Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.)
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
(a) Versicherungnehmer von Versicherungsverträgen, insbesondere solche der Klägerin, rechtlich dahin zu beraten, einen Lebensversicherungsvertrag zur Liquidation des Rückkaufswerts nicht zu kündigen, sondern einen „Kauf- und Abtretungsvertrag“ mit einem Dritten abzuschließen, der einen unter dem Rückkaufswert liegenden „Kaufpreis“ vorsieht
und/oder
(b) beim Vertrieb von Kapitalanlagen Versicherungsnehmern von Lebensversicherungsverträgen den Versicherungsnehmern formularmäßige Angebotsvordrucke für Kauf- und Abtretungsverträge über Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen, bei denen der Kaufpreis den Rückkaufswert überschreitet und formularmäßig Abtretungsanzeigen und Vollmachtserteilungen zur Unterzeichnung vorzulegen, die die folgenden Bestimmungen enthalten:
(i)
Kauf- und Abtretungsvertrag:
„Der Verkäufer tritt… alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Vertrag gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft…) … zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe (und in jedem Umfang) an die Q GmbH ab, soweit dies nach dem Vertrag und dem Gesetz zulässig ist und diese ohne Zustimmung des Schuldners übertragbar sind.“
Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung:
„Der Zedent hat alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus den oben genannten Verträgen gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft/…), im Folgenden: „Schuldner“, zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an (den Aufkäufer) abgetreten…“
(ii)
Der Zedent bevollmächtigt [den Aufkäufer] unwiderruflich zu seiner umfassenden Vertretung im Zusammenhang mit der Versicherung/… und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto.“
(iii)
„Der Zedent weist die … /Versicherungsgesellschaft unwiderruflich an, jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem … /Versicherung und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto oder Beitragsdepot ab Vertragsannahme durch [den Aufkäufer] ausschließlich mit diesem zu führen.“
2.)
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro oder eine Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten angedroht – zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten T.
3.)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.348,27 Euro zu zahlen.
4.)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5.)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen und verkauft Versicherungen. Die Beklagte vertreibt und vermittelt Beteiligungen und Eigentumsrechte an Immobilien. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf das Exposé der Beklagten (Blatt 68 ff. GA) Bezug genommen.
3Frau L2 hatte bei der Klägerin einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen.
4Entweder unangemeldet oder weil Frau L2, nachdem sie von einem geschulten Call-Agent kontaktiert worden war, Interesse an den von der Beklagten angebotenen Produkten geäußert hatte, wandte sich die Beklagte an Frau L2, um ihr Kapitalanlagemöglichkeiten anzubieten. Hierzu erschien als Mitarbeiter der Beklagten Herr X bei Frau L2. Dabei fragte dieser jedenfalls bei Frau L2 ab, ob diese auch über die notwendigen finanziellen Mittel verfüge, um in die von ihr gewünschte Anlage zu investieren, woraufhin Frau L2 darauf hinwies, dass sie über in einer Lebensversicherung gebundenes Vermögen verfüge.
5Dem lag zu Grunde, dass bei Kunden mit zu wenig liquiden Mitteln diesen seitens der Mitarbeiter der Beklagten in diesem Zusammenhang jedenfalls pauschale Hinweise gegeben werden, was für Assets unter Umständen liquidiert werden können. Konkret wies Herr X Frau L2 darauf hin, dass eine Möglichkeit, schnell an liquide Mittel zu kommen, ein Ablösen von Kapitallebensversicherungsverträgen im Wege des Rechtskaufes durch Dritte darstelle, wobei er namentlich die Q2 GmbH erwähnte und jedenfalls Frau L2 darüber informierte, dass diese Gesellschaft Lebensversicherungen auf ihre Werthaltigkeit überprüfe.
6Am 04.12. unterzeichnete Frau L2 einen von der Beklagten am gleichen Tag angenommenen Zeichnungsschein über 40.000,00 Euro (Blatt 89 GA). In der Widerrufsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass Frau L2 ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen mittels einer eindeutigen Erklärung widerrufen könne.
7Ebenso unterzeichnete Frau L2 einen „Zeichnungsschein für Ansparplan mit Grundschuldbesicherung“ (Blatt 91 GA).
8Am 11.12.2017 unterzeichnete Frau L2 sodann einen „Kauf- und Abtretungsvertrag“ mit der Q2 GmbH (Blatt 85 GA), der u. a. folgende
9Regelungen enthielt:
10"§ 1 Vertragsgegenstand
11(1) Der Verkäufer verkauft die Rechte und Ansprüche aus dem oben genannten Vertrag. Der Verkäufer tritt hierzu alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Vertrag gegenüber seinem Vertragspartner (…) zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an die Q2 GmbH ab (…).
12(2) Hierzu zählen neben den Forderungen ausdrücklich die vertraglichen Gestaltungsrechte (z. B. Kündigung, Anfechtung, Widerruf und Widerspruch) (…).
13(6) Der Verkäufer teilt bereits jetzt seine unwiderrufliche Zustimmung zu einer etwaigen Kündigung des Vertrages (…)
14§ 3 Garantien und Pflichten des Verkäufers
15(1) (...)
