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Der Angeklagte wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit Vergewaltigung, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von
vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 S. 2 Nr. 1, 223 Abs. 1, 230, 239 Abs. 1, 52, 53 StGB
Gründe:
2(Dem Urteil ist eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen)
3I.
4Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten
51.1
6Der Angeklagte wurde am … in E im heutigen Kosovo geboren. Seine Eltern führten dort einen großen Bauernhof, auf dem er mit seinen weiteren acht Geschwistern lebte. Der Angeklagte hatte fünf Schwestern und war der jüngste von vier Brüdern. Der Angeklagte begann im Alter von sechs Jahren auf dem Bauernhof zu helfen. Er besuchte die Grundschule im Alter von 8-10 Jahren, also insgesamt für zwei Jahre. Danach verließ er die Grundschule ohne Schulabschluss, da er auf dem Bauernhof seiner Eltern arbeiten musste. Eine Ausbildung absolvierte er auch später nicht. Vor mehr als 40 Jahren, also spätestens 1980, lernte der Angeklagte in seinem Dorf seine jetzige Ehefrau – Frau C - kennen und sie wurden ein Paar. Gemeinsam bekamen sie drei Kinder, eine Tochter C1 (geboren am …), einen Sohn C2 (geboren am …) und einen Sohn C3 (geboren am …). Die Arbeit auf dem elterlichen Bauernhof war dem Angeklagten zu schwer und er wollte eine leichtere Arbeit suchen, sodass er sich entschloss auszuwandern. Etwa im Jahr 1988 oder 1989 ging der Angeklagte mit seiner Familie nach Montenegro. Dort fand er in einer Fabrik für die Produktion von Aluminium eine Arbeit, verdiente gutes Geld und kaufte sich ein Grundstück, um dort ein Haus zu bauen. In dieser Zeit heiratete der Angeklagte seine jetzige Ehefrau. Aufgrund politischer Probleme musste das Aluminiumwerk bereits etwa sechs Monate später schließen und zahlreiche Arbeiter – hierunter der Angeklagte – verloren ihre Arbeitsstelle. Dementsprechend konnte der Angeklagte sein Haus nicht fertigstellen.
7In der Vorstellung, eine bessere persönliche und berufliche Perspektive in Deutschland zu finden, wanderte der Angeklagte mit seiner Ehefrau noch 1989 nach Deutschland aus. Hier war der Angeklagte zunächst in T gemeldet und lebte vorübergehend in einer Kaserne. Seit nunmehr über dreißig Jahren lebt der Angeklagte jedoch in E1. Aufgrund des laufenden Asylverfahrens erhielt er immer wieder kurzzeitige Duldungen von drei, gegebenenfalls sechs Monaten und fand für diese kurzfristigen Zeiträume zunächst keine Anstellung. Später arbeitete der Angeklagte fünf bis sechs Jahre für das Unternehmen X in der Fleischproduktion. Sodann war der Angeklagte über zwanzig Jahre im Rahmen eines „Ein-Euro-Jobs“ für die Stadt E2 als Sozialhelfer tätig. Seit Mai 2015 ist der Angeklagte jedoch arbeitslos. Derzeit erhalten der Angeklagte und seine Ehefrau vom Jobcenter staatliche Transferleistungen in Höhe von monatlich etwa 700,00 EUR. Er verfügt momentan über eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre.
8Der Angeklagte ist seit 25 Jahren an Diabetes erkrankt. Zudem hatte er Probleme an der Wirbelsäule. Der Angeklagte erlitt keine durch Krieg oder Unfälle bedingten Verletzungen.
9Infolge der diesem Verfahren zugrunde liegenden Strafanzeige vom 17.06.2020 wurde der Angeklagte noch am selben Tag vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des sodann ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts E3 vom selben Tag seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt F. Zwischen dem ersten und zweiten Tag der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte in das Justizvollzugskrankenhaus in G verbracht, um aufgrund bestehender Darmprobleme prüfen zu lassen, ob er an Krebs erkrankt ist. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
101.2
11Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
12II.
13Feststellungen zur Sache
141. Vorgeschehen
15Der Angeklagte bewohnt mit seiner Ehefrau eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der T1-Straße … in E1. Auch im Bereich der Innenstadt wohnt in fußläufiger Entfernung, die am … geborene Nebenklägerin E4 (im Folgenden Nebenklägerin), deren Mutter, die Zeugin E5, ebenfalls im Kosovo geboren wurde. Da beide sich regelmäßig im Bereich der Innenstadt aufhielten, kannte die Nebenklägerin den Angeklagten vom Sehen. Etwa im Januar 2020 befand sich die Nebenklägerin mit ihrem zu dieser Zeit besten Freund, dem Zeugen H, an einer künstlich angelegten Wasserfläche bei dem S, einem Gebäude mit Geschäften in unmittelbarer Nähe zu der Wohnung des Angeklagten. Als der Zeuge H sich etwas zu essen holte, saß die zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alte Nebenklägerin allein auf einer Bank und wartete. Der zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alte Angeklagte setzte sich zu ihr auf die Bank und fragte sie, wer ihre Eltern seien und welche Sprache sie spreche. Die Nebenklägerin empfand es nicht als unangenehm, dass er sich zu ihr setzte und beantwortete seine Fragen, da sie es vor dem Hintergrund ihrer Erziehung für respektvoll hielt, da der Angeklagte ein älterer Mann war. Der Zeuge H kam sodann hinzu. Nach kurzer Zeit musste dieser nach Hause gehen, sodass er und die Nebenklägerin sich verabschiedeten.
