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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klage wird abgewiesen.
2Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5Tatbestand
6Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 14.09.2019 in Mülheim an der Ruhr ereignete.
7Die Haftung des Beklagten für die unfallbedingten Schäden dem Grunde nach war vorprozessual zwischen den Parteien unstreitig. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten, I AG, regulierte vorprozessual Reparaturkosten i.H.v. 3.001,71 €, Nutzungsausfall i.H.v. 472,00 €, eine Kostenpauschale i.H.v. 25,00 € sowie Anwaltskosten i.H.v. 474,50 €. Streitig sind zwischen den Parteien nunmehr die Sachverständigenkosten.
8Das Fahrzeug der Klägerin wurde in ihrem eigenen Kfz-Sachverständigenbüro J von dem bei ihr beschäftigten Sachverständigen Herrn J2, ihrem Ehemann, begutachtet. Hierfür stellte die Klägerin unter ihrer Firma L am 28.10.2019 einem Betrag von netto 697,60 € bzw. brutto 830,40 € in Rechnung. Die Reparatur selbst erfolgte anschließend im Autohaus D GmbH & Co. KG. Trotz anwaltlicher Zahlungsaufforderung wurden die Sachverständigenkosten nicht ausgeglichen.
9Die Klägerin ist der Ansicht, die geltend gemachten Kosten von netto 697,60 € seien in voller Höhe erstattungsfähig. Es bestehe auch kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Sachverständigen J. Die in Rechnung gestellten Kosten entsprächen den marktüblichen und angemessenen Kosten. Das Sachverständigengutachten sei fachgerecht und mangelfrei erstellt worden. Es seien Reparaturkosten i.H.v. 3.194,31 € netto bzw. 3.801,23 € brutto angefallen. Die Klägerin sei selbstverständlich auch Eigentümerin des Fahrzeugs.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an sie 697,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2019 zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte bestreitet das Eigentum der Klägerin mit Nichtwissen. Der Beklagte ist der Ansicht, die Kosten für das Sachverständigengutachten seien nicht erstattungsfähig. Die Klägerin sei infolge einer Konfusion schon gar nicht mit einer Verbindlichkeit belastet. Das Sachverständigengutachten sei darüber hinaus auch unbrauchbar. Der betraute Gutachter habe sich als Angestellter und zudem Ehemann in einem Interessenkonflikt befunden. Das Gutachten sei darüber hinaus auch mängelbehaftet. Es seien allenfalls unfallbedingte Schäden i.H.v. 3.001,71 € netto angefallen. Zudem sei die Höhe der Kosten für das Gutachten nicht ordnungsgemäß berechnet worden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
18Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis keinen weiteren Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 823 BGB, 115 VVG.
19Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit der Beklagte nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen im Prozess und nachdem vorprozessual die geltend gemachten Schadenspositionen mit Ausnahme der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten erstattet wurden gleichwohl das erfolgte Bestreiten aufrechterhalten würde, würde sich dies ohne jegliche weiteren Anhaltspunkte als ins Blaue hinein und damit im Ergebnis unbeachtlich darstellen.
20Die für die Erstellung des Sachverständigengutachtens angefallenen Kosten sind vorliegend indes nicht gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstattungsfähig. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Gläubiger wegen der Beschädigung einer Sache statt der Naturalrestitution den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, also diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte; grundsätzlich sind die infolge eines Verkehrsunfalls entstandenen Kosten für ein Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Palandt-Grüneberg, BGB 79. Auflage 2020, § 249 Rn. 58 m.w.N.).
21Ob die Kosten des Sachverständigengutachtens der Höhe nach gerechtfertigt sind, kann im Ergebnis dahinstehen. Die Klägerin trifft insoweit jedenfalls hinsichtlich der Auswahl des Sachverständigen ein erhebliches Verschulden. Sie durfte die Einholung des Gutachtens des in ihrem eigenen Kfz-Sachverständigenbüro angestellten eigenen Ehemannes nicht für zweckmäßig i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten. Grundsätzlich sind die Kosten eines Sachverständigen zwar vom Schädiger auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet oder mangelhaft ist (vgl. Palandt-Grüneberg a.a.O. m.w.N.). Sofern den Geschädigten jedoch ein Auswahlverschulden trifft und er insofern die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat, steht ihm kein Ersatzanspruch hinsichtlich der Sachverständigenkosten zu (vgl. KG Berlin, Urteil vom 01.03.2004 – 12 U 96/03, Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 08.05.2001 – 27 U 201/00, Rn. 21; jeweils zit. nach juris). Die Einholung eines vor der Reparatur eingeholten Sachverständigengutachtens bezweckt insoweit die Kontrolle der von der Reparaturwerkstatt abgerechneten Kosten durch den Schädiger und den Geschädigten sowie der Überzeugung des Haftpflichtversicherers von deren Erforderlichkeit (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 20.06.2013 – 3 S 64/12; AG Nürnberg, Urteil vom 31.08.2006 – 31 C 3391/06; jeweils zit. nach juris). Von einem Gutachten eines neutralen Sachverständigen kann üblicherweise erwartet werden, dass dieses von der Haftpflichtversicherung des Schädigers akzeptiert wird (vgl. AG Nürnberg a.a.O.).
