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Die Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dinslaken vom 31.03.2023 – 24 XVII 485/15 – wird zurückgewiesen.
Beglaubigte Abschrift |
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12 T 58/2323 XVII 485/15Amtsgericht Dinslaken |
Landgericht DuisburgBeschluss
3In dem betreuungsgerichtlichen Verfahren
4hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgam 11.04.2023durch die Richterin am Landgericht I. die Richterin am Landgericht W. und die Vorsitzende Richterin am Landgericht X.
5beschlossen:
6Die Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dinslaken vom 31.03.2023 – 24 XVII 485/15 – wird zurückgewiesen.
7Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
8G r ü n d e:
9I.
10Die seit ihrem 20. Lebensjahr unter Betreuung stehende Betroffene leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie, die trotz zahlreicher Behandlungsversuche mit verschiedenen hochdosierten Neuroleptika auf eine medikamentöse Behandlung nicht anspricht. Wegen der akuten Exazerbation der Erkrankung mit erheblich wahnhaftem Erleben ist die Betroffene seit November 2018 geschlossen im J. untergebracht; die aktuelle Unterbringung wurde bis zum 02.03.2025 verlängert. Im Verlauf des Jahres 2021 war die Betroffene in einen teils katatonen und bei nicht ausreichender Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und Einstellung der Körperhygiene zuletzt lebensbedrohlichen Zustand geraten.
11Zwischen November 2021 und Mitte August 2022 wurde die Betroffene gegen ihren Willen mit einer Kombinationstherapie aus EKT und neuroleptischer Medikation behandelt. Hierunter ist es zu einer Teilremission der psychotischen Symptomatik gekommen. Die Behandlung beinhaltete — damals zuletzt aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Dinslaken vom 05.07.2022 — eine wöchentliche Erhaltungs-EKT in Kombination mit einem Fluanxol-Depot. Die gegen diese Behandlung gerichteten Beschwerden hatte die Kammer zunächst stets, zuletzt mit Beschluss vom 28.07.2022 (12 T 129/22), zurückgewiesen.
12Nach erneutem Antrag auf Fortführung der Behandlung mittels einer Kombination aus wöchentlich durchzuführender EKT und Fluanxol-Depot hat das Amtsgericht die weitere Zwangsbehandlung der Betroffenen sodann auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen G. K. vom 09.08.2022 nebst Ergänzungsgutachten vom 15.08.2022 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die Kammer mit Beschluss vom 08.09.2022 (12 T 151/22) zurückgewiesen. Mit weiterem Antrag vom 21.09.2022 hat die Betreuerin erneut die Genehmigung zur Wiederaufnahme der Zwangsbehandlung der Betroffenen mittels eines Fluanxol-Depots sowie einer EKT beantragt (BI. 2739 GA) und hierzu auf das ärztliche Attest vom 20.09.2022 (BI. 2740 GA) verwiesen. Auch diese Genehmigung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.09.2022 abgelehnt (BI. 2743 ff. GA). Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betreuerin vom 06.10.2022 ( BI. 2760 GA) hat die Kammer mit Beschluss vom 19.10.2022 (12 T 171/22) zurückgewiesen.
13Unter Bezugnahme auf das ärztliche Attest vom 16.12.2022 (BI. 2866 ff. GA) hat die Betreuerin erneut die Genehmigung der Kombinationsbehandlung aus EKT und Neuroleptikum beantragt (Antrag vom 20.12.2022, BI. 2865 GA). Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.12.2022 abgelehnt. Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen G. med. K. und persönlicher Anhörung der Betroffenen hat die Kammer mit Beschluss vom 23.02.2023 (12 T 2/23) den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und die ärztliche Behandlung der Betroffenen gegen deren Willen bis zum 12.04.2023, berichtigt durch Beschluss der Kammer vom 06.03.2023 dahingehend, dass die Behandlung bis zum 05.04.2023 genehmigt wird (Bl. 3092 f. GA). Die Genehmigung ist zur Behandlung mit Fluanxol-Depot (Flupentixoldecanoat) i. m. 20 mg bis 100 mg alle 2 bis 4 Wochen und Elektrokonvulsionstherapie (18 x in Serie, d.h. 3 x pro Woche) erfolgt. Zugleich hat die Kammer die zur Durchführung der EKT notwendigen Maßnahmen, insbesondere die Anlage eines intravenösen Katheters, die Verabreichung von Narkotika, die Verabreichung eines Muskelrelaxans sowie die Gabe eines hochpotenten Schmerzmittels sowie weiterer ggf. erforderlicher Bedarfsmedikamente und zudem die Durchführung regelmäßiger Labor- und EKG-Kontrollen zum Ausschluss etwaiger gefährlicher Nebenwirkungen genehmigt. Die Kammer hat zudem die zur Verabreichung des Neuroleptikums erforderliche Fixierung der Betroffenen bis zur 5-Punkt-Fixierung genehmigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss (Bl. 2996 GA) Bezug genommen.
