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Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
Die Vollstreckung der Unterbringung wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen.
§§ 20, 63, 67b StGB.
Gründe:
2(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
3I.
41. Werdegang
5Der Beschuldigte wuchs mit zwei Schwestern im elterlichen Haushalt in F auf. Der Vater des Beschuldigten ist beim Arbeitsamt beschäftigt, seine Mutter arbeitet in der Altenpflege.
6Nach der Grundschulzeit wechselte der Beschuldigte auf die Gesamtschule in F1- I, die er nach einem Jahr wieder verließ, nachdem bei ihm eine Lese-Rechtschreibschwäche diagnostiziert worden war. In der Folgezeit besuchte er eine Förderschule in F, die er in der siebten Klasse verlassen musste, nachdem es zu Konflikten mit Lehrern und Mitschülern gekommen war. Anschließend besuchte er eine Förderschule in P, die er nach der zehnten Klasse mit einem Abgangszeugnis verließ. In der Folgezeit begann er im Zentrum für Ausbildung und Qualifizierung (ABR) in P ein Berufsvorbereitungsjahr im Bereich Holz. Die Maßnahme wurde vorzeitig abgebrochen, nachdem es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Beschuldigten und seinen Ausbildern bzw. Mitschülern gekommen war. In der Folgezeit absolvierte der Beschuldigte ein Praktikum bei einem Hufschmied. Anschließend übte er dort und in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb wechselnde Aushilfstätigkeiten aus. Die Aushilfstätigkeit bei dem Hufschmied verlor er, nachdem er alkoholisiert zur Arbeit erschienen war und durch einen Pferdetritt eine Fraktur seines linken Handgelenks erlitten hatte. In den Monaten vor seiner vorläufigen Festnahme war der Beschuldigte arbeitssuchend und bezog Sozialleistungen.
7Er ist seit drei Jahren mit seiner Lebenspartnerin liiert, mit er zwei Jahre zusammenlebte. Etwa vier Wochen vor seiner vorläufigen Festnahme zog seine Lebenspartnerin aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil es aufgrund der Erkrankung des Beschuldigten (vgl. Ausführungen unter I 2) und damit verbundenen Auseinandersetzungen mit Nachbarn zu erheblichen Konflikten in der Partnerschaft kam, so dass ein Zusammenleben nicht mehr möglich war.
82. Suchtmittelkonsum und psychische Erkrankung des Beschuldigten
9Der Beschuldigte leidet unter einer chronischen paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0/5) und unter einem multiplen Substanzabusus (ICD-10: F 19.1).
10Als der Beschuldigte etwa 16 Jahre alt war, kam er zum ersten Mal in Kontakt mit Cannabis. Anfangs rauchte er gelegentlich Joints. Er steigerte den Konsum stetig und rauchte bereits nach kurzer Zeit nahezu täglich Cannabis. Vor seiner Inhaftierung rauchte er täglich etwa vier bis fünf Joints.
11Als der Beschuldigte etwa 18 Jahre alt war, begann er, zusätzlich regelmäßig Alkohol zu trinken. Bereits nach kurzer Zeit trank er täglich bis zu zehn Flaschen Bier. Vor etwa fünf Jahren absolvierte der Beschuldigte im Q-T in F eine zweiwöchige stationäre Entgiftung. Nach seiner Entlassung lebte er etwa 1,5 Jahre alkohol- und betäubungsmittelabstinent, bis er damit begann, alkoholfreies Bier zu trinken. Bereits kurze Zeit später trank er wieder täglich alkoholhaltiges Bier und konsumierte regelmäßig Marihuana.
