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Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.519,72 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2021 zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
2Der Kläger, welcher die I in O in Form eines Franchise System betrieb, und die Beklagte schlossen am 09.06.2020 mündlich einen Kaufvertrag über verschiedene Fahrzeuge und Gegenstände zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 113.220,00 € netto / 131.335,20 € brutto, wobei vereinbart wurde, dass die vollständige Zahlung vor Übergabe erfolgen sollte. Im Rahmen des Vertragsschlusses wurde weder über eine Anzahlung noch über ein genaues Zahlungsdatum gesprochen. Wegen der einzelnen Fahrzeuge und Gegenstände sowie der Einzelpreise wird Bezug genommen auf die Rechnung vom 03.07.2020 (Anlagen K1 und K2).
3Mit Schreiben vom 19.06.2020 übersandte die Beklagte zunächst eine Rechnung, welche jedoch nicht buchhalterischen und steuerrechtlichen Vorgaben entsprach.
4Mit Schreiben vom 03.07.2021 übersandte die Beklagte dem Kläger sodann die neue Rechnung vom 03.07.2020 nebst Auflistung der Einzelgegenstände, adressiert an I1, L, A-Straße …, … O (Anlange K 1), welche die gleichen Zahlungsfristen wie in der Rechnung vom 19.06.2020 enthielt. In der Rechnung vom 03.07.2021 war Folgendes aufgeführt:
5„Sehr geehrte Damen und Herren,
6gemäß unserer Vereinbarung, stellen wir ihnen heute folgende Rechnung.
7Die Einzelauflistung der Teile entnehmen sie bitte den Anhängen der Rechnung (Anhang 1 und 2).
8Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.
9Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung im Besitz der I2 GmbH.
10[…]
11Zahlung
12Bitte überweisen Sie 15 % der Gesamtsumme, 19.700,28 EUR bis zum 25.07.2020 auf das unten genannte Konto. Die Restsumme, 111.634,92 EUR, wird spätestens fällig zum 05.10.2020.
13Bitte geben Sie bei Ihren Zahlungen die Rechnungsnummer … an.“
14Im Übrigen wird Bezug genommen auf das Schreiben nebst Rechnung vom 03.07.2020 (Anlage K1)
15Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von insgesamt 19.700,00 € durch Überweisungen in Höhe von 5.000,00 € am 15.07.2020, in Höhe von 4.700,00 € am 31.07.2020 und in Höhe von 10.000,00 € am 31.07.2020.
16Mit E-Mail vom 08.09.2020 setzte sich die Beklagte mit dem Kläger in Verbindung und stellte eine Abholung/ Übergabe der Kaufgegenstände für die Zeit ab dem 26.10.2020 in Aussicht.
17Mit E-Mail vom 08.10.2020 teilte der Kläger mit, dass er den Kaufpreis in der Kalenderwoche 43 – mithin in der Woche vom 19. bis zum 25.10.2020 – begleichen werde und die Abholung dann in der 44. Kalenderwoche erfolgen könne.
18Mit Schreiben vom 06.10.2020 setzte die Beklagte dem Kläger eine Zahlungsfrist für den Restkaufpreis bis zum 15.10.2020.
19Mit Schreiben vom 16.10.2020 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag.
20Mit Schreiben vom 22.10.2020 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte auf, bis zum 27.10.2020 mitzuteilten, wann die Übergabe der Kaufgegenstände und des Kaufpreises erfolgen könne oder ob der Kaufpreis vorab überwiesen werden solle. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten teilten mit Schreiben vom 26.10.2020 mit, dass sie sich nach Einarbeitung in den Fall wieder melden würden.
21Der Kläger behauptet, im Rahmen der Vertragsverhandlungen und des mündlichen Vertragsschlusses sei über eine Anzahlung in Höhe von 15 % des Kaufpreises – mithin in Höhe von 19.700,00 EUR – gesprochen worden, hinsichtlich des gesamten Kaufpreises sei jedoch vereinbart worden, dass dieser lediglich vor Übergabe beglichen seien müsse, wobei die Übergabe im Oktober 2020 erfolgen sollte.
