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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.182,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 60% der Beklagten und zu 40% der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegenSicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
3 O 301/20 |
Verkündet am 27.08.2021 , Justizbeschäftigter als Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle |
Landgericht Duisburg IM NAMEN DES VOLKES Urteil
3In dem Rechtsstreit
4hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgim schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPOmit Schriftsatzfrist bis zum 22.07.2021durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht S, den Richter am Landgericht E P und die Richterin A
5für Recht erkannt:
6Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.182,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2020 zu zahlen.
7Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
8Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 60% der Beklagten und zu 40% der Klägerin auferlegt.
9Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
10Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegenSicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
11Tatbestand:
12Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer von Seiten der Beklagten ausgesprochenen Kündigung zweier Prämiensparverträge sowie die Zahlung eines weiteren Zinsbetrags für die beiden Sparverträge in Höhe von insgesamt 3.182,40 EUR.
13Am 27.12.1999 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der T, zwei Sparkontoverträge mit der Bezeichnung »S-Prämiensparen - flexibel« mit den Vertragsnummern ########## (Anlage K 1; nach EDV-Umstellung nunmehr geführt unter der Nr. ##########) und ########## (Anlage B 1; nach EDV-Umstellung nunmehr geführt unter der Nr. ##########). Die Bedingungen der Beklagten für den Sparverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der T2 waren Vertragsbestandteil.
14In den beiden Verträgen heißt es jeweils im Wesentlichen:
15» Für dieses Sparkonto wird eine Kündigungsfrist von 3 Monaten vereinbart.
16Beginn der Konditionsvereinbarung: 30.12.1999
17Dauer der Konditionsvereinbarung: max. 25 Jahre
181. Sparbeiträge
19Der Sparer wird ab dem 30.12.1999 monatlich Sparbeiträge von 250,00 DM auf das oben genannte Sparkonto einzahlen. Die erste Einzahlung erfolgt bei Vertragsbeginn.
20Die monatlichen Sparbeiträge werden ab 30.12.1999 zu Lasten Konto Nr. #####, lautend auf C, abgebucht.Eine Herabsetzung der Sparbeiträge ist möglich. Eine Erhöhung der Sparbeiträge ist ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn der Sparbeitrag zuvor herabgesetzt wurde.
212. Zinsen und Prämie
22Der Zinssatz beträgt z. Z. 2,750 %. Die Zinsen werden am Ende eines Kalenderjahres gezahlt. Zusätzlich wird jährlich, erstmals am 30. Dezember 2002, auf die im abgelaufenen Sparjahr vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen eine verzinsliche S- Prämie gemäß nachstehender Prämienstaffel vergütet.Das Sparjahr beginnt am 30. Dezember jeden Jahres.
23Laufzeitab |
Prämiein % |
Laufzeitab |
Prämiein % |
Laufzeitab |
Prämiein % |
3 Jahre 6 Jahre 9 Jahre 12 Jahre 15 Jahre |
3,000 8,000 20,000 35,000 50,000 |
4 Jahre 7 Jahre 10 Jahre 13 Jahre |
4,000 10,000 25,000 40,000 |
5 Jahre 8 Jahre 11 Jahre 14 Jahre |
6,000 15,000 30,000 45,000 |
3. Beendigung des Sparvertrages
253. 1 Verfügung nach Kündigung:
26Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, daß der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt.
27[…]«
28Mit Schreiben vom 23.03.2020 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung der beiden Prämiensparverträge Nr. ########## und Nr. ########## (Anl. K2, Bl. 8 d. A.) zum 30.06.2020 und berief sich zur Begründung auf ein ordentliches Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2019 (Az. XI ZR 345/18).
29Nr. 26 Abs. 1 der AGB-Sparkassen (Anlage B2, Bl. 27 ff. d. A.) lautet:
30»(1) Ordentliche Kündigung. Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die T2 die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die T2, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.«
31Die Beklagte senkte den variablen Guthabenzinssatz schrittweise auf zuletzt 0,25% p.a. ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.05.2020 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung von 2 Wochen auf, offenzulegen, an welcher Kapitalmarktgröße sich die Zinsänderungen für die laufende Grundverzinsung bei den beiden Sparverträgen orientiert haben. Darüber hinaus bat die Klägerin um Mitteilung, welcher absolute bzw. relative Abstand zum Referenzzinssatz eingehalten und welche Anpassungsschwelle und welches Anpassungsintervall der Anpassung zugrunde gelegt wurden (Anlage K3, Bl. 9 d. A.). Daraufhin nahm die Beklagte eine Neuberechnung der Zinsen vor. Anders als zuvor berücksichtigte sie für die Berechnung der Referenzzinsen den gleitenden Durchschnitt der Zeitreihe mit der frühere Kennung WU 8612 (aktuelle Kennung: BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.S13.B.A.R0910.R.A.A.7_Z._Z.A : Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Anleihen der öffentlichen Hand / RLZ von über 9 bis 10 Jahren / Monatswerte). Aus der Neuberechnung resultierte eine Nachzahlung in Höhe von 461,50 EUR je Vertrag, welche die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29.05.2020 anbot (Anlage K5, Bl. 11 d. A.). Gleichzeitig wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass etwaige Ansprüche auf nachträgliche Zinsgutschrift weitgehend verjährt sein dürften.
