Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (L 304/64 des Amts- blattes der Europäischen Union vom 22.11.2011) folgende Frage zur Vorabent- scheidung vorgelegt:
Ist Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU dahingehend auszulegen, dass es zur Beantwortung der Frage, ob eine Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion, deren Aktivierung Bestandteil eines Bestellvorgangs eines auf elektronischem Wege ge- schlossenen Fernabsatzvertrages im Sinne des Unterabsatzes 1 dieser Vorschrift ist und die nicht mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ gekennzeichnet ist, mit einer entsprechend eindeutigen Formulierung im Sinne dieser Vorschrift gekennzeichnet ist, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsver- pflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist, ausschließlich auf die Kenn- zeichnung der Schaltfläche bzw. der entsprechenden Funktion ankommt?
I.
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Hotels F in L (Deutschland). Eine Vermietung der Zimmer des Hotels erfolgt unter anderem über die Internetseite des Vermittlungsportals von Booking.com.
3Unter Berücksichtigung der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO ist der folgende Ablauf unstreitig: Der Beklagte rief am 19.07.2018 die Website Booking.com auf und gab seinen gewünschten Zielort L, den gewünschten Zeitraum vom 28.05.2019 bis 02.06.2019 sowie die gewünschte Anzahl der Zimmer (vier Doppelzimmer) ein. Daraufhin sind dem Beklagten die entsprechenden freien Hotel- zimmer angezeigt worden. Unter den angezeigten Suchergebnissen befanden sich unter anderem die Zimmer im Hotel F der Klägerin. Der Beklagte klickte sodann dieses Hotel an, worauf dem Beklagten die verfügbaren Zimmer nebst weiteren Informationen zur Ausstattung, Preis etc. des Hotels F zum gewählten Zeitraum angezeigt worden sind. Der Beklagte entschied sich für vier Doppelzimmer in diesem Hotel und klickte auf „Ich reserviere“. Daraufhin gab der Beklagte seine persönlichen Daten sowie die Namen der Mitreisenden ein. Sodann klickte der Beklagte auf eine Schaltfläche, die mit den Worten „Buchung abschließen“ beschriftet war.
4Der Beklagte erschien am 28.05.2019 nicht in dem Hotel F.
5Mit Schreiben vom 29.05.2019 stellte die Klägerin dem Beklagten – unter Fristsetzung binnen fünf Werktagen – Stornierungskosten (gemäß ihrer Allgemeinen Geschäftsbe- dingungen) in Höhe eines Betrages von 2.240,00 € in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte nicht.
6Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte – durch Vermittlung von Booking.com
7– mit der Klägerin einen Beherbergungsvertrag für ihr Hotel F für den Reisezeitraum 28.05.2019 bis 02.06.2019 abgeschlossen habe. Insbesondere erfülle die von Booking.com gewählte Beschriftung der Schaltfläche „Buchung abschließen“ die besonderen Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gegenüber Verbrau- chern und insbesondere gegenüber dem Beklagten gemäß § 312j Abs. 3 S. 2 i.V.m.
8S. 1 BGB.
9Die Klägerin nimmt den Beklagten insbesondere auf Zahlung einer Stornierungs- gebühr in Höhe von 2.240,00 € wegen des Nichtantritts der Reise in Anspruch.
1.
11Das Gericht setzt das Verfahren nach Anhörung der Parteien gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus. Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn es eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 Abs. 2 AEUV für erforderlich hält (Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 148 Rn. 2). Das Gericht erachtet – nach Vornahme einer umfassenden Ab- wägung – eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 2 AEUV für erforderlich; zur Begründung wird auf die Ausführungen unter
12II. 2. verwiesen.
132.
14Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Vertrag zustande gekommen ist. Ein Vertrag wäre im Streitfall nur dann gemäß
15§ 312j Abs. 4 BGB zustande gekommen, wenn die Pflichten aus § 312j Abs. 3 erfüllt worden sind. Im Streitfall erfolgte die „Buchung“ über eine Schaltfläche, die mit den Worten „Buchung abschließen“ beschriftet war.
16§ 312j Abs. 4 BGB, der Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2011/83/EU in deutsches Recht umsetzt, bestimmt, dass ein Vertrag nach § 312j Abs. 2 BGB nur zustande kommt, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus § 312j Abs. 3 BGB erfüllt.
17a) Der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages fällt, da von den Parteien nicht in Abrede gestellt wird, dass es sich um einen auf elektronischem Wege geschlos- senen Fernabsatzvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher handelt, in den Anwendungsbereich des § 312j Abs. 2 BGB sowie in den Anwen- dungsbereich des Artikels 8 der Richtlinie 2011/83/EU.