22Der Kläger ist der Ansicht, dass die Zahlungsfrist bis zum 25.07.2020 unangemessen kurz sei und behauptet, dass diese entgegen der Vereinbarung gewesen sei.
23Die Voraussetzungen des Rücktritts haben nach Ansicht des Klägers nicht vorgelegen. Er habe sich am 16.10.2020 mit der Zahlung nicht im Verzug befunden, da ein Übergabetermin noch nicht vereinbart gewesen sei. Mit E-Mail der Beklagten vom 08.09.2020 sei vereinbart worden, dass bei Übergabe ab dem 26.10.2020 der restliche Kaufpreis jedenfalls bis zum Ablauf des 25.10.2020 gezahlt werden könne.
24Der Kläger ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht vorlägen. Er – der Kläger – sei kein Kaufmann i.S.d. HGB. Auch die Beklagte habe das streitgegenständliche Geschäft nicht im Zusammenhang mit dem Betreiben eines Handelsgewerbes ausgeführt, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der Einstellung des Geschäftsbetriebes.
25Das Bestätigungsschreiben sei auch nicht alsbald nach den Vertragsverhandlungen abgesandt worden, da es ihm erst am 22.07.2020 zugegangen sei.
26Ferner würden die Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht vorliegen, da die Rechnung vom 19.06.2020 beanstandet worden sei.
27Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Ersatz des Differenzbetrages für den hypothetischen Ankauf vergleichbarer Gegenstände in Höhe von 77.604,00 €. Er ist der Ansicht, dass ihm der Schadensersatzanspruch aufgrund des unwirksamen Rücktritts der Beklagten und des rechtswidrigen Weiterverkaufs der Gegenstände zustehe. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Auflistung des Klägers in der Klageschrift vom 14.12.2020, Seite 11 bis 13 (Bl. 25 bis 27 der Akte).
28Der Kläger beantragt,
291.
30die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.700,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2020 zu zahlen,
312.
32die Beklagte zu verurteilen, an ihn 77.604,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
333.
34die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 2.546,08 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2020, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, da der Kläger nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung bis zum 05.10.2020 den vollständigen Kaufvertrag gezahlt habe. Die Zahlungsbedingungen seien jedenfalls unter Anwendung der Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens wirksamer Vertragsbestandteil geworden.
38Die Rechnung vom 03.07.2020 sei am gleichen Tage versandt worden und mithin nicht erst am 22.07.2020 zugegangen.
39Widerklagend macht die Beklagte einen Teil eines Schadensersatzanspruchs geltend.
40Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.11.2020 berief sich die Beklagte auf den Vertragsrücktritt und machte Schadensersatzansprüche geltend aufgrund eines – zwischen den Parteien streitigen – Weiterverkaufs der Fahrzeuge und Gegenstände in der Rechnung vom 03.07.2020 (Anlage K1) an die Firma I3 GbR in L1 zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 86.000,00 € netto. Die Beklagte erklärte, dass sie den ihr entgangenen Gewinn in Höhe von 27.220,00 € – der Differenzbetrag zwischen 86.000,00 € netto und 113.220,00 € netto – mit dem Ende Juli 2020 gezahlten Vorschuss in Höhe von 19.700,28 € brutto verrechne. Die Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt im Prozess der Geschäftsaufgabe.
41Die Beklagte behauptet, dass sie sich am 16.10.2020 mit der I3 GbR über den Verkauf der streitgegenständlichen Fahrzeuge nebst Zubehör zu einem Gesamtpreis i.H.v. 86.000,00 € netto geeinigt habe und der Verkauf auch abgewickelt worden sei. Hierzu hat sie die Kaufvertragsunterlagen nebst Rechnungen und Kontoauszügen zu den Akten gereicht. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Anlagenkonvolut B5 (Bl. 70 bis 78 d.A.)