16Als die Nebenklägerin und der Zeuge H einige Tage später wieder am Teich spazieren gingen, trafen sie wiederum auf den Angeklagten, begrüßten ihn und unterhielten sich kurz. Bei einem weiteren Aufeinandertreffen kurze Zeit später waren auch die Ehefrau des Angeklagten und die Mutter der Nebenklägerin, die Zeugin E5, dabei. Die Zeugin E5 lud den Angeklagten und seine Ehefrau zum Kaffee ein. Bei diesem Treffen verstanden sich die Beteiligten gut, unterhielten sich viel und es stellte sich heraus, dass der Angeklagte ein Großcousin des Vaters der Zeugin E5 und sie somit „verwandt“ seien. Die Zeugin E5, war sehr froh darüber, einen „Verwandten“ in der Nähe zu haben. In der nachfolgenden Zeit besuchten sich die Beteiligten regelmäßig und es kam dazu, dass der Angeklagte beinahe täglich – mit oder ohne seine Ehefrau – in der Wohnung der Nebenklägerin war. Er kam selbst dann zu Besuch, wenn die Zeugin E5 ihm mitgeteilt hatte, dass sie keine Zeit habe. Die Nebenklägerin begleitete ihn nach diesen Besuchen regelmäßig nach Hause. Zudem half sie dem Angeklagten in dessen Wohnung mit seinem Computer und sie half dem Angeklagten und seiner Ehefrau beim Einkaufen sowie bei der Haushaltsführung. Infolgedessen betrat sie wiederholt die Wohnung des Angeklagten. Zudem suchte sie die Wohnung des Angeklagten zusammen mit dem Zeugen H auch deshalb wiederholt auf, da sie über das Mobiltelefon des Zeugen H das drahtlose Internet des Angeklagten nutzen wollte, um mit ihrem heimlichen – da ihrer Mutter und ihrer, in sehr traditionellen Vorstellungen verhafteten und gegen eine Liebschaft mit einem Jungen eingestellte Schwester nicht bekannten - Freund im Kosovo zu kommunizieren.
172. Die erste Tat
18a) Vorgeschehen und Tatentschluss
19Nach einem der zuvor beschriebenen Besuche des Angeklagten und seiner Ehefrau im Haushalt der Nebenklägerin – konkret am 27.03.2020 - begleitete die Nebenklägerin die beiden nach Hause in ihre Wohnung in der T1-Str. … in E1. Die Ehefrau des Angeklagten war aufgrund von ihr eingenommener Medikamente müde und ging frühzeitig schlafen. Der Angeklagte schlug der Nebenklägerin vor, in seiner Wohnung zu übernachten und die Nebenklägerin stimmte dem nach Absprache mit ihrer Mutter zu. Als die Nebenklägerin und der Angeklagte nebeneinander auf einer Couch saßen, streichelte der Angeklagte an diesem Abend mehrfach oberhalb der Hose ihr Bein und bewegte sich dabei mit der Hand weiter in Richtung ihres Genitalbereichs, ohne diesen jedoch zu erreichen. Der Angeklagte und die Nebenklägerin legten zusammen im Wohnzimmer eine Matratze direkt neben die Couch. Der Angeklagte setzte sich auf die Couch und die Angeklagte legte sich auf die Matratze. Gemeinsam guckten sie noch Filme. Als die Nebenklägerin müde wurde – der Angeklagte befand sich noch auf der Couch – schlief sie auf der Matratze ein.
20Vor diesem Hintergrund entschloss sich der Angeklagte spätestens am Abend des 27.03.2020 sexuelle Befriedigung nunmehr bei der Nebenklägerin, der damals noch 12-jährigen, kindlichen, sexuell nicht erfahrenen und auch nicht aufgeklärten Nebenklägerin E4, zu suchen. Er entschloss sich sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen, insbesondere mit einem Finger in die Vagina des Kindes einzudringen. Dabei war dem Angeklagten neben dem kindlichen Alter der Nebenklägerin auch bewusst, dass ihm die Vornahme sexueller Handlungen an ihr nicht erlaubt war. Mit all diesen Umständen fand sich der Angeklagte jedoch ab, um das von ihm erstrebte Ziel der eigenen sexuellen Befriedigung zu erreichen.
21b) Erweiterung des Tatentschlusses und Tatgeschehen
22In Umsetzung dieses Tatentschlusses legte sich der Angeklagte am Abend des 27.03.2020 im Wohnzimmer hinter der Nebenklägerin auf die Matratze. Als die Nebenklägerin wach wurde, lag der Angeklagte hinter ihr und fasste ihr von hinten unter das T-Shirt an die Brust. Spätestens als die Nebenklägerin versuchte, sich zu wehren, in dem sie versuchte, den Angeklagten von sich wegzudrücken, entschloss sich der Angeklagte zudem, sich über den von ihm klar erkannten und entgegen stehenden Willen der Nebenklägerin hinwegzusetzen und gegen ihren deutlich ablehnenden Willen, die sexuellen Handlungen fortzusetzen. Er entschloss sich zur Verwirklichung dieses Ziels, die Nebenklägerin festzuhalten und ihr den Mund zuzuhalten, um sie weiter anfassen zu können. Sodann hielt er sie fest. Als die Nebenklägerin schreien wollte, hielt er ihr kurzzeitig auch den Mund zu. Sodann fasste er ihr in die Hose und dort an das Gesäß und in den Genitalbereich. Ferner führte er einen Finger in ihre Scheide ein. Währenddessen hielt der Angeklagte die Nebenklägerin fest. Als der Angeklagte sodann versuchte, ihr die Hose herunterzuziehen, schaffte die Nebenklägerin es, ihn wegzudrücken und sagte ihm, er solle sie in Ruhe lassen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab, stand auf und ging in sein Schlafzimmer.