32Die Klägerin ist der Ansicht, ein ordentliches Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB stünde der Beklagten – insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021, Az.: XI ZR 26/20 – nicht zu, weil die Dauer des Prämiensparvertrags der Parteien auf 25 Jahre festgelegt sei.
33Darüber hinaus meint sie, für die Berechnung des Referenzzinses sei die Zeitreihe mit der früheren Kennung WX 4260 (diese Bezeichnung wird im Folgenden im Urteil verwandt; aktuelle Kennung: BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910. R.A.a._Z._Z.a: Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe / RLZ von über 9 bis 10 Jahren / Monatswerte) gemäß Statistik der Deutschen Bundesbank heranzuziehen, da diese für beide Seiten gleich interessant sei. Der Referenzzinssatz berücksichtige langfristige und weniger risikobehaftete Geldanlagen, wodurch die Sparerseite nicht einseitig begünstigt werde. Bei Heranziehung dieser Zinsreihe ergebe sich für sie ein Anspruch auf eine nachträgliche Zinsgutschrift pro Sparvertrag in Höhe von 1.591,20 EUR, anstelle der von der Beklagten angebotenen 461,50 EUR pro Vertrag. Die von der Beklagten herangezogene Zinsreihe WU 8612 gebe die Zinsen für Bundesanleihen und Anleihen der öffentlichen Hand wieder, welche deutlich weniger risikobehaftet seien als die im Rechtsstreit betroffenen Sparverträge. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines Referenzzinssatzes vorzunehmen, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme und der das Kreditinstitut nicht einseitig begünstige. Die streitgegenständlichen Verträge würden ausschließlich nach Sicherheit der Anlage bewertet und nicht nach der Renditemöglichkeit des Sparers. Anders als bei Bundesanleihen oder ähnlichen Anlagen sei der Sparer an einem erhöhten Zins interessiert, dem die Beklagte mit dem von ihr vorgeschlagenen Referenzzins nicht gerecht werde.
34Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, der Anspruch auf Nachzahlung der Zinsen sei nicht verjährt, da die Zinsansprüche mangels Vertragsbeendigung noch gar nicht entstanden seien.
35Die Klägerin beantragt,
361. festzustellen, dass die zwischen den Parteien am 27.12.1999 geschlossenen Sparverträge S-Premium, Kontonummern ########## und ########## durch die Kündigung der Beklagten vom 23.03.2020 nicht beendet wurden;
372. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Gutschrift, hilfsweise eine Zahlung, in Höhe von 3.182,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2020 zu leisten;
383. die Beklagte ferner zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.284,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Die Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung des Prämiensparvertrags sei bereits nach Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB wirksam. Jedenfalls ergebe sich ein Kündigungsrecht aus den gesetzlichen Vorschriften. Die Parteien hätten keinen Vertrag mit fester Laufzeit geschlossen, was mit der Einschränkung »maximal« bei der Laufzeitvereinbarung deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei. Sie behauptet, die Klägerin sei mit Schreiben vom 10.12.2015 über die Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum 01.03.2016 informiert worden und auf die Möglichkeit der Ablehnung der Änderungen und der kostenfreien Kündigung der betroffenen Verträge hingewiesen worden.
42Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe die Zinsanpassung ordnungsgemäß im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorgenommen und dementsprechend der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 461,50 EUR je Vertrag angeboten. Als Referenzzins für die Berechnung der streitbefangenen Vertragszinsen sei der Zinssatz WU 8612 mit einer Restlaufzeit von über 9 bis einschließlich 10 Jahren heranzuziehen. Die Zinsreihe WX 4260 könne nicht angewandt werden, weil diese auch die Werte von Hypothekenpfandbriefen beinhalte und auf Basis gleitender Durchschnitte erfolgt sei. Die Berechnung auf der Basis gleitender Durchschnitte führe dazu, dass der Referenzzins und damit auch der Kundenzins sich deutlich langsam verändern würden. Bei der Vereinbarung eines variablen Zinssatzes müsse ein richtiger Referenzwert derart bemessen sein, dass er bei beiden Vertragsparteien sowohl ein steigendes als auch ein fallendes Zinsniveau angemessen berücksichtige, denn zum Vertragsabschluss sei ein Anstieg des Zinsniveaus genauso wahrscheinlich wie ein Absinken gewesen. Unter dieser Prämisse hätten die Parteien bei Vertragsschluss nicht einen relativen Abstand zu einem gleitenden Durchschnitt aus der Zeitreihe WX 4260 gewählt, da diese Zinsreihe keinen steigenden oder fallenden Marktzins bilde, sondern einen 10-Jahres-Durchschnitt für langfristige Anlagen.