18b) Die Parteien streiten jedoch darüber, ob im Streitfall die Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB – der Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU in deutsches Recht umsetzt – eingehalten sind. Hiernach hat der Unternehmer die Bestellsituation so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet (§ 312j Abs. 3 S. 1 BGB), wobei diese Pflicht gemäß § 312j Abs. 3 S. 2 BGB in Fällen, in denen die Bestellung über eine Schalt- fläche erfolgt, nur erfüllt ist, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
19In der Kommentarliteratur wird – im Rahmen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB – unter- schiedlich beurteilt, ob die Beschriftung einer Schaltfläche mit den Worten „Buchung bestätigen“, mithin einer mit der hiesigen Bezeichnung vergleichbaren Formulierung,
20den Anforderungen des Gesetzes genügt. Während Schirmbacher (in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 312j Rn. 52) die Ansicht vertritt, dass die Bezeichnung mit den Worten „Buchung bestätigen“ eine entsprechend eindeutige Formulierung sei, erachtet demgegenüber Wendehorst (in: MüKo, BGB,
218. Aufl. 2019, § 312j Rn. 29, explizit: Fn. 63) diese Bezeichnung als nicht entsprechend eindeutig.
22Das Landgericht Berlin folgt in einer von der Klägerin zur Akte gereichten – nicht veröffentlichten – Entscheidung (Urteil vom 31.01.2019, Az.: 16 O 284/17) der Auffas- sung von Schirmbacher und begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Beschrif- tung der Schaltfläche unter „Einbeziehung der Gesamtumstände, insbesondere der Ausgestaltung des übrigen Bestellprozesses bzw. mit Blick auf die Bestimmung der Art des abzuschließenden Geschäfts“ beurteilt werden müsse.
23Nach Ansicht des erkennenden Gerichts wäre eine Einbeziehung der Gesamt- umstände nur dann zulässig, wenn dies im Einklang mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU stünde.
24Hieran hat das Gericht mit Blick auf den Wortlaut der Richtlinie erhebliche Zweifel. Denn in Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU ist die Schaltfläche oder die entsprechende Funktion mit einer Formulierung zu kennzeichnen, „die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist“. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts muss daher – wenngleich dies im Wortlaut des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB, der Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU in deutsches Recht umsetzt, nicht eindeutig zum Ausdruck kommt – aus der Beschriftung der Schaltfläche selbst ersicht- lich sein, dass der Verbraucher durch deren Betätigung in rechtsverbindlicher Weise eine gegen sich gerichtete Zahlungsverpflichtung auslöst.
25Zur Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang bei der Frage der Eindeutigkeit der Kennzeichnung im Hinblick auf die Begründung einer gegen den Verbraucher gerichteten Entgeltforderung auch Begleitumstände eines Bestell- oder Buchungs- prozesses berücksichtigt werden dürfen, ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich.
26Diese Frage ist für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich.
27Soweit auch Umstände außerhalb der eigentlichen Schaltfläche – etwa die Umstände des Bestellprozesses vor Betätigung der Schaltfläche – die Eindeutigkeit der Beschrif- tung begründen könnten, gelangte das Gericht unter Zugrundelegung der Argumen- tation des Landgerichts Berlin zu dem Ergebnis, dass sich die Entgeltlichkeit der vom
28Kläger beanspruchten Leistung aus den Gesamtumständen des Bestellvorgangs ergibt, da eine unentgeltliche, aber zugleich verbindliche „Buchung“ eines Hotel- zimmers unter Zugrundelegung der in den vorausgegangenen Bestellschritten ange- zeigten Preise von einem Durchschnittsverbraucher berechtigterweise nicht erwartet werden kann. Hiernach wäre die Pflicht aus § 312j Abs. 3 S. 2 BGB als erfüllt anzu- sehen, sodass der wirksamen Begründung einer Verbindlichkeit des Beklagten die Vorschrift des § 312j Abs. 4 BGB nicht entgegenstünde.
29Sofern indes eine Berücksichtigung von außerhalb der Schaltfläche liegenden Umständen unzulässig ist und die Entgeltlichkeit der eingegangenen Leistungs- beziehung unmittelbar aus der Beschriftung der Schaltfläche hervorgehen muss, erachtet das Gericht die in der Literatur von Wendehorst vertretene Auffassung als vorzugswürdig, da die im Streitfall verwendete Beschriftung der Schaltfläche mit den Worten „Buchung abschließen“ nicht in hinreichender Klarheit zum Ausdruck bringt, dass der Verbraucher unmittelbar durch deren Betätigung nunmehr eine verbindliche und auf den Abschluss eines entgeltlichen Vertrags gerichtete Erklärung abgibt. Denn der Begriff der „Buchung“ ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts nach allge- meinem Sprachgebrauch nicht zwangsläufig mit der Eingehung einer Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts verbunden, sondern wird häufig auch als Synonym für eine unentgeltliche Vorbestellung oder Reservierung verwendet. Hiernach wäre die Pflicht des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB als nicht erfüllt anzusehen mit der Folge, dass eine Verbindlichkeit des Beklagten wegen § 312j Abs. 4 BGB nicht begründet wäre.