16(2)
17Der Verkäufer wird die bei ihm ggf. verbleibenden Rechte und Pflichten aus der Versicherung (…) nach Zustandekommen dieses Vertrages nur nach Rücksprache mit der Q2 GmbH und nach deren Weisung ausüben (…).
18(3) Der Verkäufer wird alle Unterlagen und Informationen, welche ihm im Zusammenhang mit der Versicherung (…) zugehen, unverzüglich an die Q2 GmbH weiterleiten."
19Weiter wurde in dem Vertrag festgestellt, dass Frau L2 Inhaber einer Lebens- bzw. Rentenversicherung bei der O sei.
20Gemäß § 2 „Kaufpreis“ sollte dieser das von dem Verkäufer durch Unterlagen nachgewiesene aktuelle Vertragsguthaben abzüglich des Bearbeitungsentgeltes nach Absatz 3 dieses § sein. Vertragsguthaben wurde dabei definiert (§ 2 (2)) als der aktuelle Rückkaufswert, der von der Vertragsgesellschaft unter Berücksichtigung ggf. anfallender Kapitalertragssteuer, des Solidaritätszuschlages und rückständiger Prämien auf der Basis des erstmöglichen Kündigungstermins von dieser bestätigt wurde.
21§ 2 (3) enthielt Angaben zum Bearbeitungsentgelt, wobei dieses ab einem Vertragsguthaben von 3.636,37 Euro 7,5% des Vertragsguthabens sein sollte.
22Weiterhin unterzeichnete Frau L2 am 11.12.2021 eine „Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung“ (Bl. 88 GA), die ebenfalls bezogen auf eine Lebens- bzw. Rentenversicherung bei der O u. a. folgende Regelungen enthielt:
23„Ich zeige/wir zeigen unserem Vertragspartner (Versicherung…) - nachfolgend Schuldner- folgendes an:
241. Abtretung
25(1) Der Zedent hat alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus den o. g. Verträgen gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft/…) im Folgenden: „Schuldner“, zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an die Q abgetreten, …“
26Der Zendent räumt der Q GmbH hiermit unwiderruflich das alleinige Bezugsrecht sowohl für Todesfall- als auch für Erlebensfallleistungen aus der Versicherung/… ein.
27(…)
282. Vollmacht
29(1) Der Zedent bevollmächtigt die Q GmbH unwiderruflich zu seiner umfassenden Vertretung im Zusammenhang mit der Versicherung/… und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto.
30(…)
31(3) Der Zedent weist die (…/Versicherungsgesellschaft) unwiderruflich an, jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem (…/Versicherung) und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto oder Beitragsdepot ab Vertragsannahme durch die Q GmbH ausschließlich mit dieser zu führen.“
32Hinsichtlich dieser „Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung“ bestätigte die Q2 GmbH durch Unterschrift am 18.12.2017 die Annahme der Abtretung.
33Am gleichen Tag wurde seitens der Q2 GmbH auch der vorgenannte „Kauf- und Abtretungsvertrag“ unterschrieben.
34Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.04.2020 (Blatt 152 ff. GA) wandte sich Frau L2 an die Beklagte, indem sie u. a. ausführen ließ, dass sie im Jahr 2017 ungebeten von deren Mitarbeiter X aufgesucht worden sei; sie habe noch alle Unterlagen vorliegen, in denen diesem Berechnungen vorgelegt worden seien, welche Vorteile angeblich durch den Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrages mit der Firma Q2 GmbH für sie, Frau L2, entstehen würden; auf diese Anpreisungen und Versprechungen hin habe sie auch tatsächlich unter dem 11.12.2017 einen Antrag auf Ankauf des Lebensversicherungsvertrages durch die Firma Q2 GmbH in J unterzeichnet.
35Mit Schreiben vom 14.05.2020 (Blatt 92 ff. GA) mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Letztere lehnte es mit anwaltlichem Schreiben vom 28.05.2020 (Blatt 96 f. GA) ab, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.
36Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin gegenüber der Beklagten ein Unterlassen der im Tenor zu näher bezeichneten Handlungen.
37Sie trägt vor, die Q2 GmbH betreibe gemäß ihrem Geschäftsmodell nach massenhaft den „Policen-Ankauf“, von ihr auch bezeichnet als „Policen-Factoring“, in der Form, dass Versicherungsnehmer die Rechte aus Lebensversicherungsverträgen für Kaufpreise noch unterhalb des Rückkaufswertes abtreten, anstatt diesen in voller Höhe durch eine eigene Kündigung zu realisieren oder die Versicherung zum Preis noch über dem Rückkaufswert an einen seriösen Ankäufer des C2 e. V. zu veräußern; einen wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Vorteil brächten die Geschäften den Versicherungsnehmern dabei tatsächlich nicht; unter dem Strich verbleibe wegen des Bearbeitungsentgeltes von 7,5% des Rückkaufswertes ausnahmslos ein negativer Saldo; für eine Investition bei der Beklagten bedürfe der Kunde natürlich entsprechender finanzieller Mittel, über die Inhaber langjährig besparter Lebensversicherungen verfügen würden; neben dem Kündigungserfordernis nach § 169 Abs. 1 VVG bestünde, wenn ein Versicherungsnehmer für die Produkte der Beklagten gewonnen scheine, allerdings aus deren Sicht die Gefahr einer Rückwerbung; zur Minderung dieses Risikos greife die Beklagte, jedenfalls im Anlasssachverhalt und vermutlich regelmäßig, auf die Q2 GmbH zurück, welche in das Geschäftsmodell der Beklagten einbezogen werde; der Umfang der Tätigkeit der Beklagten entspreche den gesetzlichen Anforderungen eines Versicherungsberaters im Sinne von § 34 d Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GewO, wobei – zwischen den Parteien unstreitig – weder Herr X noch die Beklagte selbst über eine entsprechende Erlaubnis der J2 verfügen; zwischen den Parteien bestehe auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis; die Q2 GmbH verwende unwirksame AGB bzw. leiste Versicherungsnehmern von ihr, der Klägerin, unlautere Kündigungshilfe; Sie, die Klägerin, habe von den streitgegenständlichen Umständen erstmals anlässlich des Telefonats vom 26.03.2020 zwischen Frau L2 und ihrem, der Klägerin, Mitarbeiter C3 Kenntnis erlangt.
