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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 18.04.2019 (Az. 15 C 29/19) abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Kläger begehren von der Beklagten die Auszahlung eines auf einem Konto des zwischen dem 19.02.2018 und dem 19.03.2018 in F verstorbenen O, geboren am …, (im Folgenden: Erblasser) befindlichen Guthabens.
4Der Erblasser hatte zu Lebzeiten mit der Beklagten einen Vertrag über ein Girokonto mit der IBAN … geschlossen. Das Konto weist ein Guthaben von 1.112,42 € aus. Die Erben sind unbekannt. Mit Beschluss des Amtsgerichts F1 vom 18.06.2018 (Az. …) ist Herr Rechtsanwalt C, L-Straße …, … N, (im Folgenden: Nachlasspfleger) zum Nachlasspfleger zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellt worden. Der Nachlasspfleger forderte die Beklagte zur Auszahlung des Guthabenbetrages auf das für den Nachlass eingerichtete Treuhandkonto auf. Er übermittelte der Beklagten die Bestallungsurkunde des Amtsgerichts sowie eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises. Die Beklagte verweigerte die Auszahlung des Guthabens mit der Begründung, eine Auszahlung könne nur nach Zusendung einer von einem Q Filialcenter bestätigten Kopie des Personalausweises erfolgen. Dieser Vorgehensweise verweigerte sich der Nachlasspfleger und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.01.2019 nochmals erfolglos zur Auszahlung des Guthabens auf.
5Die Kläger haben Klage erhoben, mit der sie die Zahlung von 1.112,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 an sich begehren. Zur Begründung haben sie ausgeführt, der Nachlasspfleger habe sich gegenüber der Beklagten hinreichend legitimiert im Sinne der §§ 10 ff. GwG.
6Das Amtsgericht Essen hat mit seinem Urteil vom 18.04.2019 (Az. 15 C 29/19) der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Nachlasspfleger habe sich durch Übersendung der Bestallungsurkunde und einer notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises an die Beklagte hinreichend gemäß §§ 11 ff. GwG legitimiert. Diese Unterlagen enthielten alle erforderlichen Angaben i.S.v. § 11 GwG. Die Beklagte sei verpflichtet, die Identifizierung mittels notariell beglaubigter Kopie des Personalausweises nebst Bestallungsurkunde und Unterschrift des Nachlasspflegers zu akzeptieren. Zwar stehe der Beklagten im Hinblick auf die Art der Identifizierung gemäß §§ 12 und 13 GwG ein Ermessen zu. Dieses Ermessen sei hier jedoch „auf Null“ reduziert. Der Nachlasspfleger habe vorliegend durch Vorlage der notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 Nr. 1 GwG erfüllt. Da § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG ausdrücklich „sonstige Verfahren“ zulasse, die ein dem Verfahren nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweisen und auch geeignet sind, sei die Regelung des § 13 GwG nicht abschließend und räume dem Verpflichteten einen Ermessensspielraum ein. Da der Verpflichtete bei der Ermessensausübung stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten habe, könne in bestimmten Fallkonstellationen die Pflicht zur Nichtdurchführung einer Transaktion nicht zum Tragen kommen. Dies sei auch hier der Fall. Denn im Rahmen der Abwägung sei zu beachten, dass die Nachlassmasse geringfügig sei und ein persönliches Erscheinen des Nachlasspflegers bei der Beklagten – im Verhältnis zur Nachlassmasse – zu einer erheblichen Kostenbelastung führen würde. Die Übermittlung der notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises lasse dagegen lediglich Portokosten entstehen, da der Nachlasspfleger beglaubigte Kopien seines Personalausweises in einer Vielzahl bereits vorliegen habe. Ferner sei bedeutsam, dass die Auszahlung des Betrages auf ein Treuhandkonto eines Rechtsanwalts erfolgen solle. Einerseits träfen den Rechtsanwalt nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG die gleichen Verpflichtungen wie die Beklagte, andererseits sei bei der Eröffnung des Treuhandkontos des Rechtsanwalts ebenfalls eine Prüfung des das Treuhandkonto unterhaltenden Geldinstituts erforderlich. Dies führe zu einer doppelten Prüfung. Außerdem ermögliche § 14 GwG die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten, soweit die Verpflichteten unter Berücksichtigung der in der Anlage zum Geldwäschegesetz genannten Risikofaktoren sowie der Leitlinien hierzu ein geringeres Risiko der Geldwäsche feststellen könnten. Die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten sei – anders als nach bisheriger Rechtslage – nicht mehr auf bestimmte Fallgruppen beschränkt. Von einem geringeren Risiko könne ausgegangen werden, wenn im Einzelfall im Hinblick auf eine konkrete Transaktion keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass das Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung nicht gering ist. Konkrete Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko seien hier nicht vorgebracht worden. Das Argument der Beklagten, dass sie die Überprüfung des Personalausweises in einer ihrer Filialen nicht bloß durch haptische Prüfung, sondern durch Zuhilfenahme von Geräten zur Überprüfung von Dokumentenfälschungen durchführen könne, sei dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte von dem Geldinstitut, das das Treuhandkonto des Nachlasspflegers unterhalte, einen entsprechenden Nachweis anfordern könne. Es sei deshalb unangemessen, ein persönliches Erscheinen des Nachlasspflegers zu verlangen.
7Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 26.04.2019 zugestellt worden ist, hat diese mit einem am 06.05.2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 06.06.2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
8Die Beklagte ist der Ansicht, der Nachlasspfleger habe sich nicht hinreichend nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 GwG legitimiert, indem er ihr eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises zugesandt habe. Denn damit werde die Möglichkeit der Überprüfung, ob der Personalausweis echt ist und ob die im Personalausweis abgebildete Person mit der sich legitimierenden Person übereinstimmt, nicht gewährleistet.
9Die Zusendung einer notariell beglaubigten Kopie eines Personalausweises entspreche auch nicht einem Verfahren gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG, das ein dem Verfahren nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweise. Denn die Bank könne in einem solchen Fall mangels Vorlage des Originals nicht die Echtheit des Personalausweises prüfen. Die Prüfung der Echtheit des Personalausweises werde auch nicht durch die Beglaubigung einer Kopie seitens des Notars ersetzt. Diese bestätige vielmehr nur die inhaltlich Übereinstimmung zwischen der Vorlage und der Abschrift, nicht aber, dass der vorgelegte Personalausweis echt ist. Der Notar prüfe bei der Beglaubigung ebenfalls nicht, ob die darauf abgebildete Person mit derjenigen übereinstimmt, für die die Bank zukünftig das Girokonto des verstorbenen Kontoinhabers fortführen solle. Erst recht gewährleiste die Zusendung einer Kopie des Personalausweises für die Bank nicht die Sicherheit, dass ihr die Kopie des Personalausweises tatsächlich von der Person zugesendet wird, der der Personalausweis gehört. Richtig sei zwar, dass über die Ausnahmeregelung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG das Videoidentifizierungsverfahren zugelassen worden sei. Bei diesem werde aber eine sinnliche Wahrnehmung der am Identifizierungsprozess beteiligten natürlichen Person ermöglicht, da sich die zu identifizierende Person und der Mitarbeiter im Rahmen der Videoübertragung von Angesicht zu Angesicht gegenübersäßen und kommunizierten. Eine entsprechende Echtheitsprüfung sei durch die bloße Vorlage einer Fotokopie des Personalausweises nicht möglich.
10Schließlich sei es entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht unverhältnismäßig, wenn sie, die Beklagte, von dem Nachlasspfleger verlange, dass dieser sich – wie jeder andere Kunde auch – in einer ihrer Filialen persönlich mit seinem gültigen Personalausweis legitimiert. Selbst wenn sich der Nachlasspfleger schon für andere von ihm betreute unbekannte Erben für andere Girokonten bei ihr, der Beklagten, nach dem Geldwäschegesetz legitimiert hätte, habe sie trotzdem darauf bestehen dürfen, dass er sich nochmals legitimiert, da nach § 11 Abs. 3 GwG eine Bank in diesem Fall zwar von einer Identitätsprüfung absehen könne, aber nicht verpflichtet sei, von einer erneuten Identifizierung abzusehen. Das Amtsgericht habe im Rahmen der Interessenabwägung zudem nur die Interessen des Nachlasspflegers, nicht aber auch die Interessen der Bank berücksichtigt. Sofern das Amtsgericht auf eine erhebliche Kostenbelastung des Nachlasspflegers abgestellt habe, sei diese weder von den Klägern vorgetragen noch im Urteil präzisiert worden. Die Beklagte behauptet, der Nachlasspfleger habe eine ihrer Filialen innerhalb weniger Minuten erreichen können. Eine Identitätsprüfung in der Filiale dauere maximal zehn Minuten, so dass der Nachlasspfleger für eine Legitimationsprüfung insgesamt höchstens zwanzig Minuten benötige. Die Beklagte ist der Ansicht, das Amtsgericht hätte im Rahmen der Interessenabwägung maßgeblich zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen, dass sie eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 27 GwG begehe, wenn sie den Nachlasspfleger nicht gemäß § 11 Abs. 1 GwG rechtzeitig identifiziere. Dieses Interesse an einer korrekten Legitimation überwiege das Interesse des Nachlasspflegers bezüglich seiner