233. Die zweite Tat
24a) Vorgeschehen und Tatentschluss
25Da der Angeklagte die Nebenklägerin am Folgetag, dem 28.03.2020, aufgefordert hatte, niemandem von dem sexuellen Übergriffen zu erzählen und ihr androhte, andernfalls der älteren Schwester davon zu erzählen, dass sie einen Freund im Kosovo habe, erzählte die Nebenklägerin ihrer Familie zunächst nichts davon und ging weiterhin zu dem Angeklagten. So kam es dazu, dass die Nebenklägerin im April 2020 wiederum die Wohnung des Angeklagten betrat. Spätestens in diesem Moment entschloss sich der Angeklagte, die Wohnung von innen zu verschließen, damit die Nebenklägerin nicht flüchten könne. Zudem beschloss er, sich über den ihm klar bekannten, entgegen stehenden Willen der Nebenklägerin hinwegzusetzen und gegen ihren deutlich ablehnenden Willen, abermals sexuelle Befriedigung bei der 12-jährigen Nebenklägerin zu suchen. Er entschloss sich sexuelle Handlungen in der Form an ihr vorzunehmen, dass er sie zunächst auf die Couch im Wohnzimmer drücken, sie festhalten und sodann ihre Leggins herunter ziehen würde, um sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollziehen zu können, während er sie auch weiter festhalten würde. Dabei war dem Angeklagten neben dem kindlichen Alter der Nebenklägerin auch bewusst, dass ihm die Vornahme sexueller Handlungen an ihr nicht erlaubt war. Mit all diesen Umständen fand sich der Angeklagte jedoch ab, um das von ihm erstrebte Ziel der eigenen sexuellen Befriedigung zu erreichen.
26b) Tatgeschehen
27In Umsetzung dieses Tatentschlusses schloss der Angeklagte unmittelbar nach dem Betreten der Wohnung die Wohnungstür von innen ab und zog den Schlüssel ab. Im Wohnzimmer der Wohnung drückte er die Nebenklägerin auf die Couch, hielt sie fest und zog ihr die Leggins herunter. Die Nebenklägerin lag dabei auf dem Rücken auf der Couch. Sodann drückte er seinen erigierten Penis ohne Kondom in die Scheide der Nebenklägerin und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.
284. Die dritte Tat
29a) Vorgeschehen und Tatentschluss
30Circa drei Wochen später stellte die Mutter der Nebenklägerin – die Zeugin E5 – fest, dass sie kein Wasser im Haushalt hatte und bat die Nebenklägerin, zu dem Angeklagten zu gehen und sich Wasserflaschen geben zu lassen. Die Nebenklägerin kam dieser Aufforderung trotz ihres Widerwillens, abermals die Wohnung des Angeklagten aufzusuchen, nach, da sie sich nach wie vor nicht traute, sich ihrer Mutter anzuvertrauen, und ging – bei dem Wohnhaus des Angeklagten angekommen – mit diesem in den Keller, wo dessen Getränke standen. Spätestens bei Betreten des Kellers beschloss der Angeklagte, sich über den ihm klar bekannten entgegen stehenden Willen der Nebenklägerin hinwegzusetzen und gegen ihren deutlich ablehnenden Willen, ein weiteres Mal sexuelle Befriedigung bei der 12-jährigen Nebenklägerin zu suchen. Er entschloss sich, sexuelle Handlungen in der Form an ihr vorzunehmen, dass er sie an die Wand drücken, die Hose runterziehen und etwaige Gegenwehr durch Drohungen beseitigen würde, um sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollziehen zu können. Dabei war dem Angeklagten auch weiterhin neben dem kindlichen Alter der Nebenklägerin bewusst, dass ihm die Vornahme sexueller Handlungen an ihr nicht erlaubt war. Mit all diesen Umständen fand sich der Angeklagte jedoch ab, um das von ihm erstrebte Ziel der eigenen sexuellen Befriedigung zu erreichen.
31b) Tatgeschehen
32In Umsetzung dieses Tatentschlusses drückte er die Nebenklägerin im Kellerflur an die Wand und zog ihr die Hose herunter. Als die Nebenklägerin schreien wollte, äußerte der Angeklagte, dass er ihr weh tun werde, falls die Nebenklägerin schreie. Die Nebenklägerin blieb daher still und stand mit heruntergelassener Hose mit dem Rücken zur Wand. Der Angeklagte stand vor der Nebenklägerin und drang sodann mit dem erigierten Penis in die Scheide der Nebenklägerin ein und ejakulierte schließlich auf ihre Unterhose.
335. Die vierte Tat
34a) Vorgeschehen und Tatentschluss
35Nach der Tat zu Ziffer 3., aber noch vor dem 16.06.2020, kamen der Angeklagte und seine Ehefrau zum Kaffeetrinken in die Wohnung der Nebenklägerin. Der Angeklagte teilte sodann mit, dass sein Mobiltelefon und seine Brille noch in seiner eigenen Wohnung waren. Der Angeklagte wollte nach Hause gehen, um die Gegenstände zu holen. Zudem teilte der Angeklagte mit, dass es ihm nicht gut gehe. Daraufhin wies die Zeugin E5 die Nebenklägerin an, mit dem Angeklagten mitzugehen. Als der Angeklagte mit der Nebenklägerin seine Wohnung betrat, ging er in das Schlafzimmer. Die Nebenklägerin wartete zunächst im Wohnzimmer, aber als der Angeklagte nicht kam, ging sie in das Schlafzimmer, um zu schauen, was er dort machte.