14Mit Schreiben vom 15.03.2023 (Bl. 3194 GA) hat die Betreuerin nunmehr die Verlängerung der Zwangsbehandlung der Betroffenen mit EKT und Fluanxol-Depot beantragt. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 21.03.2023 (Bl. 3197 GA) ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen G. K. eingeholt, dass dieser unter dem 25.03.2023 (Bl. 3247 ff. GA) erstattet hat. Unter dem 28.03.2023 (Bl. 3313 GA) hat der Sachverständige sein Gutachten schriftlich ergänzt. Wegen der Feststellungen des Sachverständigen wird auf das vorgenannte Gutachten und das Ergänzungsgutachten verwiesen. Das Amtsgericht hat die Betroffene am 31.03.2023 im Beisein der Verfahrenspflegerin persönlich angehört (Anhörungsvermerk Bl. 3324 GA). Mit Beschluss vom 31.03.2023 (Bl. 3327 ff. GA) hat das Amtsgericht die weitere ärztliche Behandlung der Betroffenen ab dem 06.04.2023 längstens bis zum 17.05.2023 genehmigt. Die Genehmigung ist zur Behandlung mit Fluanxol-Depot (Flupentixoldecanoat) 20 bis 100 mg alle 2 bis 4 Wochen EKT-Erhaltungstherapie (1x pro Woche) erfolgt. Die Genehmigung umfasst die für die Durchführung der EKT notwendigen Maßnahmen insbesondere der Anlage eines intravenösen Katheters, der Verabreichung von Narkotika, der Verabreichung eines Muskelrelaxans und die Gabe eines hochpotenten Schmerzmittels sowie ggf. weiterer erforderlicher Bedarfsmedikamente. Zudem hat das Amtsgericht die Durchführung regelmäßiger Labor- und EKG-Kontrollen genehmigt, soweit diese erforderlich sind, um etwaige gefährliche Nebenwirkungen der Behandung auszuschließen. Zugleich hat es angeordnet, dass die Zwangsbehandlung ausschließlich vom Arzt durchzuführen und zu dokumentieren ist, den weitergehenden Antrag der Betreuerin zurückgewiesen und die Entscheidung für sofort wirksam erklärt. Wegen der Gründe wird auf den vorgenannten Beschluss verwiesen. Mit Schriftsatz vom 03.04.2023 (Bl. 3349 GA) hat die Verfahrenspflegerin Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
15II.
16Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der gemäß § 335 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigten Verfahrenspflegerin hat in der Sache keinen Erfolg.
17Die Voraussetzungen für eine ärztliche Behandlung der Betroffenen gegen ihren Willen gemäß § 312 FamFG i.V.m. § 1832 BGB liegen vor.
18Widerspricht eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer gemäß § 1832 Abs. 1 BGB in die ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen, wenn
191. die ärztliche Zwangsmaßnahme notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden vom Betreuten abzuwenden,
202. der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
213. die ärztliche Zwangsmaßnahme dem nach § 1827 BGB zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht,
224. zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
235. der drohende erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere den Betreuten weniger belastende Maßnahme abgewendet werden kann,
246. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt und
257. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, durchgeführt wird.
