheleuten. Die Zeugin N1, die zu diesem Zeitpunkt mit B schwanger war, wollte die Wohnung mit F, den sie im Maxi-Cosi trug, verlassen. Der Angeklagte wollte dies verhindern und riss der Zeugin den Maxi-Cosi aus der Hand. Die Zeugin sah sodann, dass der Maxi-Cosi auf der Seite lag. Sie nahm an, der Angeklagte habe ihn einfach – obwohl sich F darin befand – auf den Boden geworfen, und schlug dem Angeklagten auf den Hinterkopf. Daraufhin klemmte der Angeklagte den Hals der Zeugin in seine Ellenbeuge und hob sie hoch, sodass ihre Füße den Boden nicht mehr berührten und sie für einen kurzen Moment keine Luft mehr bekam. Dann ergriff er ihren Kopf und drückte ihr Gesicht auf das Bett. Dabei äußerte er, sie solle still sein, damit die Nachbarn nichts merkten, worauf die Zeugin verstummte.
182h) (Ziffer 10 der Anklageschrift vom 16.04.2020)
183Am 19.08.2019 kam es in der neuen Wohnung der Eheleute im I4-Weg in H5 erneut zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen der Zeugin N1 und dem Angeklagten, in dessen Rahmen die Zeugin, wie schon so oft zuvor, äußerte, den Angeklagten verlassen zu wollen. Sie packte eine Tasche mit Kleidung und Milchpulver zusammen und wollte die Wohnung zu verlassen. Im Flur entriss der Angeklagte der Zeugin die Tasche und warf sie auf den Boden, sodass sich das Milchpulver über den Fußboden verstreute. Die Zeugin, die erneut eine Eskalation befürchtete, flüchtete sich in das Badezimmer und wollte ihre Mutter mit ihrem Mobiltelefon anrufen; sie wählte bereits ihre Nummer. Der Angeklagte versuchte, der Zeugin das Mobiltelefon wegzunehmen, und schubste die Zeugin in die hinter ihr befindliche Badewanne, sodass sie mit dem Kopf gegen die Armatur stieß, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Die Zeugin, die bei dem Sturz das Mobiltelefon fallen gelassen hatte, hoffte, dass ihre Mutter bereits abgehoben hatte und das Geschehen daher mithören konnte. Sie rief deshalb „Mama, Hilfe, hol‘ mich hier raus.“ Daraufhin hob der Angeklagte das Mobiltelefon auf und zerbrach es.
184Die Zeugin lief nun ins Schlafzimmer und öffnete das Fenster, um Hilfe zu rufen. Sie war bereits auf die Fensterbank gestiegen, als der Angeklagte sie runterzog und den Fensterflügel zuschlug, während die Zeugin noch ihren Arm zwischen Fensterflügel und Fensterrahmen hatte. Die Zeugin stürzte und traf mit dem Oberschenkel entweder auf die Fensterbank oder die Bettkante. Die Zeugin trug zahlreiche Hämatome am Oberschenkel und am Handgelenk davon, die erst nach mehreren Wochen verheilt waren. Dass das Zuschlagen eines Fensterflügels während sich der Arm einer Person zwischen dem Fensterflügel und dem Fensterrahmen befindet, bei dieser schwere Verletzungen hervorrufen kann, war dem Angeklagten bei Begehung der Tat bewusst.
185Die Zeugin N1 war während sämtlicher – mit Ausnahme der unter h) dargestellten – Taten schwanger. Sie befindet sich derzeit in psychotherapeutischer Behandlung. Zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung hatte sie bereits an fünf Terminen im Abstand von jeweils einer Woche teilgenommen. Insgesamt sind zunächst 24 Termine vorgesehen mit voraussichtlicher Verlängerung um weitere 24 Termine.
1863. Schuldfähigkeit des Angeklagten
187Bei Begehung der Taten war die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aus keinem der in § 20 StGB genannten Gründe aufgehoben oder erheblich im Sinne des § 21 StGB vermindert.
188Zum Zeitpunkt der Taten spielte nur noch das pathologische Spielen eine Rolle, der in der Vergangenheit des Angeklagten aufgetretene regelmäßige Alkohol- und Drogenkonsum hingegen nicht mehr. Die bei dem Angeklagten vorliegende - nicht durch das pathologische Spielen bedingte - kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Anteilen, erreichte bei Begehung der Taten nicht den Grad einer schweren Dysfunktionalität, die zu einer Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit hätte führen können.
189III.
190Beweiswürdigung
1911.
192Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu Ziffer I.1. und I.3. beruhen zunächst auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Der Angeklagte hat seinen Lebensweg, seine familiären Verhältnisse, seinen schulischen und beruflichen Werdegang, seine Erkrankungen, seinen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum, seine Spielhallenbesuche und den Verlauf seiner Inhaftierung in der Sozialtherapeutischen Anstalt H beschrieben. Dabei waren seine Angaben jeweils detailliert, plausibel und chronologisch nachvollziehbar, so dass die Kammer keine Anhaltspunkte hat, sie in Zweifel zu ziehen. Bestätigt und ergänzt wurden die Angaben des Angeklagten zu seinem Betäubungsmittelkonsum nach der Hochzeit sowie zu den Spielhallenbesuchen durch die insoweit glaubhaften diesbezüglichen Bekundungen der Zeugin N1. Ergänzt wurden die Angaben des Angeklagten zu dem Verlauf seiner Inhaftierung und zu der Nachsorge ferner durch die Bekundungen des Zeugen U, Sozialarbeiter in der Sozialtherapeutischen Anstalt, der die Behandlungsmaßnahmen und Drogenscreenings, an denen der Angeklagte während seiner Inhaftierung in der Sozialtherapeutischen Anstalt H teilgenommen hat, sowie die sozialtherapeutische Nachsorge nach der Haftentlassung glaubhaft, weil nachvollziehbar und plausibel, beschrieben hat. Die Feststellungen zu den Vorstrafen (Ziffer I.2) beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundezentralregisterauszug vom 25.06.2020 sowie dem nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen Urteil des Landgerichts F2 vom 04.08.2010 (…).
1932.
194Die Feststellungen zur Sache (Ziffer II.) trifft die Kammer aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme.
195Im Einzelnen:
196a)
197Die Feststellungen zu der Vorgeschichte (Ziffer II.1.) trifft die Kammer aufgrund der diesbezüglichen Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden kann, sowie der glaubhaften Aussage der Zeugin N1. Der Angeklagte hat glaubhaft, weil plausibel und nachvollziehbar sowie in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Angaben der Zeugin N1, dargestellt, wann und unter welchen Umständen er und die Zeugin N1 sich kennen gelernt haben. Soweit der Angeklagte sich jedoch zunächst dahin eingelassen hat, dass nicht er, sondern die Zeugin in der Beziehung eifersüchtig, besitzergreifend und kontrollierend gewesen und auch ihm gegenüber gewalttätig geworden sei, während der Angeklagte selbst der „ruhigere Part“ der Beziehung gewesen sei, ist diese Einlassung durch die glaubhaften, weil plausiblen und nachvollziehbaren Bekundungen der Zeugin N1 widerlegt. Die Zeugin hat in sich schlüssig und ohne besondere Belastungstendenz die Entwicklung der zunächst harmonischen Beziehung mit den erst vereinzelt und im geringeren Maße auftretenden und dann sich in Qualität und Quantität steigernden Eifersuchtsattacken und Gewaltausbrüchen des Angeklagten geschildert. Nach der ersten Vernehmung der Zeugin hat der Angeklagte schließlich glaubhaft, weil plausibel und nachvollziehbar, im Rahmen seines Geständnisses eingeräumt, dass die Schilderung der Zeugin zutrifft.
198b)
199Die Feststellungen zu den unter Ziffer II.2. a) bis e) und g) bis h) dargestellten Taten trifft die Kammer wie folgt:
200aa)
201Der Angeklagte hat die Begehung der Taten (Ziffer II. 2 a) bis e) und g) bis h)) in der Hauptverhandlung zunächst bestritten und sich wie folgt eingelassen:
202Es habe immer wieder Streit in der Beziehung gegeben. Es sei jedoch nicht etwa so gewesen, dass sich die Zeugin N1 von dem Angeklagten habe trennen wollen. Vielmehr sei es der Angeklagte gewesen, der mehrfach versucht habe, die Beziehung zu beenden. Dies habe die Zeugin stets zu verhindern versucht, indem sie dem Angeklagten die Tasche aus der Hand gerissen, den Schlüssel versteckt und die Haustür zugehalten habe.
203Bei einer dieser Gelegenheit sei es zu dem „Schlüsselvorfall“ gekommen. Der Angeklagte habe die Wohnung verlassen wollen, woraufhin ihm die Zeugin den Schlüssel vor die Füße geworfen habe. Er sei dann mit dem Roller nach Hause gefahren. Die Zeugin habe später vor seiner Haustür gestanden und den Angeklagten gebeten, zu ihr zurückzukommen.