38Die Klägerin beantragt:
391.)
40Die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
41(a) Versicherungnehmer von Versicherungsverträgen, insbesondere solche der Klägerin, rechtlich dahin zu beraten, einen Lebensversicherungsvertrag zur Liquidation des Rückkaufswerts nicht zu kündigen, sondern einen „Kauf- und Abtretungsvertrag“ mit einem Dritten abzuschließen, der einen unter dem Rückkaufswert liegenden „Kaufpreis“ vorsieht
42und/oder
43(b) beim Vertrieb von Kapitalanlagen Versicherungsnehmern von Lebensversicherungsverträgen den Versicherungsnehmern formularmäßige Angebotsvordrucke für Kauf- und Abtretungsverträge über Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen, bei denen der Kaufpreis den Rückkaufswert überschreitet und formularmäßig Abtretungsanzeigen und Vollmachtserteilungen zur Unterzeichnung vorzulegen, die die folgenden Bestimmungen enthalten:
44(i)
45Kauf- und Abtretungsvertrag:
46„Der Verkäufer tritt… alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Vertrag gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft…) … zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe (und in jedem Umfang) an die Q GmbH ab, soweit dies nach dem Vertrag und dem Gesetz zulässig ist und diese ohne Zustimmung des Schuldners übertragbar sind.“
47Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung:
48„Der Zedent hat alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus den oben genannten Verträgen gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft/…), im Folgenden: „Schuldner“, zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an (den Aufkäufer) abgetreten…“
49(ii)
50Der Zedent bevollmächtigt [den Aufkäufer] unwiderruflich zu seiner umfassenden Vertretung im Zusammenhang mit der Versicherung/… und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto.“
51(iii)
52„Der Zedent weist die … /Versicherungsgesellschaft unwiderruflich an, jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem … /Versicherung und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto oder Beitragsdepot ab Vertragsannahme durch [den Aufkäufer] ausschließlich mit diesem zu führen.“
532.)
54Der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro oder eine Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten anzudrohen – zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten T.
553.)
56Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.348,27 Euro zu zahlen.
57Die Beklagte beantragt,
58die Klage abzuweisen.
59Sie erhebt die Einrede der Verjährung und trägt vor, die Klageanträge seien bereits unbestimmt; die Klägerin behaupte lediglich ins Blaue hinein, dass sie, die Beklagte, zur Minderung des von ihr, der Klägerin, beschriebenen Risikos, regelmäßig auf die Q2 GmbH zurückgreife und diese in ihr Geschäftsmodell einbeziehe; es fehle an einem Wettbewerbsverhältnis; zudem müsse sie, die Klägerin, sich Handlungen der Q2 GmbH auch nicht zurechnen lassen; die angegriffenen AGB der Q2 GmbH seien zu keinem Zeitpunkt in geschäftlichem Kontakt zwischen Frau L2 und ihr, der Beklagten, relevant gewesen. Sie habe keine Versicherungsberatung durchgeführt. Überhaupt seien sie bzw. Herr X höchstens als Tippgeber anzusehen; sie und auch Herr X berieten ausschließlich zu den von ihr angebotenen Produkten; zu Versicherungen sei keine Beratung erfolgt.
60Der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
61Entscheidungsgründe:
62Die Klage hat Erfolg.
63I.
64Sie ist zulässig, insbesondere ausreichend bestimmt gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
651.)
66Eine hinreichende Bestimmtheit in diesem Sinne ist dabei gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret gegriffene Verletzungsform streitgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH, GRUR, 2019, 527, Rdnr. 15; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG 39. Auflage, 2021, § 12 UWG, Rdnr. 1.36).
672.)
68Diesen Voraussetzungen trägt der Klageantrag zu 1. ersichtlich in ausreichender Weise Rechnung, denn er nimmt Bezug auf konkrete Verletzungshandlungen und lässt deutlich werden, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens ein Wettbewerbsverstoß gesehen wird.