26Die vorgenannten Voraussetzungen liegen hier vor. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
27Das Amtsgericht hat vor dem Beschluss zur Verlängerung der Zwangsbehandlung ein ausführliches Gutachten des Sachverständigen G. K. eingeholt, in dem dieser auf die detaillierten Fragen des Amtsgerichts nach erneuter Exploration der Betroffenen umfassend eingegangen ist. Der Sachverständige hat dabei ausgeführt, dass bei der Betroffenen alle Kriterien zur Durchführung einer Elektrokrampftherapie nach den Leitlinien und Stellungnahmen der maßgeblichen ärztlichen Vereinigungen und Verbände vorliegen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist bei der Betroffenen nur noch eine Behandlung mit EKT in Verbindung mit Fluanxol erfolgversprechend, da andere Therapieversuche gescheitert sind und die insoweit allein ggf. noch in Frage kommende Hochdosis-Therapie einerseits von den Leitlinien nicht gedeckt und zum anderen mit erheblich schwerwiegenderen Nebenwirkungen belastet ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist die Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage, den Grund, die Bedeutung und die Tragweite sowie die Notwendigkeit der Behandlung einzusehen. Ohne die Behandlung droht ein Rückfall in den Zustand vor dem erneuten Beginn der Elektrokrampftherapie. Die Betroffene war bis zu dem Beschluss der Kammer vom 23.02.2023 längere Zeit unbehandelt und ist dadurch in einen Zustand geraten, in dem sie von Wahnvorstellungen getrieben, sich einnässend und einkotend, auf ihre basalen Instinkte reduziert nur noch quasi „verwahrt“ wurde. In diesem Zustand hat die Kammer sie bei der Anhörung am 21.02.2023 angetroffen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der Kammer vom 23.02.2023 (12 T 2/23) Bezug genommen.
28Seit der Durchführung der EKT seit dem 24.02.2023 hat sich der Zustand der Betroffenen in erheblichem Ausmaß gebessert. Der Sachverständige berichtet, dass die Betroffene jetzt in der Lage sei, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, auf ihre Körperpflege achte, keine wahnhafte Erregung mehr zeige und das krankhafte Misstrauen erheblich gebessert sei. Als der Sachverständige ihr berichtet habe, dass sie keine Körperpflege mehr betrieben habe, habe die Betroffene erstaunt reagiert und geäußert, dass Körperpflege für sie ganz wichtig sei. Tatsächlich war die Betroffene bei dem Gespräch mit dem Sachverständigen nach dessen Feststellungen sehr gepflegt. Sie hat nach dem Bericht der behandelnden Ärzte im Anhörungstermin am 31.03.2023 sogar den Zeitungsdienst für die Station übernommen. Sie sucht auch Beratung und bespricht traumatische Erlebnisse mit der Psychologin, zudem stellt sie Überlegungen für ihr zukünftiges Leben außerhalb der geschlossenen Station an. Unbegleitete Ausgänge der Betroffenen sind ebenfalls für jeweils zwei Stunden ohne Probleme möglich. Hieran zeigt sich, dass die EKT der Betroffenen eine Teilhabe am Leben auch außerhalb der geschlossenen Station ermöglicht, die ihr unbehandelt vollständig verwehrt bleibt. Ohne die genehmigte Zwangsbehandlung wäre die Betroffene auf Dauer in einem elenden Zustand gefangen, den sie im Nachhinein ebenfalls als nicht wünschenswert ansieht.
29Die Kammer sieht die beantragte Behandlung auch unter Berücksichtigung des entgegenstehenden natürlichen Willens der Betroffenen als notwendig (§ 1832 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und verhältnismäßig (§ 1832 Abs. 1 Nr. 5 und 6 BGB) an.
