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Die Erinnerung der Staatskasse gegen den Kostenansatz des Obergerichtsvollziehers A vom 31.08.2022 - DR II 700/22 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2I.
3Die Gläubiger betrieben die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Mit Vollstreckungsauftrag vom 05.04.2022 beauftragten die Gläubiger mit dem üblichen Antragsformular den Obergerichtsvollzieher mit Handlungen zur Abnahme der Vermögensauskunft (Modul G) und Verhaftung des Schuldners nach etwaigem Erlass eines Haftbefehls (Modul H).
4Im auf den 11.05.2022 anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (DR II-361/22) war der Schuldner nicht anzutreffen. Mit dem Ladungsschreiben vom wurde dem Schuldner die Möglichkeit einer gütlichen Einigung unterbreitet. Mit Schreiben vom 11.05.2022, zugestellt am 11.05.2022, wurde der Schuldner zum Termin über die Abgabe der Vermögensauskunft am 08.06.2022 durch den Obergerichtsvollzieher geladen. Zu diesem Termin erschien der Schuldner nicht, er entschuldigte dies auch nicht.
5Seine Kosten berechnete der Obergerichtsvollzieher in dieser Sache am 08.06.2022 wie folgt:
6Gebühren
7KV 100 Persönliche Zustellung 10,00 €
8KV 604 (260, 261) VAK 16,50 €
9KV 208 Versuch gütl. Erledigung (erm.) 8,80 €
10Auslagen (…)
11Summe 82,42 €.
12Unter dem 07.07.2022 hat das Amtsgericht Essen (26 M 869/22) gegen den Schuldner Haftbefehl erlassen. Am 31.08.2022 wurde der Schuldner durch den Obergerichtsvollzieher (DR II-700/22) angetroffen und erneut zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgefordert; dabei wurde er im Hinblick auf den vorliegenden Haftbefehl zugleich auf die Möglichkeit einer gütlichen Einigung hingewiesen. Er verweigerte die Abgabe, weil er nicht wissen würde, um welche Forderung es sich handele. Hiernach verhaftete der Obergerichtsvollzieher den Schuldner.
13Seine Kosten hat der Obergerichtsvollzieher in dieser Sache am 31.08.2022 wie folgt in Rechnung gestellt:
14Gebühren
15KV 604(270) Vers. Verhaftung 42,90 €
16KV 260 Abnahme VA 3 19,80 €
17KV 208 Gütl. Erledigung 8,80 €
18Auslagen [...]
19Summe 87,49 €.
20Gegen die Berechnung der Gebühr nach KV 208 GvKostG nebst anteiliger Auslagenpauschale im Verhaftungsverfahren hat sich die Bezirksrevisorin mit ihrer Erinnerung vom 26.09.2022 gewandt. Zur Begründung hat die Erinnerungsführerin im Wesentlichen ausgeführt, der Versuch einer gütlichen Einigung sei bereits in der Kostennote vom 08.06.2022 abgerechnet worden, eine nochmalige Abrechnung sei - weil es sich um denselben Auftrag handele - nicht berechtigt. In Verfahren nach § 802g ZPO sei der Gebührenansatz nach KV 208 GvKostG ausgeschlossen, da dieses Verfahren in dem Kostentatbestand der Nr. 208 KV ausdrücklich nicht genannt sei. Eine Gebühr nach KV 208 GvKostG für den Versuch einer gütlichen Erledigung könne nur in dem Vermögensauskunftsverfahren entstehen, welches dem Haftverfahren zugrunde liege. Mit dem Auftrag zur Verhaftung werde konkludent ein Auftrag zur Fortsetzung des vorangegangenen Verfahrens zur Einholung der Vermögensauskunft gestellt. Der rechtliche Zusammenhang beider Vollstreckungshandlungen bleibe trotz der kostenrechtlichen Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG und trotz verfahrensrechtlicher Besonderheiten der Verhaftung erhalten. Mithin erfolge eine gütliche Erledigung immer auch gleichzeitig mit der Vermögensauskunft. Daher sei der Minderungstatbestand KV 208 einschlägig und der Anwendungsbereich des § 10 GvKostG unmittelbar eröffnet.
21Der Gerichtsvollzieher half der Erinnerung nicht ab. Er verwies dabei auf die beiden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.12.2020, I-10 W 90/20 und des Oberlandesgerichts Köln vom 20.01.2022, 17 W 136/21.
22II.
23Die nach §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung ist in der Sache unbegründet.
