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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 31.05.2010, Az.: 9 C 25/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 202,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2009 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2010 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 75% und die Beklagte zu 25%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: bis zu 900 €
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Die Kammer lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer einen Betrag von 20.000 € nicht übersteigt.
4II.
5Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
6Der Kläger hat nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass die bei ihm tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten im Rahmen seines – dem Grunde nach außer Streit stehenden – Schadensersatzanspruchs (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG) aufgrund des streitgegenständlichen Unfallgeschehens erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB waren; nur dann wären sie als kausaler Schaden ohne Weiteres zu ersetzen. Zwar hat er zuletzt ausgeführt, dass es ihm – hypothetisch – nicht möglich gewesen wäre, entsprechende Vergleichsangebote einzuholen. Er trägt allerdings nicht dazu vor, dass er tatsächlich versucht habe, einen anderen Autovermieter anzurufen oder mit der gewählten Autovermietung konkret zu verhandeln. Der Vortrag, dass der Zeuge H versucht habe, eine konkrete Auskunft bei verschiedenen Mietwagenfirmen zu erhalten, aber keine Preise mehr genannt bekommen habe, als er von einem Unfall gesprochen habe, genügt nicht, um die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten zu begründen.
7Der Kläger hat somit (lediglich) Anspruch auf die Erstattung der im Rahmen des sog. Normaltarifs angefallenen Kosten.
8Diese schätzt die Kammer gemäß § 287 Abs. 1 ZPO.
9Die Schätzung kann die Kammer jedoch nicht anhand der von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote vornehmen. Die Angebote beziehen sich auf einen anderen (mehr als ein Jahr nach dem Unfall liegenden) Zeitraum und stammen teilweise aus einer anderen Stadt als der Heimatstadt des Klägers. Auch weisen die Angebote im Detail nicht den konkreten Auftragsumfang aus. Sie können daher als solche nicht maßgeblich sein.
10Die Kammer nimmt die Schätzung daher im Rahmen des ihr nach § 287 Abs. 1 ZPO zugestandenen Ermessens anhand der arithmetischen Mittelwerte einerseits aus dem Schwacke Mietpreisspiegel 2009 ("Schwacke-Liste") und andererseits aus dem Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2009 ("Fraunhofer-Liste") vor.
11Dabei geht sie von der grundsätzlichen Tauglichkeit der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage aus (vgl. hierzu BGH, U. v. 22.02.2011, VI ZR 353/09 m. w. N.). Hierbei bedarf die Eignung der Liste allerdings dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlagen sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH a. a. O.).
12Die Beklagte hat vorgetragen, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, vergleichbare Fahrzeuge zu einem erheblich günstigeren Preis anzumieten (Fa. T: 652,99 € und Fa. F: 527,97 €). Hierbei sind diese Angebote zwar wegen Abweichungen im Einzelnen – wie bereits ausgeführt – nicht als solche geeignet, als Schätzungsgrundlage zu dienen. Der Vortrag erschüttert indes die Annahme der Tauglichkeit der Schwacke-Liste im konkreten Fall, da die Angebote durch ihre erhebliche Abweichung von der in der Liste angegebenen Summe aufzeigen, dass der dort angegebene Preis im hier behandelten Fall nicht dem Normaltarif entspricht. Hierbei entspricht der Angebotsumfang – jedenfalls bei einem Vergleichsangebot – in genügendem Maße dem tatsächlich gemieteten Fahrzeug; die vorhandenen Abweichungen im Angebotsumfang erklären die ganz erhebliche Differenz der Beträge nicht.
13Die Kammer trägt den damit hinreichend vorgetragenen Mängeln der Schwacke-Liste im konkreten Fall dadurch Rechnung, dass sie ihrer Schätzung das arithmetische Mittel zwischen der Schwacke- und der Fraunhofer-Liste zugrunde legt. Der der Fraunhofer-Liste zu entnehmende Betrag entspricht in etwa den Preisen der von der Beklagten recherchierten Angebote.
14Ausgehend von diesen Grundsätzen und den von dem Kläger geltend gemachten Einzelpositionen ergeben sich folgende Ansprüche:
15Hinsichtlich der Grundmiete für das Fahrzeug ergibt sich nach den zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Angaben zu Fahrzeugtyp, Eingruppierung und den sich aus den Listen ergebenen Preisen (Schwacke: 1.139,12 €; Fraunhofer: 656,83 €) folgende "Normal"-Grundmiete: 897,96 €.
16Als zu erstattender Betrag hinsichtlich der von dem Kläger finanzierten Haftungsreduzierung/Vollkaskoversicherung ergibt sich aus der Schwacke-Liste ein Betrag in Höhe von 318,40 € (Selbstbeteiligung 500 € bis 1.000 €). Die Fraunhofer-Liste verhält sich im Detail nicht zu den Kosten einer Vollkaskoversicherung; sie berücksichtigt eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung von 750 € bis 1.000 € allerdings im Rahmen der Grundmiete (anzusetzender Betrag daher: 0 €). Es ergibt sich ein zu beanspruchender Betrag in Höhe von 159,20.
17(Zwischensumme: 1.057,18 €)
18Die Kammer nimmt einen Abzug in Höhe von 10% im Wege der Vorteilsausgleichung (ersparte Eigenaufwendungen) nicht vor (vgl. hierzu grundsätzlich Grüneberg in Palandt, 70. Aufl., § 249 Rn. 36). Der Kläger trägt unwidersprochen vor, einen unterdimensionierten Pkw angemietet zu haben. In diesem Fall kommt eine Vorteilsausgleichung für ersparte Eigenaufwendungen nicht in Betracht, da der Schädiger bereits durch die von vornherein niedrigeren Mietkosten entlastet wird und eine zusätzliche Berücksichtigung ersparter Eigenaufwendungen eine unbillige Entlastung darstellen würde (vgl. Grüneberg a. a. O.).
19Der Kläger kann danach (abzüglich des bereits gezahlten Betrags in Höhe von 854,42 €) noch Zahlung in Höhe von 202,76 € beanspruchen.
20Die gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB zu beanspruchenden Rechtsanwaltskosten belaufen sich danach (erfolgreicher Streitwert bis 300,00 €) auf 46,41 €.
21Der Anspruch hinsichtlich der Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
22Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.