Bequemlichkeit. Das Amtsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass eine Bank verpflichtet sei, ihre Entscheidung, mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine Identitätsprüfung des Nachlasspflegers vorzunehmen, individuell begründen müsse. Schließlich habe das Amtsgericht übersehen, dass eine Bank nicht verpflichtet sei, eine Identifizierung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG vorzunehmen. Vielmehr werde mit dieser Vorschrift der Bank lediglich eine Option eingeräumt, darauf zu verzichten, einen Kunden in einer Bankfiliale unter Vorlage seines Personalausweises zu identifizieren. Die Legitimierung eines Nachlasspflegers bei einem anderen Kreditinstitut stelle keinen Freibrief dafür dar, dass er sich nicht mehr bei anderen Banken, bei denen er für unbekannte Erben ein Konto führe, legitimieren müsse.
11Die Beklagte beantragt,
12unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Essen vom 18.04.2019, Az. 15 C 29/19, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
13Die Kläger beantragen,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie sind der Ansicht, aus § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG ergebe sich nicht eine Pflicht zur persönlichen Vorlage des Personalausweises in einer Filiale der Beklagten. Vielmehr verlange diese Norm lediglich ein gültiges amtliches Ausweisdokument, welches ein Lichtbild des Inhabers enthält. Diesen Anforderungen genüge eine notariell beglaubigte Kopie des Bundespersonalausweises. Die eingeschränkte Beweiskraft der notariellen Beglaubigung stehe dem nicht entgegen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Nachlasspfleger eine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit ausübe, die von den Nachlassgerichten überwacht werde; dem Nachlasspfleger komme mithin eine besondere Vertrauenswürdigkeit zu.
16Die Kläger sind ferner der Ansicht, aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG ergebe sich nicht, dass die Bank die Identität abweichend von § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG durch ein sonstiges Verfahren lediglich feststellen „darf“. Vielmehr stünden § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GwG in einem echten, gleichrangigen Alternativverhältnis. Die Beklagte habe deshalb eine Identifikation nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG zu akzeptieren. Die Ansicht der Beklagten, dass der Bankkunde seinen Personalausweis in der Bankfiliale einem Mitarbeiter vorlegen müsse, sei „evident falsch“. § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG spreche gerade für eine Geeignetheit einer notariell beglaubigten Ablichtung des Personalausweises. Das folge auch daraus, dass das Verfahren zur Erlangung eines Zertifikats zur Erstellung qualifiziert elektronischer Signaturen, eine gesetzlich anerkannte Möglichkeit der Identitätsprüfung, dem Geschehensablauf der notariellen Beglaubigung entspreche. Beide Geschehensabläufe müssten deshalb gleich bewertet werden. Aufgrund der Unterschrift auf dem Ausweisdokument und der geleisteten Vergleichsunterschrift bestehe auch keine Gefahr, dass die beglaubigte Kopie von einer anderen Person übersandt werde.
17Außerdem sind die Kläger der Ansicht, von § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG werde nicht lediglich das Videoidentifikationsverfahren erfasst, sondern jedes Verfahren, das eine dem Verfahren nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG vergleichbare Sicherheit aufweise. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Nachlasspfleger um einen gerichtlich bestellten, beaufsichtigten und kontrollierten Vertreter der unbekannten Erben handele, zu dessen Leitbild des Anforderungsprofils der transparente Umgang mit Fremdgeldern gehöre. Entsprechend habe bereits der Gesetzgeber in § 14 GwG niedergelegt, dass nur vereinfachte Sorgfaltspflichten erfüllt werden müssen, wenn nur ein geringes Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung festzustellen sei, wie dies bei einem gerichtlich bestellten und kontrollierten Vermögensverwalter ohne weiteres anzunehmen sei.