42Die Beklagte behauptet, dass sie am 19. und 20.05.2020 über mehrere Plattformen im Internet (Newsletter, Facebook, Hotrod-Community) den Verkauf der Fahrzeuge und der Gegenstände angeboten habe. Es habe sodann folgende Anfragen gegeben:
43Datum: Interessent: Angefragte Gegenstände:
4419.05.2020 I3 GbR Hänger & 2
45Hotrods &
46Equipment
4719.05.2020 Herr C 2 Hotrods
4819.05.2020 Herr U 2 Hotrods
4919.05.2020 Herr T 2 Hotrods
5020.05.2020 Kläger Angebot für alle
51Gegenstände
5224.05.2020 I4 1 Karrosserie
5327.05.2020 Herr I5 1 Hotrod
54Aufgrund ihrer finanziellen Situation habe sie – die Beklagte – an einem Verkauf sämtlicher Gegenstände das größte Interesse gehabt, sodass sie den Kaufvertrag im Juni mit dem Kläger geschlossen und weitere Anfragen abgelehnt habe. Am 15.10.2020 habe der Verkauf der Gegenstände gedrängt, da sich auf dem Geschäftskonto der Beklagten lediglich noch 273,65 € befunden hätten. Hierzu legt die Beklagte einen Kontoauszug für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 15.10.2020 (Anlage B7) sowie eine Umsatzübersicht vom 13.10.2020 bis zum 31.12.2020 (Anlage B8) vor. Die Ertragslage sei in den Jahren 2018 und 2019 schlecht gewesen. 2018 habe sie einen Fehlbetrag i.H.v. 5.988,50 € und 2019 einen Fehlbetrag i.H.v. 46.780,54 € gehabt. Die Beklagte bezieht sich in diesem Zusammenhang auf einen Erstellungsbericht vom 31.12.2019 (Anlage B6). Mit der Zahlung des Klägers hätte sie zumindest die laufenden Kosten decken können. Sie – die Beklagte – habe sich dann erneut mit der I3 GbR in Verbindung gesetzt und mit dieser einen Kaufvertrag über sämtliche Gegenstände zu einem Gesamtpreis i.H.v. 86.000,00 € netto vereinbart. Andere Käufer seien kurzfristig nicht zu akquirieren gewesen, insbesondere da die Hotrod-Saison im Oktober bereits geendet und sich zu diesem Zeitpunkt die Pandemie Lage erneut verschärft habe. Aufgrund der schlechten finanziellen Situation und einer drohenden Zahlungsunfähigkeit sei aber ein Verkauf sämtlicher Gegenstände kurzfristig erforderlich gewesen.
55Die Beklagte beantragt,
56den Kläger zu verurteilen, an sie 7.519,72 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
57Der Kläger beantragt,
58die Widerklage abzuweisen.
59Er ist der Ansicht, dass der Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz zustehen. Der Kläger bestreitet, dass keine weiteren Interessenten vorhanden waren, die einen höheren Preis angeboten hätten. Ferner bestreitet er, dass die Kaufgegenstände zu marktüblichen Preisen angeboten bzw. verkauft worden sind. Zudem bestreitet der Kläger, dass es sich bei den in den Anlagen B7 und B8 aufgelisteten Ausgaben tatsächlich um Betriebsausgaben handelt.
60Die Parteien sind in der Hauptverhandlung vom 27.08.2021 persönlich angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 27.08.2021.
61Entscheidungsgründe
62Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Widerklage ist zulässig und begründet.
63I.
64Das Landgericht Essen ist sachlich zuständig gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen für die Klage ergibt sich jedenfalls aus den §§ 39, 40 ZPO.
65Die Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung ergibt sich aus § 260 ZPO, denn für sämtliche Ansprüche ist das Landgericht Essen zuständig und dieselbe Prozessart zulässig.
