Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.)
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 4.878,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2020 zu zahlen.
2.)
Die Beklagten werden weiter verurteilt, den Kläger wegen noch offener Gutachtergebühren in Höhe von 1.180,00 Euro brutto gegenüber dem Sachverständigen V, W-Straße …, … E, aus der Rechnung vom 03.03.2020 zur Gutachter-Nr. … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2020 freizustellen.
3.)
Die Beklagten werden weiter verurteilt, außergerichtliche Rechtanwaltskosten in Höhe von 258,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, die Beklagte zu 1) seit dem 07.06.2020 und die Beklagte zu 2) seit dem 09.06.2020.
4.)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5.)
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20% und die Beklagten zu 80%.
6.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt Schadensersatzleistung nach einem Verkehrsunfallereignis. Am 00.00.0000 kam es gegen 15.09 Uhr auf der B-Straße in F zu einem Verkehrsunfall. Beteiligt war die Beklagte zu 1) als Fahrzeugführerin und Halterin des Fahrzeuges PKW U, amtliches Kennzeichen …, welches zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war und der Kläger mit dem Fahrzeug C, amtliches Kennzeichen … .
3Der Kläger befuhr die B-Straße in F in Fahrtrichtung Norden, die Beklagte in Fahrtrichtung Süden. Sie beabsichtigte, nach links in die I-Straße abzubiegen und übersah hierbei das klägerische Fahrzeug. Es kam zur Kollision. Das Beklagtenfahrzeug stieß mit der Front gegen die vordere linke Ecke des Klägerfahrzeuges.
4Der Kläger holte ein Gutachten des Sachverständigen V ein, welches 1.180,- Euro brutto kostete. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass brutto 8.184,76 Euro Reparaturkosten entstanden seien bei einem Wiederbeschaffungswert von 8.400,- Euro und einem Restwert von 3.300,- Euro. Das Fahrzeug war im rechten Front- und Kotflügel- Vorderradbereich vorgeschädigt durch ein Verkehrsunfallereignis vom 00.00.0000.
5Der Kläger machte den Schaden in Höhe eines Teilbetrages von 5.125,- Euro unter Fristsetzung bis zum 23.03.2020 gegenüber der Beklagten zu 2) geltend.
6Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Die geltend gemachten Reparaturkosten seien notwendig, um die unfallbedingten Schäden zu beseitigen. Der Wiederbeschaffungswert sei durch den von ihm beauftragten Sachverständigen V korrekt ermittelt worden. Die Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 00.00.0000 seien vollständig und fachgerecht beseitigt worden.
7Die Klage wurde der Beklagten zu 1) am 06.06.2020 und der Beklagten zu 2) am 08.06.2020 zugestellt
8Der Kläger hat ursprünglich zu Ziffer 1.) beantragt,
9die Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.125,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basiszinssatz ab dem 24.03.2020 zu zahlen.
10Nach Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 12.10.2020 beantragt der Kläger nunmehr insgesamt,
111.)
12die Beklagten werden verurteilt, an ihn 6.433,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basiszinssatz aus 5.125,00 Euro ab dem 24.03.2020 und aus 1.308,62 Euro ab dem 02.10.2020 zu zahlen;
132.)
14die Beklagten weiter zu verurteilen, ihn wegen noch offener Gutachtergebühren in Höhe von 1.180,- Euro brutto gegenüber dem Sachverständigen V, W-Straße …, … E, aus der Rechnung vom 03.03.2020 zur Gutachter-Nr. … nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basiszinssatz ab dem 24.03.2020 frei zu stellen;
153.)
16die Beklagten weiter zu verurteilen, als Nebenforderung an ihn 343,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basiszinssatz seit Klagezustellung zu tragen.
17Die Beklagten beantragen,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagten behaupten, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Auch beruhten die geltend gemachten Schäden nicht zur Gänze auf dem streitgegenständlichen Unfallereignis in Abgrenzung insbesondere zu den unstreitig vorhandenen Vorschäden.
20Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
21Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Frau H und Herrn I1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.10.2020 verwiesen. Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens aufgrund Beweisbeschlusses vom 28.10.2020. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen L, Sachverständigenbüro M, vom 14.07.2021 verwiesen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Klage ist großteils begründet.
