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hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 18. 08. 2005 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht E,
die Richterin am Landgericht S und
die Richterin am Landgericht T
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 04. 03. 2005
verkündete Urteil des Amtsgerichts Essen - 20 C 364/04 -
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wegen des Tatbestands wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 ZPO.
2Die Beklagte lehnt die Erbringung von Versicherungsleistungen ab, weil es sich ihrer Ansicht nach bei dem Vorfall vom 23.12.2003 nicht um eine gem. § 5 Nr. 2 VHB versicherte Raubtat gehandelt habe. Das Amtsgericht ist dem nach Beweisaufnahme gefolgt und hat die Klage abgewiesen.
3Mit der Berufung macht der Kläger erstmals geltend, aus der Aussage der Zeugin folge, dass der Täter ihr einen gezielten Stoß versetzt habe, damit sie aus dem Gleichgewicht gerate und deshalb der Wegnahme der Tasche keinen Widerstand entgegenhalten könne.
4Entscheidungsgründe
5Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger kann die Beklagte nicht aus der bestehenden Hausratversicherung auf Versicherungsleistungen wegen des Vorfalls vom 23.12.2003 in Anspruch nehmen.
6Das Geschehen, anläßlich dessen der Ehefrau des Klägers, der Zeugin T, eine über die rechte Schulter gehängte Tasche von einem unbekannten Täter entwendet worden ist, stellt keinen Raub im Sinne des § 5 Nr. 2 a VHB dar, so dass die Beklagte nicht zum Eintritt verpflichtet ist.
7Die vor dem Amtsgericht vernommene Zeugin T hat bekundet, sie habe einen Ruck verspürt, sei ins Wanken geraten, da sei die Tasche auch schon weg gewesen.
8Sofern mit der Berufungsbegründung demgegenüber geltend gemacht wird, aus der Aussage der Zeugin ergebe sich, dass der unbekannte Täter ihr einen gezielten Stoß versetzt habe, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit die Zeugin der Wegnahme der Tasche keinen Widerstand mehr entgegensetzen konnte, gibt das der protokollierte Ausssageinhalt nicht her. Auch steht diese Bewertung in Widerspruch zu den Angaben, welche die Zeugin am 23.12.2003 gegenüber der Polizei und am 30.12.2003 in der gegenüber der Beklagten erstatteten Schadensanzeige gemacht hat. Weder hierin noch anläßlich der vor dem Amtsgericht durchgeführten Vernehmung war die Rede davon, dass man ihr einen Stoß versetzt hatte, sondern sie hatte nur einen durch das Wegreißen der Tasche verursachten Ruck gespürt, infolgedessen sie sodann ins Wanken geraten war.
9Ausgehend davon hat der unbekannte Täter der Zeugin die Handtasche nicht mittels Gewalt entwendet.
10Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt zur Abgrenzung zwischen Diebstahl und Raub darauf ab, dass die Kraft, die der Täter entfaltet, wesentlicher Bestandteil der Wegnahme sein muss. Sie muß so erheblich sein, dass sie geeignet ist, erwarteten Widerstand zu brechen; vom Opfer muss sie als körperlicher Zwang empfunden werden. Keine Wegnahme "mit Gewalt" im Sinne des § 249 StGB liegt jedoch dann vor, wenn nicht die eingesetzte Kraft, sondern List und Schnelligkeit das Bild der Tat prägen ( BGH Urteil vom 12.12.1989 - AZ: 1 StR 613/89 - mwN ).
11Letzteres war hier der Fall. Die mit dem Wegreißen der Tasche verbundene Kraft, welche von der Zeugin als Ruck empfunden worden ist, war gerade nicht wesentlicher Bestandteil der Wegnahmehandlung. Vielmehr stand im Vordergrund die Ausnutzung des Überrumpelungseffekts, der sich daraus ergibt, dass der Täter im Vorbeifahren der zu Fuß unterwegs gewesenen Zeugin, die zudem noch durch das auf ihrem Arm befindliche Kleinkind gehandikapt war, plötzlich die nicht von ihr gesicherte Tasche entriss. Schon diese besonderen Umstände der Tatausführung belegen, dass der Täter von vornherein keine Gegenwehr der Zeugin erwartete.
12Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.