36Spätestens als die Nebenklägerin das Schlafzimmer des Angeklagten betrat, beschloss dieser, sich über den ihm klar bekannten, entgegen stehenden Willen der Nebenklägerin hinwegzusetzen und gegen ihren deutlich ablehnenden Willen, sexuelle Befriedigung bei der noch 12 oder bereits 13-jährigen Nebenklägerin zu suchen. Er entschloss sich sexuelle Handlungen in der Form an ihr vorzunehmen, dass er sie auf das Bett drücken, die Hose runterziehen und etwaige Gegenwehr durch die Anwendung von Gewalt beseitigen würde, um sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollziehen zu können. Dabei war dem Angeklagten auch weiterhin neben dem kindlichen Alter der Nebenklägerin bewusst, dass ihm die Vornahme sexueller Handlungen an ihr nicht erlaubt war. Mit all diesen Umständen fand sich der Angeklagte jedoch ab, um das von ihm erstrebte Ziel der eigenen sexuellen Befriedigung zu erreichen.
37b) Tatgeschehen und Erweiterung des Tatentschlusses
38In Umsetzung dieses Tatentschlusses schrie der Angeklagte die Nebenklägerin an, als sie das Schlafzimmer betrat. Er erfasste sie am Arm und drückte sie auf das Bett. Als die Nebenklägerin anfing zu schreien, versetzte er ihr in Umsetzung eines von ihm spontan gefassten Beschlusses, eine "Backpfeife". Dabei wusste er, dass er die Nebenklägerin dabei körperlich misshandeln bzw. an der Gesundheit verletzten würde, fand sich damit aber um des erstrebten Zieles willen, seine sexuellen Handlungen gegen ihren Willen durchzusetzen, ab. Er hielt dann ihre Hände fest und zog ihr die Hose herunter. Sodann drang er mit seinem erigierten Penis in die Scheide der Nebenklägerin ein und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr ohne Kondom bis zum Samenerguss.
396. Zustand des Angeklagten bei Begehung der Taten
40Der Angeklagte war bei der Begehung der vorgenannten Taten weder unfähig, das Unrecht seines Tuns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, noch war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln erheblich vermindert.
417. Nachtatgeschehen
42Zu einem im Einzelnen nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt berichtete die Nebenklägerin ihrem Freund, dem Zeugen H, per X1 von der ersten Tat, aber auch u.a. davon, dass der Angeklagte sie im Keller an die Wand gedrückt habe, weil er Sex gewollte habe und ihr bei einer Gelegenheit auch eine Ohrfeige/Backpfeife gegeben habe. Aufgrund der Drohungen des Angeklagten, er würde ihrer Familie von dem Freund im Kosovo erzählen und er würde ihr das Leben zur Hölle machen, erzählte sie jedoch nicht ihren Schwestern oder ihrer Mutter von den sexuellen Übergriffen.
43Wenige Tage vor der Strafanzeige vom 17.06.2020 erwähnte die Nebenklägerin gegenüber einer ihrer Lehrerinnen, der Zeugin E6, einen – nicht näher detailliert berichteten - sexuellen Übergriff des Angeklagten, wobei sie aber erklärte, dass sie befürchte, keine Jungfrau mehr zu sein. Die Zeugin E6 forderte sie sodann nachdrücklich auf, ihrer Familie davon zu berichten. In der Nacht vom 16.06.2020 auf den 17.06.2020 hörte die Zeugin E5 ihre Tochter, die im selben Zimmer schlief, weinen. Daraufhin berichtete die Nebenklägerin erst ihrer Mutter und sodann der hinzukommenden Schwester von den Tatvorwürfen, woraufhin die Schwester den Angeklagten mit den Vorwürfen konfrontierten. Die Schwester E7 stellte noch in der gleichen Nacht im Polizeipräsidium S1 Strafanzeige. Daraufhin wurde die Nebenklägerin noch am selben Tag vernommen und der Angeklagte festgenommen. Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts E3 (Az. …) befindet sich der Angeklagte seit demselben Tag in Untersuchungshaft.
44Die Nebenklägerin litt in der Folgezeit unter den sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten. Sie hatte Probleme mit ihrer Mutter und auch mit ihren Schwestern, die sich nunmehr stark in ihre Erziehung einmischten. Die Nebenklägerin fühlte sich überfordert. Als am 25.09.2020 ein junger Mann sie an der Schule ansprach, ob sie die Schlampe sei, die mit seinem Onkel geschlafen hätte, lief sie in die Stadt und war auch telefonisch nicht mehr für ihre Familie erreichbar. Aufgrund der sexuellen Übergriffe erwog die Nebenklägerin sich umzubringen und ging auf eine Straße, sodass es zu einer Berührung mit einem Auto, aber zu keiner Verletzung kam. Nachdem die Polizei hinzugekommen war, verbrachte sie die folgende Nacht bei ihrer Freundin und wurde sodann am 26.09.2020 in einer Wohngruppe aufgenommen. In der Wohngruppe fügte sie sich zahlreiche Schnittverletzungen an den Armen zu und trank Alkohol. In den folgenden Tagen dachte die Nebenklägerin mehrfach darüber nach, sich umzubringen und ging hierfür an die Bahngleise, erwog sich von einer Brücke oder aus einem Fenster im ersten Stock zu springen, setzte aber in keinem der Fälle ernsthaft zur Umsetzung einer Selbsttötung an. Aufgrund eines eskalierten Konfliktes im Haushalt der Mutter am 29.10.2020 befand sie sich ab dem 30.10.2020 u.a. wegen einer mittelgradigen depressiven Episode in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in dem M Klinikum N, wo sie am 06.11.2020 entlassen wurde, da sie sich stabilisiert zeigte und tragfähig von suizidalen Gedanken distanzierte. Zuvor hatte bereits das Familiengericht des Amtsgerichts E3 (Az. …) unter dem 02.11.2020 im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterbringung der Nebenklägerin in einer geschlossenen Einrichtung bis zum 14.12.2020 genehmigt.
45III.
