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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
I.
28 O 128/19 |
Verkündet am 30.06.2022 , Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle |
Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil
4In dem Rechtsstreit
5hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgauf die mündliche Verhandlung vom 19.05.2022durch den Richter am Landgericht N., den Richter am Landgericht F. B. und die Richterin F. Z.
6für Recht erkannt:
7Die Klage wird abgewiesen.
8Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
9Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
10Tatbestand:
11Der Kläger begehrt von der Beklagten insbesondere Schadensersatz wegen Verwendung einer angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung.
12Der Kläger erwarb am 10. Juli 2015 bei der E. Gesellschaft mbH & Co. KG, W.-straße, A., ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke Q. mit der Fahrgestellnummer F01 (i.F. „das Fahrzeug“) mit einer Laufleistung von damals 6.924 Kilometern zu einem Bruttokaufpreis von 48.980 EUR (vgl. Kaufbeleg als Anlage K1).
13Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor ausgestattet und unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.
14Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung (AGR), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Bei kühleren Temperaturen wird die Abgasrückführung zurückgefahren („Thermofenster“).
15Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Mai 2019 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zum Schadensersatz Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf.
16Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug am 19. Mai 2022 84.334 Kilometer.
17Der Kläger behauptet, in dem Auto sei ein Motor des Typs EA 897 verbaut. Diesen habe die Beklagte auch hergestellt.
18Er behauptet, das Fahrzeug weise verschiedene Sachmängel auf, insbesondere werde die Euro 5 Norm nicht eingehalten, die Stickstoffwerte seien höher als angegeben, die angegebenen Kraftstoffverbrauchsangaben und das Versprechen „sauberster Diesel seiner Klasse“ seien nicht eingehalten. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 27. Mai 2019 verwiesen.
19Zudem habe die Beklagte das Thermofenster in Form einer verbotenen Abschaltvorrichtung exakt auf die Prüfbedingungen im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt und so im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens unter Vorspiegelung der Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung und die damit einhergehende Betriebserlaubnis erlangt. Darüber hinaus habe die Beklagte über das sog. On-Board-Diagnosesystem getäuscht und dieses so programmiert, dass die Abgassysteme der Fahrzeuge ordnungsgemäß funktionieren. Auch befinde sich in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine sog. Lenkwinkelerkennung, welche die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unzulässig reduziere.
20Der Kläger hat ursprünglich beantragt, (1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 48.980 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 11. Juli 2015 bis 3. Juni 2019 und seither 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer F01 zu zahlen. Sodann hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2020 beantragt eine Nutzungsentschädigung nicht abzuziehen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2022 hat der Kläger erklärt, die Klage im Hinblick auf die Deliktszinsen zurückzunehmen. Die Beklagte hat der Klagerücknahme nicht zugestimmt.
21Der Kläger beantragt nunmehr,
221. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 48.980 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 11. Juli 2015 bis 3. Juni 2019 und seither 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2019 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.937,06 EUR Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer F01 zu zahlen,
232. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 4. Juni 2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet,
243. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.791,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2019 zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte behauptet, es sei ein Motor des Typs EA 897 Gen2 verbaut. Zudem habe die Beklagte den streitgegenständlichen Motor weder entwickelt, noch hergestellt. Innerhalb des U. liege die Entwicklungshoheit für Drei- und Vierzylinder Reihendieselmotoren bei der Beklagten. Die Entwicklung und Herstellung von Sechs- und Achtzylinderdieselmotoren, wie im streitgegenständlichen Fahrzeug, obliege der L. AG als selbständiges Unternehmen. Die L. AG trage in diesem Zusammenhang die Verantwortung für die Entwicklung von Grundmotoren. Zudem sei Fahrzeug Teil des sog. Plattformkonzeptes. Dies bedeutet, dass eine Marke, hier die L. AG, als sog. Plattformentwickler für die Entwicklung von Antrieb, Fahrwerk, Motor und Motorsteuergerät verantwortlich sei, also auch für die Applikation der Emissionsstrategie. Jedenfalls sei in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut.
28Die Beklagte wendet sich darüber hinaus in dem im Einzelnen insbesondere aus der Klageerwiderung (vgl. Bl. 170 ff. d.A.) den Schriftsätzen vom 25. März 2020 (Bl. 332 ff. d.A.), 7. Dezember 2020 (Bl. 443 ff. d.A.), 1. Dezember 2021 (Bl. 618 ff. d.A.) ergebenden Umfang gegen den Sachvortrag des Klägers.
29Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
30Entscheidungsgründe:
31I.
321.