66Die Widerklage ist ebenfalls zulässig. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei § 33 ZPO lediglich um einen besonderen Gerichtsstand handelt, oder die Norm über diesen Anwendungsbereich hinaus auch die Zulässigkeit der Widerklage regelt, liegen die Voraussetzungen des § 33 ZPO vor. Insbesondere sind die mit der Klage und Widerklage verfolgten Forderungen miteinander konnex. Sie resultieren aus dem gleichen rechtlichen Verhältnis, nämlich dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag. Der Kläger begehrt Rückzahlung seiner Anzahlung in Höhe von 19.700,00 € sowie Schadensersatz in Höhe von 77.604,00 € wegen Nichtleistung. Die Beklagte begehrt ebenfalls Schadensersatz wegen der Nichtleistung des Klägers aus dem Kaufvertrag.
67II.
68Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet.
69Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung seiner Anzahlung in Höhe von 19.700,00 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB ist durch die mit Schreiben der Beklagten vom 06.11.2020 erklärte Aufrechnung erloschen, § 389 BGB.
701.
71Es bestand eine Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB. Der Kläger und die Beklagte schuldeten einander gleichartige Leistungen – nämlich Geldforderungen.
72a.
73Dem Kläger stand ursprünglich ein Anspruch auf Rückzahlung seiner Anzahlung gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu, da die Beklagte wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.
74aa.
75Die Parteien schlossen am 09.06.2020 mündlich einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB über verschiedene Fahrzeuge und Gegenstände zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 113.220,00 EUR netto / 131.335,20 EUR brutto. Die einzelnen Fahrzeuge und Gegenstände ergeben sich aus der Rechnung vom 03.07.2020 (Anlagen K1 und K2). Die Parteien haben sich unstreitig über den Verkauf der dort aufgeführten Gegenstände geeinigt.
76bb.
77Mit Schreiben vom 16.10.2020 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag, § 349 BGB.
78cc.
79Es bestand auch ein Rücktrittsgrund i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB, da der Kläger die fällige Restkaufpreiszahlung in Höhe von 111.634,92 EUR nicht fristgerecht erbracht hat.
80In diesem Zusammenhang kann außer Acht bleiben, ob ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 346 HGB) vorliegt. Denn unabhängig davon bestand ein fälliger und einredefreier Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Restkaufpreises.
81Der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises war gemäß § 271 Abs. 1 BGB mit Abschluss des Kaufvertrages sofort fällig. Sofern nämlich eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. § 271 Abs. 1 BGB enthält damit eine Regel für den Fall, dass die Parteien oder das Gesetz dazu keine Bestimmung getroffen haben. Für eine Vereinbarung bei oder nach Vertragsschluss, die abweichend von § 271 Abs. 1 BGB die Fälligkeit hinausschiebt, trifft die Darlegungs- und Beweislast den Schuldner (HK-BGB/Reiner Schulze, BGB, 11. Aufl., § 271 Rn. 1, 11). Eine Vereinbarung dahingehend, dass die Zahlung erst bei oder einen Tag vor der Übergabe erfolgen sollte, ist von dem Kläger nicht vorgetragen worden. Vielmehr setzte die Beklagte dem Kläger bereits in der Rechnung vom 03.07.2020 eine Zahlungsfrist bis zum 05.10.2020 zur Zahlung des Restkaufpreises i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB, indem sie angab, dass die Restsumme in Höhe von 111.634,92 EUR spätestens zum 05.10.2020 fällig werde.