12Seit etwa 15 Jahren hat der Beschuldigte wiederkehrende Verfolgungsgedanken und leidet unter Wahnvorstellungen. Erstmalig litt er im Alter von 19 Jahren unter Verfolgungsgedanken und war deshalb nach dem PsychKG im Q-T in F untergebracht. In der Folgezeit befand sich der Beschuldigte durchgehend in ambulanter psychiatrischer Behandlung, unter anderem im Q-T und im D-I1 in F. Die seit diesem Zeitpunkt zur Behandlung seiner paranoiden Schizophrenie verordneten Neuroleptika nahm der Beschuldigte zeitweise nicht regelmäßig ein oder setzte sie vollständig ab, was jeweils zu akuten psychotischen Schüben (Verfolgungsgedanken mit optischen oder akustischen Halluzinationen) führte. Im Jahr 20xx verschlechterten sich die mit der Erkrankung verbundenen Beschwerden des Beschuldigten erheblich. Im Zeitraum x. Mai xxxx bis xx. Mai xxxx ließ er sich deshalb stationär in der psychiatrischen Abteilung des N-I2 in N1 behandeln. Im Zeitraum x. Juni xxxx bis zum xx. Juni xxxx war er dort nach dem PsychKG untergebracht, nachdem er alkoholisiert und vollständig bekleidet in die S gesprungen und von Passanten aus dem Wasser gezogen worden war, welche anschließend den Rettungsdienst und die Polizei verständigten.
13Nach seiner vorläufigen Festnahme litt der Beschuldigte in seinem Haftraum unter optischen und akustischen Halluzinationen bzw. Verfolgungsgedanken. Die Verfolgungsgedanken und Halluzinationen nahmen erst nach seiner vorläufigen Unterbringung in der M-L F3 ab Anfang 20xx deutlich ab. Seit Februar 20xx erhält der Beschuldigte in der M-L ein Depotmedikament (Xeplion), was zur vollständigen Remission der psychotischen Symptomatik führte.
143. Vorläufige Festnahme, Untersuchungshaft und einstweilige Unterbringung
15Der Beschuldigte wurde in hiesiger Sache am x. September 20xx vorläufig festgenommen und befand sich im Zeitraum vom x. September bis zum xx. September 20xx in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt X-W aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts N1 vom x. September 20xx (Az. 15 Gs xx/2xx). Seit dem xx. September 20xx bis zum letzten Hauptverhandlungstermin war der Beschuldigte einstweilen untergebracht in der M-L F3 aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts N1 vom xx. September 20xx (15 Gs xx/2xx). Zugleich wurde der Haftbefehl des Amtsgerichts N1 an der Ruhr vom x. September 20xx aufgehoben. Der Beschuldigte wurde in der Justizvollzugsanstalt und in der M-L regelmäßig von seiner Lebenspartnerin besucht.
164. Strafrechtliche Vorbelastungen
17Der Beschuldigte ist strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
18II.
19Anlasstaten
201. (Fallakte 1)
21Am xx. Juli 20xx befand sich der Beschuldigte in der Notaufnahme des V-F4 auf der I3-straße xx in xxxxx F. Da er sich dort nach langer Wartezeit schlecht behandelt fühlte, geriet er in Wut und begann, laut zu schreien und zu randalieren. Daraufhin wurde er durch den Sicherheitsmitarbeiter, den Zeugen E aufgefordert, die Notaufnahme zu verlassen. Dieser Aufforderung kam der Beschuldigte jedoch nicht nach, sondern ergriff eine Glasflasche und schlug mit dieser in Richtung des Kopfes des Geschädigten E. Die Flasche traf den Hinterkopf des Zeuge E, wodurch dieser leichte Schmerzen erlitt, die nur wenige Minuten andauerten.
22Nachdem es dem Zeugen E gelungen war, den Beschuldigten aus der Notaufnahme zu verweisen, versuchte letzterer, den Zeugen E vor der Notaufnahme erneut anzugreifen. Hierzu ergriff der Beschuldigte einen dort installierten Begrenzungspfeiler aus Metall, riss ihn aus der Verankerung und machte damit eine Ausholbewegung in Richtung des Zeugen E. Der Angriff konnte durch den zwischenzeitlich eingetroffenen Zeugen Dr. L1, der in einem Behandlungszimmer durch die Unruhe auf dem Flur und im Eingangsbereich auf das Geschehen aufmerksam geworden war, abgewehrt werden. Daraufhin ergriff der Beschuldigte einen weiteren Begrenzungspfahl und lief damit nochmals auf den Zeugen E zu. Auch dieser Angriff konnte durch den Zeugen Dr. L1 abgewehrt werden.