46Beweiswürdigung
471. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
481.1
49Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten trifft die Kammer aufgrund seiner eigenen Angaben in der Hauptverhandlung. An der Glaubhaftigkeit dieser Angaben hat die Kammer keinen Zweifel. Denn der Angeklagte hat diese ausführlich, stimmig und nachvollziehbar geschildert.
501.2
51Die Feststellungen zu den nicht bestehenden Vorbelastungen des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen und keine Eintragungen aufweisenden Auszug aus dem Bundeszentralregister.
522.
53Die Feststellungen zur Sache trifft die Kammer aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme. Im Einzelnen:
54a)
55Die unter Ziffer II.1.-5. getroffenen Feststellungen zu etwaigen Vorgeschehen, Tatentschlüssen und Tatgeschehen der einzelnen Taten trifft die Kammer aufgrund des letztlich von dem Angeklagten selbst in der Hauptverhandlung im Hinblick auf die festgestellten Taten abgelegten vollumfänglichen Geständnisses. Der Angeklagte hat die Taten letztlich, wie festgestellt, gestanden. An der Richtigkeit dieses, von der Kammer überprüften Geständnisses, hat die Kammer keine Zweifel, auch wenn es erstmals so umfassend erfolgte, nachdem dem Angeklagten für den Fall eines solchen Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und sechs Monaten bis zu fünf Jahren zugesagt worden war (im Einzelnen nachstehend näher).
56Denn der Angeklagte hatte bereits im Rahmen seiner ersten Vernehmung durch den Zeugen KOK Q am 17.06.2020 eingeräumt, dass er drei bis viermal einverständlichen „Geschlechtsverkehr“ mit der zu diesem Zeitpunkt, ihm bekanntermaßen 12-jährigen Nebenklägerin gehabt habe. Er habe aber keine Gewalt angewendet. Beim ersten Mal im April habe sie seinen Penis im Fahrradkeller in den Mund genommen, aber nicht in die Vagina und er sei auch nicht gekommen. Nun zwei Wochen danach im Schlafzimmer habe sie ihn aufs Bett geschubst und er habe nur ein paar Mal „kurz rein gemusst“ und habe schon einen Orgasmus gehabt. Sie habe auf dem Rücken gelegen und er auf ihr. Das dritte Mal sei eine Woche später im Wohnzimmer gewesen. Sie hätten aber keinen richtigen Sex gehabt, sondern sie habe ihn nur mit Kondom in den Mund genommen. Das vierte Mal sei im Fahrradkeller, ungefähr zwei Wochen später gewesen. Da sei bei ihm aber alles wie Gummi gewesen. Sie sei aber auch keine Jungfrau mehr. Im Keller habe er seinen Penis dann aber nicht richtig reingedrückt gekriegt. Beide hätten gestanden. Sie habe mit dem Rücken zur Wand gestanden. Das habe aber nicht geklappt.
57Anlässlich der Vorführung vor dem Amtsgericht E3 am 17.06.2020 (Az …) räumte der Angeklagte ebenfalls ein, dass er schon mit der damals ihm bekanntermaßen 12 bzw. 13jährigen Nebenklägerin Geschlechtsverkehr gehabt habe, ihr aber keine Gewalt angetan habe. Der Geschlechtsverkehr sei aber nicht richtig gewesen, da er Erektionsprobleme gehabt habe. Am 27.03.2020 habe er keinen Finger eingeführt, sondern ihr nur an die Brust gefasst und an die Wange geküsst. Sie habe zu ihm gesagt, dass er mit seinem „Schwanz“ in sie reinkommen solle, aber das habe nicht geklappt. Daraufhin habe sie ihn in den Mund genommen. Es wäre viermal zu sexuellem Verkehr gekommen. Im Keller sei es einverständlich, aber kein richtiger Sex gewesen wegen seiner Erektionsprobleme. Im Wohnzimmer sei es auch zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen. Sie habe sein Kondom genommen, es aufgemacht und ihm aufgezogen. Er sei dann auch mit dem Finger in sie eingedrungen. Dann habe sie seinen Penis in den Mund genommen. Drei Wochen später im Keller habe er keinen „hoch bekommen“, obwohl sie Geschlechtsverkehr gewollt habe. Er habe keine Gewalt angewendet, sondern mit dem Penis die Schamlippen berührt. Dann sei er bereits gekommen.
58Zu Beginn der hiesigen Hauptverhandlung berichtete der Angeklagte grundlegend das schließlich festgestellte Vorgeschehen und ließ sich weiter dahingehend ein, dass die damals ihm bekanntermaßen 12 bzw. 13jährige Nebenklägerin in seinem Wohnzimmer auf einer Matratze neben der Couch gelegen habe. Sie hätten einen Film geschaut. Sie hätte seine Hand genommen und mit seinen Fingern gespielt, woraufhin er seine Hand weggenommen hätte. Zufällig sei seine Hand wieder heruntergegangen und sie habe wieder mit seiner Hand gespielt und sich so genähert, dass ihre Brust seine Hand berührte. Seiner Meinung nach wäre das keine Gewalt. Dann sei er schlafen gegangen.
59Im Hinblick auf einen Vorfall im Keller äußerte er, sie sei ihm in den Keller hinterher gerannt. Sie habe ihren Arm um sie gelegt und sich mit ihrem Oberkörper ihm genähert. Als er gesagt habe, er sei ein kranker Mensch, habe sie ihm gesagt, dass er seinen Penis in ihre Vagina stecken solle. Als er gesagt habe, er könne nicht, habe sie den Penis in den Mund genommen. Er habe dann schon eine Ejakulation bekommen, die auf den Boden gegangen sei. Er habe das nicht gewollt, aber sie habe zu ihm gesagt „Bist du ein Mann oder nicht?“.