18Schließlich sind die Kläger der Ansicht, dass, wenn von ihnen ein den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG genügendes Identifikationsverfahren gewünscht werde, eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, so dass die Beklagte die Identifizierung auf diese Weise hinzunehmen habe.
19II.
20Die Berufung ist zulässig und begründet.
211.
22Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 ZPO statthaft sowie form- und fristgemäß eingelegt worden, §§ 517, 519 ZPO. Die Berufung ist auch fristgemäß nach § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. Die Berufungsbegründungsschrift enthält sämtliche nach § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO erforderlichen Angaben.
232.
24Die Berufung ist auch begründet. Denn die zulässige Klage ist zur Zeit unbegründet.
25a)
26Die Kläger haben gegen die Beklagte zur Zeit keinen Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens in Höhe von 1.112,42 € gemäß §§ 675 Abs. 1, 667, 1922 Abs. 1 BGB, da dieser Anspruch wegen rechtlicher Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Der Beklagten ist die Auszahlung – jedenfalls vorübergehend – rechtlich unmöglich, da sich der für die Kläger gemäß §§ 1981 ff. BGB bestellte Nachlasspfleger ihr gegenüber nicht ordnungsgemäß nach den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 11 ff. GwG legitimiert hat.
27Rechtliche Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB tritt ein, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung aus Rechtsgründen nicht erbringen kann oder nicht erbringen darf (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 41; Caspers, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 38). Zu der zweiten Fallgruppe gehören die Fälle, in denen der Schuldner die geschuldete Leistung zwar erbringen könnte, zu diesem Zweck aber gegen die Rechtsordnung verstoßen müsste. Der Schuldner könnte also tatsächlich leisten, darf dies aber von Rechts wegen nicht. In diesem Fall tritt das zivilrechtliche Sollensgebot hinter der entgegenstehenden Rechtslage zurück (vgl. Ernst, a.a.O., § 275 Rn. 43), da von dem Schuldner nicht verlangt werden kann, dass er zwingende Rechtsvorschriften umgeht (vgl. Caspers, a.a.O., § 275 Rn. 43 (zu behördlichen Ausfuhr- oder Handelsverboten)). Denkbar ist in einem solchen Fall auch, dass dem Schuldner die Leistung lediglich vorübergehend unmöglich ist, so dass er nur für die Zeit des Bestehens der rechtlichen Unmöglichkeit nicht zur Leistung verpflichtet ist. In diesem Fall ist eine auf die Primärleistung gerichtete Klage als „zur Zeit unbegründet“ abzuweisen (vgl. BGH WM 2010, 2081, 2085 Rn. 22; Ernst, a.a.O., § 275 Rn. 141; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 275 Rn. 10; Caspers, a.a.O., § 275 Rn. 48). So liegt der Fall hier.
28Die Beklagte kann zwar tatsächlich die begehrte Auszahlung an die Kläger vornehmen, also die von ihr geschuldete Leistung erbringen, darf dies aber zur Zeit nicht aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Geldwäschegesetzes (GwG). Diese verlangen eine Identitätsüberprüfung des für die Kläger bestellten Nachlasspflegers durch die Beklagte, die die Beklagte aber derzeit aufgrund der fehlenden erforderlichen Mitwirkung des Nachlasspflegers nicht ordnungsgemäß durchführen kann. Gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 27 GwG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 11 Abs. 1 GwG Vertragspartner, für diesen auftretende Personen oder wirtschaftlich Berechtigte nicht rechtzeitig identifiziert. Die etwaige Begehung einer Ordnungswidrigkeit kann von dem Schuldner aber nicht verlangt werden (vgl. Caspers, a.a.O., § 275 Rn. 43 (zu Strafbarkeitsnormen)). In einem solchen Fall ist auch für eine Interessenabwägung im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB kein Raum; vielmehr ist die Leistung rechtlich unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB (vgl. Caspers, a.a.O., § 275 Rn. 43). Bis zu einer erfolgreichen Identitätsüberprüfung des Nachlasspflegers nach dem GwG durch die Beklagte ist der Beklagten die von ihr geschuldete Auszahlung des Guthabenbetrages daher – zeitweilig – rechtlich unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB, sofern – wie hier – eine den Vorschriften des GwG entsprechende Identitätsüberprüfung an der erforderlichen Mitwirkung des Nachlasspflegers scheitert. Im Einzelnen:
29aa)