22Das Gutachten des Ehemannes der Klägerin, Herrn J2, nach ihren eigenen Angaben einziger als Sachverständiger tätiger Angestellter in ihrem eigenen Kfz-Sachverständigenbüro, konnte diesen Zwecken gerade nicht entsprechen. Vielmehr befand sich dieser in einer erkennbaren Interessenkollision. Verfolgt der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens eigene mittelbare Interessen, bestehen Bedenken hinsichtlich seiner Neutralität und Unabhängigkeit, sodass ein solches Gutachten zur Schadensregulierung gänzlich ungeeignet erscheint; in einem solchen Fall kann nicht erwartet werden, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung ein solches nicht unvoreingenommenes Gutachten akzeptieren wird; dann kann von einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gerade nicht mehr die Rede sein (vgl. AG Nürnberg a.a.O.; AG St. Wendel, Urteil vom 14.05.1997 – 14 C 1293/96). Als Angestellter des von der Klägerin betriebenen Kfz-Sachverständigenbüros stand der beauftragte Gutachter letztlich im Lager der Geschädigten und unterlag ihrer Weisungsgebundenheit und sozialen Abhängigkeit. Er war in seiner Funktion als Angestellter der wirtschaftlichen Interessenlage des von der Klägerin betriebenen Kfz-Sachverständigenbüros zuzuordnen und eine Interessenkollision hinsichtlich seiner Verpflichtung, ein objektiv zutreffendes und unabhängiges Sachverständigengutachten zu erstellen, insofern erkennbar nicht auszuschließen. Aufgrund der hinzukommenden ehelichen Verbundenheit zur Klägerin bestand eine weitere Besorgnis, der Gutachter könnte die persönlichen Interessen der Klägerin durchsetzen und einen möglichst hohen Schadenswert festsetzen bzw. hohe Gebühren abrechnen. Die Klägerin muss sich insoweit vorwerfen lassen, dass aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen zum Sachverständigen die von ihr veranlassten Kosten des Gutachtens von vornherein untauglich und unzweckmäßig gewesen sind. Auf die objektive Richtigkeit des erstellten Gutachtens kam es insoweit nicht entscheidungserheblich an. Entscheidend war vielmehr, dass angesichts der Interessenkollision von vornherein mit einer Anzweiflung des Gutachtenergebnisses zu rechnen war und die Klägerin dies auch von vornherein hätte erkennen können, wenn sie sich die Interessen aller Beteiligten vergegenwärtigt hätte (vgl. AG St. Wendel a.a.O.).
23Sachverständigenkosten sind nach der Rechtsprechung bereits dann nicht zu erstatten, wenn es sich bei dem Sachverständigen um den Geschäftsführer der die Reparatur letztlich ausführenden Kraftfahrzeugwerkstatt handelt (vgl. LG Freiburg a.a.O.) oder um einen Mitarbeiter der ausführenden Werkstatt (vgl. AG Nürnberg a.a.O.; AG St. Wendel a.a.O.). Angesichts der vorliegenden persönlichen und rechtlichen Verbindung des Sachverständigen zur Klägerin stellen sich die unter ihrer eigenen Sachverständigenfirma angefallenen Kosten danach erst recht nicht als erstattungsfähig dar. Die entgegenstehende Rechtsauffassung des von der Klägerin vorgelegten Urteils des Amtsgerichts Straubing vom 14.04.2008 – 3 C 52/08 – überzeugt insoweit nicht. Anders als in Fällen der Anwaltstätigkeit in eigener Sache sind etwa die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten gesetzlich geregelt und vergleichsweise einfach überprüfbar, sodass es für den Schädiger keinen Unterschied macht, ob er diese für die Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts oder die des Geschädigten selbst leistet. Vielmehr geht es bei den Sachverständigenkosten nach den vorstehenden Ausführungen um die Ermittlung und Kontrolle der erstattungsfähigen Schäden bei zugleich eigener Festsetzung der diesbezüglich nur erschwert überprüfbaren Sachverständigenkosten. Bestehen aber zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten enge rechtliche oder persönliche Verflechtungen, ist das erstellte Gutachten wegen der Gefahr der Voreingenommenheit bzw. „Befangenheit“ des Sachverständigen von vornherein unbrauchbar und damit nicht ersatzfähig (vgl. AG Köln, Urteil vom 20.12.1991 – 266 C 58/91, zit. nach juris).
24Mangels Hauptanspruchs kam auch kein Ersatz von Verzugszinsen gemäß §§ 286, 288 BGB in Betracht.
25Die Klage musste danach vollumfänglich der Abweisung unterliegen.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Streitwert: 697,60 €