43Die Beklagte erhebt unter Berufung auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27.01.2016 (Az.: I – 14 U 180/14) gegenüber dem mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Zahlungsanspruch für den Zeitraum vom 30.12.1999 (Vertragsbeginn) bis zum 31.12.2016 die Einrede der Verjährung. Sie meint, ein Anspruch aus der Zinsgutschrift werde zwar erst mit dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags fällig, da es sich bei dem Zinsanspruch aus dem Sparvertrag um einen verhaltenen Anspruch handele. Demgegenüber entstehe ein Anspruch auf Gutschrift, also der jeweilige Zinsanpassungsanspruch bereits, wenn seine Parameter feststünden. Maßgeblich sei daher das Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Zinsanpassung erworben worden sei.
44Die Klage ist der Beklagten am 09.11.2020 zugestellt worden.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
46Entscheidungsgründe:
47Die zulässige Klage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
48I.
49Das für den Klageantrag zu 1. erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben, da die Parteien über das (Weiter-) Bestehen der zwischen ihnen geschlossenen Prämiensparverträge streiten.
50II.
51Die Klage ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet.
521.
53Auf die am 27.12.1999 geschlossenen Prämiensparverträge findet gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung seit dem 01.01.2003 Anwendung. Hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen gilt die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB.
542.
55Der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 1.) ist unbegründet, weil die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung der Prämiensparverträge zum 30.06.2020 wirksam ist.
56a)
57Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2019 (XI ZR 345/18, in: NJW 2019, 2920, zitiert nach beck-online) ist davon auszugehen, dass auf die Prämiensparverträge der Parteien das Recht der unregelmäßigen Verwahrung im Sinne von § 700 BGB anzuwenden ist.
58Voraussetzung für einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 BGB ist, dass vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurück zu gewähren. Insoweit ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag im Grundsatz einseitig verpflichtend. Der Hinterleger geht keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm kommt es in der Regel in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an. Eine unregelmäßige Verwahrung scheidet daher aus, wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sein soll; denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, ist gemäß § 488 Abs. 1 S.1 BGB die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag (BGH, a. a. O.).
59Nach diesen Maßgaben sind die beiden Prämiensparverträge der Parteien als unregelmäßige Verwahrungsverträge zu qualifizieren, weil sich die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat, während dagegen die Beklagte unter den Voraussetzungen von Nr. 3.1 der Vertragsbedingungen für das „S – Prämiensparen flexibel“ zur Rückzahlung der Spareinlage verpflichtet war.
60b)Die Beklagte hat die beiden Prämiensparverträge mit Schreiben vom 23.03.2020 wirksam zum 30.06.2020 gekündigt, nachdem die Klägerin die höchste Prämienstufe erreicht hatte.
61Es kann dahinstehen, ob – was der Kammer angesichts des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021 (Az.: XI ZR 26/20, zitiert nach juris) zweifelhaft erscheint – die Beklagte berechtigt war, ihr Kündigungsrecht auf Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB zu stützen. Denn das Kündigungsrecht der Beklagten ergibt sich in diesem Fall jedenfalls aus § 696 BGB. Wenn – wie im vorliegenden Fall – der Prämiensparvertrag als unselbständiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren ist, richtet sich das Kündigungsrecht des Verwahrers in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen, im Übrigen nach § 700 Abs. 1 S. 3 BGB i. V. m. § 696 BGB (BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18, zitiert nach juris, Rn. 40; Gehrlein in BeckOK-BGB, 58. Ed. Stand 05/2021, § 700, Rn. 5). Mangels anderweitiger Vereinbarungen ist die Beklagte zu einem jederzeitigen Rücknahmeverlangen berechtigt, da eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt ist:
62Die Parteien haben – jedenfalls über das Erreichen der höchsten Prämienstufe hinaus – keine feste Laufzeit vereinbart. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus den zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen in dem Prämiensparvertrag, in dem hinsichtlich der Vertragsdauer folgendes vereinbart ist: »Dauer der Konditionsvereinbarung: max. 25 Jahre«. Die Regelung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden nach ihrem objektiven Gehalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive Auslegung ist damit in erster Linie ihr Wortlaut. Der tatsächliche Wille der Parteien, individuelle oder einzelfallbezogene Umstände des Vertragsschlusses sind nicht zu berücksichtigen (Schmidt, in BeckOK BGB, 57. Aufl., Stand: 01.02.2021, § 305c, Rn. 46; Basedow, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c BGB, Rn. 33 ff. m.w.N.).