232. (Fallakte 3)
24Am x. August 20xx stellte sich der Beschuldigte auf den Balkon seiner Wohnung in der T1-Straße xx in xxxxx N1 und erhob dort seinen Arm zum Zeigen des „Hitlergrußes“. Dabei war dem Beschuldigten bekannt, dass es sich um eine Grußformel einer verfassungswidrigen Partei handelte. Als er hierauf von dem Zeugen L2, der das Geschehen von der Straße aus beobachtete, angesprochen wurde, entgegnete der Beschuldigte: „Geh doch dahin zurück, wo Du hergekommen bist.“
253. (Fallakte 2)
26Am xx. August 20xx befand sich der Beschuldigte auf der Straße zwischen den Häusern T1-Straße x und x in xxxxx N1, wo er mit einem Nachbarn in einen verbalen Streit geriet. Hierbei erhob der Beschuldigte mehrfach seinen Arm zum Zeigen des „Hitlergrußes“ auf der Straße, was auch durch den Zeugen L3 wahrgenommen wurde. Dabei war dem Beschuldigten bekannt, dass es sich um eine Grußformel einer verfassungswidrigen Partei handelte.
274. und 5. (Hauptakte)
28Am xx. September 20xx betrat der Beschuldigte an der Haltestelle C in xx N1 gegen xx Uhr die Straßenbahn der Linie xx der S1 in Fahrtrichtung V1. Er begab sich sodann unvermittelt zu dem xx-jährigen L4 J T2, tippte mit seinem Finger auf dessen IPhone xx und forderte ihn anschließend mit den Worten „Gib mir dein Handy“ zur Herausgabe auf, obwohl ihm bewusst war, dass ihm kein Anspruch auf Herausgabe zustand. Nachdem der Geschädigte nicht auf die Äußerung reagiert hatte, zog der Beschuldigte, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, einen Schraubendreher, den er mit der Spitze auf den Geschädigten T2 gerichtet hielt und forderte diesen erneut zur Herausgabe des Mobiltelefons auf, welches er für sich verwenden wollte. Da der Geschädigte befürchtete, dass der Beschuldigte ihn andernfalls mittels des Schraubendrehers verletzen werde, kam er der Forderung nach und übergab dem Beschuldigten sein Mobiltelefon. An der Haltestelle B1 stieg der Beschuldigte aus der Straßenbahn aus. Auf dem Bahnsteig näherte er sich, den Schraubendreher bedrohlich bewegend, mehreren sich dort aufhaltenden Personen, die verängstigt den U-Bahnhof verließen. Anschließend verließ der Beschuldigte mit dem Mobiltelefon den Bahnsteig.
29Auf der Treppe an der vorbenannten Haltestelle traf der Beschuldigte auf die Nebenklägerin E2, der er im Vorbeilaufen unvermittelt mehrfach gegen ihre rechtseitige Kopfhälfte schlug. Die Nebenklägerin, die kurzzeitig das Bewusstsein verlor, erlitt hierdurch eine schmerzhafte Platzwunde am Kopf und begab sich im Anschluss in ambulante ärztliche Behandlung. Sie ist durch das Tatgeschehen psychisch stark belastet und leidet nach wie vor unter Ängsten, wenn sie das Haus allein verlässt.
30Das Mobiltelefon ließ der Beschuldigte schließlich in einem Kiosk zurück, der Geschädigte erhielt es durch die Polizei wieder.
316. (Fallakte 4)
32Soweit dem Beschuldigten mit der Antragschrift der Staatsanwaltschaft E3 weiterhin vorgeworfen worden ist, am x. Juni 20xx anlässlich einer Kontrolle durch die Polizeibeamten PK T2 und PK’in O auf der S2-straße x in N1 in seiner Hosentasche eine Druckverschlusstüte mit etwa 3,49 Gramm (brutto) Marihuana aufbewahrt zu haben, ist die Kammer in der Hauptverhandlung gemäß § 154a Abs. 2 StPO verfahren.