30Dem steht insbesondere nicht das vom Gesetz geforderte Merkmal der Notwendigkeit, das eine feststehende medizinische Indikation voraussetzt — und zwar sowohl hinsichtlich der ärztlichen Maßnahme als solcher wie auch hinsichtlich ihrer gegebenenfalls zwangsweisen Durchführung (vgl. BGH NJW 2020, 1581 unter Verweis auf Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl.,§ 1906a Rn. 3f.) — entgegen. Die Notwendigkeit einer Maßnahme beurteilt sich nach objektivierten, evidenzbasierten Notwendigkeitskriterien. Dem Begriff der Notwendigkeit als Rechtfertigung für eine Zwangsmaßnahme wohnt insoweit inne, dass es sich bezogen auf die konkrete Erkrankung um eine geeignete Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst gemäß den anerkannten medizinischen Standards handeln muss. Wegen der Schwere des mit einer Zwangsbehandlung verbundenen Grundrechtseingriffs muss sich deren Durchführung auf einen breiten medizinisch-wissenschaftlichen Konsens stützen können, und zwar sowohl hinsichtlich der Therapie als solcher als auch hinsichtlich ihrer speziellen Durchführungsform im Wege der Zwangsbehandlung gegen den Widerstand des Patienten. Eine Behandlungsform, die nicht breitem medizinischen Konsens entspricht, mag dem Patienten in ärztlicher Verantwortung angeboten, darf aber nicht mit staatlicher Gewalt gegen seinen Willen zwangsweise durchgeführt werden. Von einem tragfähigen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens sei namentlich dann auszugehen, wenn die vorgesehene Behandlung den evidenzbasierten Handlungsempfehlungen eines institutionalisierten Expertengremiums entspreche. (BGH NJW 2020, 1581). Dies ist hier, insbesondere aufgrund der Stellungnahme der M. vom 04.07.2022 zu den Indikationen der EKT, der Fall. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass eine Behandlung der Betroffenen im vorliegenden Fall dem breiten wissenschaftlichen Konsens entspreche. Dieser ergebe sich aus der S3-Leitlinie Schizophrenie und der Stellungnahme der Ärztekammer vom 21.02.2003 zur EKT. Die Stellungnahme der M. vom 04.07.2022 nenne einerseits die gleichen Indikationen für die Elektrokonvulsionstherapie, wie sie der Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 21.02.2003 sowie der S3-Leitlinie Schizophrenie zu entnehmen seien. Es werde das Indikationsspektrum insofern tendenziell erweitert, als ausgeführt werde, dass sich in der klinischen Praxis zunehmend eine syndromale Indikationsstellung bewährt habe, also es Argumente gebe, die Schwere und Art der Symptomatik in den Vordergrund der Indikation zu stellen und weniger, welcher konkreten Diagnosekategorie man das Störungsbild zuordne. Es werde außerdem die Sicherheit und relative Nebenwirkungsarmut der Behandlung betont, die sich aus den Erfahrungen und Studien der letzten Jahrzehnte ergeben hätte. Es würden auch die positiven Studienergebnisse in Bezug auf nicht einwilligungsfähige Patienten genannt. In Bezug auf den konkreten Fall von Frau D. ergebe sich auch aus der Stellungnahme der M., dass die Elektrokonvulsionstherapie prinzipiell aus medizinischer Sicht indiziert sei. In der Stellungnahme der M. werde konkret auf die Studien hingewiesen, die eine relative Risikoarmut einer EKT und die positiven Ergebnisse bei einwilligungsunfähigen Patienten darlegten. Insofern würden durch die Stellungnahme der M. vom 04.07.2022 die Argumente für eine EKT bei entsprechender Indikation zusätzlich zu der sich aus der Stellungnahme der Ärztekammer vom 21.02.2003 sowie der S3-Leitlinie Schizophrenie ergebenden Indikation gestärkt. Zusammenfassend entspreche es dem breiten wissenschaftlichen Konsens, die Betroffene im vorliegenden Fall (weiter) mit Elektrokonvulsionstherapie zu behandeln. Nach den seit dem 24.02.2023 durchgeführten Behandlungen mit einer Frequenz von 3 pro Woche, u.z. 18 Applikationen für die ersten 6 Wochen, werde voraussichtlich anschließend als Erhaltungstherapie eine Applikation in einer Frequenz von 1 x pro Woche ausreichend sein, um einen Rückfall in einen eigengefährdenden Zustand zu verhindern. Die Neuroleptikagabe von Fluanxol Depot 100 mg intramuskulär alle 2 Wochen sei medizinisch indiziert und gehöre zur Therapie der 1. Wahl bei Schizophrenie. Die Therapie der 2. Wahl mit Elektrokrampftherapie in Kombination mit der Neuroleptikatherapie sei ebenfalls indiziert aufgrund der bisherigen Therapieresistenz unter alleiniger hochdosierter neuroleptischer Therapie mit verschiedenen Neuroleptika.