60Bei einem weiteren Vorfall im Keller hätten sie Sex haben wollen, aber er habe nicht gekonnt. Sie habe wiederholt mit ihrer Hand an seinem Penis gespielt. Er habe auch außen an ihrer Vagina gespielt.
61Bei einem Vorfall im Wohnzimmer habe sie an ihm den Oralverkehr vollzogen, wobei er ein Kondom benutzt und auch an ihren beiden nackten Brüsten gespielt habe.
62Bei einem abermals weiteren Vorfall im Schlafzimmer hätten sie sich geküsst und umarmt. Sie seien ins Schlafzimmer gegangen. Die Tür sei nicht abgeschlossen gewesen. Sie hätten im Schlafzimmer „Sex ohne Kondom“ gehabt, aber er habe „nichts in ihre Vagina geschoben“. Er habe nur mit seinem Penis an ihren Schamlippen gespielt. Er habe ihr keine Backpfeife gegeben.
63Auf Initiative des Verteidigers im Anschluss an den ersten Hauptverhandlungstag am 09.12.2020 erfolgte am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 14.12.2020, eine Verständigung dergestalt, dass bei einem vollumfänglichen Geständnis der dem Angeklagten mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft F1 vom 04.09.2020 zur Last gelegten Sachverhalte sowie seines Einverständnisses, das seines Verteidigers mit der Verlesung der Niederschriften über die polizeilichen Vernehmungen der Nebenklägerin vom 17.06.2020 sowie vom 08.06.2020, um die Richtigkeit seines Geständnisses über die bereits erfolgte Beweisaufnahme hinaus abzuklären und der Nebenklägerin so auch eine weitere Aussage zu ersparen, sowie des Verzichtes des Angeklagten und seines Verteidigers auf die weitere Vernehmung der Nebenklägerin als Zeugin, eine Gesamtfreiheitsstrafe i.H.v. 4 Jahren und sechs Monaten bis zu fünf Jahren in Betracht komme.
64Im Anschluss räumte der Angeklagte die Taten – wie festgestellt – ein und ergänzte dies dahingehend, dass ihm im Laufe der Hauptverhandlung, insbesondere nach dem Beginn der zwischenzeitlich unterbrochenen Einvernahme der Nebenklägerin bewusst geworden sei, was er getan habe und ihm dies leid tue. Er wolle nun der Nebenklägerin eine weitere Aussage ersparen. Er habe versucht, das Geschehene zu verdrängen, aber er müsse sich damit jetzt auseinandersetzen.
65Die Kammer hat keine Zweifel an der nunmehr erfolgten weitergehenden geständigen Einlassung des Angeklagten. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte wahrheitswidrig selbst belastet haben könnte, haben sich nicht ergeben.
66Das Geständnis des Angeklagten wird durch die bis zum Abbruch ihrer Vernehmung erfolgten glaubhaften Angaben der Nebenklägerin gestützt und bestätigt. Denn die Nebenklägerin hatte bis dato schon bekundet, dass der Angeklagte, neben ihr liegend und ihren, ihn wegdrückenden Widerstand überwindend, ihr u.a. in die Hose gefasst und einen Finger in die Scheide eingeführt habe.
67Ferner wird das letztlich abgelegte Geständnis gestützt durch die in der Hauptverhandlung gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesenen polizeilichen Vernehmungen der Nebenklägerin vom 17.06.2020 und vom 08.07.2020. Denn in der ersten Vernehmung berichtete die Nebenklägerin detailliert von den ersten drei, hier festgestellten Taten, aber auch darüber hinaus schon, dass sie insgesamt vier Mal vergewaltigt worden sei und bei einer Nachvernehmung sodann konkret auch von der hier festgestellten vierten Tat.
68Das nunmehr erstattete vollumfängliche Geständnis des Angeklagten bettet sich zudem nachvollziehbar und ohne Widersprüche in die durch die Zeugen H, dem sich die Nebenklägerin nach seinen Angaben, wie festgestellt, offenbarte, E5, die bekundete, dass sich ihre Tochter ihr schlussendlich zumindest grundlegend anvertraut habe, mehrfach durch den Angeklagten vergewaltigt worden zu sein und E6, die als Lehrerin von dem spontanen Erstbericht der Nebenklägerin ihr gegenüber berichtete, glaubhaft geschilderten äußeren Umstände und in den Eindruck den die Kammer von der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung gewinnen konnte.
69Zudem bettet sich das schließlich erfolgte vollumfängliche Geständnis des Angeklagten in den von ihm sowohl bei einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung und bei der richterlichen Vernehmung anlässlich der Vorführung vor dem Amtsgericht E3 grundlegend eingeräumten, mehrfachen sexuellen Missbrauch von Kindern mit verschiedenen sexuellen Handlungen und auch in der Anzahl stimmig, jeweils mit drei bis vier bzw. vier Mal angegeben, ein.
70Darüber hinaus ist auch, das von dem Angeklagten im Rahmen seines schließlich vollumfänglichen Geständnis näher dargelegte emotionale Ringen um das volle Eingeständnis seiner Schuld, gerade auch im Vergleich zu vielen anderen Fällen, ein häufig anzutreffender und auch emotional gut nachvollziehbarer Vorgang.