204Dann habe es einen Vorfall gegeben, bei dem die Zeugin N1, als sie mit B schwanger gewesen sei, den Angeklagten geohrfeigt habe. Da sei er ruhig geblieben, habe die Zeugin an der Schulter angefasst und ihr gesagt, dass sie „das schon hinkriegen würden“. Die Zeugin habe gehen wollen, doch der Angeklagte habe sie gebeten, zu bleiben.
205Der Angeklagte selbst habe der Zeugin bei zwei Gelegenheiten eine Ohrfeige verpasst. Dabei habe die Zeugin jeweils herausgefunden, dass der Angeklagte sie mit einer anderen Frau betrogen habe, und ihn geohrfeigt, woraufhin auch der Angeklagte die Zeugin geohrfeigt habe. Dies habe er im Anschluss sehr bereut. Die Zeugin sei dadurch verschüchtert gewesen, habe sich jedoch beide Male wieder mit ihm vertragen.
206Die übrigen in der Anklageschrift beschriebenen Vorfälle im September, Oktober und November beruhten auf Situationen, in denen sich der Angeklagte habe entziehen wollen, weil er Angst vor einer Eskalation gehabt habe. Es habe die angeklagten Taten aber nicht gegeben.
207bb)
208Nach Vernehmung der Zeugin N1 hat der Angeklagte die Anklagevorwürfe – bis auf die Taten zu Ziffer 2 und Ziffer 8 der Anklageschrift (dazu sogleich) – in vollem Umfang eingeräumt und hierzu weitere Angaben, auch zu seiner Motivlage, gemacht. An der Richtigkeit dieses Geständnisses bestehen keine Zweifel. Der Angeklagte hat das Geschehen glaubhaft eingeräumt und hierzu nähere Angaben gemacht. Anhaltspunkte, dass diese Angaben nicht erinnerungsgemäß waren oder warum sich der Angeklagte wahrheitswidrig selbst belastet haben sollte, haben sich nicht ergeben.
209Die Darstellung des Angeklagten wird durch die Aussagen der Zeugin N1 bestätigt, gestützt und ergänzt Diese hat das jeweilige Tatgeschehen im Sinne der unter Ziffer II. 2 a) bis e) und g) bis h) getroffenen Feststellungen sicher, sehr anschaulich und detailliert sowie ohne besondere Belastungstendenz geschildert. Sie konnte sich an das von ihr Bekundete noch sicher erinnern und es besteht kein Zweifel, dass sie das von ihr Geschilderte wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Ihre Schilderung ließ deutlich erkennen, dass sie auf Erlebtem basierte. Die Zeugin schilderte nicht nur das objektive Geschehen, sondern auch damit in Zusammenhang stehende Überlegungen, Gedanken und Gefühle, die mit dem äußeren Geschehen verbunden waren.
210So hat die Zeugin zunächst das Kerngeschehen der jeweiligen Taten im Zusammenhang geschildert und es im Laufe der Vernehmung – mal auf offene Nachfrage, mal von sich aus – um zahlreiche Details ergänzt. Dabei ist sie nicht etwa Schritt für Schritt die von ihr verschriftlichte und noch bei der polizeilichen Vernehmung zur Hilfe genommene chronologische Auflistung der Taten durchgegangen, sondern hat die Taten in teils ungeordneter zeitlicher Reihenfolge aus ihrer freien Erinnerung heraus ohne Rückgriff auf irgendwelche schriftlichen Unterlagen geschildert. So hat sie den letzten Vorfall, an den sie sich erinnern konnte und der sich in der Wohnung am I4-Weg ereignet hat (Ziffer II. 2. h), vor dem zeitlich früheren Vorfall mit dem Telefon (Ziffer II. 2. e) geschildert. Bei ihrer Schilderung konnte die Zeugin von einem zum anderen Vorgang wechseln und ohne Probleme wieder zur vorherigen Schilderung zurückkehren. So hat sie den Vorfall zu Ziffer II. 2. d) bis zu dem Zeitpunkt geschildert, in dem sie die Wohnung aus dem Fenster heraus habe verlassen wollen und der Angeklagte vor Wut das Bett zertreten habe. Diese Schilderung hat sie dann unterbrochen, um zunächst von einem anderen Vorfall zu berichten, der nicht Gegenstand der Anklage ist, bei dem der Angeklagte die Schlafzimmertür aufgetreten haben soll. Im Anschluss daran hat sie ihre Aussage bezüglich des Vorfalls zu Ziffer II. 2. d) fortgesetzt und ergänzt, dass der Angeklagte ihr an diesem Tag eine Kopfnuss versetzt habe.
211Die Aussage der Zeugin N1 war über die gesamte Dauer ihrer umfangreichen Vernehmung von zwei Verhandlungstagen konstant, frei von Widersprüchen und jeglichem Belastungseifer. Obwohl sie von den Geschehnissen im hohen Maße emotional betroffen war und auch nach wie vor ist, wovon sich die Kammer nach dem persönlichen Eindruck, den sie von der Zeugin in der Hauptverhandlung gewinnen konnte, überzeugen konnte, hat sie sich erkennbar um eine sachliche und wahrheitsgemäße Darstellung der Geschehnisse bemüht. So hat sie bei der Schilderung des Vorfalls mit dem Festnetztelefon (Ziffer II. 2. e) deutlich gemacht, dass der Angeklagte sie gar nicht habe treffen wollen, sondern sie erst, als sie versucht habe, an dem Angeklagten vorbeizukommen, einen Schlag mit dem Telefon abbekommen habe. Von den bei diesem Vorfall zugefügten Schlägen ins Gesicht hat die Zeugin gar nicht berichtet; dieser Sachverhalt steht allein aufgrund der Einlassung des Angeklagten fest, der auch diesen Vorfall glaubhaft, weil nachvollziehbar und plausibel, eingeräumt hat. Auch die zum Teil durchaus erheblichen Verletzungen, die die Zeugin davongetragen hat, beschrieb sie nüchtern und ohne Übertreibungen. Ferner berichtete die Zeugin – eher beiläufig – von blauen Flecken an F´s Stirn, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Auf Nachfrage erklärte sie, dass diese auf keinen Fall von dem Angeklagten stammten, sondern F, da er noch sehr wackelig auf seinen Beinen gewesen sei, mit seiner Stirn gegen die Gitterstäbe seines Kinderbettes gestoßen sei und sich die blauen Flecken dabei zugezogen habe.
212Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin insgesamt eine erinnerungskritische Haltung ein. Sie brachte es jeweils zum Ausdruck, wenn sie etwas nicht mehr genau wusste und versuchte nicht, um jeden Preis Antworten zu produzieren. So hat sie bei der Schilderung des „Telefon-Vorfalls“ (Ziffer II. 2. e) auch auf Nachfrage, ob bei diesem Vorfall noch etwas anderes vorgefallen sei – nämlich die von dem Angeklagten in glaubhafter Weise eingestandenen Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht – bekundet, dass es sonst nichts gegeben hätte, der Angeklagte habe sie schlicht nicht durchgelassen. Auch im Übrigen gab sie Erinnerungslücken stets zu erkennen. So schilderte sie jeweils glaubhaft, weil nachvollziehbar und plausibel, worum es bei dem jeweiligen Streit ging, sofern ihr dies noch in Erinnerung war – wie z.B. bei dem Vorfall mit dem Telefon (Ziffer II. 2. e) oder dem Vorfall mit dem Rinderbraten (Ziffer II. 2. c). Hatte sie jedoch keine konkrete Erinnerung mehr an den Grund für einen Streit, räumte sie dies ohne weiteres ein.
213Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage spricht auch, dass die Zeugin sich in selbstkritischer Weise zu Umständen geäußert hat, die sie dem Risiko aussetzen, dass ihre Persönlichkeit in einem eher ungünstigen Licht erscheinen könnte. So hat sie in der Hauptverhandlung unter Tränen und erkennbar von Selbstvorwürfen geplagt geschildert, dass J nicht aktiver Teil der Familie gewesen sei, sie ihn nicht mehr gebadet und auch nicht mehr in den Arm genommen habe, und große Schwierigkeiten gehabt habe, sich ihrem Sohn nach dem Ende der Beziehung wieder anzunähern, weil sich der Gedanke, der Kontakt zu J sei ihr von dem Angeklagten „verboten“ und führe nur zu einer erneuten Eskalation, derart in ihrem Kopf verfestigt habe.
214In Abweichung zur Anklageschrift ereigneten sich die unter Ziffer II. 2. a) bis c) dargestellten Taten nach der auch insoweit glaubhaften, weil plausiblen und nachvollziehbaren, Aussage der Zeugin und der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten nicht auf der C8-Straße, sondern auf der B2-Straße in H5. Die Zeugin hat diesbezüglich geschildert, dass die C8-Straße die erste eigene Wohnung des Angeklagten gewesen sei. Der Angeklagte sei aber schon vor der Hochzeit zu der Zeugin in deren Wohnung in der B2-Straße gezogen. Die betreffenden Vorfälle hätten sich dort ereignet und nicht in der Wohnung C8-Straße.