33Die Verweigerung der Einwilligung zur Klagerücknahme macht die Erklärung des Klägers wirkungslos, sodass trotz der Rücknahmeerklärung des Klägers über den Antrag auf Deliktszinsen zu entscheiden war.
342.
35Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse hinsichtlich des Antrags zu 2) folgt aus § 765 ZPO, weil der Kläger im Falle seines Obsiegens die spätere Zwangsvollstreckung nur unter erschwerten Voraussetzungen betreiben kann, solange der Annahmeverzug nicht rechtskräftig festgestellt ist.
36II.
37Die Klage ist jedoch unbegründet.
381.
39Ansprüche aus kaufvertraglichem Gewährleistungsrecht nach §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 BGB scheitern bereits daran, dass der Kläger das Fahrzeug nicht unmittelbar bei der Beklagten gekauft hat.
402.
41Der Kläger hat auch keinen Anspruch nach § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB gegen die Beklagte.
42a.
43Das OLG Stuttgart führt hierzu in seinem Urteil vom 4. August 2020 (16a U 197/19, NJOZ 2021, 853) wie folgt aus:
44aa) Nach § 311 III BGB kann eine persönliche Haftung eines Dritten in Betracht kommen, wenn zu ihm ausnahmsweise ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen ist. Nach dem Regelbeispiel in Abs. 3 S. 2 ist dies dann der Fall, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten mit dieser Formulierung die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze kodifiziert und deren Weiterentwicklung ermöglicht werden. Da Abs. 3 S. 2 keine abschließende Regelung darstellt („insbesondere“), kommt eine Dritthaftung weiterhin auch dann in Betracht, wenn der Dritte am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat. In jüngster Zeit ist in der Rechtsprechung des BGH jedoch zu Recht eine restriktive Tendenz festzustellen, so dass an das Vorliegen der beiden (alternativen) Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind. Jedenfalls zu weitgehend ist es, aus § 311 III BGB eine Haftung des Produzenten für Vermögensschäden aller Endabnehmer ableiten zu wollen (BeckOK BGB/Sutschet, 52. Aufl., Stand: 1.11.2019, § 311 Rn. 118).
45bb) Der klägerische Vortrag, es bestehe aufgrund seines Vertrauens in die Bekl. als Herstellerin des eingebauten Motors ein unmittelbarer Anspruch dieser gegenüber, da allseits bekannt sei, dass das Tochterunternehmen Motoren der Bekl. verbaue und sie mit „Clean Diesel“ und der besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs geworben habe, vermag – selbst wenn man die Herstellereigenschaft der Bekl. unterstellt – eine Haftung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens nicht zu begründen.
46Denn die in § 311 III BGB kodifizierte Haftung aus culpa in contrahendo kann nach gefestigter Rechtsprechung des BGH zwar unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch einen Dritten treffen, der selbst nicht Vertragspartei werden soll. Erste Voraussetzung ist hierfür jedoch, dass der Dritte an den Vertragsverhandlungen oder dem Vertragsschluss als Vertreter, Vermittler oder sogenannter Sachwalter einer Partei beteiligt ist (vgl. BGH NJW 1997, 1233; NJW-RR 2006, 993). Beteiligt sich der Vertreter, Vermittler oder Sachwalter an den Vertragsverhandlungen nicht selbst, muss er sich jedoch seinerseits durch einen (Unter-)Vertreter vertreten lassen, wobei dieser „Vierte“ für etwaige den Dritten treffende vorvertragliche Verpflichtungen als sein Erfüllungsgehilfe iSd § 278 BGB anzusehen sein muss. Entscheidend ist also, dass der besondere Vertrauenstatbestand von dem Dritten selbst oder in ihm zurechenbarer Weise überhaupt geschaffen worden ist und das Verhalten des anderen Verhandlungspartners maßgeblich beeinflusst hat (BGH NJW 1997, 1233).