63Nach dieser Maßgabe kann der Vereinbarung der Parteien »S – Prämiensparen flexibel« nicht die Vereinbarung einer Laufzeit von 25 Jahren entnommen werden. Der Vereinbarung der Parteien lässt sich zwar ein Vertragsbeginn, aber kein verbindlich vereinbartes Vertragsende entnehmen. Aus der Formulierung »S – Prämiensparen flexibel« und »maximal 25 Jahre« ergibt sich, dass damit lediglich eine Höchstfrist festgelegt wird, nicht aber ein fester Endzeitpunkt. Der Vertrag konnte im Falle einer Kündigung einer der Parteien durchaus auch weniger als 25 Jahre laufen. Die konkrete Vertragslaufzeit sollte damit ersichtlich von der Disposition der Parteien abhängen, was sich aus der Formulierung »flexibel« ergibt. Da die Parteien damit eine bestimmte Laufzeit nicht vereinbart haben, ist damit auch nicht etwa Raum für eine Anwendung der Unklarheitheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Denn diese greift erst ein, wenn eine Klausel nach Ausschöpfung der Auslegung zwei oder mehr mögliche Bedeutungen hat (Schmidt, in BeckOK BGB, 57. Aufl., Stand: 01.02.2021, § 305c, Rn. 60; siehe zu allem auch LG Duisburg, Beschluss vom 21.06.2021 – 7 S 7/21).
64Aus der vertraglichen Formulierung »Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist.« ergibt sich auch nicht, dass nur der Klägerin ein Kündigungsrecht zustehen sollte. Eine andere Betrachtung ist auch nicht allein aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass (anders als in dem Urteil des BGH vom 14.05.2019 – IX ZR 145 / 17, zitiert nach juris, zugrunde liegenden Fall) für den Vertrag der Parteien eine Höchstfrist vereinbart war. Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der T2 zur ordentlichen Kündigung zwar bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen. Denn mit der vertraglich vereinbarten Prämienstaffel hat die T2 einen besonderen Bonusanreiz gesetzt, was einen konkludenten Ausschluss des Kündigungsrechts bis zum Ablauf des 15. Sparjahrs beinhaltet. Anderenfalls könnte die T2 dem Sparer jederzeit den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien entziehen (BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, in: NJW 2019, 2920, Rn.37 ff,- zit. nach beck-online). Bis zu diesem Zeitpunkt kann also der Sparer einseitig bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Auch hat sich der Vertragszweck, nämlich eine langfristige Vermögensbildung, mit Erreichen der höchsten Prämienstufe nicht erledigt. Trotzdem ist die Annahme eines unbegrenzten (konkludenten) Verzichts der T2 auf das Recht zur ordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung dieses Vertragszwecks nicht zwingend (Tröger/Kelm, BKR 2019, 573, 576, zitiert nach beck-online) und zwischen den Parteien des Rechtsstreits auch nicht vertraglich über das 15. Sparjahr hinaus bis zum 25. Sparjahr vereinbart worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, kann ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss eines Prämiensparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll (BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, a. a. O., Rn. 42). Etwas anderes ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Parteien keine unbegrenzte, sondern eine Vertragslaufzeit von maximal 25Jahren vereinbart haben und der Prämienaufwand für die Beklagte eher absehbar und kalkulierbar war. Denn wenngleich Vertragszweck eine langfristige Vermögensbildung war, bedeutet das nicht, dass die Klägerin das Recht haben muss, seinen Prämiensparvertrag »voll auszureizen« (so auch LG Krefeld, Urteil vom 12.02.2021 – 1 S 54/20, Rn.52, zitiert nach juris). Mit dem Prämiensparvertrag wurde der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, Vermögen anzusammeln. Der Vertragszweck – die Ansammlung von Vermögen durch regelmäßige Ansparvorgänge – wurde auch erreicht, wenn die Einlagen weniger als 25 Jahre stehen gelassen wurden. Entsprechend der Prämienstaffel erhielt die Klägerin – neben den variablen Zinsen – bereits ab dem 3. Sparjahr jährlich eine steigende Prämie. Es ist nicht dargetan und nicht ersichtlich, dass sich die Einlagen für sie erst lohnten, wenn der höchste Prämiensatz von 50 % erreicht war und über mehrere Jahre beibehalten wurde (so auch OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019 – 8 U 52/19, in: BKR 2019, 605, zitiert nach beck-online). Die Kündigungsmöglichkeit der Beklagten im Zeitraum zwischen Erreichen der höchsten Prämienstufe und maximaler Vertragslaufzeit schafft hingegen einen interessengerechten Ausgleich zwischen den Parteien (so auch LG Krefeld, a. a. O. im dort entschiedenen Fall).
65Darüber hinaus liegt – was bei einer T2 aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform und der damit verbundenen Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zu verlangen ist – ein sachgerechter Grund zur Kündigung der beiden Prämiensparverträge vor. Ein sachgerechter Grund ist gegeben, wenn die Umstände, die die T2 zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der T2 für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18, in: NJW 2019, 2920, Rn.45 f., zitiert nach beck-online). Für die Annahme des sachlichen Grunds genügt im gegebenen Fall das veränderte Zinsumfeld: Dieses wirkt sich wegen des variablen Zinssatzes zwar nicht negativ auf das Vertragsverhältnis aus. Die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase erschwert es der Beklagten jedoch, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen (so auch BGH, Urteil vom 14.05.2019 – a. a. O.). Der sachliche Grund muss auch nicht etwa aus der konkreten Geschäftsbeziehung herrühren (BGH, a. a. O.).