24Zunächst ist der Kläger berechtigt, den an den Sachverständigen V zunächst abgetretenen und sodann rückabgetretenen Anspruch selbst gerichtlich unter Forderung der Leistung an den Zessionar geltend zu machen. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft liegen vor. Der Kläger wurde ausdrücklich ermächtigt, die Forderung geltend zu machen und hat hieran auch ein eigenes Interesse als Vertragsschuldner (Sicherungszedent). Die Forderung war abtretbar, die Abtretung wurde offengelegt (vgl. insgesamt: Musielak/ Weth, 13. Aufl., § 51, Rn. 25 ff.).
25Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf vollständigen Ersatz der ihm bei dem Verkehrsunfallereignis vom 00.00.0000 entstandenen Schäden, §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 3 StVG, § 115 VVG.
26Zunächst ist die Haftung der Beklagten ist nicht nach §§ 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Die Einwirkung höherer Gewalt ist nicht behauptet und lässt sich dem unstreitigen Vortrag auch nicht entnehmen.
27Es ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug beim Abbiegevorgang übersehen hat und aufgrund Verstoßes gegen § 9 StVG dem Grunde nach voll für die kausal entstandenen Schäden haftet. Ob der Unfall für den Kläger als Fahrer nach diesem Sachverhalt unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war, kann dahinstehen. Gem. § 17 Abs. 3 StVG ist eine nach § 17 Abs. 1 u. 2 StVG anzunehmende Verpflichtung zum Ersatz des Schadens ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln eines „Idealfahrers“ über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 17 StVG Rn. 22 mwN.). Ggf. hätte ein Idealfahrer.
28Selbst, wenn ein Idealfahrer an der Stelle des Klägers den Unfall durch irgend eine Reaktion hätte verhindern können, träfe die Beklagte zu 1) doch ein überwiegendes, die einfache Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges verdrängendes Mitverschulden.
29Denn gemäß § 17 Abs. 2 StVG richtet sich der Umfang der Haftung der Unfallbeteiligten nach einer Abwägung der im Unfallgeschehen verwirklichten Betriebsgefahren und risikoerhöhenden Mitverursachungsbeiträge. Bei der vorzunehmenden Abwägung entscheidet in erster Linie das Maß der Verursachung und damit das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen, so, wie sie sich bei dem konkreten Unfall ausgewirkt haben, wobei auch Schuldgesichtspunkte zum Tragen kommen (vgl.: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 17 StVG, Rn. 4 m.w.N.). Dadurch, dass die Beklagte zu 1) gegen die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 9 StVG verstoßen und den Kläger schlicht übersehen hat, sind diese Voraussetzungen gegeben.
30Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass der Kläger aktivlegitimiert ist. Der Zeuge I1 hat detailreich geschildert, von dem Kläger angesprochen worden zu sein, ob dieser sein Altfahrzeug bei beabsichtigtem Kauf eines neuen Fahrzeuges auch privat an ihn, den Kläger verkaufen würde, womit sich der Zeuge einverstanden erklärt hätte. Die Aussage des Zeugen deckt sich mit den Angaben des Klägers, welcher ebenfalls geschildert hat, den Verkäufer des Fahrzeuges im Rahmen seiner Tätigkeit in einem Autohaus kennengelernt zu haben. Auch die Zeugin H erinnert sich an den Kauf des Fahrzeuges. Da sie offen Erinnerungslücken einräumte, ist keine Tendenz zu erkennen, dass sie zugunsten des Klägers, ihres Ehemannes, ausgesagt hätte. Nach der Aussage der Zeugin steht weiter fest, dass das Fahrzeug durch den Kläger und seine Familie weiter genutzt wurde. So hat die Zeugin angegeben, mit dem Fahrzeug zum Gerichttermin gefahren zu sein.
31Aufgrund der Weiternutzung des Fahrzeuges über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg ist der Kläger berechtigt, die Reparaturkosten geltend zu machen, welche den Wiederbeschaffungsaufwand nicht um 130% überschreiten.
32Sachverständigenkosten sind als Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung erstattungsfähig (Palandt/ Grüneberg, 75. Aufl., § 249, Rn. 58 m.w.N.). Diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 26.04.2016, Az.: VI ZR 50/15). Das ist hier der Fall. Das Gutachten ist nicht unbrauchbar, da die unstreitig vorhandenen Vorschäden dem Gutachter mitgeteilt wurden und das gerichtlich eingeholte Gutachten nicht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die weiter geltend gemachten Schäden sicher nicht auf dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis beruhten. Vielmehr erschien dies nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen denkbar.
33Der Zinsanspruch beruht als Verzugsschaden auf den §§ 280 Abs. 1, 286 BGB. Gleiches gilt für den Anspruch auf Erstattung außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert bis 5.000,- Euro.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
35Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 ff. ZPO.