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Die Zahlungsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin führte gegen die Beklagte vor dem Landgericht Essen einen Rechtsstreit (AZ: 6 0 248/18). Mit Urteil vom 27.02.2020, welches nicht rechtskräftig ist, wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 22.333,22 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Die Klägerin, die aus dem Urteil vollstrecken wollte, ließ über dem Obergerichtsvollzieher L eine Prozessbürgschaft der T über einen Betrag in Höhe von 27.739,00 Euro zustellen (Bürgschaftsurkunde Nr. …). Die T stellte auf Antrag der Klägerin am 30.03.2020 eine neue Bürgschaftsurkunde aus (Nr. …).
3Mit Schreiben vom 21.04.2020 an die T hat die Beklagte die Bürgschaftsurkunde beanstandet. Mit Schreiben vom 27.04.2020 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die Bürgschaft vom 16.03.2020 herausgegeben werde.
4Schließlich kamen die Parteien überein, dass die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung selbst Sicherheit leistet. Das ist durch Zustellung einer Prozessbürgschaft zur Vollstreckungsabwendung der S Versicherung erfolgt. Die Beklagte wurde mehrfach aufgefordert, die Prozessbürgschaften vom 16.03.2020 und vom 30.03.2020 herauszugeben (Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 08.05.2020, 23.06.2020 sowie eine E-Mail vom 14.07.2020).
5Der Beklagten-Vertreter teilte dem Kläger-Vertreter im Schreiben vom 20.04.2020 mit, dass lediglich eine beglaubigte Abschrift der Bürgschaftsurkunde vom 30.03.2020 vorliege, obwohl diese im Original ausgehändigt werden müsse. Des Weiteren lasse die Bürgschaftsurkunde nicht erkennen, von wem sie unterschrieben sei.
6Die T hat die Bürgschaftsurkunden vom 16.03.2020 und 30.03.2020 am 06.10.2020 erhalten. Die Bürgschaft vom 16.03.2020 wurde am 24.03.2020 durch den Obergerichtsvollzieher L am 26.03.2020 und die vom 30.03.2020 am 09.04.2020 an die Beklagte zugestellt.
7Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Herausgabe der Prozessbürgschaft vom 30.03.2020 verpflichtet sei, weil der Sicherungszweck entfallen sei. Darüber hinaus stehe ihr ein Zahlungsanspruch in Höhe von 244,20 Euro zu, weil die T Avalzinsen in Höhe von 2,40 % p.a. in Rechnung gestellt habe.
8Die Klägerin hat beantragt:
91.)
10Die Beklagte zu verurteilen, die Prozessbürgschaft der T Nr. … vom 30.03.2020 über einen Bürgschaftsnominalbetrag in Höhe von 27.739,00 Euro an die T, H-Straße …, … M herauszugeben.
112.)
12Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 244,20 Euro zu zahlen.
13Die Beklagte erklärte bzgl. des Klageantrages zu 1.) dass sofortige Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast,
14im Übrigen beantragte sie, die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich die Klägerin in Annahmeverzug befindet. Sie sei zur Herausgabe der betreffenden Bürgschaft bereit gewesen, und dies auch erklärt, wie die Klägerin selbst vorgetragen habe. Beim Anspruch auf Herausgabe einer Prozessbürgschaft handele es sich um eine Hohlschuld.
16Der Kläger-Vertreter habe am 06.10.2020 die Original-Bürgschaftsurkunde in ihren Geschäftsräumen abgeholt und unter Vorlage seines Personalausweises quittiert ( Quittung vom 06.10.2020 ).
17Hinsichtlich des Klageantrages zu 2.) sei die Klage unzulässig. Wegen des Vorranges des Kostenfestsetzungsverfahrens fehle der Klage das Rechtsschutzbedürfnis.
18Am 28.09.2020 hat das erkennende Gericht ein Teilanerkenntnisurteil erlassen.
19Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte durch ihr Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Es sei vor allem zu berücksichtigen, dass sich die Parteien vergleichsweise darauf verständigt hätten, der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Beibringung einer Bürgschaft vorzunehmen.
20Bei den im Streit stehenden Avalzinsen handele es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung. Allerdings seien diese nach der Bestätigung der T vom 02.10.2020 etwas niedriger. Das Geldinstitut habe Avalzinsen in Höhe von 238,56 Euro abgerechnet.
21Hinsichtlich des Betrages von 5,64 Euro werde der Klageantrag zu Ziffer 2.) zurückgenommen.