215Dass sich die Taten zu den unter Ziffer II. 2. a) bis e) und g) bis h) festgestellten Zeitpunkten ereignet haben, steht ebenfalls aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten sowie der auch insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin N1 fest. So gestand sie ein, die genauen Tatzeitpunkte der zum Teil schon mehr als drei Jahre zurückliegenden Taten nicht mehr genau zu wissen. Sie konnte aber die ungefähren Tatzeitpunkte nachvollziehbar an den Umzügen bzw. den jeweiligen Wohnungen und den Schwangerschaften sowie dem Tag der ersten Trennung am 29.09.2019 festmachen. Dass sie sich nicht an die genauen Daten erinnern konnte, war angesichts des Zeitablaufs ohne weiteres nachvollziehbar. Für die Tat zu Ziffer II. 2. g) (Ziffer 5 der Anklageschrift) ergab sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein von der Anklageschrift abweichender Zeitraum. Nach den auch insofern glaubhaften Ausführungen der Zeugin N1 konnte sich die Tat nicht im November 2017 ereignet haben, da der im März 2018 geborene Sohn F zu dem Zeitpunkt bereits auf der Welt gewesen und die Zeugin mit dem im April 2019 geborenen Sohn B schwanger gewesen ist.
216cc)
217Die Feststellungen zur subjektiven Seite hinsichtlich der Taten zu Ziffer II. 2. a) bis e) und g) bis h) trifft die Kammer aus den objektiven Umständen der jeweiligen Taten sowie aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten.
218c)
219Die Feststellungen zu Ziffer II. 2. f) trifft die Kammer aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden kann, den glaubhaften Angaben der Zeugin N1, dem verlesenen ärztlichen Bericht der Kinder- und Jugendklinik H6 vom 31.10.2018 sowie aufgrund allgemein bekannter Tatsachen.
220aa)
221Der Angeklagte hat sich zu der Tat zunächst wie folgt eingelassen:
222Im Jahr 2018 sei es zu dem Vorfall mit F gekommen. Die Zeugin N1 habe kurz vor Weihnachten Plätzchen gebacken, während er - der Angeklagte - sich „wie immer“ um F gekümmert habe. Dieser habe im Kinderbett gelegen und auf dem Rücken liegend geschlafen. Plötzlich sei F mit Geräuschen wach geworden und habe angefangen, zu zappeln. Er - der Angeklagte - habe bemerkt, dass der Schnuller quer in F´s Mund gesteckt habe und schon „fast ganz drin“ gewesen sei. Er habe sofort nach der Zeugin N1 gerufen, die herbeigeeilt sei und sofort reagiert habe. Sie habe versucht, den Schnuller mit zwei Fingern herauszuziehen. Durch den Saugreflex sei der Schnuller weiter in den Hals gerutscht. Schließlich sei es der Zeugin gelungen, den blutbehafteten Schnuller rauszuziehen. Die Zeugin habe vermutet, F dabei mit ihrem Fingernagel verletzt zu haben. Er - der Angeklagte - habe der Zeugin gesagt, dass sie mit F zum Arzt müssten, die Zeugin habe das jedoch mit der Begründung verneint, dass sie ihren Sohn kenne und es ihm gut gehe. Er - der Angeklagte - habe auch den Eltern der Zeugin von dem Vorfall berichten wollen. Die Zeugin habe dies jedoch nicht gewollt, da sie sich vor der Reaktion ihrer Mutter gefürchtet habe. Es habe nämlich schon Mal einen Vorfall gegeben, bei dem J ein Plastikteil verschluckt habe. Am nächsten Tag hätten sie schließlich der Mutter des Angeklagten von dem Vorfall berichtet. Seitdem habe er - der Angeklagte - sehr aufgepasst, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederhole. Die Eheleute hätten sich gefragt, wie das habe passieren können, und hätten F nach dem Vorfall einen größeren Schnuller mit Schnullerkette besorgt. Der Schnuller, den F verschluckt habe, sei ein klassischer Schnuller gewesen, der jedoch zu klein und deswegen schmaler gewesen sei, als ein Schnuller der nächst größeren Größe. Deshalb habe der Schnuller in F´s Hals rutschen können, wenn F geschrien habe.
223bb)
224Die Zeugin N1 schilderte den Vorfall hingegen wie folgt:
225Der Vorfall habe sich ca. 1 bis 1,5 Wochen, bevor sie und der Angeklagte mit F im Krankenhaus gewesen seien, ereignet. Sie sei mit F in der Küche gewesen und habe Kekse gebacken. Der Angeklagte sei im Wohnzimmer gewesen und habe F zu sich geholt, da dieser geweint habe. Kurz darauf habe der Angeklagte nach ihr - der Zeugin - geschrien. Sie habe an der Art und Weise, wie er nach ihr gerufen habe, sofort gemerkt, dass etwas nicht stimme. Sie sei sofort ins Wohnzimmer gelaufen und habe gesehen, dass F den Schnuller ganz tief im Hals stecken gehabt habe und er keine Luft bekommen habe. Der Schnuller sei ohne Ring und mit Plastikschild von der Marke „O1“ gewesen und habe die kleinste Größe gehabt. Sie habe F unter den Arm genommen, mit dem Gesicht nach unten, und versucht, den Schnuller rauszubekommen. Er habe derart festgesteckt, dass der Sauger nach unten gezeigt habe und der Plastikschild quer im Mund gelegen habe. Der Schnuller sei komplett im Rachen gewesen, aus dem Mund habe nichts rausgeguckt. Sie habe versucht, mit dem Finger zwischen Zunge und Sauger zu kommen und den Schnuller auf diese Weise aus F´s Rachen zu entfernen. Dabei habe sie F´s Zunge nach unten gedrückt, damit eine Lücke entstehe und er Luft bekommen könne. Dadurch sei der Schnuller aber noch weiter nach hinten gerutscht. Schließlich sei es ihr gelungen den Fingernagel eines Fingers - sie habe zu diesem Zeitpunkt längere Fingernägel gehabt - unter den Schild des Schnullers zu schieben und dadurch den mit Blut und Schleim behafteten Schnuller aus F´s Hals zu entfernen. Nach „gefühlten 10 Stunden“ habe sie den Schnuller rausbekommen. Der Schnuller sei mit Blut und Schleim behaftet gewesen, wobei sie nicht wisse, ob das Blut durch den Schnuller verursacht worden sei, oder ob sie F mit ihrem Fingernagel bei dem Versuch, den Schnuller zu entfernen, gekratzt habe. Sie - die Zeugin - habe nach dem Vorfall am ganzen Körper gezittert. F selbst habe einmal tief durchgeatmet und geweint, habe sich dann aber schnell wieder beruhigt. Sie habe dennoch einen Notarzt benachrichtigen wollen. Der Angeklagte habe dies jedoch nicht gewollt. Er habe vor der Couch gestanden und das Handy hochgehalten, während sie - die Zeugin - zu dem Angeklagten „Ruf an, ruf an!“ gesagt und versucht habe, an das Handy zu gelangen. Sie habe dann den Versuch, einen Notarzt anzurufen, aufgegeben. F habe in der Folgezeit keine Auffälligkeiten gezeigt und auch normal aus der Flasche getrunken.
226Der Angeklagte habe ihr - der Zeugin N1 gegenüber - den Vorfall so erklärt, dass er F auf dem Arm gehalten habe und ihn mit dem Bauch auf die Couch habe legen wollen, da F Bauchschmerzen gehabt habe. Auf der Couch habe der Schnuller gelegen und F habe diesen, als der Angeklagte ihn, F, habe auf die Couch legen wollen, durch den Mund eingeatmet.
227cc)
228Nach Vernehmung der Zeugin hat der Angeklagte die Begehung der Tat weiterhin bestritten, hat jedoch eingestanden, dass die Schilderung der Zeugin hinsichtlich des Nachtatverhaltens, nämlich in Form der vereitelten Benachrichtigung des Notarztes, stimme. Er sei panisch durch die Wohnung gelaufen und habe geweint. Er habe nicht gewollt, dass der Notarzt gerufen werde. Es stimme auch, dass er das Handy aktiv weggepackt habe. An der Richtigkeit dieser Einlassung bestehen keine Zweifel. Sie steht im Einklang mit den auch insofern plausiblen und nachvollziehbaren Angaben der Zeugin N1. Überdies ist kein Grund erkennbar, warum der Angeklagte sich selbst, obwohl er die Begehung der Tat weiterhin bestreitet, insofern wahrheitswidrig belasten sollte.
229dd)
230Die Einlassung des Angeklagten im Übrigen ist, soweit sie mit den oben unter Ziffer II. 2. f) getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht, widerlegt. Die Kammer ist nach einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und aufgrund allgemein bekannter Tatsachen davon überzeugt, dass der Angeklagte seinem Sohn F den Schnuller in den Hals gedrückt hat.