30Die Beklagte ist aufgrund öffentlich-rechtlicher Pflichten nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 und Abs. 4, § 12 Abs. 1 und 2 GwG verpflichtet, vor Auszahlung des Kontoguthabens den für die Kläger bestellten Nachlasspfleger zu identifizieren. Die Identifizierung besteht gemäß § 1 Abs. 3 GwG aus der Feststellung der Identität durch Erheben von Angaben (Nr. 1) und der Überprüfung der Identität (Nr. 2). Ist der Verpflichtete nicht in der Lage, die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG (Identifizierung des Vertragspartners und ggf. der für ihn auftretenden Person) zu erfüllen, so darf die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder nicht fortgesetzt und keine Transaktion durchgeführt werden, § 10 Abs. 9 S. 1 GwG. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 GwG haben Verpflichtete Vertragspartner, gegebenenfalls für diese auftretende Personen und wirtschaftlich Berechtigte vor Begründung der Geschäftsbeziehung oder vor Durchführung der Transaktion (vgl. § 1 Abs. 5 GwG) zu identifizieren. § 11 Abs. 4 Nr. 1 GwG verlangt, dass der Verpflichtete bei einer natürlichen Person Vorname und Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und eine Wohnanschrift oder – unter weiteren Voraussetzungen – eine postalische Anschrift zu erheben hat. § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 GwG bestimmt im Einzelnen, anhand welcher Dokumente bzw. Nachweise die Identitätsüberprüfung bei natürlichen Personen zu erfolgen hat. Gemäß § 13 Abs. 1 GwG überprüfen Verpflichtete die Identität der natürlichen Personen mit einem der folgenden Verfahren: durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments (Nr. 1) oder mittels eines sonstigen Verfahrens, das zur geldwäscherechtlichen Überprüfung der Identität geeignet ist und ein Sicherheitsniveau aufweist, das dem in Nr. 1 genannten Verfahren gleichwertig ist (Nr. 2). Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 GwG kann das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Verfahren bestimmen, die zur geldwäscherechtlichen Identifizierung nach Absatz 1 Nr. 2 geeignet sind. § 14 Abs. 1 S. 1 GwG sieht schließlich vor, dass Verpflichtete bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nur vereinfachte Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Bei Anwendbarkeit der vereinfachten Sorgfaltspflichten können Verpflichtete insbesondere die Überprüfung der Identität abweichend von den §§ 12 und 13 GwG auf der Grundlage von sonstigen Dokumenten, Daten oder Informationen durchführen, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen und für die Überprüfung geeignet sind, § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GwG.
31bb)
32Der für die Kläger bestellte Nachlasspfleger hat sich bislang nicht an einem Verfahren zur Identitätsüberprüfung nach § 13 Abs. 1 GwG beteiligt. Der Beklagten ist es deshalb zur Zeit nicht möglich, ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten zur Identitätsüberprüfung nach dem GwG vor der Auszahlung des Kontoguthabens zu erfüllen.
33(1)
34Die Beklagte kann derzeit die Identität des für die Kläger bestellten Nachlasspflegers nicht durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüfen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG), da der Nachlasspfleger an die Beklagte lediglich die Bestallungsurkunde des Amtsgerichts nebst einer notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises übersandt hat. § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG sieht aber aufgrund der Vorlage des Dokuments vor Ort unter Anwesenden die Kontrolle des Dokuments durch eine Inaugenscheinnahme sowie gegebenenfalls die Überprüfung anhand einer haptischen Prüfung vor (vgl. Figura, in: Herzog, Geldwäschegesetz, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 2).
35(2)
36Die bloße Übersendung einer notariell beglaubigten Ablichtung des Personalausweises erfüllt auch nicht die Anforderungen an ein „sonstiges Verfahren“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG. Als „sonstige“ gleichwertige und geeignete Verfahren zur Identitätsüberprüfung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG kommen grundsätzlich nur die in § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 GwG genannten Mittel zur Identitätsüberprüfung (vgl. BT-Drucks. 18/11555, S. 119; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 34) sowie das Videoidentifizierungsverfahren in Betracht (vgl. BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 36; Figura, a.a.O., § 13 Rn. 3).