66Die im Rahmen des Vertrags vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten ist seitens der Beklagten eingehalten worden.
673.
68Der Klägerin steht aber gegen die Beklagte ein Anspruch auf Nachzahlung von Zinsen in Höhe von insgesamt 3.182,40 EUR für die Zeit vom Vertragsbeginn bis zur Beendigung der Verträge im Juni 2020 zu.
69a)
70Nicht zu beanstanden ist, dass die Parteien im Rahmen der ihnen zustehenden Dispositionsfreiheit einen variablen Zins und anfängliche Vertragszinsen für die Prämiensparverträge vereinbart haben, weil dies eine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Klauselkontrolle nicht unterliegende Preisregelung der Parteien ist. Ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle unterliegt der anfängliche Vertragszins, der Ausgangspunkt der Zinsänderung ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09, Rn. 16-, zit. nach juris). Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich der Regelung zur Zinsanpassung. Soweit die Parteien unter anderem geregelt haben, dass die Spareinlage zurzeit mit 2,750 % verzinst wird, handelt es sich um keine wirksame Modalität. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – der die Kammer folgt – sind die von der Beklagten formularmäßig gegenüber den Verbrauchern verwendeten Zinsanpassungsklauseln, welche der Beklagten hinsichtlich der Bestimmung des variablen Zinssatzes ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB gewähren, nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweisen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 15). Zinsänderungen sind in sachlicher und zeitlicher Hinsicht für den Verbraucher nicht mit der gebotenen Sicherheit zu kontrollieren (OLG Dresden, Urteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, Rn.80, zit. nach juris).
71Da die Zinsänderungsklausel, nicht aber die Vereinbarung über den variablen Zins, unwirksam ist und dispositives Recht insoweit fehlt, ist diese Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Weder kommt ein Rückgriff auf die §§ 316, 315 BGB mit der Folge eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der Klägerin in Betracht, noch steht der Beklagten nach § 315 Abs. 1 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14.03.2017 – XI ZR 508/15, Rn. 19, zit. nach juris).
72Maßgeblich für die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung ist eine hypothetische Betrachtungsweise, welche Regelungen die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner – etwa zum Referenzzins und zur Anpassungsschwelle unter gleichzeitiger Wahrung des Äquivalenzprinzips – nach Treu- und Glauben getroffen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017 – XI ZR 508/15, a. a. O., Rn. 29). Es obliegt dem Gericht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter für die Neuberechnung der Zinsen selbst zu bestimmen, wobei in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsänderung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer der Zinsperiode) präzise Parameter zu wählen sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (BGH Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09, Rn. 19, m. w. N.-, zit. nach juris). Bei der Bestimmung der Zinsanpassung hat sich das Gericht daran zu orientieren, was die redlichen Vertragsparteien im Zuge ihrer zum Vertragsschluss führenden Verhandlungen vereinbart hätten, wenn sie den Punkt konkret als regelungsbedürftig bedacht hätten. Damit sind sämtliche zum Vertragsschluss führenden Aspekte einzubeziehen, die letztlich zu dem Abschluss der Sparverträge geführt haben, wobei auch solche Umstände zu berücksichtigen wären, die außerhalb der Sparvertragsurkunde schriftlich oder möglicherweise sogar nur mündlich zwischen den Parteien individuell vereinbart wurden (OLG Dresden, 5 MK 1/19, a. a. O., Rn. 84). Ausgangspunkt der ergänzenden Regelung ist der abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des „wirklich Gewollten her weitergedacht“ werden muss (OLG Dresden Urt. v. 31.3.2021 – 5 MK 2/20, BeckRS 2021, 6404 Rn. 33, zit. nach beck-online). Nicht offengelegte Motive der Parteien bei der Bestimmung der Zinssätze können dagegen bei der ergänzenden Vertragsauslegung keine durchgreifende Beachtung finden.
73b)
74Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die von der Klägerin beanspruchte Vertragsanpassung, die zu einer Zinsnachzahlung für den jeweiligen Prämiensparvertrag in Höhe von je 1.591,20 EUR führt, nicht zu beanstanden.
