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Der am 26.09.2022 zu TOP 3 gefasste Beschluss der Eigentümergemeinschaft wird für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch den Kläger abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger ist Miteigentümer der aus drei Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft V. in H.. Er hält dabei einen Miteigentumsanteil von 344/1.000 inne verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 (2. OG, Keller und zwei Kammern im Dachgeschoss). Auf die Teilungserklärung vom 20.07.1962 (Bl. 25 ff d. A.) wird Bezug genommen. Gem. § 15 Abs. 1 der Teilungserklärung gewährt jedes Wohnungseigentum dem jeweiligen Eigentümer ein Stimmrecht.
3Mit Schreiben vom 02.09.2022 lud Herr F. für den 26.09.2022 zu einer Eigentümerversammlung ein. Herr F. ist nicht nur Miteigentümer, sondern war zum damaligen Zeitpunkt auch Verwalter der Eigentümergemeinschaft. Das Einladungsschreiben benannte als TOP 3 die „Installation einer Photovoltaikanlage“. Dem Einladungsschreiben waren unter anderem ein Angebot der Fa. C. GmbH aus T. vom 18.8.2022 über die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf den Dächern des Wohnhauses und der Garagen der WEG sowie ein Informationsschreiben beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einladungsschreiben (Bl. 33 d. A.) und die Anlagen (Bl. 34 ff d.A.) Bezug genommen.
4In der Eigentümerversammlung vom 26.09.2022 wurde sodann unter TOP 3 der hier angefochtene Beschluss gefasst, wobei der Kläger dagegen und die anderen Eigentümer dafür stimmten. Mit der am 25.10.2022 eingegangenen Klage ficht der Kläger diesen Beschluss an.
5Der Kläger ist der Ansicht, der zu TOP 3 gefasste Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gegenstand der Beschlussfassung sei im Einladungsschreiben nicht hinreichend bezeichnet. Bei der Beschlussfassung habe – unstreitig – nur ein Angebot vorgelegen. Es sei aber die Einholung von mindestens drei Angeboten erforderlich. Die Instandhaltungsrücklage unterliege einer Zweckbindung und dürfte nicht für die Finanzierung baulicher Veränderungen eingesetzt werden. Der Kläger behauptet, da in der Anlage ein Sanierungsstau bestehe, werde das Geld aus der Instandhaltungsrücklage kurzfristig benötigt. Gem. Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses soll er weder an den Kosten noch an den Nutzen der Photovoltaikanlage beteiligt werden. Auch aus diesem Grund dürften die Mittel der Erhaltungsrücklage nicht für die Installation der Photovoltaikanlage genutzt werden. Der Kläger behauptet weiter, das Angebot der Fa. U. sei fälschlicherweise für ein Einfamilienhaus konzipiert worden. Die Anbindung des Hauses an das öffentliche Netz wäre so nicht möglich. Eine ordnungsgemäße Installation für das hier betroffene Mehrfamilienhaus sei technisch erheblich aufwendiger und teuer und würde sich auch nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Der Kläger meint weiter, der angefochtene Beschluss regele nicht die interne Verteilung der Einnahmen und Kosten. Er behauptet, es sei eine genaue Zuordnung des vom Energieversorgungsunternehmens bezogenen Strom auf die einzelnen Wohneinheiten technisch und kaufmännisch nicht möglich, ebenso wenig eine Zuordnung des bezogenen Stroms aus der Photovoltaikanlage. Da die Installation eines intelligenten Steuersystems nicht vorgesehen sei, würden die Elektroautos bei dem Anschluss an die Ladesäulen immer priorisiert Strom aus der Photovoltaikanlage beziehen, während die anderen Verbraucher in den Wohnungen das Nachsehen hätten. Da er kein Elektroauto besitzt, würde er im Falle einer späteren Beteiligung an Kosten und Nutzen der Photovoltaikanlage benachteiligt. Schließlich meint der Kläger, es hätte vor Beschlussfassung eine nähere Untersuchung der Statik der Garage erfolgen müssen.
6Der Kläger beantragt,
7den Beschluss der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 26.9.2022 zu Tagesordnungspunkt 3:
8„1. Eine hochwertige PV-Anlage mit einer hohen Leistung (laut Angebot rund 19 kWp) soll auf den Dächern des Wohnhauses und der Garagen zu einem Gesamtpreis von etwa 30.000 bis 33.000 Euro installiert werden. Aus der Erhaltungsrücklage werden 10.000,00 Euro für die energetische Sanierung eingesetzt. Der darüberhinausgehende Betrag wird von den beiden zustimmenden Eigentümern zu gleichen Teilen finanziert.
92. Der ablehnende Eigentümer wird weder an den Kosten noch an dem Nutzen der PV-Anlage beteiligt.
103. Bei einem so komplexen Vorhaben soll die exakte Ausgestaltung der Kaufverträge, die Spezifikationen der Anlage und das interne wie externe Abrechnungsverfahren erst nach dem grundlegenden Beschluss der zustimmenden Eigentümer ermittelt werden.