231Im Einzelnen:
232Die Einlassung des Angeklagten dazu, wie der Schnuller in F´s Hals geraten ist, ist für sich gesehen bereits nicht glaubhaft. Die Kammer verkennt nicht, dass die Schilderung des Geschehens durch den Angeklagten in großen Teilen, insbesondere ab dem Zeitpunkt, in dem die Zeugin zu der Situation im Wohnzimmer dazugekommen ist, mit den auch insofern glaubhaften Angaben der Zeugin N1 übereinstimmt. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Zeugin den Vorfall wahrheitsgemäß geschildert hat. Ihre Bekundungen waren auch insofern frei von jeglichem Belastungseifer und von dem Bemühen um eine sachliche Darstellung geprägt. So hat sie den Vorfall bei ihrer Schilderung im Zusammenhang zunächst gar nicht erwähnt, sondern erst, nachdem sie von den Konflikten mit J´s Vater und in diesem Zusammenhang auch von dem Kontakt mit dem Jugendamt erzählt hatte. Dabei hat sie - eher beiläufig - von Hämatomen an F´s Brustkorb berichtet, die nicht Gegenstand der Anklage sind. Auf Nachfrage, was es mit den Hämatomen auf sich hatte, berichtete die Zeugin dann von dem Besuch beim Kinderarzt bezüglich eines Windelpilzes und einer Augenentzündung, bei dem der Kinderarzt auch die Hämatome unter F´s Brustkorb entdeckt und die Eheleute dann - wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung - unter einem Vorwand ins Krankenhaus geschickt habe, wo ein MRT habe durchgeführt werden sollen. Erst in diesem Zusammenhang berichtete die Zeugin, dass sie Angst vor dem MRT gehabt hätten, weil es etwa 1,5 Wochen vorher zu einem Vorfall gekommen sei, bei dem F den Schnuller im Hals stecken gehabt habe, und sie befürchtet hätten, dass man auf dem MRT erkennen würde, dass die Zeugin in F´s Hals „rumgefummelt“ habe. Bei ihrer Darstellung des Vorfalls gab sie stets zu erkennen, den Angeklagten nicht zu Unrecht belasten zu wollen, und vermied Schlussfolgerungen und Wertungen jeder Art. So hat sie offen bekundet, dass sie nicht wisse, woher das Blut an dem Schnuller stamme, und dass es durchaus möglich sei, dass sie selbst F mit ihren Fingernägeln verletzt habe. Zu keinem Zeitpunkt äußerte die Zeugin, dass sie glaube, der Angeklagte habe F den Schnuller in den Hals gesteckt, und betonte bei ihrer Schilderung stets, dass sie den eigentlichen Vorfall nicht gesehen habe. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage spricht ferner, dass die Zeugin eine selbstkritische Haltung hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens eingenommen hat. Die Zeugin hat - unter erkennbaren Selbstvorwürfen - geschildert, dass sie auch deshalb Angst vor dem MRT gehabt habe, weil sie ja auch nachdem sie ihr Handy irgendwann zurückhatte, im Nachhinein keinen Notarzt gerufen und sie befürchtet habe, dass F ihr weggenommen werden würde.
233Indes ist die Einlassung des Angeklagten dazu, wie der Schnuller in F´s Hals geraten sein soll, widersprüchlich. Denn der Angeklagte hat bekundet, dass der Schnuller zu klein gewesen sei und er deshalb in F´s Hals habe rutschen können, wenn dieser geschrien habe. Der Angeklagte hat aber in seiner Einlassung wiederholt angegeben, dass F ruhig in seinem Bettchen geschlafen habe und erst dadurch wach geworden sei, dass der Schnuller in seinem Hals gesteckt habe. Er habe beim Aufwachen „Brabbel“-Geräusche gemacht und gezappelt. So sei der Angeklagte selbst auf die Situation aufmerksam geworden. Auf Nachfrage erklärte der Angeklagte zudem, dass F zu keinem Zeitpunkt geschrien habe.
234Überdies steht die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Widerspruch zu seiner früheren Einlassung, die er gegenüber der Zeugin N1 abgegeben hat. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte gegenüber der Zeugin N1 eine andere Einlassung abgegeben hat als in der Hauptverhandlung, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist. Die Zeugin hat glaubhaft, weil nachvollziehbar und plausibel, bekundet, dass der Angeklagte ihr gegenüber den Vorfall wie vorgehend dargelegt geschildert hat. Auf Vorhalt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung eine andere Schilderung abgegeben hat, erklärte die Zeugin, dass sie sich sicher sei, dass der Angeklagte ihr gegenüber den Vorfall so erklärt habe, wie sie es wiedergegeben habe. Der Angeklagte habe ihr gesagt, dass er F mit dem Bauch auf die Couch habe legen wollen, und als sie selbst in das Wohnzimmer gekommen sei, habe sie den Angeklagten ja auch auf der Couch sitzend mit F im Arm angetroffen. Sie habe sich dann auch auf die Couch gesetzt und F an sich genommen, um den Schnuller aus seinem Hals zu entfernen.
235Die Kammer ist überzeugt, dass es technisch nicht möglich ist, dass ein sechs bis sieben Monate alter Säugling, der schlafend auf dem Rücken liegt oder mit dem Bauch auf eine weiche Unterlage – wie eine Couch – gelegt wird, ohne äußere Gewalteinwirkung einen Schnuller derart tief einatmet, dass er unter Überwindung des harten Gaumens vollständig im Rachen stecken bleibt.
236Es ist allgemein bekannt, dass der Plastikschild eines Schnullers gerade dazu dient, ein Verschlucken zu verhindern. Insofern hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass F den Schnuller verschlucken konnte, etwa weil der Schnuller zu klein gewesen ist. Die Einlassung des Angeklagten, der Plastikschild des betreffenden Schnullers sei schmaler gewesen als der der nächstgrößeren Größe des gleichen Modells, ist durch die auch insofern glaubhafte Aussage der Zeugin N1 widerlegt. Die Zeugin hat plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass sie sich die Frage, ob der Schnuller für F zu klein gewesen sei, nach dem Vorfall selbst gestellt habe und daraufhin den Schnuller, der in F´s Rachen gesteckt habe, mit einem Schnuller desselben Modells in der nächstgrößeren Größe verglichen habe. Dabei habe sie festgestellt, dass der Schild bei beiden Größen gleich groß und nur der Sauger etwas größer gewesen sei.
237Ferner ist es allgemein bekannt, dass die Ventilationslöcher eines Schnullers im Notfall das weitere Atmen ermöglichen und auch das Risiko verringern sollen, dass der Schnuller durch die Erzeugung eines Unterdrucks in die Rachenhöhle eingesaugt wird. Bei einer derart kleinen Mundhöhle wie der eines Säuglings muss zudem der harte Gaumen als physische „Schwelle“ überschritten werden, damit der Schnuller überhaupt erst in den Hals gelangt. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass in einem solchen Fall – wie der Angeklagte es schildert – bei dem Säugling ein „Saugreflex“ eintritt. Denn ein derart tiefes Einführen eines Gegenstandes in den kleinen Rachen eines Säuglings ist – allgemein bekannt – mit Schmerzen verbunden und führt vielmehr zum Einsetzen eines Brechreizes als zu einem Saugreflex. Die Kammer hält es vor diesem Hintergrund für technisch ausgeschlossen, dass F die physische Barriere in Form des Gaumens ohne äußere Gewalteinwirkung überwinden und den Schnuller entweder auf dem Rücken liegend oder beim Ablegen auf die Couch selbständig so weit einsaugen konnte, dass er entgegen seines Schmerz- und Brechreizes den Schnuller weiter bis tief in den Rachen einsaugt. Andere denkbare Formen einer Gewalteinwirkung, die zu einem Verschlucken des Schnullers führen könnten – wie sie z.B. bei einem Sturz des Kindes auf einem harten Untergrund denkbar sind –, sind vorliegend nicht ersichtlich und sowohl von dem Angeklagten als auch von der Zeugin nicht geschildert worden.
238Die Kammer hält es auch für ausgeschlossen, dass der Schnuller durch das Zutun der Zeugin N1 überhaupt erst in F´s Rachen gerutscht ist. Der Angeklagte hat bekundet, dass, als er auf die Situation aufmerksam geworden sei, der Schnuller schon „fast ganz drin“ gewesen sei, sonst hätte er, der Angeklagte, ihn noch selbst rausbekommen. Diese Aussage steht im Einklang mit den auch insofern glaubhaften, weil nachvollziehbaren und plausiblen, oben dargelegten Bekundungen der Zeugin N1 zu der Position des Schnullers im Zeitpunkt des Hinzukommens der Zeugin. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht insbesondere, dass die Zeugin von sich aus bekundet hat, dass der Schnuller nicht etwa durch einen Saugreflex F´s, wie es der Angeklagte geschildert hat, sondern durch ihre eigenen Rettungsversuche noch weiter in den Hals reingerutscht sei, und sich damit in gewisser Weise selbst belastet hat.
239Dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat die Zeugin zur Hilfe herbeigerufen hat, spricht auch nicht durchgreifend gegen seine Täterschaft. Denn dieses Verhalten fügt sich in das Persönlichkeitsbild des Angeklagten, wie die Zeugin N1 es zur Überzeugung der Kammer glaubhaft beschrieben hat. So hat die Zeugin, wie unter Ziffer II. 1. dargelegt, nachvollziehbar und sichtlich betroffen beschrieben, dass es der Persönlichkeit des Angeklagten entspreche, sich unmittelbar nach einem Gewaltausbruch bei der Zeugin zu entschuldigen und seine Reue zu beteuern. Wenn der Angeklagte F aus einem Impuls heraus den Schnuller in den Hals drückt, sich bewusst wird, was er soeben getan hat, und entsetzt über sein eigenes Verhalten die Zeugin zur Hilfe ruft, steht dies im Einklang mit dem impulsiven und ambivalenten Verhaltensmuster des Angeklagten, wie es die Zeugin beschrieben hat und wie es auch aus den Feststellungen des verlesenen Urteils des Landgerichts F2 vom 04.08.2010 (…) hervorgeht.
240Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, dass der Angeklagte mit seinem Nachtatverhalten die Aufdeckung der Tat verhindern wollte. Der Angeklagte vermochte keinen plausiblen Grund dafür zu nennen, warum er das Telefon dem Zugriff der Zeugin entzogen hat. Er hat glaubhaft in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugin N1 eingeräumt, dass er nicht den Notarzt rufen wollte und sogar noch verhindert hat, dass die Zeugin N1 dies tut, indem er das Telefon hochgehalten hat. Er sei einfach panisch hin und her durch die Wohnung gerannt. Eine Erklärung dafür, warum er die Benachrichtigung des Notarztes verhindert hat, obwohl der Schnuller nach seiner Einlassung nicht durch sein Zutun, sondern durch einen Unfall in F´s Hals gerutscht sein soll, hat der Angeklagte nicht genannt. Es ist nicht ersichtlich, warum der Angeklagte, der nichts mit dem Verschlucken des Schnullers zu tun haben will, glauben sollte, dass der Verdacht auf ihn fiele, sollte ein Arzt benachrichtigt und F untersucht werden. Hätte es sich tatsächlich bloß um einen Unfall gehandelt und hätte der Angeklagte nichts mit dem Vorfall zu tun gehabt, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass ihm eine solche Tat unterstellt werden könnte, insbesondere da es bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte für Gewalttaten des Angeklagten gegenüber Kindern gegeben hat. So ergab sich die von der Zeugin N1 auch insofern glaubhaft, weil nachvollziehbar und plausibel, geschilderte Situation, dass im Rahmen des Kinderarztbesuches der Verdacht der Kindesmisshandlung aufgekommen sei, erst nach der Tat mit dem Schnuller.
241Nach einer Gesamtbetrachtung dieser Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass F den Schnuller nicht selbst in den Rachen gesaugt haben kann, sondern dies durch eine nicht unerhebliche Gewaltanwendung seitens des Angeklagten erfolgt ist.
242ee)
243Dass sich die Tat entgegen der Anklageschrift nicht im Sommer und entgegen der Einlassung des Angeklagten auch nicht kurz vor Weihnachten, sondern im Herbst 2018 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt ereignet hat, steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der auch insofern glaubhaften Angaben der Zeugin N1 in Zusammenschau mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Arztbericht vom 31.10.2018 fest. Die Zeugin hat nachvollziehbar und plausibel bekundet, dass sie sich an den genauen Zeitpunkt des Vorfalles nicht mehr erinnern könne, jedoch noch wisse, dass er sich etwa 1 bis 1,5 Wochen vor F´s Untersuchung im Krankenhaus ereignet habe, da sie Angst gehabt habe, dass auf dem MRT noch die Spuren des Vorfalls zu erkennen sein würden. Es sei auch nicht kurz vor Weihnachten gewesen. Die Kekse, die sie gebacken habe, seien keine Weihnachtsplätzchen gewesen. Sie habe kurz vorher gesehen, wie man Schwarz-Weiß-Gebäck mache und habe dieses nachbacken wollen. Dies steht auch im Einklang zu den übrigen Bekundungen der Zeugin. So schilderte sie, dass sie noch wisse, dass es zwar frisch, aber nicht so kalt gewesen sei, dass man eine Winterjacke bräuchte. Zudem konnte sich die Zeugin erinnern, dass sie kurz vorher erfahren habe, dass sie mit B schwanger sei; da sei sie bereits im 2. oder 3. Monat gewesen. Auch dies passt rechnerisch zu dem Zeitraum Herbst, da B am … geboren ist. Aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht der Kinder- und Jugendklinik H6 vom 31.10.2018 geht hervor, dass sich F dort vom 29.10.2018 bis 31.10.2018 zur Behandlung befunden hat, sodass sich der Vorfall einige Tage davor ereignet haben muss.
244ff)
245Die Feststellungen zur subjektiven Seite hat die Kammer aus der umfassenden Würdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände gefolgert. Dass dem Angeklagten bei dem Hereindrücken des Schnullers bewusst war, dass dieses F in seinem körperlichen Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt und dass er überdies die abstrakte Lebensgefährlichkeit seiner Handlungen erkannte und diese billigend in Kauf nahm, ergibt sich aus der Tathandlung selbst. Dass der Angeklagte dabei mit einer gefühllosen Gesinnung handelte, vermochte die Kammer indes nicht festzustellen.
246e)
247Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen N9, welches sie in der Hauptverhandlung mündlich erstattete. Die Sachkunde der der Kammer aus zahlreichen Verfahren bekannten Sachverständigen steht außer Zweifel.
248Die Sachverständige hat in ihrem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten schlüssigen, nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreiem Gutachten, dem sich die Kammer aufgrund eigener Überprüfung in vollem Umfang anschließt, ausgeführt, dass bei dem Angeklagten weder eine krankhafte seelische Störung, noch eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, ein Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit vorliege.
249Nach den Erkenntnissen, die die Sachverständige aus der Akte, der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie den Angaben der Zeugen gewinnen konnte, habe sich gezeigt, dass sowohl eine schizophrene als auch eine affektive Psychose auszuschließen seien. Eine solche hätte dem Zeugen U, der als Sozialtherapeut des Angeklagten in der Sozialtherapeutischen Anstalt auch für die ambulante Nachsorge zuständig gewesen sei, sowie der Zeugin T6, die die Bewährungshelferin des Angeklagten im Rahmen der Führungsaufsicht gewesen sei, auffallen müssen. Eine krankhafte seelische Störung könne mithin ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte auch eine Ausbildung abgeschlossen habe, und nach dem klinischen Eindruck des Angeklagten in der Hauptverhandlung erübrige sich auch die Frage nach einem „Schwachsinn“.
250Weder Alkohol- noch Drogenkonsum hätten zur Zeit der Taten eine Rolle gespielt. Es habe jedoch eine Verlagerung zu einem pathologischen Spielen stattgefunden. Nach den Angaben des Angeklagten und den dazu in Einklang stehenden, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben der Zeugin N1 habe er täglich die Spielhalle besucht und heimlich versucht, Geld zu besorgen, um spielen zu können. Die Zeugin N1 hat auch insoweit nachvollziehbar geschildert, wie gereizt der Angeklagte gewesen sei, wenn er verloren habe, wohingegen es eine „Partystimmung“ gegeben habe, wenn er gewonnen habe. Die Sachverständige führte aus, dass diese Stimmungsabhängigkeit von dem Spielen auf eine pathologische „Spielsucht“ hinweise. Die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Anteilen sei jedoch nicht erst durch das Spielen bedingt, sondern selbst der Hintergrund für das pathologische Spielen. Zusammengenommen erfülle dies jedoch nicht das Merkmal der schweren seelischen Abartigkeit. Dies erfordere eine schwergradige Dysfunktionalität mit sozialen und sozio-emotionalen Funktionsdefiziten, wie sie bei forensischen Krankheiten vorlägen, die zu einer Persönlichkeitsveränderung durch das Glücksspiel selber führen. Hier sei aber die Persönlichkeitsstörung primäre Ursache für das pathologische Spielen und nicht umgekehrt.
251V.
252Rechtliche Würdigung
253Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen wie folgt strafbar gemacht:
2541. Tat zu Ziffer II. 2. a)
255Der Angeklagte hat sich, indem er den Schlüsselbund in Richtung der Zeugin geworfen hat, einer versuchten gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Ein Rücktritt von dem Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 StGB scheidet vorliegend aus, da es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch handelt. Denn aus Sicht des Angeklagten konnte der Taterfolg - Verletzung der Zeugin N1 - mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden, ohne dass eine ganz neue Handlungs- oder Kausalkette in Gang gesetzt wurde. Denn die Zeugin hatte das zur Hand liegende Tatmittel - den Schlüssel - aufgehoben und mit ihrer Hand umschlossen. Weitere Mittel, die der Angeklagte als gefährliches Werkzeug zur Verletzung der Zeugin hätte einsetzen können, waren nicht zur Hand.