69Dass der Kaufpreis grundsätzlich regelmäßig den Rückkaufswert unterschreitet, was Gegenstand der streitgegenständlichen Anträge ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der Regelung in § 2 des Kauf- und Abtretungsvertrages (Blatt 85 f. GA), wonach der Kaufpreis das nachgewiesene aktuelle Vertragsguthaben, das als aktueller Rückkaufswert, der von der Versicherung bestätigt wurde, definiert wird, abzüglich des Bearbeitungsentgeltes nach § 2 Abs. 3 des vorgenannten Vertrages sein soll.
70II.
71Die Klage ist auch begründet.
721.)
73Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.
74a)
75Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann. Selbst wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht dabei ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die einen Partei durch eine Maßnahme für das eigene Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, WRP, 2014, 1307; GRUR, 2017, 918, Rdnr. 16, 19; GRUR, 2019, 189, Rdnr. 58; GRUR, 2019, 970, Rdnr. 23).
76b)
77Liegt der Fall aber deshalb hier, weil die Beklagte ausweislich ihres zur Gerichtsakte gereichten Exposés (Blatt 68 ff. GA) Kapitallanlagen vertreibt. Um eine solche Kapitalanlage handelt es sich aber letztlich auch bei den von Klägerseite vertriebenen Lebensversicherungen (vgl. nur Veith/Gräfe/Gebert/Schnepp, der Versicherungsprozess, 4. Auflage, 2020, § 10 Lebensversicherung, Rdnr. 10).
78Damit korrespondierend macht die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.03.2020 (Bl. 230 GA) gerade geltend, dass die Klägerin ein mittlerweile nicht mehr konkurrenzfähiges Produkt anbiete, denn die Rendite ihrer Lebensversicherungsverträge lassen sich nicht mehr optimieren. Soweit sich es für die Klägerin so anfühle, weil die Zahl der abwandernden Kunden überwältigend zu sein scheine, sei dies einfach eine Ausprägung des normalen Wettbewerbes und keine Unlauterkeit.
792.)
80Der unter 1. (a) tenorierte Unterlassunsanspruch ergibt sich aus den §§ 8, 3, 3 a UWG.
81a)
82Bei der Regelung des § 34 d GewO, auf deren Verstoß durch die Beklagte sich die Klägerin beruft, handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (BGH, GRUR, 2013, 1250, Rdnr. 9; GRUR, 2014, 358, Rdnr. 19; OLG Brandenburg, GRUR-RR, 2013, 66, 69; BeckOK/Will, GewO, § 34 d GewO, Rdnr. 304 f.).
83b)
84Unstreitig verfügen weder die Beklagte noch Herr X über eine Erlaubnis der zuständigen J2 im Sinne von § 34 d Abs. 2 S. 1 GewO.
85c)
86Bereits auf der Grundlage des eigenen Beklagtenvortrages ist auch davon auszugehen, dass deren Mitarbeiter, Herr X, die Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau L2, im Sinne von § 34 d Abs. 2 S. 1 GewO dahingehend beraten hat, einen „Kauf- und Abtretungsvertrag“ mit der Q2 GmbH, also einem Dritten abzuschließen, der einen unter dem Rückkaufswert liegenden „Kaufpreis“ vorsieht.
87(1)
88Insoweit trägt die Beklagte selbst vor, dass wenn ein Kunde wenig liquide Mittel habe, sie pauschale Tipps gebe, was für Assets unter Umständen liquidiert werden könnten; Herr X habe abgefragt, ob die Kunden auch über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, um in die von ihnen gewünschte Anlage investieren zu können, wobei Frau L2 darauf hingewiesen habe, dass sie über in einer Lebensversicherung gebundenes Vermögen verfüge; Herr X habe darüber informiert, dass die Firma Q2 GmbH Lebensversicherungen auf ihre Werthaltigkeit überprüfe; er habe darauf hingewiesen, dass eine Möglichkeit, schnell an liquide Mittel zu kommen, ein Ablösen solcher Verträge im Wege des Rechtskaufes durch Dritte, namentlich durch die Q2 GmbH, darstelle.
89Soweit dieses Beklagtenvorbringen im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen der Beklagtenseite zu einer angeblich nicht vorliegenden Beratung, insbesondere auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 01.12.2020 (Blatt 116 GA), im Widerspruch hierzu stehen sollte, ist dies wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich (§ 138 Abs. 1 ZPO).
90(2)
91Hierbei handelt es sich aber um eine entsprechende Beratung im Sinne der vorgenannten Norm.
92(a)
93Das Tätigkeitsfeld der Beratung über Versicherungen und Rückversicherung ist weit gefasst und bezieht sich grundsätzlich auf jedwede Fragestellung im Zusammenhang mit aktuellen, zukünftigen oder auch nicht mehr bestehenden Versicherungs- oder Rückversicherungsverhältnissen (BeckOK/Will, GewO, § 34 d GewO, Rdnr. 72). Entsprechend ist auch der Begriff der Beratertätigkeit weit gefasst und umfasst die generelle Klärung und Auseinandersetzung mit Fragen zu Versicherungs- und Rückversicherungsverhältnissen (Ennuschat/Wank/Winkler/Heitzer, GewO, 9. Auflage, 2020, § 34 d GewO, Rdnr. 63).
94Eine solche Klärung und Auseinandersetzung mit Fragen zu Versicherungsverhältnissen steht aber gerade in Rede, wenn es so wie hier um die Beschaffung von Liquidität durch eine Liquidierung von einem Versicherungsverhältnis auf einem bestimmten Wege, der noch als schnell angepriesen, und damit hervorgehoben worden ist, geht.