24Gemäß § 7 Abs.1 GvKostG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben.
25Der zuständige Obergerichtsvollzieher war bei der Ausführung des Vollstreckungsauftrages vom 04.05.2022 berechtigt, jeweils eine gütliche Erledigung sowohl bei der Terminierung zur Abgabe der Vermögensauskunft als auch vor der Verhaftung zu versuchen und hierfür jeweils eine Gebühr gemäß KV 208 zuzüglich anteiliger Auslagen in Rechnung zu stellen.
26Die Gebührenziffern 207 und 208 GvKostG lauten wie folgt:
27"207 Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache (§ 802b ZPO) 17,60 €
28Die Gebühr entsteht auch im Fall der gütlichen Erledigung.
29208 Der Gerichtsvollzieher ist gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO gerichteten Amtshandlung beauftragt:
30Die Gebühr 207 ermäßigt sich auf 8,80 €".
31Die Nr. 208 stellt dabei nur den Ermäßigungstatbestand im Rahmen einer einheitlichen Gebührenziffer dar. Gemäß § 10 Abs.1 GvKostG wird bei Durchführung desselben Auftrags eine Gebühr nach denselben Nummern des Kostenverzeichnisses nur einmal erhoben.
32Gemäß § 802 b ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein. Der Gerichtsvollzieher ist auch ohne eine entsprechende Beauftragung verpflichtet, auf eine gütliche Einlegung hinzuwirken. Diese kann der Gläubiger auch nicht ausschließen (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 802a Rn. 3). Sowohl für die mit als auch für die ohne ausdrücklichen Auftrag des Gläubigers ergriffenen Maßnahmen zur gütlichen Einigung kann der Gerichtsvollzieher unabhängig davon, ob diese erfolgreich sind, Gebühren gemäß Nr. 207 und 208 KV GvKostG beanspruchen.
33Der Obergerichtsvollzieher hat vorliegend zunächst in beiden Verfahrensabschnitten eine gütliche Einigung versucht und die Gläubiger haben dies in ihrem Antragsformular auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen (§ 802 b ZPO), sodass der Grundtatbestand der Ziffer 207 zunächst erfüllt ist.
34In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gebühr nach den Nr. 207 und 208 KV GvKostG auch für den Versuch einer gütlichen Einigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft von einem Gerichtsvollzieher in Rechnung gestellt werden darf, wenn diese eine Fortsetzung des Verfahrens über die Abgabe der Vermögensauskunft darstellt.
35Eine Ansicht führt hierzu aus, dass im Falle des Verhaftungsauftrags im Rahmen des kombinierten Auftrages - jedenfalls wenn der Schuldner im Pfändungsverfahren nicht angetroffen wurde - zwei gesonderte Verfahren vorliegen, zum einen das Verhaftungsverfahren und zum anderen das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.10.2018 - I-10 W 147/18; ebenso OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2020 - 4 W 37/20 -, DGVZ 2020, 208; OLG Köln, Beschluss vom 20.1.2022 – 17 W 136/21). Entsprechend könne (auch) im Verhaftungsverfahren eine gütliche Erledigung abgerechnet werden. Das Oberlandesgericht Köln geht hingegen davon aus, dass die Bestimmung des kostenrechtlichen (und nicht des verfahrensrechtlichen) Auftrags maßgebend ist für § 10 GvKostG und die Frage, ob für mehrere Amtshandlungen auch mehrere, gleiche Gebühren entstehen und Auslagen mehrfach abgerechnet werden können. Der Begriff des kostenrechtlichen Auftrages sei dabei in § 3 GvKostG definiert. Insoweit bestimme § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG ausdrücklich, dass die Vollziehung eines Haftbefehls nach § 802g ZPO kostenrechtlich einen besonderen Auftrag darstellt (OLG Köln, Beschluss vom 20. Januar 2022 – I-17 W 136/21 –, Rn. 11, juris). Umstritten ist hierbei innerhalb dieser Ansichten insoweit, ob die gütliche Erledigung im Verhaftungsverfahren nach KV 208 GvKostG (vgl. OLG Köln DGVZ 2022, 90) oder nach KV 207 GvKostG (so OLG Celle DGVZ 2020, 208) abzurechnen ist, wobei dies nach Auffassung des Gerichts vorliegend dahinstehen kann, da der Obergerichtsvollzieher ohnehin nur den geringeren Kostenansatz gewählt hat.
