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weist die Kammer die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung gegenüber der Zurückweisung durch Beschluss kostenrechtlich privilegiert ist.
Gründe
2Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
4Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
5Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass aus der ex-ante Perspektive zum Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin am 03.04.2020 keine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben war, dass im Reisezeitraum außergewöhnlicher Umstände im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB am Urlaubshort auftreten würden, die die Durchführung der Reise oder die Beförderung an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen würden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die umfassende Begründung des Amtsgerichts, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt, Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Entscheidung.
6Grundsätzlich stellt die jedenfalls seit Ende Januar 2020 sich auch in Europa und der Bundesrepublik ausweitende Covid-19-Pandemie einen derartigen außergewöhnlichen und unvermeidbaren Umstand dar, der zumindest abstrakt die Durchführung der Reise der Klägerin zu beeinträchtigen geeignet war. Ob das konkret bestehende Risiko ausreicht, um den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters gem. § 651h Abs. 3 BGB entfallen zu lassen, muss aber anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass sowohl die durch die Bundesregierung ausgesprochene weltweite Reisewarnung als auch der durch die portugiesische Regierung erklärte Ausnahmezustand befristet waren und zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung gerade nicht absehbar war, ob diese aufrechterhalten würden. Auch gab es zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine behördlichen Einreiseverbote oder Quarantänemaßnahmen, die absehbar zu einer Beeinträchtigung der Reise im angedachten Reisezeitpunkt führen mussten.
7Darüber hinaus hat die Klägerin keine ausreichenden Indizien dafür vorgetragen, dass im Reisezeitraum am Urlaubsort außergewöhnliche Umstände vorliegen würden. Die Tatsache, dass die portugiesische Regierung den Ausnahmezustand jeweils nur für 15 Tage verlängerte, sprach dafür, dass eine sichere Prognose über einen weitergehenden Zeitraum gerade nicht möglich war. Zudem hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht mit hinreichender Sicherheit absehbar war, dass am Urlaubsort zur angedachten Reisezeit ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestehen würde. Selbst nach dem Vortrag der Klägerin gab es am Zielort zum Zeitpunkt des Rücktritts allenfalls 40 Infektionsfälle. Dass diese Infektionen bereits eine Ausbreitung der Epidemie wahrscheinlich machten oder nicht z.B. Ausdruck einzelner Infektionsherde waren, ist weder dargetan noch ersichtlich. Allein die Tatsache, dass das Infektionsgeschehen zur Pandemie erklärt worden war, vermochte die erforderliche valide Prognose nicht zu begründen. Es war insoweit vielmehr auf den konkreten Urlaubsort – Madeira – abzustellen.
8Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, soweit die Reisewarnungen nach der Rücktrittserklärung der Klägerin verlängert worden sind und sich letztlich auf den angedachten Reisezeitraum und den Urlaubsort ausgewirkt haben. Die Kammer vermag sich – ebenso wie das Amtsgericht – nicht der in der Literatur vertretenen Meinung (Harke, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2021, § 651h, Rn. 47) anzuschließen, dass von § 651h Abs. 3 BGB auch die Fälle erfasst werden, in denen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB objektiv nicht vorliegen, diese später aber infolge einer Verschlechterung der Lage eintreten. Zwar muss der Reisende in diesen Fällen im Ergebnis unter Umständen eine Entschädigung für eine Reise zahlen, die sich letztlich als nicht durchführbar erweist. Dies ist aber Folge der Notwendigkeit, die im Rahmen des § 651h Abs. 3 BGB erforderliche Prognoseentscheidung einem bestimmten Zeitpunkt zuzuordnen, um die Anwendung der Norm nicht beliebig werden zu lassen (Geib in BeckOK BGB, 57. Edition, Stand 01.02.2021, § 651h, Rn. 21a). Darüber hinaus gibt es in diesen Fällen keinen sachlichen oder im Gesetz verankerten Grund, das Risiko der Verschlechterung der Lage einseitig dem Veranstalter aufzuerlegen (Staudinger/Achilles-Pujol, in: Schmidt, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 7, Rn. 26; Steinrötter, in: jurisPK BGB, 9. Aufl. 2020, § 651h, Rn. 44.1). Vielmehr müssen im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts dessen Rechtsfolgen bestimmbar sein.
9Schließlich ist auch weder ersichtlich noch dargetan, weshalb es einem Reisenden – wie der Klägerin – nicht zumutbar gewesen sein soll, vor einem etwaigen Rücktritt zunächst die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens und z.B. die Entscheidung der Bundesregierung über die Verlängerung des Reisewarnung oder der portugiesischen Regierung über die Verlängerung des Ausnahmezustandes über den angedachten Reisezeitraum hinweg abzuwarten.