95(b)
96Dabei darf es sich allerdings nicht um eine lediglich gelegentliche Beratung über Versicherungsschutz im Rahmen einer anderen Berufstätigkeit handeln (Ennuschat/Wank/Winkler/Heitzer, GewO, 9. Auflage, 2020, § 34 d GewO, Rdnr. 64). Dann fehlt es nämlich an der Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit (vgl. Beck-OK/Will, GewO, §§ 34 d GewO, Rdnr. 74, 43). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass auch Personen, die nur in relativ wenigen Fällen beratend tätig sind, im Interesse des Kundenschutzes dies nur tun sollten, wenn hierfür ausreichende Kenntnisse vorhanden sind (Reiff, VersR, 2015, 649, 653). Der Gewerbebegriff kennt insoweit keine Bagatellgrenze (BeckOK/Will, GewO, § 34 d GewO, Rdnr. 43).
97Gemessen hieran kann seitens der Beklagten aber nicht von einer Gelegenheitsvermittlung ausgegangen werden. Denn aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich, dass sie bzw. ihre Mitarbeiter letztlich in allen Fällen, in denen der Kunde über ausreichende Mittel zu einer Anlage bei ihr verfügt, entsprechend beraten. Dass es sich vorliegend insoweit um eine Sondersituation handelt hat, macht die Beklagte nämlich selbst nicht geltend.
98(c)
99Die Beklagte kann auch nicht als bloße Tippgeberin, die nicht in den Anwendungsbereich von § 34 d GewO fällt, angesehen werden.
100Ein solches bloßes „Tippgeben“ beschränkt sich auf die Möglichkeiten, verschiedene Varianten namhaft zu machen oder Kontakte herzustellen (BeckOK/Will, § 34 d GewO, Rdnr. 26). Maßgeblich ist insoweit das objektive Erscheinungsbild der Tätigkeit (BGH, GRUR, 2014, 398, Rdnr. 21). Von einem bloßen Tippgeber erwartet ein potentieller Versicherungsnehmer nämlich gerade keine Beratung (LG Wiesbaden, GRUR-RR, 2008, 359).
101(aa)
102Vorliegend hat die Beklagte nach eigenem Vortrag darauf hingewiesen, dass eine Möglichkeit bestand, schnell an liquide Mittel zu kommen, indem der Lebensversicherungsvertrag der Frau L2 im Wege eines Rechtskaufs durch die Q2 GmbH erworben wird, wobei ferner mitgeteilt worden ist, dass diese Gesellschaft die Lebensversicherung (auch) auf ihre Werthaltigkeit überprüft.
103Schon durch das Hervorheben eines Rechtskaufes unter dem Aspekt, hierdurch schnell an liquide Mittel zu kommen, hat Herr X aber - über einen Tipp hinaus - Werbung für die Q2 GmbH gemacht, was umso mehr gilt, als dass er im Hinblick auf seine gleichzeitige Angabe, diese Gesellschaft prüfe Lebensversicherungen auf ihre Werthaltigkeit, diese auch als insoweit kompetent dargestellt hat.
104(bb)
105Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten derartige „Tipps“ gegeben werden, wenn ein Kunde über zu wenig liquiden Mitteln verfügt und dieser Hinweis zudem den Abschluss des eigenen Geschäftes der Beklagten fördert bzw. ermöglicht. Denn hierdurch können die erforderlichen Mittel zum Abschluss eines solches Geschäftes zur Verfügung gestellt werden, wobei davon auszugehen ist, dass Q2 GmbH in dieses Geschäftsmodell der Beklagen regelmäßig einbezogen wird.
106Gegenteiliges hat die Beklagtenseite nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, sondern lediglich pauschal bestritten. Insoweit traf sie aber hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit mit der Q2 GmbH eine sekundäre Darlegungslast, da die Klägerin dem entsprechenden Sachverhalt und den insoweit maßgeblichen Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Q2 GmbH fern steht (vgl. BGH, NJW, 2061; MüKo/Fritsche, ZPO, 6. Auflage, 2020, § 138 ZPO, Rdnr. 24).
107Diesem offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins über 40.000,00 Euro durch Frau L2 am 04.12.2017 und den gegenüber der Q2 GmbH unterzeichneten Urkunden „Kauf- und Abtretungsvertrag“ und „Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung“ steht dabei auch nicht entgegen, dass die entsprechenden Urkunden seitens von Frau L2 erst später, nämlich am 11.12.2017 unterzeichnet worden sind. Denn bezogen auf den Zeichnungsschein bestand beginnend mit dem 04.12.2017, wie sich dieser Urkunde selbst entnehmen lässt, ein vierzehntägiges Widerrufsrecht, so dass Frau L2 den entsprechenden Vertrag mit der Beklagten bis zum 18.12.2018 widerrufen konnte. Wenn sie sodann in der Folge am 11.12.2017, also vor Ablauf der Widerrufsfrist, gegenüber der Q2 GmbH die vorgenannten Urkunden unterzeichnet, die Q2 GmbH diese sodann am 18.12.2017, also am Tag des Ablaufes der Frist gegengezeichnet hat, steht der zeitliche Ablauf der Annahme eines Zusammenhanges zwischen den verschiedenen Geschäften daher gerade nicht entgegen. Denn Frau L2 hätte den Vertrag mit der Beklagten für den Fall, dass sie mangels eines Zustandekommens der Vereinbarungen mit der Q2 GmbH nicht über ausreichende liquide Mittel verfügt, ohne Weiteres widerrufen können.
