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Die auf der Eigentümerversammlung vom 05.11.2020 gefassten Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft L-Straße …, Q-Straße … in … C zu TOP 2 (Genehmigung Jahresabrechnung 2019), TOP 3 (Wirtschaftsplan 2020), TOP 4 (Verwaltervertrag), TOP 5 (Dienstleistungsverträge Firma N), TOP 6 (Beauftragung der Firma N2 bezüglich Änderungen am Dach), TOP 7 (Beauftragung der Firma N2 zur Bearbeitung der Stahlträger) und TOP 8 (Einbruchschutz des Fahrradkellers und Finanzierung) werden für unwirksam erklärt.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien sind die Mitglieder der X-Straße …, Q-Straße … in C. Am 05.11.2020 fand eine Eigentümerversammlung statt, deren Ergebnisse im Protokoll Bl. 23 f der Akte festgehalten sind. Eingeladen wurde zu dieser Versammlung mit Schreiben der Hausverwaltung vom 21.10.2020 (Bl. 23-25 der Akte). In diesem Schreiben heißt es im Vorwort:
3Wegen der aktuell wieder stark gestiegenen Infektion zahlen ist es leider nicht möglich, Eigentümerversammlungen einzuberufen, da der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, einige Eigentümer zur Risikogruppe zählen und der Versammlungsleiter ein Infektionsrisiko mit mehr als 100 abgehaltenen Versammlungen pro Jahr darstellen könnte, wenn eine Versammlung nach der anderen stattfände. …. Da Corona uns viel Kreativität abverlangt, haben wir uns dazu entschlossen, eine … „Vollmachtsversammlung“ abzuhalten…..
4Wie wird so eine Vollmachtsversammlung organisiert?
5…. Ihre Abrechnung wurde erstellt und verschickt. Offene Fragen wurden mit dem jeweiligen Kassenprüfer per Mail oder per Telefon erörtert. Nun erhalten sie von uns das Vollmachtsformular. Sie finden hierauf die Beschlussanträge. Bitte kreuzen sie entsprechend an, unterschreiben und schicken das Original in jedem Fall an uns zurück. Der Einsendeschluss ist am 02.11.2020. Anhand der vorliegenden Vollmachten nach Einsendeschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit möglichst nur durch den Versammlungsleiter Versammlung abgehalten und protokolliert. In Absprache mit ihrem Beirat sollen neben der Jahresabrechnung und Dehn Wirtschaftsplan auch noch weitere Beschlüsse gefasst werden.
6Die Einladung selber lautet:
7Einladung zur ordentlichen Eigentümerversammlung
8(alle Eigentümer sollten eine Vollmacht ausstellen!!!)
9…Hiermit möchte ich sie zu der diesjährigen ordentlichen Eigentümerversammlung eingeladen….. Es handelt sich um eine Eigentümerversammlung, bei der sie die Möglichkeit haben, zu allen Beschlussanträgen per Vollmacht abzustimmen…..
10Kreative Aktionen für ungewöhnliche Zeiten-wir wissen nicht, wie lange es noch dauern. Wird in 2021 wieder eine normale Versammlung möglich sein? Wir werden es sehen.
11Die Klägerin hält eine derartige Vertreterversammlung für unzulässig. Das elementare Mitwirkung und Mitbestimmungsrechte Eigentümer werde dadurch umgangen. Es gehöre zu den grundsätzlichen Rechten eines Wohnungseigentümers, an einer Eigentümerversammlung persönlich teilzunehmen oder sich durch eine Person ihres Vertrauens vertreten zu lassen.
12Die Klägerin beantragt:
13festzustellen, dass die auf der Eigentümerversammlung vom 05.11.2020 gefassten Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft L-Straße …, Q-Straße … in … C wie nachfolgend aufgeführt nichtig sind, hilfsweise die nachfolgenden Beschlüsse für ungültig zu erklären:
14a. TOP 2 (Genehmigung Jahresabrechnung 2019),
15b. TOP 3 (Wirtschaftsplan 2020),
16c. TOP 4 (Verwaltervertrag),
17d. TOP 5 (Dienstleistungsverträge Firma N),
18e. TOP 6 (Beauftragung der Firma N2 bezüglich Änderungen am Dach),
19f. TOP 7 (Beauftragung der Firma N2 zur Bearbeitung der Stahlträger) und
20g. TOP 8 (Einbruchschutz des Fahrradkellers und Finanzierung)
21Die Beklagten beantragen,
22die Klage abzuweisen.
23Sie halten die Einladung und die Durchführung der Eigentümerversammlung vom 05.11.2020 für rechtens. Es sei gar keine Vertreterversammlung durchgeführt worden. Kein Miteigentümer sei davon abgehalten worden, an der Versammlung teilzunehmen. Es sei immer nur die Rede davon gewesen, dass alle Eigentümer eine Vollmacht ausstellen sollten. Die Klägerin sei nicht gehindert gewesen, an der Versammlung teilzunehmen.
24Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die Klage ist zulässig gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4, 44 WEG. Sie ist in Form des Hilfsantrages auch begründet. Sowohl die Einberufung als auch die Durchführung der Versammlung vom 05.11.2020 entsprechen nicht den Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes. Das hat zur Folge, dass die dort gefassten Beschlüsse – soweit sie angefochten wurden – keinen Bestand haben können.
27Grundsätzlich sind Eigentümerversammlungen in persönlicher Anwesenheit sämtlicher Miteigentümer abzuhalten. Das ergibt sich bereits aus dem Begriff der Versammlung selber, der die persönliche Zusammenkunft der Eigentümer impliziert. Dementsprechend bezeichnet das Wohnungseigentumsgesetz in der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 3 einen ausschließlich schriftlich zustande gekommenen Umlaufbeschluss als Beschluss ohne Versammlung.
28Diese Voraussetzungen beachtet die Einladung zur Eigentümerversammlung vom 05.11.2020 nicht. Nach dem Wortlaut des Einladungsschreibens vom 21.10.2020 sollte ausdrücklich nicht zu einer Präsenzveranstaltung eingeladen werden. Das folgt schon aus dem Hinweis im Vorwort des Schreibens, dass die Einberufung einer Eigentümerversammlung wegen der Pandemie-Lage nicht möglich sei. Die Versammlung sollte vielmehr allein durch den Versammlungsleiter abgehalten und Beschlüsse durch Vorlage von Vollmachten i.V.m. angekreuzten Beschlussanträgen gefasst werden. Nach Auffassung des Gerichts verstoßen derartige Vollmachtsversammlungen zumindest dann gegen geltendes Recht, wenn – wie hier – ihre Durchführung alternativlos dargestellt wird und die Eigentümer somit zur Erteilung einer Vollmacht genötigt werden, wenn sie ihre Mitbestimmungsrechte wahrnehmen wollen. Ein derartiges Verfahren stellt einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft in einer Eigentümergemeinschaft dar. Denn zur Erteilung einer Vollmacht ist kein Eigentümer verpflichtet. Das Recht auf Teilnahme an einer Wohnungseigentümerversammlung und das Stimmrecht gehören vielmehr nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, zu den unentziehbaren Teilhaberrechten eines jeden Miteigentümers. Daran ändert auch die aktuelle Pandemielage nichts, zumal die Möglichkeit, eine Präsenzveranstaltung unter Einhaltung der geltenden Sicherheitsregeln durchzuführen, auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.
29Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
30Der Streitwert wird auf 51.765,20 EUR festgesetzt.
31Rechtsbehelfsbelehrung:
32Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
331. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
342. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
35Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
36Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
37Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
38Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.