31Unter Berücksichtigung dieser genannten Stellungnahmen überwiegt der zu erwartende Nutzen die zu erwartenden Beeinträchtigungen nach den sachverständigen Feststellungen deutlich. Nach den sachverständigen Feststellungen, droht ohne die genehmigte Zwangsbehandlung ein erneuter Eintritt des ursprünglichen Zustandes sowie eine Verfestigung bzw. Chronifizierung desselben (siehe Beschluss der Kammer vom 23.02.2023) sowie, so der Sachverständige, die damit verbundene Eigengefährdung im Zusammenhang mit fehlender Körperhygiene (Einkoten) und das erneute Auftreten bedrohlicher Wahnvorstellungen mit der Gefahr schwerwiegender affektiver Symptome (Erregung, Angst, verbale Aggressivität, massives Misstrauen).
32Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Betroffene sich weiterhin gegen die beabsichtigte Behandlung ausgesprochen hat und auch dieser natürliche Wille grundsätzlich Beachtung verdient hat, zumal es die beabsichtigte Behandlung erfordert, dass die Betroffene voraussichtlich zur Erhaltung ihres Zustands einmal wöchentlich gegen ihren Willen narkotisiert, d.h. in einen Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt wird. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände überwiegen aber die Vorteile der Behandlung — die Ermöglichung eines zumindest in Ansätzen selbstbestimmten Lebens und die Verhinderung des erheblichen Gequältseins durch Wahnvorstellungen — die Nachteile, die insbesondere in den regelmäßig mit einer Narkose einhergehenden Risiken sowie in den Nebenwirkungen der EKT selbst bestehen (insoweit wird auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten, Bl. 3259 ff. GA, Bezug genommen), deutlich.
33Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor. Ein nach § 1827 BGB beachtlicher Wille der Betroffenen (§ 1832 Abs. 1 Nr. 3 BGB) ist nicht feststellbar. Es wurde vor Genehmigung der Zwangsmaßnahme ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht, die Betreute von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen (§ 1832 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Darüber hinaus ist die Betroffene noch bis zum 02.03.2025 (einschließlich) untergebracht, wodurch sichergestellt ist, dass die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, durchgeführt wird (§ 1832 Abs. 1 Nr. 7 BGB).
34Im Übrigen wird auch auf die Gründe des Kammerbeschlusses vom 23.02.2023 (Bl. 2995 ff. GA) Bezug genommen. Die dortigen Ausführungen gelten auch für die hier in Rede stehende Verlängerung der Zwangsbehandlung.
35In verfahrensrechtlicher Hinsicht begegnet der angefochtene Beschluss keinen Bedenken. Insbesondere hat das Amtsgericht die Betroffene gemäß § 319 FamFG vor Erlass des Beschlusses persönlich angehört und gemäß § 317 FamFG eine Verfahrenspflegerin bestellt, die an der Anhörung teilgenommen hat. Eine Anhörung der Betreuungsbehörde gemäß § 320 S. 2 FamFG konnte hier unterbleiben, da sich hieraus angesichts der Sachlage keine wesentlichen Erkenntnisse ergeben hätten. Das Amtsgericht hat gemäß § 321 FamFG ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie über die Notwendigkeit der Fixierung und der ärztlichen Zwangsmaßnahmen eingeholt. Die Beschlussformel enthält auch die notwendigen Angaben zu der genauen Medikation sowie die Anordnung, dass diese ausschließlich vom Arzt durchzuführen und zu dokumentieren ist (§ 323 FamFG). Die Dauer der Zwangsbehandlung hält sich im gesetzlichen Rahmen des § 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG und folgt dem sachverständigen Rat. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit schließlich beruht auf § 324 Abs. 2 FamFG.
36III.
37Von einer erneuten Anhörung hat die Kammer abgesehen, da die Anhörung durch das Amtsgericht erst kurze Zeit zurückliegt und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG.
38IV.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
40Rechtsbehelfsbelehrung:
41Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
42Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
43Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
441. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
452. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,
463. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
47- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
48- soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
49Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.
50Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
51Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
52Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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