108Dann ging es aber gerade nicht darum, verschiedene Varianten namhaft zu machen oder nur um die Herstellung von Kontakten. Vielmehr machte der Mitarbeiter der Klägerin, Herr X, geziehlt und werbend auf die Q2 GmbH, die in das Geschäftsmodell der Beklagten einbezogen war, aufmerksam, um so sicherzustellen, dass Frau L2 ausreichend Liquidität besitzt, um mit der Beklagten ein Geschäft abschließen zu können. Das es sich hierbei um ein übliches Vorgehen der Beklagten gehandelt hat, ergibt sich aus dem vorgenannten, eigenen Vortrag der Beklagten.
109Wenn aber die Herstellung der Liquidität des potentiellen Vertragspartners der Beklagten ersichtlich gerade in dessen Interesse liegt, damit es überhaupt zu einem entsprechenden Vertragsschluss kommen kann, erwartet der potentielle Vertragspartner gerade auch eine entsprechende Beratung, wie sie gemäß dem Vorgesagten auch stattgefunden hat.
110(3)
111Schließlich lag seitens der Beklagten auch die für § 34 d Abs. 2 GewO erforderliche Gewinnerzielungsabsicht vor.
112Das Tatbestandsmerkmal „gewerbsmäßig“ ist weit zu verstehen, so dass eine Vergütung in diesem Sinne schon bei einer Gegenleistung vorliegt, die jede andere Form eines wirtschaftlichen Vorteils haben kann (BGH, VersR, 2013, 1578, Rdnr. 11). Danach liegt Gewerbsmäßigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift schon bei einer bloßen Entgeltlichkeit im weitesten Sinne vor (Reif, VersR, 2015, 649, 653).
113Einen solchen wirtschaftlichen Vorteil für die Beklagte stellt aber der später nicht widerrufene Abschluss des Kapitalanlagevertrages mit der Beklagten im Hinblick auf den am 04.11.2017 unterzeichneten Zeichnungsschein ohne weiteres dar.
114d)
115Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregel des § 34 d GewO ist auch zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen von Marktteilnehmern geeignet.
116Ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung indiziert im Regelfall die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer, an die sich die Handlung richtet (OLG München, GRUR-RR, 2019, 31, Rdnr. 49; Köhler/Bornkamm/Fedder/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 3 UWG, Rdnr. 1.112). Es ist daher im Regelfall Sache des Anspruchsgegners, Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern (BGH, GRUR, 2017, 203, Randnummer 31; Köhler/Bornkamm/Fedder/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 3 a UWG, Rdnr. 1.112). Derartiges hat die Beklagte vorliegend jedenfalls nicht ausreichend substantiiert dargetan.
1173.)
118Hinsichtlich des Tenors zu 1(b) ergibt sich hinsichtlich der Unterpunkte (i) und (ii) der Anspruch aus §§ 3 a, 3, 8 UWG.
119a)
120Die unter (i) aufgeführten Regelungen in dem Kauf- und Abtretungsvertrag der Q2 GmbH bzw. der Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung verstoßen gegen § 309 Nr. 2 BGB, bei der es sich um eine Markverhaltensregelung handelt.
121Entsprechendes hat der BGH bislang zwar nur ausdrücklich für die §§ 307, 308 Nr. 1, 309 Nr. 7 a BGB entschieden und ausgeführt, dass die Verwendung unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen regelmäßig den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt widerspreche (BGH, GRUR, 2012, 949, Rdnr. 45 ff. GA).
122Da aber sämtliche Klauselverbote den Verbraucher schützen, kann für die übrigen Fälle der §§ 308, 309 BGB nichts anderes gelten (Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, 7. Auflage, 2016, § 3 a UWG, Rdnr. 78; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 3 a UWG, Rdnr. 1.288; OLG München, WRP, 2018, 1125, Rdnr. 17).
123(1)
124Nach § 309 Nr. 2 BGB ist in allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird.
125Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist es dabei, dass der Kunde, denkt man sich die Ausschlussklausel weg, sich auf das Erfüllungsverlangen des Verwenders mit der Einrede des § 320 BGB verteidigen, also geltend machen könnte, dass er die ihm obliegende Leistung nur Zug um Zug gegen die von dem Verwendeter geschuldete Gegenleistungen erbringen brauche (MüKo/Wurmnest, BGB, 8. Auflage, 2019, § 309 Nr. 2 BGB).