337. Aufhebung der Handlungssteuerungsfähigkeit
34Die Fähigkeit des Beschuldigten, sein Handeln entsprechend seiner Unrechtseinsicht zu steuern, war zum Zeitpunkt der Taten infolge einer krankhaften seelischen Störung, und zwar einer chronischen paranoiden Schizophrenie aufgehoben im Sinne des § 20 StGB. Die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten war zu den Tatzeiten weder erheblich vermindert noch aufgehoben im Sinne der §§ 20, 21 StGB.
35III.
36Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten einschließlich seiner Erkrankung beruhen auf seinen glaubhaften Angaben, den von ihm als inhaltlich zutreffend anerkannten Bundeszentralregisterauszug vom x. März 20xx und den weiteren, ausweislich des Hauptverhandlungsprotokoll erhobenen Beweisen, insbesondere dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. G.
37Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der überwiegend geständigen Einlassung des Beschuldigten und den weiteren, ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen.
38IV.
39Ausgehend von den getroffenen Feststellungen war nach § 63 StGB die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Danach ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn jemand im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) eine rechtswidrige Tat begangen hat und eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
401.
41Der Beschuldigte hat hinsichtlich der unter II 1 festgestellten Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), hinsichtlich der unter II 5 festgestellten Tat der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) rechtswidrig verwirklicht.
42Hinsichtlich der unter II 2 und 3 festgestellten Taten hat der Beschuldigte jeweils den objektiven und subjektiven Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB) rechtswidrig verwirklicht.
43Hinsichtlich der unter II 4 festgestellten Tat hat er den Tatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung (§ 250 Abs. 2 Nr. 1, 253 Abs. 1, 255 StGB) rechtswidrig verwirklicht.
44Die Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.
452.
46Der Beschuldigte hat diese Anlasstaten im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen. Der psychiatrische Sachverständige Dr. G ist in seinem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Beschuldigten für den Tatzeitraum die Diagnose einer chronischen paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0/5) zu stellen sei, die unter anderem mit Beziehungs-, Verfolgungs-, Vergiftungs- und Beeinträchtigungsideen einhergehe, was dem Eingangsmerkmal der „krankhaften seelischen Störung“ im Sinne des § 20 StGB zuzuordnen sei. Seine Einschätzung hat der Sachverständige überzeugend und in sich widerspruchsfrei anhand der von ihm beschriebenen Explorationssituation, der Einlassung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung und der Schilderung der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen begründet. Schizophrene Störungen seien im Allgemeinen durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate und verflachte Affekte gekennzeichnet. Wichtige psychopathologische Phänomene seien Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Wahnwahrnehmung, Kontroll- und Beeinflussungswahn oder das Gefühl des Gemachten. Eine paranoide Schizophrenie sei durch beständige, häufig paranoide Wahnvorstellungen gekennzeichnet, die meist von akustischen Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen begleitet würden. An deren Vorliegen bestehe unter Zugrundelegung nachvollziehbarer eigen- und fremdanamnestischer Angaben zur Vorgeschichte des Beschuldigten, nach denen dieser bereits seit etwa 15 Jahren unter entsprechenden Symptomen leidet, sowie seiner eigenen Untersuchungsergebnisse im vorliegenden Fall keine Zweifel.
47Der Sachverständige hat weiterhin ausgeführt, dass aufgrund der schweren Erkrankung die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit aufgehoben gewesen sei im Sinne des § 20 StGB. Dies hat der Sachverständige anhand der – sowohl nach den Angaben der zu den Anlasstaten vernommenen Zeugen als auch nach der Einlassung des Beschuldigten – deutlichen Hinweisen auf psychotisches Erleben des Beschuldigten zu den Tatzeitpunkten erläutert. Die Kammer schließt sich den überzeugend begründeten Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Prüfung vollumfänglich an.
483.
49Die Gesamtwürdigung des Beschuldigten als auch seiner Taten ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist, § 63 S. 1 StGB.
50Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass nach gutachterlicher forensischer Würdigung der Delikte, der zur Tatzeit schwer ausgeprägten Psychopathologie sowie deren Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte weitere schwere Straftaten gegen die Allgemeinheit im Zustand aufgehobener Steuerungsfähigkeit begehen werde. Diese Gefahr werde durch den langjährigen multiplen Substanzabusus des Beschuldigten Bezug auf Cannabis und Alkohol (ICD-10: F 19.1) noch verstärkt. Ohne regelmäßige neuroleptische Behandlung sei das Risiko des Zustandekommens vergleichbarer und – in Abhängigkeit von der Reaktion des jeweiligen Gegenübers im Rahmen einer potentiellen Eskalation – auch schwerer Straftaten als hoch einzustufen. Der Beschuldigte fühle sich während des psychotischen Erlebens bedroht und verfolgt. So habe er sich vor der Tat vom x. September 20xx mit einem Schraubendreher bewaffnet, um sich gegen potentielle Angreifer zu verteidigen, womit bei unregelmäßiger Medikamenteneinnahme auch in Zukunft wieder zu rechnen sei. Die Kammer teilt die Einschätzung der Sachverständigen, dass zum derzeitigen Zeitpunkt eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass außerhalb einer Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB vergleichbare erhebliche Delikte des Beschuldigten zu erwarten sind, angesichts des in der Hauptverhandlung von ihm gewonnenen Eindrucks uneingeschränkt. Es ist insbesondere durchaus wahrscheinlich, dass etwaige Körperverletzungsdelikte und eine Bewaffnung auch zu schwerwiegenderen Körperverletzungen führen können, was die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten und eine Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit begründet.
514.
52Die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus konnte trotz des Schweregrads der Erkrankung und der Gefährlichkeit des Beschuldigten gemäß § 67b Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
53Nach dieser Vorschrift setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erreicht werden kann. Besondere Umstände in diesem Sinne sind Gegebenheiten in der Tat oder in der Person des Täters, die zu dem Schluss führen, dass die von ihm ausgehende Gefahr so herabgemindert werden kann, dass es angebracht erscheint, den Verzicht auf den Vollzug der Maßregel zu wagen (Kinzig, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage, § 67b Rn. 8 m.w.N.).
54Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. G können unter sehr engen, im Führungsaufsichtsbeschluss der Kammer im Einzelnen aufgeführten, Rahmenbedingungen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Zweck der Maßregel – namentlich die Vermeidung weiterer rechtswidriger Taten durch den Beschuldigten – auch bei ihrer Aussetzung erreicht wird. Der Sachverständige hat überzeugend dargestellt, dass weitere rechtswidrige Taten des Beschuldigten dann nicht zu befürchten seien, wenn sichergestellt sei, dass der Beschuldigte die zur Behandlung seiner Erkrankung erforderlichen Neuroleptika regelmäßig einnehme und darüber hinaus engmaschig psychosozial begleitet werde. Dies könne einerseits durch die Gabe eines Depotneuroleptikums (derzeit Xeplion) sowie eine regelmäßige Überprüfung des Wirkstoffspiegels durch Serumspiegelkontrollen, und anderseits die Anbindung des Beschuldigten an ein enges Helfernetzwerk aus Betreuung und Bewährungsaufsicht, die Unterbringung in einer Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen (und anschließend in einer betreuten Wohngruppe) sowie durch regelmäßige Termine in einer psychiatrischen Institutsambulanz sichergestellt werden. Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach gründlicher Prüfung aufgrund der Eindrücke und Erkenntnisse in der Hauptverhandlung an. Da sich der Beschuldigte mit den vorgenannten Rahmenbedingungen ausdrücklich einverstanden erklärt hat, konnte der Verzicht auf den Vollzug der Maßregel gewagt werden.
555.
56Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist zudem verhältnismäßig (§ 62 StGB). Die Einschränkung der Freiheit des Beschuldigten ist im öffentlichen Interesse unerlässlich. Sie steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Beschuldigten begangenen Taten, der von ihm zu erwartenden Taten sowie zum Grad der von ihm ausgehenden Gefahr. Ohne die Anordnung mit den entsprechenden Weisungen ist auch in Zukunft die Gefahr einer körperlich erheblichen Schädigung der Opfer etwaiger rechtswidriger Taten des Beschuldigten nicht zu beseitigen. Bereits bei den Anlasstaten hing es lediglich von Zufällen ab, dass durch das Handeln des Beschuldigten niemand schwer verletzt wurde.
57V.
58Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.