82Es ist nämlich unstreitig, dass die Parteien am 09.06.2020 einen mündlichen Vertrag über die in der Rechnung vom 07.03.2020 aufgeführten Gegenstände geschlossen haben. Die Beklagte hatte die Fahrzeuge und Gegenstände zuvor in ein Forum gestellt und der Kläger hatte ein Angebot für alle Gegenstände abgegeben. Ferner ist unstreitig zwischen den Parteien, dass sie sich dahingehend einigten, dass die vollständige Zahlung vor Übergabe erfolgen sollte. Eine Regelung über den Zeitpunkt der Übergabe wurde in der mündlichen Abrede nicht getroffen. Dies bestätigten die Parteien auch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Hauptverhandlungstermin. Der Kläger teilte mit, dass in F der Kaufpreis vereinbart worden sei, eine Regelung hinsichtlich der Übergabe indes nicht getroffen worden sei. Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten sei vereinbart worden, dass „alles bezahlt werden müsse, bevor es abgeholt werde“. Damit haben die Parteien ausdrücklich eine Vorleistungspflicht des Klägers vereinbart. Entgegen der Ansicht des Klägers ergab sich daraus – auch im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 155 BGB – keine Stundungsabrede dahingehend, dass der Kaufpreis erst bei oder einen Tag vor Übergabe gezahlt werden sollte. Der Wortlaut enthielt dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte und weitere außervertraglichen Absprachen oder Umstände sind von dem Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden. Insbesondere ergab sich – entgegen der Auffassung des Klägers – eine abweichende Vereinbarung nicht aus dem E-Mailschriftverkehr der Parteien. Mit E-Mail vom 08.09.2020 stellte die Beklagte eine Abholung/ Übergabe der Kaufgegenstände am 26.10.2020 in Aussicht. Im Hinblick auf die Zahlungsfristen wurde von Seiten der Beklagten indes keine Aussage getroffen. Der Kläger teilte zwar mit E-Mail vom 08.10.2020 mit, dass er den Kaufpreis in der Kalenderwoche 43 – mithin in der Woche vom 19.10. bis zum 25.10.2020 – begleichen werde und die Abholung dann in der 44. Kalenderwoche erfolgen könne. Damit erklärte sich die Beklagte aber nicht ausdrücklich einverstanden. Vielmehr hatte sie dem Kläger bereits mit Schreiben vom 06.10.2020 erfolglos eine erneute angemessene Zahlungsfrist für den Restkaufpreis bis zum 15.10.2020 gesetzt i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB.
83Selbst wenn die Rechnung ein wirksames Kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstellen würde und damit eine den Kläger begünstigende von § 271 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung getroffen worden wäre, würden die Rücktrittsvoraussetzungen ebenso vorliegen, da der Kläger die Zahlung nicht fristgerecht (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) bis zum 05.10.2020 erbracht hätte.
84dd.
85Die Voraussetzungen des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB sind ebenfalls erfüllt, wonach der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten kann, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Zu fragen ist dabei nach dem Interesse des Gläubigers an dem Austausch der erbrachten Leistung und eines entsprechenden Teils der von ihm zu erbringenden Gegenleistung, danach also, ob dieser Teilaustausch dem Gläubiger noch eine – wenn auch teilweise – Verwirklichung des mit dem Vertrag verfolgten Interesses bringt. Der Maßstab ist das ursprüngliche, vom Gläubiger verfolgte Vertragsinteresse. Es kommt dabei darauf an, dass das Interesse des Gläubigers durch die Teilung unverhältnismäßig beeinträchtigt ist. Es muss das Interesse an der Gesamtleistung des Schuldners über die Entbehrung des vorenthaltenen Teils hinaus beeinträchtigt sein, so dass das Gläubigerinteresse auch bei einem Teilrücktritt noch verletzt bliebe (MüKoBGB/Ernst, BGB, 8. Aufl., § 323 Rn. 205). Dem ist vorliegend so. Die Parteien haben ausdrücklich einen Vertrag über alle von der Beklagten angebotenen Fahrzeuge und Gegenstände getroffen. Der bereits gezahlte Anteil in Höhe von 15% des Gesamtkaufpreises war im Verhältnis zum ausstehenden Kaufpreis gering. Die Beklagte hat ihr besonderes Interesse an der Gesamtleistung auch damit substantiiert begründet, dass sie sich im Prozess der Geschäftsaufgabe befand und ihre Geschäftsausstattung vollständig veräußern wollte, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu verhindern.
86b.
87Die Beklagte hatte einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Schadensersatz gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 27.220,00 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB.
88aa.
89Zwischen den Parteien bestand ein Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB. Der Kläger hat seine Pflicht zur fristgerechten Zahlung des Restkaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) verletzt. Hinsichtlich des Abschlusses des Kaufvertrages und der Nichterfüllung seiner fälligen Zahlungspflicht gemäß § 433 Abs. 2 BGB wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
90bb.