126(2)
127So liegt der Fall hier, denn ein Verkäufer kann Erfüllung des Anspruchs des Käufers, der bereits mit Abschluss des Vertrages entsteht, nach § 320 Abs. 1 Satz 1 verweigern, wenn und solange der Käufer nicht den vollen Kaufpreis gezahlt hat (vgl. MüKo/Emmerich, BGB, 8. Auflage, 2019, § 320 BGB, Rdnr. 33). Gemäß dem Auf- und Abtretungsvertrag (§ 85 ff. GA) tritt aber der Verkäufer, erfüllt also den Anspruch des Käufers, alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Vertrag gegenüber der Versicherungsgesellschaft oder Bausparkasse zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an die Q2 GmbH ab, ohne dass der Kaufpreis gezahlt worden ist, oder dem Verkäufer bis zur Zahlung ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht zusteht.
128Vor diesem Hintergrund verstößt auch die Anzeige der Vorausabtretung gegen § 309 Nr. 2 BGB. Insoweit handelt es sich nämlich um eine Abtretungsurkunde im Sinne von § 410 BGB deren Begebung sich im Verhältnis zwischen dem Altgläubiger und dem Zessionar regelmäßig gleichzeitig als ein Abtretungsvertrag darstellt (MüKo/ Roth/Kieninger, BGB, 8. Auflage, 2019, § 409 BGB, Rdnr. 8).
129Vorliegend lässt sich jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der kundenfeindlichsten Auslegung, nach dem zu prüfen ist, ob die Klausel bei dieser Auslegung unwirksam ist (vgl. BGH, NJW, 1985, 320, 322; NJW, 1987, 2867) nichts anderes der streitgegenständlichen Regelung entnehmen.
130b)
131Die unwiderruflich gegebene Generalvollmacht (Antrag zu I b (ii)) verstößt demgegenüber gegen § 307 BGB.
132Denn die Widerruflichkeit einer Vollmacht gehört zum gesetzlichen Leitbild. Klauseln, mit denen der Klauselgegner unwiderrufliche Vollmachten erteilt, sind wegen der damit verbundenen unabsehbaren Gefahren daher grundsätzlich unwirksam (KG, NJW-RR, 1990, 544, 554; BeckOGK/Quantz, BGB, § 307 BGB „Vollmachtsklausel“ Rdnr. 18). Vorliegend sind auch keine besonderen Interessen ersichtlich, die eine Unwiderruflichkeit rechtfertigen könnten.
133Es kommt hinzu, dass die Generalvollmacht gemäß der „Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung“ bereits mit Erteilung, also unabhängig vom Zustandekommen des „Kauf- und Abtretungsvertrages“ – zustande kommen sollte. Bei isolierten Vollmachten ohne Grundverhältnis könnte bei einer Generalvollmacht, wie sie hier in Rede stehen, die ausschließlich im Interesse des Vollmachtsgebers erteilt worden ist, die Widerruflichkeit sogar nicht einmal individualvertraglich ausgeschlossen werden (Beck-OKG/Quantz, BGB, § 307 BGB „Vollmachtsklausel“ Rdnr. 19).
134c)
135Der Verstoß gegen § 307, 309 Nr. 2 BGB stellt auch eine spürbare Interessenbeeinträchtigung dar.
136Die Verstöße sind geeignet, die wirtschaftlichen Interessen des Durchschnittsverbrauchers spürbar zu beeinflussen. Denn sie können ihn davon abhalten, berechtigte Ansprüche (sowie Einwendungen und Einreden) gegen den Verwender geltend zu machen. Das gilt für alle sonstigen unwirksamen AGB. Abgesehen davon ist § 3 a UWG richtlinienkonform am Maßstab der Klausel RL dahin auszulegen, dass es auf die Auswirkungen auf den Verbraucher gar nicht ankommt, also ein per se Verbot besteht (Köhler, WRP, 2012, 1475, 1477; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 3 UWG, Rdnr. 1.289).
137d)
138Die Beklagte muss sich die Verwendung der vorgenannten Regelungen durch die Q2 GmbH auch gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen.
139(1)
140Die Tatbestandsmerkmale „in einem Unternehmen“, „Mitarbeiter“ und „Beauftragter“ sind weit auszulegen (vgl. BGH, GRUR, 1995, 605, 607; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, 39. Auflage, 2021, § 8 UWG, Rdnr. 2.34).
141Beauftragter ist dabei jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen aufgrund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist. Er muss in die betriebliche Organisation dergestalt eingegliedert sein, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugutekommt, andererseits dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls für die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (vgl. BGH, GRUR, 1995, 605, 607; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, 39. Auflage, 2021, § 8 UWG, Rdnr. 2.1). Ob der Unternehmensinhaber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist dabei unerheblich (BGH, GRUR, 2011, 543, Rdnr. 11). Ausreichend ist es daher, dass sich der Unternehmensinhaber einen solchen Einfluss sichern konnte und musste (BGH, GRUR, 2009, 1167, Randnummer 21; OLG Köln, GRUR-RR, 2006, 205, 206; Selbständige Unternehmen können als beauftragt in Betracht kommen, so z. B. ein Lieferant und Zwischenhändler, ein zugleich für einen Großhändler werbender Einzelhändler, ein selbständiger Handelsvertreter und eine Werbeagentur (BGH, GRUR, 1995, 605, 607; OLG München, Beck-RS, 2010, 24656). Grund ist, dass die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll; der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Beauftragten zugutekommen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können.