37(a)
38Entgegen der Ansicht der Kläger folgt insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG, dass die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie eines Personalausweises dem Verfahren zur Identitätsüberprüfung nach § 13 GwG entspricht. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG hat die Identitätsüberprüfung anhand eines gültigen amtlichen Ausweises, der ein Lichtbild des Inhabers enthält und mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird, insbesondere anhand eines inländischen oder nach ausländerrechtlichen Bestimmungen anerkannten oder zugelassenen Passes, Personalausweises oder Pass- oder Ausweisersatzes zu erfolgen. Damit wird klargestellt, dass es bei der Überprüfungspflicht nicht um eine Überprüfung der Angaben z.B. im Ausweis geht, sondern um die Überprüfung der Identität der betreffenden Person z.B. anhand des Ausweises (vgl. BT-Drucks. 18/11555, S. 118; Figura, a.a.O., § 12 Rn. 1). Insofern bestimmt § 12 Abs. 1 GwG lediglich, anhand welcher Dokumente die Identitätsüberprüfung bei natürlichen Personen vorzunehmen ist (vgl. Figura, a.a.O., § 13 Rn. 1). Wie diese Überprüfung zu erfolgen hat, ergibt sich indes nicht aus § 12 Abs. 1 GwG, sondern aus der Regelung über das Verfahren zur Identitätsüberprüfung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GwG. Dahinstehen kann deshalb, ob die notariell beglaubigte Kopie eines Ausweisdokumentes i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 1 GwG den Anforderungen dieser Norm entspricht. Denn auch in diesem Fall bestimmt sich – wie bei der Vorlage des Originals eines Dokuments i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 1 GwG – das Verfahren zur Identitätsüberprüfung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GwG. Ebenso wenig wie die bloße Übersendung des Originaldokuments stellt aber die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie eines Personalausweises ein „sonstiges Verfahren“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG dar, da sie nicht ein dem Verfahren nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist. Denn der Beglaubigungsvermerk begründet vollen Beweis (nur) der in ihm bezeugten Tatsachen, dass die Abschrift nach Form und Inhalt der Hauptschrift entspricht, mithin der inhaltlichen Übereinstimmung der Abschrift mit der Haupturkunde (vgl. Lutz, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, BeurkG, Stand 01.11.2017, § 42 Rn. 6), d.h. der Richtigkeit der Abschrift (vgl. Lerch, in: Lerch, Beurkundungsgesetz, Dienstordnung und Richtlinienempfehlungen der BNotK, 5. Aufl. 2016, § 42 BeurkG Rn. 16). Die beglaubigte Abschrift beweist also nur, dass eine der Abschrift entsprechende Urkunde nach Form und Inhalt errichtet ist (vgl. OLG Frankfurt, DNotZ 1993, 757, 758; Hertel, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, §§ 42, 47-52 BeurkG Rn. 642). Die notariell beglaubigte Ablichtung eines Personalausweises vermag daher nicht Beweis für die Identität des Übersenders des Dokuments zu erbringen. Eine Überprüfung der Identität der betreffenden Person i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GwG ausschließlich auf Grundlage der Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises ist mangels körperlicher Anwesenheit der betreffenden Person gerade nicht möglich.
39(b)
40Die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises erfüllt auch weder die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 2 GwG noch – entgegen der Ansicht der Kläger – die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 3 GwG. Nach diesen Vorschriften kann die Identitätsüberprüfung auch anhand des elektronischen Identitätsnachweises (Nr. 2) oder der qualifiziert elektronischen Signatur erfolgen (Nr. 3). Im letzten Fall sind auch die Validierung der Signatur und eine Referenzüberweisung erforderlich (vgl. BT-Drucks. 18/11555, S. 118; Figura, a.a.O., § 12 Rn. 1; vgl. näher hierzu Figura, a.a.O., § 12 Rn. 15 f.). Diesen Voraussetzungen entspricht die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises nicht.
41Ebenso wenig entspricht die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises den Anforderungen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 GwG (notifiziertes elektronisches Identifizierungssystem).
42(c)
43Die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises ist auch nicht mit dem Videoidentifizierungsverfahren vergleichbar, das als ein „sonstiges Verfahren“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG anerkannt ist (vgl. oben). Das Videoidentifizierungsverfahren ermöglicht insbesondere bei räumlicher Trennung „eine sinnliche Wahrnehmung der am Identifizierungsprozess beteiligten (natürlichen) Personen […], da sich die zu identifizierende Person und der Mitarbeiter im Rahmen der Videoübertragung ‚von Angesicht zu Angesicht‘ gegenübersitzen und kommunizieren“ (so BaFin, Rundschreiben 3/2017 (GW) – Videoidentifizierungsverfahren). Diesen Anforderungen entspricht die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises gerade nicht, da der Beglaubigungsvermerk lediglich Beweis für die inhaltliche Übereinstimmung der Abschrift mit der Originalurkunde erbringt (vgl. oben). Eine Überprüfung der Identität der für den Vertragspartner auftretenden natürlichen Person kann indes anhand der übersandten notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises nicht erfolgen.