91Wie ebenfalls bereits dargelegt, lief die Nachfrist zur Leistungserfüllung i.S.d. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB am 15.10.2020 ab.
92cc.
93Damit waren die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung erfüllt, als die Beklagte die Gegenstände am 16.10.2020 weiterveräußerte.
94Die Beklagte kann gemäß § 281 Abs. 4 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung i.H.v. 27.220,00 € verlangen. Der bereits erklärte Rücktritt steht dem gemäß § 325 BGB nicht entgegen. Nach der Differenztheorie hat die Beklagte einen einseitigen Zahlungsanspruch auf den Wertunterschied zwischen ihrem positiven Interesse und der von ihr nicht erbrachten Gegenleistung. Bei der konkreten Schadensberechnung sind dem Gläubiger alle Schäden zu ersetzen, die sich aus dem endgültigen Ausbleiben der Leistung ergeben. Der geschädigte Verkäufer, der Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, kann den durch ein Deckungsgeschäft entstandenen Schaden (z.B. Mindererlös) geltend machen, denn er ist so zu stellen, wie wenn der Kaufpreis bei Fälligkeit bezahlt worden wäre (BeckOK BGB/Lorenz, BGB, 59. Ed. 01.08.2021, § 281 Rn. 37, 41, 44; BGH, Urteil vom 20.05.1994 – V ZR 64/93, DNotZ 1995, 382). Hätte der Kläger seiner Zahlungspflicht bis zum 15.10.2020 genügt, so hätte die Beklagte den ungünstigeren Vertrag mit der I3 GbR in L1 nicht abgeschlossen.
95Auf einen Zugang der Rücktrittserklärung kommt es – entgegen der Ansicht des Klägers – für die Begründung des Schadensersatzanspruchs nicht an, da Rücktritt und Schadensersatz gemäß § 325 BGB nebeneinander stehen können. Überdies kann ein Verkäufer Ersatz des Verlustes aus einem Deckungsverkauf sogar auch dann verlangen, wenn er die Sache vor Ablauf gesetzten Nachfrist weiterverkauft hat (BGH, a.a.O.).
96(1)
97Die Beklagte hat die Deckungsverkäufe in Form der zwei Kaufverträge mit der I3 GbR sowie ihre Abwicklung substantiiert dargelegt. Der Kläger ist dem nicht hinreichend entgegengetreten i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO. Denn gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab (Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 138 ZPO, Rn. 8 f.).
98Die Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass sie sich am 16.10.2020 mit der I3 GbR über den Verkauf der streitgegenständlichen Fahrzeuge nebst Zubehör zu einem Gesamtpreis i.H.v. 86.000,00 EUR netto geeinigt hat und der Verkauf auch abgewickelt wurde. Hierzu hat sie die Kaufvertragsunterlagen nebst Rechnungen und Kontoauszügen zu den Akten gereicht. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte mit der I3 GbR zwei Kaufverträge (48.720,00 € brutto und 51.040,00 € brutto) über die gleichen Gegenstände abgeschlossen hat, wie sie sich auch aus der Rechnung vom 03.07.2020 ergeben. Die entsprechenden Kaufpreiszahlungen ergeben sich aus den vorgelegten Kontoauszügen. Vor diesem Hintergrund war das einfache Bestreiten des Klägers, dass die Verträge tatsächlich geschlossen wurden, nicht hinreichend substantiiert.
99(2)
100Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch den Weiterverkauf zu einem Gesamtpreis in Höhe von 86.000,00 € netto rügt und bestreitet, dass keine weiteren Interessenten vorhanden waren, die einen höheren Preis angeboten hätten und in Abrede stellt, dass die Kaufgegenstände zu marktüblichen Preisen angeboten bzw. verkauft worden sind, ist dieser Vortrag ebenfalls nicht hinreichend substantiiert. Denn die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht hat der Kläger. Er hat keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen, warum ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht begründet sein könnte.