142(2)
143Vorliegend ist gemäß dem Vorgesagten davon auszugehen, dass die Beklagte die Q2 GmbH regelmäßig in ihr Geschäftsmodell einbezogen hat, um Kunden, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel, aber etwa über andere Vermögenswerte wie Lebensversicherungsverträge verfügen, dazu zu bewegen, diese mit Hilfe eines Aufkaufs zu Geld zu machen. Im Hinblick auf diese planmäßige Zusammenarbeit bestand dann aber auch eine entsprechende Einflussmöglichkeit der Beklagten, denn es lag an ihr, diese Zusammenarbeit fortzusetzen oder nicht.
144Dann hätte sie aber eine Einflussnahmemöglichkeit auf die vorgenannten Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverstößen sichern müssen. Wäre die Q2 GmbH nicht dazu bereit gewesen, hätte die Beklagte auf eine Zusammenarbeit verzichten und auf diese Weise sicherstellen müssen, dass es zu keinen wettbewerbswidrigen Werbemaßnahmen kommt (vgl. OLG München, BeckRS, 2010, 24656).
1454.)
146Das Unterlassungsgebot gemäß dem Tenor zu 1. (b) (iii) rechtfertigt sich aus den §§ 8, 4 Nr. 4 UWG.
147a)
148Unlauter ist insoweit eine gezielte Behinderung, die dazu führt, dass der beeinträchtigte Mitarbeiter seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (BGH, GRUR, 2011, 1018, Rdnr. 65; OLG Dresden, NZS, 2015, 905, 906). Gleiches gilt, wenn der Kunde in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt wird (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 4 UWG, Rdnr. 4.39). Demgemäß ist es unlauter, wenn etwa ein vorformuliertes Kündigungsschreiben mit der Klausel versandt wird, dass sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruferlaubnisse, einschließlich Werbeversuche mit sofortiger Wirkung widerrufen werden (OLG Dresden, WRP, 2015, 1395, Rdnr. 14; OLG Oldenburg, WRP, 2019, 1225, Rdnr. 29 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Auflage, 2021, § 4 UWG, Rdnr. 4.39).
149b)
150Vorliegend bezieht sich die beanstandete Regelung zwar nur auf jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit einer konkreten Versicherung. Auch dies kann jedoch die Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, denn Regelung führt dazu, dass der Klägerin jedwede telefonische Kontaktaufnahme untersagt wird, sogar noch vor Wirksamwerden der Kündigung und damit gegenüber ihrem derzeitigen Vertragspartner. Wäre das Mitglied über die möglichen Anlässe für eine solche Kontaktaufnahme informiert, würde es möglicherweise von einem solchen telefonischen Kontaktverbot absehen. So könnte nach einer Kündigung zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses beispielsweise die Klärung von Leistungsansprüchen, Beitragsrückständen oder die Weiterversicherung etc. erforderlich werden (vgl. OLG Dresden, NZS, 2015, 905, 906).
151c)
152Das beanstandete Verhalten hat auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen.
153Die Verfügungsbeklagte errichtet hinsichtlich des streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisses eine Marktverhaltensschranke für einen aktuellen Mitbewerber, ohne dass dafür ein schutzwürdiges Interesse ersichtlich ist. Sie schottet sich mit ihrem abgeworbenen Versicherten ab und verhindert zugleich, den Wettbewerb fördernde Anstrengungen der Klägerin, die abgeworbene Versicherte doch noch bei sich zu halten, womit sie letztlich der Klägerin das nicht zugesteht, was sie selbst für sich in Anspruch nimmt: die im Grundsatz zulässige Abwerbung von Kunden (vgl. OLG Dresden, NZS, 2015, 905, 906).
1545.)
155Die Ansprüche sind nicht verjährt, § 11 UWG
156Im Schriftsatz vom 01.07.2017 (Blatt 255 f. GA) hat die Klägerin substantiiert vorgetragen, die streitgegenständlichen Umstände erstmals anlässlich eines Telefonats mit der Zeugin L2 am 26.03.2020 erfahren zu haben.
157Die am 23.09.2020 bei Gericht eingegangene Klage hat daher die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO gehemmt.
158Die Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20.10.2010 ist "demnächst" erfolgt. Unschädlich ist insoweit insbesondere, dass auf Seite 2 ausgeführt worden ist, dass die Klage zum örtlich und sachlich zuständigen Landgericht Wuppertal erhoben werde, während die Klageschrift tatsächlich an das zuständige Landgericht Duisburg adressiert worden ist. Diesen Umstand, dass es sich insoweit um ein Schreibversehen handelt, hat die Klägerin nämlich bereits mit Schriftsatz vom 25.09.2020 klargestellt. Dass vor diesem Hintergrund eine auf Nachlässigkeit der Klägerin oder ihrer Prozessbevollmächtigten zurückzuführende Verzögerung von mehr als zwei Wochen vorlag (vgl. BGH, Beck-RS 2021, 6258; Beck OK/Dörndorfer ZPO, § 167 ZPO, Rdnr. 4) ist nicht ersichtlich.
1596.)
160Die Ordnungsmittelandrohung findet seine Rechtfertigung in § 890 ZPO.
1617.)
162Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die der Höhe nach zwischen den Parteien nicht in Streit stehen, ergibt sich aus § 12 UWG.
163III.
164Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO
165Streitwert: 20.000 Euro
166L |
C |
R |