75Als Referenzzins ist der gleitende Durchschnitt der Zinsreihe BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe / mittlere Restlaufzeit von über 9 bis einschließlich 10 Jahre / Monatswerte (frühere Kennung: BBK01.WX4260, im Folgenden weiterhin benannt mit dem von den Parteien verwendeten Kürzel der früheren Kennung WX4260) der Deutschen Bundesbank heranzuziehen. Dieser ist geeignet, die Lücke im Vertrag der Parteien im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen:
76Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der ausgewählte Referenzzinssatz öffentlich zugänglich sein und von einer unabhängigen Stelle nach einem zuvor festgelegten Verfahren ermittelt werden und darf keine Seite einseitig begünstigen. Der Referenzzinssatz muss zudem auch auf die Laufzeit der Geldanlage abgestimmt werden (OLG Dresden, 5 MK 1/19, a. a. O. Rn. 88). Bei den im Rechtsstreit betroffenen Prämiensparverträgen handelt es sich um Geldanlagen, die trotz ihrer Kündbarkeit auf eine lange Laufzeit ausgerichtet waren. Dies wird auch daran deutlich, dass erst nach 15 Jahren die höchste Prämienstufe erreicht wurde und die Verträge – wie bereits oben dargelegt – bis dahin seitens der Beklagten nicht kündbar waren. Wenngleich die Klägerin entsprechend der Prämienstaffel (neben den variablen Zinsen) bereits ab dem 3. Sparjahr jährlich eine steigende Prämie erhielt, war für die Klägerin eine vorzeitige Kündigung der Verträge angesichts der zu erwartenden steigenden Boni wirtschaftlich nicht vernünftig. Die volle Prämie, die den wesentlichen Vorteil des Produkts begründete, sollte die Klägerin erst nach 15 Jahren erhalten (vgl. hierzu auch OLG Dresden im Urteil 5 MK 1/19, a. a. O. Rn. 88). Die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit der Klägerin war für sie keine echte Handlungsalternative, da sie dann für das gekündigte Kapital keine oder nur eine deutlich geringere Prämie erhalten hätte. Die Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige Spareinlagen entspricht daher selbst dann, wenn dies nur mit einem verhältnismäßig geringen Anteil geschieht, nicht dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Interesse der Parteien (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 13.04.2010 - XI ZR 197/09, a. a. O., Rn. 23). Auf die entscheidende Zielrichtung des Sparvertrages, nämlich eine langfristige Anlage der Klägerin, musste sich die Beklagte, die allein den Formularvertrag gestaltet hat, auch einstellen. Für das Abstellen auf einen langfristigen Zinssatz spricht – auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten – umso mehr, dass die Verträge in einer Hochzinsphase abgeschlossen wurden. In dieser war die Orientierung an einem langfristigen Zinssatz für die Beklagte gerade nicht nachteilig, da dieser in einer Hochzinsphase verhältnismäßig niedrig ist. Für die Klägerin bedeutete die Orientierung an einem langfristigen Zinssatz die langfristige Sicherheit für einen langen Zeitraum, in dem auch bei fallenden Zinsen eine überdurchschnittliche Verzinsung zu erwarten war. Diese Zielsetzung der Klägerin war für die Beklagte aus deren Entscheidung für die Prämiensparverträge erkennbar. Erst bei einem langen Halten der Verträge konnte die Klägerin hochattraktive Prämien (unabhängig von der Grundverzinsung) erhalten. Tatsächlich hat die Klägerin die Sparverträge bis zur Kündigung durch die Beklagte über 20 Jahre gehalten. Das Verhalten der Klägerin lässt daher den Schluss zu, dass sie möglichst lange an dem Bestand der Sparverträge festhalten und eine möglichst hohe Prämie erzielen wollte.
77Den Anforderungen an einen angemessenen Referenzzinssatz wird der Zinssatz der Deutschen Bundesbank WX4260 gerecht, da er auf der Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/ Hypothekenpfandbriefe inländischer Emittenten mit einer mittleren Restlaufzeit von über 9 bis einschließlich 10 Jahren beruht. In die Berechnung einbezogen werden allein Schuldverschreibungen mit einer längsten dem Emissionsprospekt entsprechenden Laufzeit von mehr als 4 Jahren. Dieser monatlich angepasste Zinssatz korrespondiert in zeitlicher Hinsicht mit der prognostischen Dauer der Einlage der Klägerin als Verbraucherin und bildet auch eine angemessene Refinanzierungsmöglichkeit für die beklagte T2 ab (vgl. dazu auch OLG Dresden, 5 MK 1/19, a. a. O. Rn. 89), die ihre Refinanzierungsbemühungen an einem Produkt zu orientieren hatte, das zumindest 15 Jahre lief. Von einer solchen pflichtgemäßen Vorgehensweise durfte die Klägerin ausgehen. Wie soeben dargelegt, waren die im Rechtsstreit betroffenen Sparverträge auf ein langes Halten angelegt, auch wenn es in der Praxis der Beklagten Einzelfälle gegeben haben mag, in denen andere Kunden ihren Prämiensparvertrag gekündigt oder nicht weiter bespart haben. Es war die Beklagte, die die Klägerin mit den Prämiensparverträgen gerade zu einer langfristigen Geldanlage veranlassen wollte, was bei der Festlegung des angemessenen Referenzzinssatzes ebenfalls zu berücksichtigen ist. Das nunmehr anderweitige Interesse der Beklagten an der Kündigung der langfristig abgeschlossenen Sparverträge resultiert im Wesentlichen allein aus dem für sie ungünstigen Umstand, dass sich das allgemeine Zinsniveau unerwartet deutlich und dauerhaft reduziert hat. Diese Zinsentwicklung konnte jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge, insbesondere bei der Auflegung des Produkts, nicht vorhergesehen und damit auch nicht in die Bewertung der Angemessenheit eines Referenzzinssatzes einbezogen werden. Der Referenzzins WX4260 erfüllt auch das Erfordernis der Objektivität, der Transparenz und Einsehbarkeit und das der prognostischen Dauerhaftigkeit. Er wird von der Deutschen Bundesbank auf der Grundlage eines fest vorgegebenen Bewertungsschemas ermittelt. Er kann weder zu Gunsten der Klägerin noch der Beklagten beeinflusst werden und ist bei der Deutschen Bundesbank und auch über deren Homepage jederzeit abrufbar.
