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Die Beklagte wird verurteilt, dass in dem Objekt M.-straße, E. installierte etwa 1 Meter breite und 2 Meter hohe Seitengeländer, bestehend aus einer Edelstahlumrandung und einer Milchglasverkleidung, zu entfernen und das Seitengeländer auf das Niveau der übrigen Balkongeländer anzupassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/3 der Kläger und zu 2/3 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger hinsichtlich Ziffer 1. nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.300,00 Euro. Im Übrigen wird dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner nachgelassen, die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in Sicherheit in Höhe von 110 % Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Parteien streiten u. A. um eine Protokollberichtigung.
3Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und Eigentümer einer offensichtlich im Dachgeschoss gelegenen Wohnung. Verwalterin der Beklagten ist die Hausverwaltung S. e.K. aus C..
4In der Nachbarwohnung des Klägers, der Eigentümerin D., wurde im Rahmen einer Terrassensanierung im Jahr 2022 das Balkongeländer erneuert. Hierbei wurde eine ca. 2 m hohe und 1 m breite Glastrennwand als Sichtschutzwand installiert, die sich in unmittelbarer Nähe zum Balkon des Klägers befindet. Die Glastrennwand setzt sich vom übrigen Balkongeländer deutlich ab. Die Aussicht vom Balkon des Klägers, insbesondere auf die hinter dem Objekt befindlichen Bewaldung, ist deutlich beeinträchtigt.
5Die Installation der Glastrennwand ist von der Verwalterin beauftragt worden, wobei die genaueren Umstände unklar geblieben sind. Weder der Kläger noch die übrigen Eigentümer stimmten der Installation der Glastrennwand zu.
6Am 30.10.2023 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf welcher unter anderem unter TOP 8.2.1 beschlossen wurde, dass der Beschluss zur Genehmigung der streitgegenständlichen Glastrennwand mit vier Ja-Stimmen und 3 Nein-Stimmen abgelehnt wurde. Unter TOP 8.2.2. war eine Beschlussfassung vorgesehen, die Eigentümerin D. aufzufordern, bis zu einem von der Gemeinschaft festzulegenden Termin die Maßnahme fachgerecht und auf eigene Kosten zurückzubauen. Die Beschlussfassung wurde vertagt.
7Wegen des weiteren Inhalts der Eigentümerversammlung vom 30.10.2023 wird auf das Protokoll Bl. 6 ff. d. A. Bezug genommen.
8In der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 27.02.2024 wurde unter TOP 5 mehrheitlich beschlossen, die streitgegenständliche Glastrennwand auf Kosten der Gemeinschaft zurückzubauen (Bl. 97 ff. d. A.). Ein Rückbau ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht erfolgt.
9Der Kläger ist der Auffassung, dass zum einen das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.10.2023 bezüglich ZOP 8.2.1 fehlerhaft sei, da der Beschluss nicht mehrheitlich abgelehnt worden sei, sondern der Beschluss abgelehnt worden sei, weil er als betroffener Eigentümer der baulichen Veränderung nicht zugestimmt habe. Da die Mehrheit der Wohnungseigentümer mit 4 Ja-Stimmen und 3 Nein-Stimmen der Beschlussfassung zugestimmt hätten, könne von einer mehrheitlichen Ablehnung keine Rede sein. Der einzige Grund für die Ablehnung sei seine fehlende Zustimmung als beeinträchtigter Wohnungseigentümer gewesen. Hilfsweise widerspreche der Beschluss aufgrund seiner fehlenden Zustimmung ordnungsgemäßer Verwaltung.
10Zum anderen könne er von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die für die Installation der streitgegenständlichen Glastrennwand die Verantwortung trägt, die Entfernung der selbigen verlangen. Schließlich sei die Aussicht von seinem Balkon durch diese bauliche Veränderung erheblich beeinträchtigt, so dass er den Rückbau verlangen könne.
11Der Kläger beantragt,
121. das Protokoll zu Beschluss TOP 8.2.1 dahingehend zu berichtigen, dass der Beschluss nicht mehrheitlich mit vier Ja Stimmen und drei Nein Stimmen abgelehnt wurde, sondern der Beschluss abgelehnt wurde, weil ein betroffener Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung nicht zugestimmt hat, hilfsweise, den Beschluss zu TOP 8.2.1 (Genehmigung des Seitengeländers) für ungültig zu erklären.
132. die Beklagte zu verurteilen, das etwa 1 m breite und 2 m hohe Seitengeländer, bestehend aus einer Edelstahlumrandung und einer Milchglasverkleidung zu entfernen und das Seitengeländer auf das Niveau der übrigen Balkongeländer anzupassen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Protokoll nicht unrichtig sei, da der Beschluss unstreitig abgelehnt worden sei, da nicht alle Eigentümer der baulichen Veränderung zugestimmt hätten. Lediglich versehentlich sei das Begriff „mehrheitlich“ ins Protokoll aufgenommen. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung überhaupt nicht klar gewesen, wer den Bau der Glastrennwand zu verantworten habe. Das Ermessen der Wohnungseigentümer sei aufgrund der unklaren Sach- und Rechtslage nicht auf Null reduziert gewesen.
17Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist zulässig und ist im tenorierten Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
20I. Der Kläger ist prozessführungsbefugt hinsichtlich des unter Ziff. 2 geltend gemachten Beseitigungsanspruchs.
21Gem. § 9a Abs. 2 WEG ist grundsätzlich allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Es ist aber anerkannt, dass ein Wohnungseigentümer gleichwohl prozessführungsbefugt sein kann, als dass seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. BGH NZM 2021, 613 Rn. 13). So liegt der Fall hier. Der Kläger behauptet eine Beeinträchtigung seines Sondereigentums durch eine gravierende Beeinträchtigung seiner Aussicht. In einem solchen Fall ist der einzelne Wohnungseigentümer befugt, Beseitigung- und Unterlassungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2022 – V ZR 86/21 –, Rn. 14, juris).
22II. Die Klage hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs ist auch begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
231. Der Anspruch des Klägers gegenüber der Gemeinschaft auf Entfernung der auf der Terrasse in der Nachbarwohnung installierten Glastrennwand folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB.
24a) Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die im Zuge der Terrassensanierung im Jahr 2022 installierte 2m hohe und 1 m breite Glastrennwand als Sichtschutzwand eine bauliche Veränderung darstellt, die das Einverständnis zumindest des Klägers als direkt beeinträchtigter Wohnungseigentümer bedurft hätte, die jedoch zu keinem Zeitpunkt vorlag.
25b) Wie sich nunmehr im Laufe des Verfahrens herausgestellt hat, hat die Beklagte, vertreten durch die Verwalterin, die bauliche Veränderung zu verantworten, da sie von ihr beauftragt worden ist, was sich auch den Ausführungen im Protokoll zur Eigentümerversammlung vom 27.02.2024, Bl. 97 ff. d. A. entnehmen lässt. Als unmittelbare Handlungsstörerin (das ist, wer eine Maßnahme durch eigene Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung adäquat verursacht hat, vgl. BGH NZM 2007, 130 Rn. 9; NJW 2005, 1366) ist die Beklagte demnach verpflichtet, die bauliche Veränderung zurückzubauen, was bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung trotz entsprechender Beschlussfassung noch nicht geschehen war.
262. Der weitere Klageantrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls, hilfsweise Ungültigkeitserklärung, ist hingegen unbegründet.
27Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.10.2023 bezüglich TOP 8.2.1 nicht fehlerhaft. Unstreitig ist der Beschluss zu TOP 8.2.1 seitens der Versammlungsleiterin abgelehnt worden, wie es im Protokoll vermerkt ist. Ob der Beschluss mehrheitlich oder aus sonstigen Gründen abgelehnt worden ist, ist unerheblich, da das Protokoll insofern nicht unrichtig ist. Die Verkündung (der Ablehnung) hat schließlich konstitutive und den Beschlussinhalt fixierende Wirkung (vgl. Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 24, beck-online), auch wenn sie nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall materiell-rechtlich falsch ist. Schließlich kann jede bauliche Veränderung mit einfacher Stimmmehrheit beschlossen werden (§ 20 Abs. 1 WEG), die hier mit 4 Ja-Stimmen und 3-Nein Stimmen unstreitig vorlag. Das fehlende Einverständnis iSv. § 20 Abs. 3 WEG, insbesondere das des Klägers als beeinträchtigter Wohnungseigentümer, stand der Beschlussfassung nicht entgegen. Das Einverständnis ist eine neben dem Beschlusserfordernis bestehende Voraussetzung, deren Fehlen den Beschluss nicht nichtig, sondern nur anfechtbar macht; der Beschluss wird unabhängig vom Vorliegen des erforderlichen Einverständnisses bestandskräftig (vgl. Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 20 WoEigG, Rn. 79). Gleichwohl hat die Versammlungsleiterin die Ablehnung der Beschlussfassung (fehlerhaft) verkündet und protokolliert. In Wahrheit liegt somit eine fehlerhafte Verkündung des Beschlussergebnisses vor, die nur mit einer Klage auf Beschlussberichtigung korrigiert werden kann, die jedoch aufgrund der konstitutiven Wirkung der Verkündung des Beschlussergebnisses nur auf eine die Ausschlussfristen nach § 45 S. 1 WEG wahrende Beschlussmängelklage hin beseitigt werden kann (vgl. Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 24, beck-online). Da eine solche Beschlussmängelklage nicht erhoben worden ist, geht der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers auf Ungültigkeitserklärung ebenfalls ins Leere, da eine positive Beschlussfassung zu keinem Zeitpunkt verkündet worden ist.
28III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 78 Nr. 11, 711 ZPO.