22Die Klägerin beantragt nunmehr,
23die Beklagte zu verurteilen, an sie 238,56 Euro zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage auf Zahlung von 238,56 Euro ist unbegründet.
29Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 10.02.2016 – VII ZB 56/13) sind die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung gemäß § 709 Satz 1, § 711 Satz 1 Halbsatz 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO.
30Der BGH führte aus, dass es umstritten sei, ob Avalkosten für eine Prozessbürgschaft als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO oder als Verfahrenskosten nach §§ 91, 103 ZPO einzuordnen seien. Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanz Gerichte und im Schrifttum gehe davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO seien. Der BGH hat in seiner Entscheidung hat die Streitfrage dahingehend entschieden, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft Kosten der Zwangsvollstreckung iSd § 788 Abs.1 ZPO sind.
31Das erkennende Gericht schließt sich dieser Meinung an.
32Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte (§ 92 Abs.2 Nr.1 ZPO ).
33Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben.
34Die Klägerin befand sich nicht in Annahmeverzug (§ 293 ff. BGB). Nach § 294 BGB muss die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Anzubieten ist am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und in der richtigen Weise. Der Ort des Angebots bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (§ 269, 270 BGB). Bei Hohlschuld genügt wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB; weil hier die Mitwirkungshandlung des Gläubigers vonnöten ist ( vgl. dazu Erman, 16. Auflage 2020, § 294 BGB Rn. 3 ). Das wörtliche Angebot muss nach der Annahmeverweigerung bzw. nach der unterlassenen Mitwirkungshandlung erklärt werden (BGH NJW 1988, 1201; Erman, 16. Auflage 2020, § 295 BGB, Rn. 2). Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 20.01.1988 (Aktenzeichen: IVa ZR 128/86) aus, dass das wörtliche Angebot des Schuldners zeitlich der Annahmeverweigerung des Gläubigers nachfolgen müsse.
35Das war vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 08.05., 23.06.2020 und mit der E-Mail vom 14.07.2020 gebeten, die Bürgschaft vom 30.03.2020 herauszugeben. Das Angebot der Beklagten vom 27.04.2020 konnte daher die Klägerin nicht in Annahmeverzug setzen.
36Im Übrigen ist festzustellen, dass die Bürgschaft dann entsteht, wenn die Bürgschaftsverklärung dem Sicherungsberechtigten in Urschrift zugeht (§ 130 BGB) oder nach § 132 Abs. 1 BGB i. V. m. § 192 ZPO durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers in beglaubigter Abschrift zugestellt wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Beklagten durch den Gerichtsvollzieher eine beglaubigte Abschrift oder das Original der Bürgschaftsurkunde zugestellt wurde.
37Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 711 ZPO.
38Beschlossen und verkündet:
39Der Streitwert wird auf 3.014,20 Euro festgesetzt.
40Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14.10.1993 – IX ZR 104/93) ist der Gegenstandswert der Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde nicht ohne weiteres mit dem Wert der dieser zugrundeliegenden Forderung identisch, sondern nach § 3 ZPO zu schätzen. Maßgebend sei das Interesse des Klägers an dem Besitz der Urkunde. Vorliegend entspricht der Streitwert 1/10 des Bürgschaftsbertrages (2.773,90 Euro). Hinzuzurechnen ist noch die geltend gemachte Forderung in Höhe von ursprünglich 244,20 Euro.
41Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsbelehrung:
42Die Anfechtung der Kostenentscheidung erfolgt nach § 99 Abs. 2 ZPO. Gegen die Kostenentscheidung findet die sofortige Beschwerde statt.
43Gegen die Kostengrundentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Dorsten, Alter Postweg 36, 46282 Dorsten oder dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
44Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
45Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Dorsten oder dem Landgericht Essen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
46§ 99 Abs. 2, Satz 1 ZPO gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt (Satz 2).
47Hat das erstinstanzliche Gericht im angefochtenen Urteil über die Kosten eines erledigten (oder anerkannten) und eines nicht erledigten Teils entschieden, so ist gegen die Kostenentscheidung, die den durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien (oder durch das Anerkenntnis) erledigten Teil betrifft, das Rechtsmittel der Berufung gegeben, wenn auch die Entscheidung zur Hauptsache mit der Berufung angefochten wird (BGH, Beschluss vom 12.11.2009 –V ZR 71/09 -, juris).