256Zudem hat sich der Angeklagte durch die Tat zu Ziffer II. 2. a) einer jeweils in Tateinheit zu der versuchten gefährlichen Körperverletzung begangenen fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGB, einer Sachbeschädigung gem. § 303 Abs. 1 StGB sowie einer Nötigung gem. § 240 StGB strafbar gemacht.
2572. Tat zu Ziffer II. 2. b)
258Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. b) einer vorsätzlichen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Nötigung gem. § 240 StGB strafbar gemacht.
2593. Tat zu Ziffer II. 2. c)
260Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. c) einer vorsätzlichen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
2614. Ziffer II. 2. d)
262Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. d) einer vorsätzlichen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Nötigung gem. § 240 StGB strafbar gemacht.
263Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kam hingegen nicht in Betracht. Zwar kann auch ein Kopfstoß grundsätzlich eine abstrakt lebensgefährdende Behandlung darstellen, insbesondere wenn er gegen die Schläfe oder so heftig geführt wird, dass es zu einem Schädelbruch oder zu Gehirnblutungen kommen kann. Erforderlich sind jedoch Feststellungen dazu, dass der Kopfstoß von einer entsprechenden Gefährlichkeit gewesen ist, insbesondere im Hinblick auf die Wucht und die genaue Art der eingetretenen Verletzungen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2006 - 3 Ss 549/06, juris). Indes konnten zu der Wucht des Kopfstoßes vorliegend keine Feststellungen getroffen werden. Der Angeklagte hat die Zeugin auch nicht etwa im Bereich der Schläfe, sondern mit seiner Stirn an der Augenbraue getroffen. Die dadurch eingetretene Verletzung in Form eines Hämatoms war nicht geeignet, das Leben der Zeugin zu gefährden.
264Ferner war der Angeklagte „nur“ wegen Nötigung gem. § 240 StGB und nicht wegen Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB zu verurteilen. Eine äußere Vorrichtung im Sinne der Tatalternative des „Einsperrens“, durch die die Zeugin objektiv gehindert wäre, von ihrer Fortbewegungsfreiheit Gebrauch zu machen, liegt nicht vor. Die Feststellungen erfüllen auch nicht die Alternative der Freiheitsberaubung „auf andere Weise“. Diese erfordert – wie auch die Alternative des „Einsperrens“ – eine völlige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit, wobei das Hindernis nicht unüberwindlich sein muss, andererseits aber auch eine bloße Erschwerung des Sich-Entfernens nicht genügt. Die Verhaltensalternative muss jedenfalls unzumutbar sein. Daran fehlt es vorliegend. Auch wenn das an sich mögliche Verlassen der Wohnung durch das im Erdgeschoss gelegene Schlafzimmerfenster ein empfindliches Übel im Sinne von § 240 StGB – in Form von Ohrfeigen ins Gesicht – nach sich ziehen würde, erreicht dieses Übel (noch) nicht eine derart physische Wirkung, die das Verlassen der Wohnung unzumutbar machen würde.
2655. Tat zu Ziffer II. 2. e)
266Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. e) einer vorsätzlichen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er der Zeugin mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Die durch die Schläge mit dem Telefon verwirklichte fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB tritt dahinter zurück.
2676. Tat zu Ziffer II. 2. f)
268Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. f) einer gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht, indem er F den Schnuller in dessen Hals drückte. Eine Verurteilung gem. § 225 Abs. 1 StGB kam hingegen nicht in Betracht, da die für die „rohe Misshandlung“ im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB erforderliche gefühllose Gesinnung des Angeklagten nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden konnte.
2697. Tat zu Ziffer II. 2. g)
270Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. g) einer Nötigung gem. § 240 StGB strafbar gemacht.
2718. Tat zu Ziffer II. 2. h)
272Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen durch die Tat zu Ziffer II. 2. h) einer gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit Nötigung gem. § 240 StGB und mit Sachbeschädigung gem. § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
273In Abweichung zur Anklageschrift war vorliegend von einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung auszugehen, indem der Angeklagte den Fensterflügel gegen den Arm der Zeugin N1 geschlagen hat. Grundsätzlich zählen zu den gefährlichen Werkzeugen nur bewegliche Gegenstände. Aber auch ein beweglicher Teil eines unbeweglichen Gegenstandes – wie vorliegend der Fensterflügel, der gegen eine andere Person geschlagen wird – ist ein Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019 Rn. 7, StGB § 224 Rn. 7).
274Die durch das Schubsen in die Badewanne verwirklichte einfache Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB und die durch Zuschlagen des Fensterflügels verwirklichte gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind als eine Tat im Sinne von § 52 StGB zu werten. Bei einem mehraktigen Tatgeschehen liegt eine Tat im Rechtssinne vor, wenn zwischen gleichgelagerten, strafrechtlich erheblichen Betätigungen ein derart unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamt Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengehöriges Tun darstellt, und die einzelnen Handlungen durch ein subjektives Element miteinander verbunden sind (BGH, Beschluss vom 24.01.2019 – 5 StR 480/18, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Zwischen den von einem einheitlichen Körperverletzungsvorsatz getragenen Handlungen lag ein sehr kurzer Zeitraum von allenfalls einigen wenigen Minuten. Auch der räumliche Zusammenhang war durch den Wechsel vom Bade- ins Schlafzimmer nicht unterbrochen. Das Zuschlagen des Fensterflügels gegen den Arm der Zeugin N1 stellt damit auch aus der Sicht eines Dritten keinen neuen selbständigen Angriff auf deren körperliche Unversehrtheit dar, sondern den abschließenden Akt eines einheitlichen Geschehens, mit dem der Angeklagte die Geschädigte verletzen wollte.
275Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
276VI.
277Strafzumessung
2781.
279Die Kammer ist zunächst von folgenden Strafrahmen ausgegangen:
280a)
281Entnommen sind die Einzelstrafen für die Taten zu Ziffer II. 2. a), II. 2. f) und II. 2. h) zunächst dem § 224 Abs. 1, 1. HS. StGB, dessen Regelstrafrahmen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
282Bei der Tat zu Ziffer II. 2. a) handelt es sich nicht um einen minder schweren Fall im Sinne des § 224 Abs. 1, 2. HS StGB und zwar selbst dann nicht, wenn man zusätzlich zu den vorhandenen unbenannten Milderungsgründen berücksichtigt, dass die Tat um Versuchsstadium stecken geblieben ist. Dies ergibt die vorgenommene Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände und Aspekte herangezogen und gewürdigt worden sind, die für die Wertung der Taten und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nicht übersehen worden ist dabei, dass das Vorliegen eines benannten Milderungsgrundes im Sinne von § 49 Abs. 2 StGB bereits für sich allein geeignet sein sowie Anlass geben kann, einen minder schweren Fall zu bejahen und dass zugunsten des Angeklagten spricht, dass dieser die Tat zu Ziffer II. 2. a) letztlich eingeräumt, in der Hauptverhandlung Schuldeinsicht und Reue gezeigt hat und sich bei der Zeugin N1 entschuldigt hat, auch wenn diese die Entschuldigung nicht angenommen hat. Berücksichtigung gefunden hat auch, dass diese Tat bereits längere Zeit zurückliegt. Trotz dieser Umstände, deren Bedeutung nicht verkannt wird und die die Tat zu Ziffer II. 2. a) in einem milderen Licht erscheinen lassen, weicht das Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art nicht so sehr ab, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint. Nicht außer Acht gelassen werden kann nämlich, dass der Angeklagte schon mehrfach, auch einschlägig, so wie unter Ziffer I. 2. im Einzelnen aufgeführt, straffällig und verurteilt worden ist und bereits eine mehrjährige Freiheitsstrafe voll verbüßt hat. Indes war der Strafrahmen für die nur versuchte Tat gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu Gunsten des Angeklagten zu verschieben, sodass von einem Strafrahmen von einem Monat bis siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe auszugehen war.
283Bei der Tat zu Ziffer II. 2. f) handelt es sich ebenfalls nicht um einen minder schweren Fall im Sinne des § 224 Abs. 1, 2. HS StGB. Dies ergibt die abermals vorgenommene Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände und Aspekte herangezogen und gewürdigt worden sind, die für die Wertung der Taten und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nicht übersehen worden ist dabei, dass zugunsten des Angeklagten spricht, dass auch diese Tat bereits längere Zeit zurückliegt. Berücksichtigung gefunden hat auch, dass die Verletzungen von F, was allerdings lediglich vom Zufall abhing, nicht schwerwiegender Natur waren und der Vorfall für F glücklicherweise ohne Spätfolgen geblieben ist. Trotz dieser Umstände, deren Bedeutung nicht verkannt wird und die die Tat zu Ziffer II. 2. f) in einem milderen Licht erscheinen lassen, weicht das Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art nicht so sehr ab, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint. Nicht außer Acht gelassen werden kann nämlich, dass sich die Tat gegen einen erst sechs bis sieben Monate alten Säugling und damit gegen ein hilf- und wehrloses Opfer richtete. Zudem war auch hier in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte schon mehrfach, auch einschlägig, so wie unter Ziffer I. 2. im Einzelnen aufgeführt, straffällig und verurteilt worden ist und bereits eine mehrjährige Freiheitsstrafe voll verbüßt hat.