71b)
72Die unter Ziffer II.6. getroffenen Feststellungen zum Zustand des Angeklagten bei Begehung der vier Taten stützen sich auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB zu auch nur einem der Tatzeitpunkte. Der Angeklagte hat selbst von dem Konsum von Drogen oder Alkohol zu den Tatzeitpunkten oder sonstigen Einschränkungen nichts berichtet. Insbesondere ergaben sich auch, wie die Kammer aus dem Vergleich zu zahlreichen anderen Verfahren weiß, keine Hinweise auf eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, die der Eingangskategorie der „schweren anderen seelischen Abartigkeit" zuzuordnen wäre. So lässt sich insbesondere eine fixierte sexuelle Devianz, z. B. im Sinne einer Kernpädophilie, die sich schuldmindernd auswirken könnte, nicht feststellen, weil bei dem Angeklagten keine Hinweise auf ein spezifisches und zeitlich stabiles sexuelles Erregungsmuster, welches sich überwiegend oder ausschließlich auf Kinder bezieht, vorliegen. Denn die sexuelle Präferenzstruktur ist mit Ende der Pubertät weitgehend festgelegt, sodass entsprechende Hinweise auf etwaige – forensisch entscheidende – kernpädophile Neigungen aus der Adoleszenz zu erwarten gewesen wären, welche bei dem Angeklagten indes nicht zu finden sind. Vielmehr führte der Angeklagte seit über vierzig Jahren eine Ehe, die – wie sich aus den drei Kindern des Angeklagten ergibt – damals und – wie sich aus der Einlassung des Angeklagten ergibt - auch heute noch altersentsprechend in sexueller Hinsicht gelebt wurde. Die hier angeklagten, im Erwachsenenalter begangenen Taten weisen bei dem zuvor geschilderten, im Übrigen gelebten Interesse an partnerschaftlichen Beziehungen zu erwachsenen Frauen ebenfalls nicht auf eine fixierte pädophile Neigung hin, sondern stellen sich als sexuelle Ersatzhandlungen dar.
73b)
74Die unter Ziffer II.7. getroffenen Feststellungen zum Nachtatgeschehen stützt die Kammer, da der Angeklagte sich hierzu nicht äußern konnte, auf die glaubhaften Angaben der Nebenklägerin. Bevor die Vernehmung zu den einzelnen Taten aufgrund der erheblichen emotionalen Belastung für die Nebenklägerin zunächst vorläufig abgebrochen wurde, äußerte sie sich in Bezug auf ihre Entwicklung nach den Taten entsprechend ausführlich und nachvollziehbar. Ihre Angaben werden zudem gestützt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen H und E5. So berichtete H, dass die Nebenklägerin sich zuletzt deutlich negativ verändert habe, auch ihm gegenüber plötzlich ohne erkennbaren Grund verbal aggressiv geworden sei. Auch E5 bestätigte die psychischen Auffälligkeiten ihrer Tochter bis hin zu Selbstmordgedanken und dem Klinikaufenthalt, der durch den in der Hauptverhandlung verlesenen vorläufigen Entlassungsbericht des M Klinikums N vom 11.11.2020 bestätigt wird.
75IV.
76Rechtliche Würdigung
77Der Angeklagte hat sich bei allen, zueinander in Tatmehrheit nach § 53 Abs. 1 StGB stehenden Taten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung gemäß §§ 176a Abs. 2 Nr. 1, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 S. 2 Nr. 1, 52 StGB strafbar gemacht, bei der zweiten Tat zudem in Tateinheit mit § 239 Abs. 1 StGB und bei der vierten Tat in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, 230 StGB.
78An der nicht bloß unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Nebenklägerin durch die Backpfeife ändert nichts, dass Verletzungsfolgen nicht festgestellt sind. Denn die Verabreichung einer Backpfeife hat in der Regel eine mehr als bloß unerhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens zur Folge. Dafür, dass dies hier anders gewesen sein könnte, bietet der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.1990, 2 StR 615/89, Rn. 12; BGH, Urteil vom 22.11.1991, 2 StR 226/91, Rn. 8).
79Die Staatsanwaltschaft hat bereits mit Anklageerhebung das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung der vorsätzlichen Körperverletzung bejaht.
80V.
81Strafzumessung
821.
83Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern wird gemäß §§ 176a Abs. 2 Nr. 1, 38 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bis zu fünfzehn Jahren bestraft.
84Für den Fall des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB ist ein eben solcher Strafrahmen vorgesehen.
85Die Freiheitsberaubung wird gemäß § 239 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
86Die vorsätzliche Körperverletzung wird gemäß § 223 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
872.
88Diesbezüglich hat die Kammer allerdings zunächst geprüft, ob Umstände vorliegen, die die Annahme minder schwerer Fälle nach § 176a Abs. 4 Alt. 2 StGB rechtfertigen, wonach in minder schweren Fällen des § 176a Abs. 2 StGB auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen ist bzw. ob Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Annahme des für das Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB vorgesehene Regelstrafrahmens und ein Heruntergehen auf den Strafrahmen des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB bzw. gar die Annahme eines minder schweren Falles mit der Folge des § 177 Abs. 9 Alt. 2 StGB rechtfertigen.
89Unter Abwägung der nachstehend im Rahmen der konkreten Strafzumessung genannten, für und gegen den Angeklagten sprechenden und bereits hier eingestellten Gesichtspunkte, auch des geäußerten Bedauerns, hat die Kammer die Annahme minder schwerer Fälle bzw. die in Bezug auf § 177 StGB genannten Ausnahmen verneint. Denn unter Berücksichtigung des gesamten Tatbildes einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit weicht keiner der vorliegenden Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zumal alle in Tateinheit mit Vergewaltigung und in jeweils einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung – von den im Übrigen erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen in einem solchen Maße ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens bzw. ein Absehen von dem Regelstrafrahmen bereits geboten erschien. Darüber hinaus stellt der nicht vorbestrafte, häufig auch nicht mehr junge und – wie hier in der Hauptverhandlung – geständige und sein Verhalten bedauernde Angeklagte in der Vielzahl der der Kammer vorliegenden Missbrauchsfälle keinen seltenen Ausnahmefall, sondern in den letzten Jahren sogar eher den Regelfall dar.
903.