36Nach einer weiteren Ansicht wird vertreten, dass in dem Antrag zur Verhaftung des Schuldners kein zweites Verfahren gesehen werden kann. Der Gerichtsvollzieher ist nur mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt und die Vollziehung des Haftbefehls dient allein der Durchsetzung dieses Auskunftsanspruchs des Gläubigers. Entsprechend wurde die Auffassung vertreten, dass eine Gebühr für die gütliche Erledigung im Haftverfahren nicht entstehen konnte (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 16. Februar 2021, 9 T 18/21, DGVZ 2021, 94 ff.). Nur in dem Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft war der Ansatz einer Gebühr für die gütliche Erledigung nach KV 208 möglich. Entsprechend konnte im Rahmen der Vollziehung des Haftbefehls diese Gebühr nur dann erneut angesetzt werden, wenn der Auftrag zur Vollziehung des Haftbefehls erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist nach § 3 Abs. 4 GvKostG gestellt worden war (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 16. Februar 2021, 9 T 18/21, DGVZ 2021, 94 ff.) geteilt.
37Das erkennende Gericht schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln aus folgenden Gründen an:
38Es spricht die Normierung des § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG dafür, dass es sich bei der Vollziehung des Haftbefehls um ein eigenes, weiteres Verfahren handelt und hierfür eine weitere Gebühr abgerechnet werden kann. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift handelt es sich um einen neuen Auftrag, für den Gebühren und Auslagen zu erheben sind (§ 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG). Dies betrifft insbesondere die Kosten, die wegen der Verhaftung des Schuldners erforderlich werden (Gebühr KV 270 bzw. Nichterledigungsgebühr für die Verhaftung KV 604/270, Wegegeld und Auslagenpauschale, ggf. Hebegebühr oder sonstige Auslagen nach KV 700-712). Eine gütliche Erledigung ist daher auch vor der Vollziehung eines Haftbefehls bis zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis möglich.
39Die Einschränkung nach § 3 Abs. 2 S. 1 GvKostG - dass es sich um denselben Auftrag handelt - gilt für § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG zudem nicht. Denn diese Einschränkung bezieht sich ausschließlich auf § 3 Abs. 1 S. 3 GvKostG (vgl. BeckOK KostR/Herrfurth, 39. Ed. 1.10.2022, GvKostG § 3 Rn. 36, 37).
40Dem widerspricht auch nicht, dass Ziffer 208 des KV zum GvKostG die Ermäßigung des Kostenansatzes bei einer gütlichen Einigung ausdrücklich nur in den Fällen des § 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO vorsieht. Die nach § 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO aufgezählten Amtshandlungen, sprich eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen (Nr. 2) und die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen zu betreiben (Nr. 4), sind zwar abschließend aufgezählt. Die Verhaftung nach § 802 g ZPO ist dabei nicht genannt. Das bedeutet aber nicht, dass unter der Ziffer 208 des KV zum GvKostG überhaupt keine gütliche Einigung im Verhaftungsverfahren abzurechnen wäre.
41Dem widerspricht schon der Zweck des § 802 b Abs. 1 ZPO - eine Herbeiführung der gütlichen Einigung in jeder Lage zu fördern –. Nach diesem Wortlaut ist ein mehrfacher Versuch der gütlichen Einigung daher grundsätzlich möglich und auch abrechenbar.
42Dies gilt unabhängig davon, ob der Gläubiger den Gerichtsvollzieher ausdrücklich isoliert oder für den Fall der Erfolglosigkeit gemeinsam mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Versuch einer gütlichen Einigung beauftragt hat (§ 802 a Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Gerichtsvollzieher ist auch ohne eine entsprechende Beauftragung verpflichtet, auf eine gütliche Einlegung hinzuwirken. Diese kann der Gläubiger auch nicht ausschließen (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., § 802 a Rn. 3). Dabei darf nicht unbeachtet bleiben, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache zum Teil mit einem erheblichen Arbeitsaufwand des Gerichtsvollziehers verbunden ist und grundsätzlich unabhängig davon erfolgt, ob der Gerichtsvollzieher ausschließlich mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung beauftragt worden ist oder ob der Auftrag gleichzeitig noch auf die Einholung einer Vermögensauskunft oder die Vornahme einer Pfändung gerichtet ist.
43Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 66 Abs. 8 GKG, 97 ZPO.
44Die Beschwerde war nach §§5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.
45Rechtsbehelfsbelehrung:
46Rechtsbehelfsbelehrung:
47Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
48Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
49Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
50Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.