44(d)
45Die Vorlage einer notariell beglaubigten Ablichtung des Personalausweises ist zudem auch deshalb nicht als „sonstiges Verfahren“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG anzuerkennen, weil die Bestimmung anderer Verfahren als der genannten als geeignet und gleichwertig i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG der Bestimmung durch Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 GwG vorbehalten ist (vgl. BT-Drucks. 18/11555, S. 119; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 34; Figura, a.a.O., § 13 Rn. 3). Von dieser Verordnungsermächtigung ist indes bislang kein Gebrauch gemacht worden (vgl. BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 36; Figura, a.a.O., § 13 Rn. 5).
46(e)
47Die vom Amtsgericht bejahte Frage einer „Ermessensreduktion auf Null“ stellt sich im Rahmen der Prüfung von § 13 GwG hier bereits deshalb nicht, weil die Voraussetzungen eines „sonstigen Verfahrens“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG nach Vorstehendem nicht vorliegen. Aus diesem Grund kann auch die von den Parteien aufgeworfene Frage dahinstehen, ob die Beklagte ein „sonstiges Verfahren“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG durchführen müsste oder auf die Durchführung des Verfahrens nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG bestehen dürfte.
48Soweit das Amtsgericht mit Bezugnahme auf die Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin es aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips für unangemessen gehalten hat, dass der Nachlasspfleger zur Identifizierung in einer Filiale der Beklagten erscheinen soll, und die Beklagte für verpflichtet gehalten hat, die Identifizierung mittels notariell beglaubigter Kopie des Personalausweises nebst Bestallungsurkunde und Unterschrift des Nachlasspflegers zu akzeptieren, ist dieser Ansicht nicht zu folgen. Die entsprechenden Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin zu § 10 Abs. 9 GwG lauten wie folgt: „Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ist vom Verpflichteten stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies kann dazu führen, dass in bestimmten Fallkonstellationen die Pflicht zur Nichtdurchführung bzw. Beendigung einer Geschäftsbeziehung bzw. zur Nichtdurchführung einer Transaktion nicht zum Tragen kommt. Dies ist dann gegeben, wenn sich unter Abwägung der Interessen des Verpflichteten sowie des Vertragspartners an der Durchführung/Fortsetzung einer Geschäftsbeziehung oder Durchführung einer Transaktion mit dem im Einzelfall konkret bestehenden Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko eine Beendigung/Nichtdurchführung der jeweiligen Geschäftsbeziehung/Transaktion als unangemessen darstellen würde.“ (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 58). Eine Unverhältnismäßigkeit der Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens zur Identitätsüberprüfung kann nach diesen Grundsätzen hier bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil die Kläger keine Tatsachen vorgetragen haben, aus denen sich ergeben soll, dass dem für sie bestellten Nachlasspfleger im Gegensatz zu sonstigen Kunden die von der Beklagten geforderte Identifizierung in einer ihrer Filialen unzumutbar sein soll. Insbesondere haben die Kläger den Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren, der Nachlasspfleger könne eine ihrer Filialen innerhalb weniger Minuten erreichen und eine Identitätsprüfung in der Filiale dauere maximal zehn Minuten, so dass der Nachlasspfleger für eine Legitimationsprüfung insgesamt höchstens zwanzig Minuten benötige, nicht bestritten. Dieser unstreitige Vortrag ist daher in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zur berücksichtigen (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 531 Rn. 20). Die vom Amtsgericht – ohne entsprechenden Parteivortrag – angestellten Erwägungen zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung des Nachlasses im Falle der Durchführung des gesetzlichen Verfahrens zur Identitätsüberprüfung sowie dazu, dass Rechtsanwälte nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG ihrerseits nach dem GwG Verpflichtete sind und eine Identitätsüberprüfung bereits bei der Eröffnung des Treuhandkontos stattgefunden habe, vermögen die Unverhältnismäßigkeit ebenfalls nicht zu begründen. Denn das Amtsgericht hat den erheblichen Aufwand für die Beklagte für den Fall des Absehens von einer Identitätsüberprüfung nicht berücksichtigt und gewürdigt. So enthalten die Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin den folgenden Hinweis: „Die Entscheidung, mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von einer Beendigung/Nichtdurchführung abzusehen, ist in jedem Einzelfall individuell zu begründen. Zusätzlich ist die schriftlich dokumentierte Zustimmung eines Mitglieds der Leitungsebene einzuholen. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, pauschal die Risikoanalyse heranzuziehen. Darüber hinaus sind ggf. geeignete risikobasierte Maßnahmen zu treffen, um einem bestehenden Restrisiko im Hinblick auf die Geschäftsbeziehung/Transaktion angemessen zu begegnen. Begründung und ergriffene Maßnahmen sind zu dokumentieren.“ (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 58). Angesichts dieser gegenüber der BaFin entstehenden Pflichten der Beklagten für den Fall des Absehens von dem gesetzlich vorgesehenen Identitätsüberprüfungsverfahren vermag der geringe Aufwand des für die Kläger bestellten Nachlasspflegers bei Durchführung des Identitätsüberprüfungsverfahrens von nicht einmal einer halben Stunde die Unverhältnismäßigkeit des gesetzlichen Identitätsüberprüfungsverfahrens nicht zu begründen.