91Innerhalb der so eingangs genannten Strafrahmen hat die Kammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung Folgendes berücksichtigt:
92Zugunsten des Angeklagten hat sie berücksichtigt, dass er sich – wie im Einzelnen unter III.2.a) dargestellt – bereits anlässlich seiner ersten polizeilichen Vernehmung und auch bei der richterlichen Vernehmung bei dem Amtsgericht E3 in Bezug auf den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in vier Fällen grundlegend und zu Beginn des zweiten Hauptverhandlungstages vollumfänglich geständig zeigte.
93Sein vollumfängliches Geständnis am zweiten Hauptverhandlungstag hat erhebliches Gewicht. Zwar hat die Kammer mit der Vernehmung der Nebenklägerin an dem ersten Hauptverhandlungstag begonnen. Nachdem die Nebenklägerin bereits schluchzend den Saal betrat, musste die Vernehmung als es zu der ersten Tat kam aufgrund des sehr intensiven Schluchzens und Hyperventilierens der Nebenklägerin zunächst kurzzeitig und nach einem weiteren Versuch endgültig für diesen Hauptverhandlungstag abgebrochen werden. Durch sein Geständnis am zweiten Hauptverhandlungstag hat der Angeklagte der derzeit 13 Jahre alten Nebenklägerin eine weitere sonst zwingend notwendige und für sie massiv belastende Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung erspart. Zudem hat sich der Angeklagte mit der Verlesung ihrer polizeilichen Aussage zur Sache einverstanden erklärt und auf ihre weitere Vernehmung als Zeugin verzichtet.
94Zugunsten des Angeklagten wird zudem berücksichtigt, dass er sein Bedauern zum Ausdruck gebracht und auch dadurch Einsicht und Reue gezeigt hat.
95Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer bedacht, dass er trotz seines fortgeschrittenen Lebensalters nicht vorbestraft ist und er ein geregeltes Leben geführt hat.
96Zusätzlich hat die Kammer gesehen, dass die zu überschreitende Hemmschwelle für den Täter im Laufe der Zeit bei gleich gelagerten Taten sinkt und das Einführen eines Fingers weniger gravierend ist als das Eindringen insbesondere mit einem Glied.
97Darüber hinaus hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er mehrere Monate Untersuchungshaft verbüßt hat, die ihn, ebenso wie die zu erwartende Strafhaft, als Erstverbüßer im fortgeschrittenen Lebensalter und mit den körperlichen Einschränkungen in Form von Diabetes und nunmehr aufgetretenen Darmproblemen mit ungewisser Diagnose mehr als andere trifft, so dass er besonders haftempfindlich ist.
98Zulasten des Angeklagten hat die Kammer das erhebliche Maß an krimineller Energie berücksichtigt, wie es in dem zumindest über mehrere Wochen andauernden Tatzeitraum und den sich in der Intensität nach der ersten Tat (Einführen eines Fingers) und zur letzten Tat (Backpfeife) steigernden Taten, wobei die Kammer die Tatbestandsverwirklichung als solche nicht zulasten des Angeklagten berücksichtigt hat.
99Zulasten des Angeklagten hat die Kammer auch die aufgrund der Taten verursachten, vorhersehbaren, erheblichen Folgen für die Nebenklägerin berücksichtigt. Die schließlich erfolgte Offenbarung der Geschädigten gegenüber der Lehrerin zeigt überaus verständlich, dass sie es – jedenfalls nach der letzten Tat – nicht mehr ausgehalten hat, so dass ersichtlich mit zunehmender zeitlicher Dauer und Intensität der Taten eine nachhaltig vergrößerte emotionale Beeinträchtigung des Opfers eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2015, Az.: 2 StR 405/14, über juris, Rn. 19).
100Ferner hat die Kammer bei den Taten 1 bis 4 zu Lasten des Angeklagten die tateinheitliche Verwirklichung des § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB gesehen, der mit dem besonderen Schutz vor Gewalt eine eigenständige Schutzrichtung aufweist. Darüber hinaus hat die die Kammer bei der Tat 2 die tateinheitliche Verwirklichung des § 239 Abs. 1 StGB und bei der Tat 4 die tateinheitliche Verwirklichung des § 223 Abs. 1 StGB berücksichtigt, die mit dem besonderen Schutz vor körperlichen Misshandlungen (Tat 4) und dem besonderen Schutz der Bewegungsfreiheit (Tat 2) auch jeweils eine eigenständige Schutzrichtung aufweisen.
101Darüber hinaus hat die Kammer gesehen, dass der Angeklagte jedenfalls bei der zweiten Tat den vaginalen Verkehr ungeschützt vollzog.
1025.
103Unter Berücksichtigung all dieser für und gegen den Angeklagten angeführten Gesichtspunkte und dem konkreten Gepräge der einzelnen Taten Rechnung tragend, hat die Kammer für die einzelnen Taten folgende Strafen verhängt:
104a) Tat 1: eine Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten,
105b) Tat 2: eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren,
106c) Tat 3: eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren,
107d) Tat 4: eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und sechs Monaten.
1086.
109Unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die Kammer gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB aus den Einzelstrafen unter Erhöhung der Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
110vier Jahren und sechs Monaten
111für tat- und schuldangemessen erachtet. Dabei stand nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund, sondern maßgebend war die Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten, die Anzahl sowie das Ausmaß der begangenen Taten, denen sämtlich eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt, das Verhältnis der Taten zueinander. Zudem hat die Kammer bei der Bildung der Gesamtstrafe dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn – wie hier – zwischen den Taten ein enger zeitlicher und insbesondere sachlicher, personeller und situativer Zusammenhang besteht, der es gebietet, die Einzelstrafen enger zusammenzuziehen.
112VI.
113Kostenentscheidung
114Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1 StPO.