47Vorliegend ist bereits fraglich, wer für die Bekl. als Sachwalter bei den Vertragsverhandlungen zwischen dem Kl. und dem Verkäufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgetreten sein soll. Jedenfalls reicht es zur Begründung einer unter diesem Gesichtspunkt eingreifenden Eigenhaftung nicht aus, dass der Vertragspartner dem Verhandelnden besonderes Vertrauen entgegenbringt. Nicht umsonst verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass Vertrauen gerade seitens des Verhandelnden in Anspruch genommen wird. Der Vertreter oder Sachwalter muss also durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen nehmen. Dabei reicht der allgemeine Hinweis auf die bei ihm vorhandene Sachkunde nicht aus, vielmehr muss der Vertreter über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts bieten (BGH NJW-RR 1991, 1241; MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, § 311 Rn. 188). Unter welchem Gesichtspunkt die Bekl. im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Y. eine solche Gewähr übernommen hat, erschließt sich nicht. Allein der gute Name der Konzernmutter vermag eine Haftung nicht zu begründen (iErg. ebenso etwa BeckOGK/Herresthal, Stand: 1.6.2019, § 311 BGB Rn. 517; BeckOK BGB/Sutschet, 52. Aufl., Stand: 1.11.2019, § 311 Rn. 119). Die allein an die Qualität der Motoren anknüpfende Argumentation des Kl. läuft darauf hinaus, dass jedes Vertrauen in die Qualität eines Produktes, mit der der Hersteller dem Verbraucher gegenüber wirbt, zu einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gem. §§ 311, 241 II BGB führen würde. Dies steht im Widerspruch zu den deliktischen Haftungsgrundsätzen sowie zu den Grundsätzen der Produkthaftung und des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts, derer es bei Annahme einer so weitgehenden Haftung gar nicht bedürfte (so auch OLG Braunschweig NJW-RR 2019, 1421 Rn. 84).
48Diesen Rechtausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an. Diese Überlegungen lassen sich auf den hier streitgegenständlichen Sachverhalt übertragen. Auch hier ist nicht erkennbar, in welcher Form die Beklagte am Vertragsschluss beteiligt gewesen sein soll. Der Kläger hat das Gebrauchtfahrzeug ohne die Beteiligung eines Mitarbeiters der Beklagten erworben. Das Gericht kann daher nicht erkennen, inwieweit die Beklagte tatsächlich das Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen haben soll. Das bloße Ausstellen der Übereinstimmungsbescheinigung ist jedenfalls nicht auf den konkreten Vertragsschluss bezogen.
49b.
50Auch finden die Grundsätze der Prospekthaftung im Kaufrecht gerade keine Anwendung. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze – sowohl im engeren Sinne als auch im weiteren Sinne – finden allenfalls im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage Anwendung. Das OLG (aaO) führt hierzu überzeugend aus:
51Die ausschließlich im Bereich der Kapitalanlage entwickelten und angewandten Grundlagen der Prospekthaftung sind auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Wollte man, einer Literaturmeinung (Harke VuR 2017, 83) folgend, eine Prospekthaftung auch beim Kauf von hochwertigen Verbrauchsgütern wie etwa Personenkraftwagen annehmen, da die Übereinstimmungsbescheinigung ein einem Anlageprospekt vergleichbares Papier darstelle, das die Entscheidung des Käufers in ähnlicher Weise bestimme wie ein Anlageprospekt, würde dies zu einer uferlosen Ausweitung der (vor-)vertraglichen Haftung eines am Kaufvertrag nicht beteiligten Herstellers führen und damit die Systematik der deliktischen Haftung aushebeln. Denn nicht nur bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen, sondern auch bei sonstigen Verbrauchsgütern sind vielfach (Sicherheits-)Vorgaben aller Art zu erfüllen, deren Einhaltung von einer Behörde bescheinigt wird (iErg. ebenso OLG Braunschweig Urt. v. 19.2.2019 – 7 U 134/17, BeckRS 2019, 2737 Rn. 92; OLG München Urt. v. 4.12.2019 – 3 U 2943/19, BeckRS 2019, 32108 Rn. 30; OLG Naumburg Urt. v. 12.6.2019 – 5 U 17/19, BeckRS 2019, 26078 Rn. 26 – jew. abstellend auf zusätzliche Informationsmöglichkeiten beim Fahrzeugkauf). Wollte man eine solche Bescheinigung zur Grundlage einer Prospekthaftung machen, würde dies zu einer weitgehenden Herstellerhaftung außerhalb der kodifizierten deliktischen Haftungsgrundsätze sowie der Grundsätze von Produkthaftung und kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht führen. Hinzu kommt, dass die Übereinstimmungsbescheinigung bereits deshalb nicht dazu taugt, Anknüpfungspunkt einer Prospekthaftung zu werden, da sie regelmäßig nicht bereits vor Vertragsschluss zu Informationszwecken vorgelegt wird, sondern – insbesondere bei einer Neuwagenbestellung – erst nach Vertragsschluss nach Produktion des Fahrzeugs erstellt wird.
52Schlagend ist insbesondere die Argumentation, dass eine Übertragung der Grundsätze auf die vorliegende Konstellation sowohl die deliktische, als auch die kaufvertragliche Haftung aushebeln würde. Insofern schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des OLG Stuttgart an.
532.
54Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte. Danach ist derjenige, der einem anderen in einer gegen die Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zufügt, zum Ersatz verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
55a.