284Auch bei der Tat zu Ziffer II. 2 h) handelt es sich nicht um einen minder schweren Fall im Sinne des § 224 Abs. 1, 2. HS StGB. Dies ergibt die erneut vorgenommene Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände und Aspekte herangezogen und gewürdigt worden sind, die für die Wertung der Taten und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nicht übersehen worden ist dabei, dass zugunsten des Angeklagten spricht, dass dieser die Tat zu Ziffer II. 2. h) letztlich im Wesentlichen eingeräumt, in der Hauptverhandlung Schuldeinsicht und Reue gezeigt hat und sich bei der Zeugin N1 entschuldigt hat, auch wenn diese die Entschuldigung nicht angenommen hat. Berücksichtigung gefunden hat auch, dass diese Tat bereits geraume Zeit zurückliegt. Trotz dieser Umstände, deren Bedeutung nicht verkannt wird und die die Tat zu Ziffer II. 2. h) in einem milderen Licht erscheinen lassen, weicht das Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art nicht so sehr ab, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint. Nicht außer Acht gelassen werden kann nämlich, dass der Angeklagte schon mehrfach, auch einschlägig, so wie unter Ziffer I. 2. im Einzelnen aufgeführt, straffällig und verurteilt worden ist und bereits eine mehrjährige Freiheitsstrafe voll verbüßt hat.
285b)
286Für die Taten zu Ziffer. II. 2. b) bis e) sind die Einzelstrafen dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
287c)
288Für die Tat zu Ziffer II. 2. g) ist die Einzelstrafe dem Strafrahmen des § 240 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
2892.
290Innerhalb der zuvor genannten Strafrahmen hat die Kammer bei Bemessung der jeweiligen Einzelstrafen insbesondere folgende Umstände berücksichtigt:
291Bei der Bemessung der jeweiligen Einzelstrafen für die Taten zu Ziffer II. 2. a), f) und h) sind insbesondere alle oben aufgeführten Umstände, die zugunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nochmals berücksichtigt worden, hinsichtlich der Tat zu Ziffer II. 2 a) jedoch mit Ausnahme des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 23 Abs. 2 StGB als solchen, da die Tatsache, dass ein Versuch vorliegt bereits zur Verschiebung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB geführt hat und deshalb keine Bedeutung mehr für die angemessene Strafe zu entfalten vermag. Neben den bereits zu Lasten des Angeklagten genannten Umständen fällt hinsichtlich der Tat zu Ziffer II. 2 a) jedoch auch ins Gewicht, dass der Angeklagte durch diese Tat mehrere Delikte mit unterschiedlicher Schutzrichtung tateinheitlich verwirklicht hat.
292Bei Bemessung der jeweiligen Einzelstrafen für die übrigen Taten (Ziffer II. 2. b) bis e) und g)) hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Er hat in der Hauptverhandlung Schuleinsicht und Reue gezeigt und sich bei der Zeugin N1 entschuldigt, die diese Entschuldigung jedoch nicht angenommen hat. Der Angeklagte hat die Einsicht gewonnen, dass er engmaschige therapeutische Hilfe benötigt, um in Zukunft nicht wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückzufallen. Er ist bereit, sich einer entsprechenden Psycho- und/oder Sozialtherapie zu unterziehen. Ferner ist zugunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass einige der Taten – der Angeklagte hat die Taten zu Ziffer II. 2. b) bis e) im Jahr 2017 begangen – schon längere Zeit zurückliegen.
293Erheblich strafschärfend fällt bei dem Angeklagten jedoch ins Gewicht, dass er schon mehrfach, auch einschlägig, so wie oben unter Ziffer I. 2. aufgeführt, straffällig und verurteilt worden ist und bereits eine mehrjährige Freiheitsstrafe voll verbüßt hat. Auch wenn die letzte diesbezügliche Vorverurteilung aus dem Jahr 2010 bereits längere Zeit zurückliegt, so hat er die ersten der hier abzuurteilenden Taten nur etwa zwei Jahre, nachdem er im Juli 2015 nach Vollverbüßung seiner Haftstrafe aus der Haft entlassen worden war, begangen. Strafschärfend ist ferner zu berücksichtigen, dass das psychische Wohlbefinden der Zeugin N1 seit den Taten stark beeinträchtigt ist, sie unter den Folgen der Taten auch heute noch leidet, wovon sich die Kammer nach dem persönlichen Eindruck der Zeugin in der Hauptverhandlung überzeugen konnte, und diese dem Angeklagten vorzuwerfenden Auswirkungen der Tat für ihn vorhersehbar waren. Aber auch die körperlichen Verletzungen der Zeugin in Form von Hämatomen, Beulen und Nasenbluten, die, auch wenn sie zwischenzeitlich folgenlos verheilt sind, sowohl für sich gesehen als auch in ihrer Gesamtheit nicht unerheblich waren, wirken sich strafschärfend aus. Zulasten des Angeklagten wirkte sich hinsichtlich der Taten zu Ziffer II. 2 b) und h) ferner aus, dass er mehrere Gesetze mit unterschiedlicher Schutzrichtung verletzt hat.
294Tat- und schuldangemessen sind daher folgende Einzelstrafen:
295Für die Tat zu Ziffer II. 2. a) eine Freiheitsstrafe von
29610 Monaten,
297für die Tat zu Ziffer II. 2. b) eine Freiheitsstrafe von
29810 Monaten,
299für die Tat zu Ziffer II. 2. c) eine Freiheitsstrafe von
3001 Jahr,
301für die Tat zu Ziffer II. 2. d) eine Freiheitsstrafe von
3021 Jahr,
303für die Tat zu Ziffer II. 2. e) eine Freiheitsstrafe von
30410 Monaten,
305für die Tat zu Ziffer II. 2. f) eine Freiheitsstrafe von
3063 Jahren 8 Monaten,
307für die Tat zu Ziffer II. 2. g) eine Freiheitsstrafe von
3088 Monaten,
309und für die Tat zu Ziffer II. 2. h) eine Freiheitsstrafe von
3101 Jahr 8 Monaten.
3113.
312Unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ist gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB aus den Einzelstrafen unter Erhöhung der Einzelfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 8 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
3135 Jahren und 8 Monaten
314gebildet worden, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand, sondern maßgebend gewesen ist die Gesamtwürdigung der Person des bereits mehrfach vorbestraften Angeklagten, die Anzahl sowie das Ausmaß der begangenen Taten, denen sämtlich eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt, sowie das Verhältnis der Taten zueinander.
315Rechnung getragen bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde dem Umstand, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn, wie hier, zwischen den Taten ein teilweise enger zeitlicher und ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, der es gebietet, die Einzelstrafen enger zusammen zu ziehen.
316Nicht übersehen worden ist, dass der Angeklagte die Taten zu Ziffer II. 2. a) bis f) vor Erlass des Urteils am 19.02.2018 in dem Verfahren … AG H4 (siehe oben Ziffer I. 2. i)) begangen hat und dass diese Entscheidung nur deshalb nicht mehr einbeziehungsfähig ist, weil durch Zahlung der Geldstrafe die Zäsurwirkung dieser Entscheidung beseitigt ist. Ein Härteausgleich ist jedoch in diesem Fall nicht veranlasst, da keine auszugleichende Benachteiligung des Angeklagten vorliegt. Denn bei Bestehen der Zäsurwirkung hätten zwei Gesamtstrafen gebildet werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2007, 4 StR 408/07, juris, Rn 2; dazu auch BGH, Urteil vom 02.05.1990, 3 StR 59/89, juris, Rn 5 a.E., und Urteil vom 14.03.2012, 2 StR 561/11, juris, Rn 24; Fischer, Kommentar zum StGB, § 55, Rn 21a).
3174.
318Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB war vorliegend nicht anzuordnen. Der Angeklagte handelte bei Begehung der Taten — wie zuvor ausgeführt — weder ohne Schuld noch im Zustand verminderter Schuldfähigkeit.
319Ebenso scheidet die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB aus. Wie die Sachverständige N9 in ihrem mündlich erstatteten Gutachten, dem sich die Kammer auch insoweit nach eigener Überprüfung anschließt, sicher, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei ausführte, hat der Angeklagte zwar in der Vergangenheit Alkohol und Betäubungsmittel konsumiert, in der Beziehung zu der Zeugin N1 aber nur noch bei wenigen Gelegenheiten Cannabis geraucht und auf Alkohol vollständig verzichtet. Ein „Hang“ im Sinne des § 64 StGB liegt daher nicht vor. Bei dem pathologischen Spielen, dem der Angeklagte zur Zeit der Taten beinahe täglich nachgegangen ist, handelt es sich nicht um eine stoffgebundene Sucht, die für einen „Hang“ nach § 64 StGB erforderlich wäre.
320Auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB war nicht anzuordnen.