78c)
79Unter Einbeziehung der vorstehenden Parameter für den Prämiensparvertrag (gleitender Durchschnitt der Zinsreihe WX4260 der Deutschen Bundesbank als Referenzzins, Wahrung eines relativen Zinsabstandes, monatliche Zinsanpassungen und Wegfall einer Anpassungsschwelle) ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Vertragszinsen für beide Prämiensparverträge in Höhe von 3.182,40 EUR.
80Die Klägerin hat eine entsprechende Neuberechnung über die gesamte Vertragslaufzeit, also vom Zeitpunkt des Vertragsbeginns ab Dezember 1999 bis zum Beendigungszeitraum im Juni 2020 vorgelegt, nach der sich der geltend gemachte Nachzahlungsbetrag errechnet. Gegen die rechnerische Richtigkeit dieser Berechnung hat die Beklagte keine substantiierten Einwände erhoben, sondern lediglich die der Berechnung zu Grunde gelegten Parameter beanstandet.
81d)
82Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte gegenüber dem mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachten Zahlungsanspruch für den Zeitraum vom 30.12.1999 (Vertragsbeginn) bis zum 31.12.2016 auf die Einrede der Verjährung.
83Die Zinsansprüche der Klägerin wurden erst mit der Beendigung des Prämiensparvertrages, gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches auf das Kapital, fällig. Gemäß Ziffer 2. der Sparverträge sollten die Zinsen jeweils am Ende eines Kalenderjahres gezahlt werden. Bei einer ordnungsgemäßen Kontoführung war die Beklagte verpflichtet, die Zinsen unabhängig von der Vorlage des jeweiligen Sparbuches dem Kapital der Klägerin mit der Folge zuzuschlagen, dass sich die Hauptforderung erhöht (vgl. OLG Dresden, 5 MK 2/20, a. a. O. Rn. 45 und 5 MK 1/19, a. a. O. Rn.104). Daran ändert auch die Möglichkeit, auf Gutschrift zu klagen, nichts (vgl. OLG Dresden, 5 MK 2/20, a. a. O. Rn. 46).
84Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch der Umstand, dass Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung zu viel entrichteter Zinsen (wie z. B. die eines Darlehensnehmers wegen einer unwirksamen Zinsanpassungsklausel) der dreijährigen Verjährung unterliegen (wie im Fall des OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2016 – I-14 U 180/14), nicht dazu, dass – als allgemeiner Rechtsgedanke – für den umgekehrten Berichtigungs- und Nachzahlungsanspruch des Sparers gegen die T2 nichts anderes gelten könne. Die Ansprüche beruhen auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen. Vor allem aber hatte in dem vom OLG Düsseldorf (a. a. O.) zu entscheidenden Fall der Darlehensnehmer durch die Entrichtung des Zinses seinerseits bereits alles in die Wege geleitet, um eine (endgültige) Erfüllung herbeizuführen. Ein solcher Umstand rechtfertigt, dass die Zahlung vom Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung herangezogen wird. Demgegenüber stellt die reine Gutschrift der Zinsen auf einem Konto im Fall von Sparverträgen nur einen buchhalterischen Zwischenschritt dar, um durch die zugleich vorgenommene Umwandlung in Kapital den Anknüpfungsbetrag für die künftige Zinsberechnung zu bestimmen, ohne dass damit eine Erfüllung der Ansprüche des Sparers auf Ausschüttung von Kapital und Zinsen einhergeht. Diese unterschiedliche Funktion ist Grund für die unterschiedliche verjährungsrechtliche Behandlung (OLG Dresden, Urteil vom 14.05.2020 – 8 U 538/19, Rn. 130-, zit. nach juris und 5 MK 2/20, a. a. O. Rn. 49).
85Die nachzuzahlenden Zinsen waren damit frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages in Folge der Kündigung durch die Beklagte zum 30.06.2020 fällig. Denn die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Zinsleistung zu bewirken war. Das ist erst der Zeitpunkt, zu dem die Berechnungsparameter feststehen und zu dem die Zinsen vertragsgerecht zu leisten waren. Die im Sparguthaben der Klägerin enthaltenen Zinsen unterliegen deshalb derselben Verjährung wie das übrige angesparte Kapital (vgl. dazu OLG Dresden, 5 MK 1/19, a. a. O. Rn. 105).