49(3)
50Schließlich ist die Beklagte – entgegen der Auffassung der Kläger – auch nicht im Rahmen einer „Ermessensreduktion auf Null“ unter Anwendung der vereinfachten Sorgfaltspflichten nach § 14 Abs. 1 GwG verpflichtet, die Übersendung der notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises als Verfahren zur Identitätsüberprüfung des für die Kläger bestellten Nachlasspflegers anzuerkennen.
51Zwar können Verpflichtete gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GwG bei Anwendbarkeit der vereinfachten Sorgfaltspflichten die Überprüfung der Identität abweichend von §§ 12 und 13 GwG auf der Grundlage von sonstigen Dokumenten, Daten oder Informationen durchführen, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen und für die Überprüfung geeignet sind. Danach käme etwa in begründeten und risikoarmen Einzelfällen die Vorlage eines Führerscheins oder einer Stromrechnung, aus der der Name der zu identifizierenden Person hervorgeht (vgl. BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 60) oder eines bereits abgelaufenen Ausweisdokumentes in Betracht (vgl. Figura, a.a.O., § 14 Rn. 10). Dahinstehen kann hier indes, ob die Voraussetzungen für die Erfüllung nur vereinfachter Sorgfaltspflichten gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 GwG vorliegen, sowie, ob – wofür aufgrund des Beweiswertes des Beglaubigungsvermerkes (vgl. oben II. 2. a) bb) (2) (a)) Einiges spricht – auch die persönliche Vorlage einer notariell beglaubigten Kopie eines Personalausweises bei dem Verpflichteten den Anforderungen an die Überprüfung der Identität bei Anwendbarkeit der vereinfachten Sorgfaltspflichten entsprechen kann. Denn der von § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GwG dem Verpflichteten eingeräumte Ermessensspielraum (vgl. „können“) bezieht sich auf die Überprüfung der Identität (vgl. Figura, a.a.O., § 14 Rn. 3). Die Anwendbarkeit der vereinfachten Sorgfaltspflichten entbindet den Verpflichteten dagegen nicht von seiner Pflicht, den Geschäftspartner zu identifizieren (vgl. Figura, a.a.O., § 14 Rn. 6; ferner BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand: Dezember 2018, S. 60); vielmehr handelt es sich bei dieser weiterhin um eine zentrale Verpflichtung innerhalb der Kundensorgfaltspflichten (vgl. Figura, a.a.O., § 14 Rn. 9). Hier hat der für die Kläger bestellte Nachlasspfleger die notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises gerade nicht bei der Beklagten persönlich vorgelegt, sondern dieser nur übersandt. Aufgrund der eingeschränkten Beweiskraft des Beglaubigungsvermerks, die sich nicht auf die Identität des das Dokument Übersendenden bezieht, ist die bloße Übersendung dieses Dokuments aber nicht zur Identitätsüberprüfung geeignet i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GwG (vgl. oben II. 2. a) bb) (2) (a)). Sie stellt deshalb kein im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigendes Verfahren zur Identitätsüberprüfung dar.
52b)
53Der mit der Klage geltend gemachte Zinsanspruch ist unbegründet, da die Beklagte mangels eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs der Kläger (vgl. oben II. 2. a)) nicht gemäß § 286 BGB in Schuldnerverzug geraten ist.
54III.
55Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
56Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (Nr. 2).