114. Daher werden die Punkte jeweils nach Voranschreiten des Vorhabens durch die zustimmenden Eigentümer beschlossen.“
12für ungültig zu erklären.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte verweist darauf, dass noch kein konkretes Angebot beschlossen worden sei. Aufgrund der Komplexität des Vorhabens habe die exakte Ausgestaltung der Kaufverträge, die Spezifikationen der Anlage und das Abrechnungsverfahren erst nach dem grundlegenden Beschluss der zustimmenden Eigentümer ermittelt werden sollen. Sie meint weiter, die Verwendung der Instandhaltungsrücklage für thermische oder energietechnische Verbesserungen sei keine zweckwidrige Verwendung, zumal eine eiserne Reserve verbleibe. Die Beklagte behauptet, das Angebot der Fa. U. sei speziell für das hier in Rede stehende Objekt erstellt worden, so dass davon auszugehen sei, dass die elektrischen Installationen sach- und fachgerecht durchgeführt werden. Die Firma X. habe zugesagt, dass über zusätzliche Zähler sowohl der Netzbezug als auch der Solarstrombezug jedes einzelnen Haushalts nachzuhalten sein werde. Die Statik der Garage sei kein Problem.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17Die Klage ist zulässig und begründet.
18Der Kläger hat die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 26.09.2022 innerhalb eines Monats erhoben (§ 45 S. 1 WEG) und innerhalb von zwei Monaten begründet (§ 45 S. 2 WEG).
19Der unter TOP 3 gefasste Beschluss ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Klägers im Einladungsschreiben das Thema zu TOP 3 ausreichend bezeichnet. Die Einberufung zur Eigentümerversammlung muss u.a. die Tagesordnung enthalten. Diese muss so formuliert werden, dass jeder Wohnungseigentümer erkennen kann, über welche konkreten Angelegenheiten Beschlüsse gefasst werden sollen (Bärmann/ Merk, WEG, 15. Aufl., § 24 Rdn. 40). Dies ist hier mit der Umschreibung „Installation einer Photovoltaikanlage“ ausreichend geschehen. Dass sich Details aus einem Begleitschreiben ergeben, ist dabei unschädlich.
20Der Beschluss entspricht aber inhaltlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. § 19 Abs. 1 WEG. Die Eigentümergemeinschaft hat beschlossen, dass zur Finanzierung der Photovoltaikanlage 10.000 € aus der Erhaltungsrücklage entnommen werden sollen. Der darüberhinausgehende Betrag soll von den beiden zustimmenden Eigentümern zu gleichen Teilen finanziert werden. Zugleich wurde beschlossen, dass der ablehnende Eigentümer (also der hiesige Kläger) weder an den Kosten noch an dem Nutzen der Photovoltaikanlage beteiligt werden soll.
21Dies ist bereits inhaltlich widersprüchlich. Indem die Erhaltungsrücklage zur Finanzierung der Photovoltaikanlage eingesetzt wird, wird entgegen Ziff. 2 des Beschlusses auch der Kläger an den Kosten beteiligt, denn der Kläger hat mit seinen Zahlungen die Instandhaltungsrücklage der Gemeinschaft mit aufgebaut und er würde künftig den Differenzbetrag wieder mit auffüllen müssen.
22Darüber hinaus unterliegt die Erhaltungsrücklage einer Zweckbindung. Die Mittel in der Erhaltungsrücklage dürfen ihrer Zweckbestimmung gemäß nur für die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG eingesetzt werden. Unter Erhaltung (früher Instandhaltung und Instandsetzung) fallen alle Arbeiten am Gemeinschaftseigentum des Gebäudes, die der Bestanderhaltung und Bestandsicherung dienen, insbesondere Reparaturen und Ersatzbeschaffung (Grziwotz in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 19 WoEigG, Rn. 11). Zwar ist der Begriff der „Erhaltung“ weit auszulegen und kann auch modernisierende Erhaltungen umfassen. Dabei werden noch zu einer modernisierenden Instandsetzung solche Maßnahmen gerechnet, die über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustandes hinausgehen, wenn die Neuerung die technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt. Voraussetzung ist jedoch stets, dass ein schwerwiegender Mangel des Gemeinschaftseigentums, also dessen Reparaturbedürftigkeit, gegeben ist
23(Sommer/Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Auflage 2022, b) Maßnahmen der Erhaltung, Rn. 104). Daran fehlt es vorliegend. Die Wohnungseigentümergemeinschaft will nicht eine vorhandene Anlage instandsetzen oder erneuern, sondern als Maßnahme im Rahmen der Energiewende eine Photovoltaikanlage erstmals anschaffen. Dies unterfällt nicht dem Begriff der modernisierenden Erhaltung.
24Die Erhaltungsrücklage darf für andere Zwecke nicht verwendet werden. Allerdings kann die Zweckbindung der Mittel in der Erhaltungsrücklage von den Wohnungseigentümern vorbehaltlich einer entgegenstehenden Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss aufgehoben und/ oder verändert werden. Eine solche Teilauflösung der Erhaltungsrücklage entspricht aber nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn diese hinreichend hoch angesammelt ist und auch nach der Teilauflösung weiterhin bleibt. Verbleibt nur noch eine „eiserne Reserve“, ist sicherzustellen, dass eine zeitnahe Rückführung gewährleistet ist.
25Vorliegend sollen von insgesamt 16.000 € Erhaltungsrücklage 10.000 € entnommen werden zur teilweisen Finanzierung der Photovoltaikanlage. Damit würde mehr als die Hälfte der Erhaltungsrücklage aufgelöst und für andere Zwecke verwendet werden und zwar ohne dass geklärt ist, ob und wenn ja wie die Erhaltungsrücklage wieder aufgefüllt werden soll. Zusammen mit dem Umstand, dass nach dem gefassten Beschluss der Kläger gerade nicht an Kosten beteiligt werden soll, widerspricht dieses Vorgehen ordnungsgemäßer Verwaltung.
26Der Beschluss war daher für ungültig zu erklären.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Gegenstandswert: 31.000 €