101Demgegenüber ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen. Die Beklagte hat die Rechnungen nebst Einzelpositionen zur Akte gereicht. Die Einzelpreise waren damit für den Kläger erkennbar. Inwieweit eine offensichtliche Überschreitung der marktüblichen Preise vorliegt, hat der Kläger nicht dargelegt. Auch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht im Übrigen war nicht erkennbar, da die Beklagte die einzelnen Gebote von Mai 2020 aufgelistet hat und den Grund einer Gesamtveräußerung ebenfalls substantiiert dargelegt hat. Sie hat plausibel ausgeführt, dass aufgrund ihrer finanziellen Situation ein Verkauf sämtlicher Gegenstände notwendig gewesen sei, sodass sie den Kaufvertrag im Juni mit dem Kläger geschlossen und weitere Anfragen abgelehnt habe. Am 15.10.2020 habe der Verkauf der Gegenstände gedrängt, da sich auf dem Geschäftskonto der Beklagten lediglich noch 273,65 € befunden hätten. Der Betrag ergibt sich aus dem Kontoauszug für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 15.10.2020 (Anlage B 7). Damit korrespondiert auch der Erstellungsbericht vom 21.12.2019, woraus sich ein Fehlbetrag i.H.v. 5988,50 € im Jahr 2018 und ein Fehlbetrag i.H.v. 46.780,54 € im Jahr 2019 ergibt (Anlage B 6). Vor diesem Hintergrund habe sie – die Beklagte – der I3 GbR unmittelbar nach Ablauf der Frist sämtliche Gegenstände zu einem Gesamtpreis i.H.v. 86.000,00 € verkauft. Andere Käufer seien kurzfristig nicht zu akquirieren gewesen, insbesondere da die Hotrod-Saison im Oktober bereits geendet und sich zu diesem Zeitpunkt die Pandemielage erneut verschärft habe. Diesem detaillierten und substantiierten Vortrag ist der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten. Er hat zwar bestritten, dass es sich bei den in den Anlagen B7 und B8 aufgelisteten Angaben tatsächlich um die Betriebsausgaben handelt. Indes ist auch dieses einfache Bestreiten vor dem Hintergrund der ausführlichen Aufstellung der Betriebsausgaben nicht durchgreifend. Anhaltpunkte oder Gründe, warum es sich dabei nicht um die Betriebsausgaben, mithin eine Fälschung, handeln könnte, werden von dem Kläger nicht vorgetragen.
1022.
103Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.11.2020 gemäß § 388 S. 1 BGB die Aufrechnung erklärt, indem sie erklärte, dass sie den ihr entgangenen Gewinn in Höhe von 27.220,00 € mit dem Ende Juli 2020 gezahlten Vorschuss in Höhe von 19.700,28 EUR brutto verrechne.
104III.
105Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet.
106Dem Kläger steht mangels Pflichtverletzung der Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe des Wertes der Kaufgegenstände zu, da die Beklagte aus den oben genannten Gründen wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und sie damit keine Pflicht zur Übergabe und Übereignung der Gegenstände gemäß § 433 Abs. 1 BGB mehr traf.
107IV.
108Die Zinsansprüche sowie der Klageantrag zu 3) auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sind mangels einer Hauptforderung auf Schadensersatz unbegründet.
109V.
110Die Widerklage ist begründet.
1111.
112Die Beklagte hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Kläger in Höhe von 7.519,72 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB.
113Sie hat gegen den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Anzahlung die Aufrechnung i.H.v. 19.700,28 € mit dem aus den obigen Gründen ursprünglich bestehenden Schadensersatzanspruch i.H.v. 27.220,00 € erklärt, sodass die Widerklage in Höhe des geltend gemachten Restbetrages von 7.519,72 € begründet ist.
1142.
115Der Anspruch auf Prozesszinsen ist gemäß den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet. Die Zustellung der Widerklage erfolgte ausweislich der Zustellungsurkunde am 10.05.2021.
116VI.
117Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 2 ZPO.
118VII.
119Der Streitwert wird gemäß den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 S.1 GKG auf 104.823,72 € festgesetzt. Zinsansprüche und vorgerichtliche Anwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO außer Betracht.
120Rechtsbehelfsbelehrung:
121Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
122Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
123Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.