321Allerdings lagen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB vor, da der Angeklagte wegen vier vorsätzlich begangener Katalogtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt und schon wegen der Tat zu Ziffer II. 2. f) zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wird.
322Indes vermochte die Kammer die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB, nämlich die hinreichende Sicherheit, dass der Angeklagte gem. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, nicht festzustellen. Das Merkmal „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Das Vorliegen eines solchen Hangs hat die Kammer - nach sachverständiger Beratung - in eigener Verantwortung unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände wertend festzustellen (BGH, Urteil vom 06.08.2020 – 3 StR 66/20, juris).
323Das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB hat die Kammer indes nicht feststellen können. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass eine fest eingewurzelte Neigung zur Begehung erheblicher Straftaten bei dem Angeklagten nicht festgestellt werden kann. Die Kammer schließt sich insofern den in jeder Hinsicht nachvollziehbaren, schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen N9 in eigener Überzeugungsbildung an. Die Sachverständige hat bei der mündlichen Erstattung ihres Gutachtens in der Hauptverhandlung insoweit ausgeführt, dass für die Beurteilung, ob der Angeklagte als „Hangtäter“ zu bewerten sei und ob infolge dieses Hanges eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bestehe, die Beantwortung der Frage, wie er heute zu den Anlasstaten und seiner Delinquenz stehe, von großer Relevanz sei. Der Angeklagte habe sich zwar in der Hauptverhandlung zu den Taten und zu seinen persönlichen Verhältnissen eingelassen. Diese Angaben reichten aber nicht aus, um eine zuverlässige Aussage zu treffen. Hierzu wäre vielmehr eine ausführliche Exploration des Angeklagten erforderlich gewesen, zu der der Angeklagte jedoch nicht bereit gewesen sei. Die innere Einstellung des Angeklagten zu den Anlasstaten und zu seiner Delinquenz sei damit nicht beurteilbar. Beurteilbar sei lediglich die Entwicklung des delinquenten Verhaltens als solche. Dabei sei bei dem Angeklagten eine Frühkriminalität festzustellen, die zunächst in dem Bereich der Jugenddelinquenz einzuordnen, später indes in Gewalttaten gegenüber den jeweiligen Partnerinnen gemündet sei. Es bestehe zudem eine unkritische Haltung z.B. gegenüber süchtigem Verhalten, wobei dahingehend eine Verbesserung zu sehen sei, als der Angeklagte seinen missbräuchlichen Betäubungsmittelkonsum aufgegeben habe und „nur“ noch dem pathologischen Spielen nachgehe. Der Verlauf des delinquenten Verhaltens vermittele daher vordergründig den Eindruck, dass der Angeklagte durch Strafe nicht zu beeindrucken sei, insbesondere in Anbetracht der Rückfallgeschwindigkeit und der Wiederholung von Gewalttaten gegenüber der jeweiligen Partnerin. Anderseits sei jedoch eine „Milderung“ des delinquenten Verhaltens zu sehen, da es bei den Anlasstaten nicht mehr zu sexueller Gewalt gegenüber der Partnerin gekommen sei. Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände stehen sich daher nach Auffassung der Sachverständigen die für und gegen ein eingeschliffenes Muster im Sinne eines „Hangs“ sprechenden Aspekte gleichermaßen gegenüber. Denn betrachte man einerseits, wie wenig die bisherigen Behandlungsmaßnahmen in der Sozialtherapeutischen Anstalt bewirkt haben, liege es unter Berücksichtigung des in dem verlesenen Urteil des Landgerichts F2 vom 04.08.2010 (…) festgestellten Sachverhalts, der sich hinsichtlich des Verlaufs der jeweiligen Beziehungen, der Eifersuchtsattacken und der Gewaltausbrüche des Angeklagten in vielen Teilen in den jetzigen Feststellungen wiederspiegele, nahe zu sagen, es sei ein eingeschliffenes Muster erkennbar, dass den Angeklagten veranlasse, in Partnerschaften bei Überforderung gewalttätig zu reagieren und die Partnerin zu kontrollieren. Andererseits dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung einsichtig gezeigt und auch in der Untersuchungshaft bereits entsprechende Behandlungsmaßnahmen ergriffen habe. Die Sachverständige führt insofern plausibel und in jeder Hinsicht nachvollziehbar aus, dass der Angeklagte noch relativ jung sei, sodass noch eine gewisse Chance bestehe, dass dem Angeklagten bei intensiver Behandlung in der Haft und ambulanter psychotherapeutischer Anschlussbehandlung ein straffreies Leben gelingen werde. Aus sachverständiger Sicht habe die bisherige Nachsorge zu kurz gegriffen. Diesbezüglich sei unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten eine ambulante Psychotherapie über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren nötig, und zwar nicht wie bisher im strukturierten Rahmen der Sozialtherapeutischen Anstalt, sondern auch nach der Haft unter „wahren Lebensbedingungen“. Gerade bei den Störungsbildern, wie sie bei dem Angeklagten vorlägen, in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Anteilen, sei eine Besserung bei einer Behandlung ab dem 35. Lebensjahr möglich, insbesondere, wenn zukünftig die Partnerinnen passender gewählt würden. Denn vorliegend sei der Angeklagte nach seinen eigenen Bekundungen mit der Beziehung zu der Zeugin N1 von Anfang an überfordert gewesen. Diese Ausführungen stellen sich für die Kammer als uneingeschränkt nachvollziehbar und überzeugend dar, weshalb sie sich der Beurteilung der Sachverständigen N9 nach eigener Überprüfung anschließt.
324Nach alledem liegen nach Bewertung der Kammer in Übereinstimmung mit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen N9 gewisse Anhaltspunkte für ein eingeschliffenes Muster bei dem Angeklagten vor, die indes nicht die hinreichend sichere Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu begründen vermögen.
325Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen vermag die Kammer auch nicht die Voraussetzungen für eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach § 66 a StGB festzustellen. Nach § 66 a Abs. 1 Nr. 3 StGB ist dafür erforderlich, dass nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB vorliegen. Dafür genügt nicht bereits die Möglichkeit eines Hanges und – daraus resultierend – künftiger Straftaten. Vielmehr ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit erforderlich, wobei der Grad dieser Wahrscheinlichkeit nur wenig unter dem liegen darf, der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB erforderlich wäre. Indes vermögen die nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen, denen sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung anschließt, wie zuvor dargelegt, allenfalls eine gewisse Möglichkeit, nicht jedoch die erhebliche, naheliegende Wahrscheinlichkeit eines Hanges zu begründen.
326VII.
327Freispruch bezüglich der übrigen zur Last gelegten Taten
328Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft F5 vom 16.04.2020 lagen dem Angeklagten folgende weitere Taten zur Last:
329„2. Im September 2017 zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Tatzeitpunkt kam es zwischen dem Angeschuldigten und der Zeugin N1 zu einer verbalen Auseinandersetzung in der oben genannten ehelichen Wohnung, in deren Verlauf der Angeschuldigte der Zeugin seine Zigarette entgegen schnipste und diese, wie er von vornherein beabsichtigt hatte, im Gesicht traf. Verletzungen trug die Zeugin nicht davon.
3309. Im Oktober 2018 kam es erneut in der ehelichen Wohnung zu einer lautstarken verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeschuldigten und der Zeugin N1, da diese den Angeschuldigten erneut verlassen wollte. Der Angeschuldigte hatte Angst, dass die Nachbarn die Polizei holen könnten und äußerte gegenüber der Zeugin, wenn die Nachbarn die Polizei holen sollten und er deswegen wieder ins Gefängnis müsste, kenne er genügend Leute, die der Zeugin oder ihren Eltern etwas antun würden.“
331Von diesen Tatvorwürfen war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
3321. Ziffer 2 der Anklageschrift
333Der Angeklagte und die Zeugin N1 haben übereinstimmend bekundet, dass der Angeklagte zwar die Zigarette in Richtung der Zeugin geschnipst habe, sie jedoch nicht im Gesicht, sondern am Oberkörper getroffen habe. Verletzt worden sei die Zeugin dabei nicht. Die Zeugin bekundete weiter glaubhaft, weil nachvollziehbar, plausibel und frei von jeglicher Belastungstendenz, dass die Zigarette sodann auf den Boden gefallen sei und der Angeklagte sie ausgetreten habe. Insofern ist jedenfalls von einem strafbefreienden Rücktritt von dem Versuch der Körperverletzung gem. § 24 Abs. 1 S. 1 StGB auszugehen, weil der Angeklagte durch das Austreten der Zigarette freiwillig die weitere Tatausführung aufgegeben hat.
3342. Ziffer 9 der Anklageschrift
335In tatsächlicher Hinsicht steht aufgrund der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten fest, dass sich die Tat, wie unter Ziffer 9 der Anklageschrift dargestellt, ereignet hat. Der Angeklagte hat sich dadurch jedoch keiner Nötigung gem. § 240 StGB strafbar gemacht, da nicht ersichtlich ist, zu welchem Verhalten die Zeugin gegen ihren Willen veranlasst werden sollte.
336VIII.
337Kosten
338Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.