86Bei den beiden Prämiensparverträgen handelt es sich nach den obigen Feststellungen um einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag im Sinne des § 700 BGB, für den sich die Verjährung nach § 696 Satz 3 BGB (i. V. m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB) bestimmt. Damit beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (i. V. m. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB) – auch hinsichtlich der Neuberechnung der Zinsen für den Zeitraum ab Vertragsbeginn 30.12.1999 – erst mit ihrer Geltendmachung durch die Gläubigerin (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2017 - I ZR 114/16, Rn. 22 f.-, zit. nach juris). Durch die Zustellung der Klage am 09.11.2020 ist die dreijährige Verjährungsfrist für den ab Vertragsbeginn geltend gemachten Zinsanspruch noch nicht abgelaufen, sodass die Beklagte nicht zur Verweigerung der Leistung nach § 214 BGB berechtigt ist.
87Daran ändert auch die nach Ansicht der Beklagten vorzunehmende Differenzierung zwischen den Ansprüchen auf und aus der Gutschrift nichts. Nach Ansicht der Kammer begründet die für den variablen Zinsanspruch vorzunehmende Zinsanpassung nicht etwa einen zweiten Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB. Der Zeitpunkt des Entstehens der Anpassungsverpflichtung begründet gemäß § 199 Abs. 1 BGB den Zeitpunkt, zu dem der Lauf der Verjährung frühestens einsetzen konnte (vgl. OLG Dresden, 5 MK 1/19, a. a. O. Rn.107). Dieser wird aber nicht durch die Zinsgutschrift, sondern (wie dargelegt) erst durch die Rückzahlung des Kapitals begründet. Ihrer Verpflichtung aus Ziffer 2. Satz 2 der Sparverträge (»Die Zinsen werden am Ende eines Kalenderjahres gezahlt«) hatte die Beklagte allein durch Gutschrift zum Ende des Geschäftsjahres nachzukommen. Einen Anspruch auf die isolierte Auszahlung der Guthabenzinsen hat die Klägerin mit der Beklagten gerade nicht vereinbart.
88Ein Anspruch auf Gutschrift der zu zahlenden jährlichen (angepassten) Zinsen entsteht nicht bereits, wenn seine Parameter feststehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, weil ein Rückzahlungsanspruch wegen unbilliger Entgelte aufgrund einer unwirksamen Zinsanpassungsklausel aus § 812 Abs. 1 BGB nicht erst mit der Rechtskraft des Urteils, welches die Unbilligkeit feststellt, sondern mit der Zahlung des überhöhten Entgelts entsteht. Zu diesem Zeitpunkt entsteht zwar der Rückforderungsanspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB (BGH, Beschluss vom 26.09.2017 – XI ZR 79/16). Daraus kann für den vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden, dass auch der Zinsanspruch, der gerade ein vertraglicher und kein (außervertraglicher) Bereicherungsanspruch ist, vor der Beendigung des Präminensparvertrags isoliert durchgesetzt werden konnte. Durch die vom Gericht vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung wird der Zinsanspruch allein der Höhe nach konkretisiert.
894.Die auf den Betrag von 3.182,40 EUR zuerkannten Zinsen stehen der Klägerin als Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1 BGB zu. Der darüber hinausgehende Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen ist jedoch nicht begründet. Die bloße vorgerichtliche Aufforderung an die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2020 (Anlage K3, Bl 9 d. A.), den zugrunde gelegten Referenzzinssatz und dessen Einfluss auf die Entwicklung des Vertragszinses während der Vertragslaufzeit mitzuteilen, stellt hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs keine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB dar. Verzug ist auch nicht etwa § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB mit Rücksicht auf das Schreiben der Beklagten vom 29.05.2020 (Anlage K5, Bl. 11 d. A.) eingetreten. Der Inhalt des Schreibens lässt nicht den Schluss zu, dass die Beklagte die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert hat.
905.
91Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, 286 Abs.1 BGB zu. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können nur dann einen kausalen Verzugsschaden begründen, wenn die Beauftragung des Anwalts nach Verzugseintritt erfolgt ist. Zum Zeitpunkt, als die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten einschaltete, befand sich die Beklagte hinsichtlich des berechtigten Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht in Zahlungsverzug.
92III.
93Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
94Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
95Streitwert:
96Klageantrag zu 1.): 2.684,22 EUR * (§ 9 ZPO)
97Klageantrag zu 2.): 3.182,40 EUR (§ 3 ZPO)
98Klageantrag zu 3.): kein eigener Streitwert (§ 4 ZPO)
99Gesamtstreitwert = 5.329,78 EUR
100* Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem dreieinhalbfachen Jahresprämienbetrag, von dem aufgrund des Feststellungsantrags ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist (vgl. hierzu OLG Dresden, Urt. v. 21.11.2019 – 8 U 1770/18, in: BeckRS 2019, 32681, Rn. 65, beck-online; siehe auch Musielak/Voit/Heinrich, 17. Aufl. 2020, ZPO § 9 Rn. 7, beck-online: »Rechte bestimmter Dauer haben dagegen den Wert ihrer Laufzeit, der jedoch durch den dreieinhalbfachen Jahresbezug als Höchstbetrag begrenzt wird.«).
101S E P A
102BeglaubigtUrkundsbeamter/in der GeschäftsstelleLandgericht Duisburg