56Die Beklagte ist jedenfalls nicht passivlegitimiert.
57Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung kann grundsätzlich nur durch die Herstellerin bzw. Entwicklerin des streitgegenständlichen Motors erfolgen. Ansonsten fehlt es an einer haftungsbegründenden sittenwidrigen oder sonst schadensstiftenden Handlung der Beklagten (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2020 – 10 U 201/19, juris Rn. 25).
58Der Kläger hat hier zwar vorgetragen, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Motor hergestellt und entwickelt hat. Die Beklagte ist diesem Vortrag jedoch umfassend entgegengetreten. Sie hat ausführlich dargelegt, inwieweit die Entwicklungshoheit für die verschiedenen Motoren im U. erfolgt. Zudem sei das streitgegenständliche Fahrzeug Teil des sog. Plattformkonzeptes. Dies bedeutet, dass eine Marke, also vorliegend die L. AG, als sog. Plattformentwickler für die Entwicklung von Antrieb, Fahrwerk, Motor und Motorsteuergerät verantwortlich sei, auch für die Applikation der Emissionsstrategie. Die einfache Behauptung des Klägers, die Beklagte habe den streitgegenständlichen Motor entwickelt und hergestellt, reicht aufgrund dieses substantiierten Vortrages der Beklagten nicht aus.
59Eine Haftung kommt vorliegend auch nicht durch eine Zurechnung im Konzern in Betracht. Selbst wenn eine Konzerntochter durch einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit der Beklagten verbunden ist, kann auch dies die Passivlegitimation der Beklagten nicht begründen. Eine solche scheitert bereits daran, dass es sich bei der L. AG um ein eigenständiges Unternehmen und keine in die Beklagte im Sinne des Aktiengesetzes eingegliederte Gesellschaft handelt. Hieran ändert auch ein etwaiger Beherrschungsvertrag nichts (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 19. September 2019 – 19 U 146/19, BeckRS 2019, 42809).
60b.
61Auch kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger durch eine vermeintlich sittenwidrige Handlung der Beklagten – vorbehaltlich der Passivlegitimation – ein Schaden entstanden ist.
62Der Kläger sieht seinen Schaden im Abschluss des für ihn vermeintlich nachteiligen Kaufvertrages.
63Zu einer Wertminderung des Fahrzeugs infolge der angeblich verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen trägt der Kläger nicht konkret vor. Unabhängig davon vermag aber auch eine ungewollte Verpflichtung einen Schaden im Sinne des § 826 BGB darzustellen. Bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung kann jemand dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361-371, Rn. 16). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316-352, Rn. 46).
64Daran fehlt es hier.
65Der Kläger stellt maßgeblich darauf ab, dass er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht geschlossen hätte, weil die abstrakte Gefahr eines behördlichen Eingreifens bestanden habe, schon dadurch sei die Nutzbarkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt.
66Zutreffend ist, dass es dem Käufer eines Fahrzeugs maßgeblich auf die dessen Gebrauchsfähigkeit ankommt und er kein Fahrzeug erwerben würde, bei dem eine auch nur abstrakte Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung besteht, wenn gleichzeitig unklar ist, ob der Mangel behoben werden kann. Im vorliegenden Fall kann jedoch eine solche Gefahr der Stilllegung zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht angenommen werden.
67Unstreitig wurde bis heute die Zulassung des Fahrzeugs nicht widerrufen.
683.
69Eine Anwendung von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB würde unbeschadet des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen und der Passivlegitimation der Beklagten jedenfalls an der fehlenden Stoffgleichheit einer von der Beklagten beabsichtigten rechtswidrigen Bereicherung scheitern (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, Rn. 18 ff., juris).
70Der Kläger hat auch – unabhängig von der Frage der Passivlegitimation – keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften und es fehlt damit jedenfalls insoweit am erforderlichen Schutzzweckcharakter dieser Normen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10 f., juris).
71Auch ein Anspruch aus § 831 BGB kommt nicht in Betracht, da der Kläger lediglich Mutmaßungen vorträgt, jedoch keinen konkreten Verrichtungsgehilfen im Sinne der Vorschrift, der ihm einen widerrechtlichen Schaden zugefügt haben soll. Zudem mangelt es am Vorliegen eines widerrechtlichen Schadens. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
72II.
73Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
74III.
75Da der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, befindet sich die Beklagte auch nicht mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug.
76IV.
77Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, S. 2 ZPO.
78Der Streitwert wird bis zum 18. Mai 2022 auf 48.980,- EUR und ab dem 19. Mai 2022 auf 36.042,94 EUR festgesetzt.
79N. |
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F. Z. |