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Der Antrag der Antragsteller auf Einziehung des am 13.12.2017 erlassenen Erbscheins wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern zu 1.) - 3.) auferlegt.
42 VI 926/17 |
Erlassen am 09.06.2020durch Übergabe an die Geschäftsstelle… Justizbeschäftigterals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle |
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Amtsgericht Duisburg Beschluss |
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In der Nachlassangelegenheit
3nach dem am … verstorbenen
4…,
5geboren am …
6mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in …
7beteiligt:
81. …
9Beteiligte zu 1.),
102. …
11Beteiligter zu 2.),
123. …
13Beteiligte zu 3.),
14- Verfahrensbevollmächtigter der Beteiligten zu 1.)-3.): …
154. …
16Beteiligter zu 4.),
17- Verfahrensbevollmächtigte: …-
18hat das Amtsgericht Duisburgam 08.06.2020durch die Richterin am Amtsgericht …
19beschlossen:
20Der Antrag der Antragsteller auf Einziehung des am 13.12.2017 erlassenen Erbscheins wird zurückgewiesen.
21Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern zu 1.) - 3.) auferlegt.
22G r ü n d e :
23I.
24Der am … auf Gran Canaria in Spanien verstorbene Erblasser hinterließ als gesetzliche Erben seine Mutter (Beteiligte zu 1.), seinen Bruder (Beteiligter zu 2.), seine Schwester (Beteiligte zu 3.) und seinen Lebenspartner (Beteiligter zu 4.). Der Vater des Erblassers war vorverstorben. Der Erblasser hinterließ keine Abkömmlinge.
25Unter dem 27.08.2015 schloss der Erblasser mit dem Beteiligten zu 4.) einen Lebenspartnerschaftsvertrag, der u.a. folgendes beinhaltete:
26“Für den Fall, dass unser Güterstand auf andere Weise als durch Tod, insbesondere durch Aufhebung der Partnerschaft, aufgelöst wird, schließen wir den Zugewinnausgleich vollständig aus. Klarstellend bemerken wir, dass es im Falle der Auflösung unserer Lebenspartnerschaft durch den Tod eines Partners bei der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils gemäß § 1371 BGB verbleibt.”
27Wegen des konkreten Inhalts des Lebenspartnerschaftsvertrages wird auf Bl. 236-241 d.A. verwiesen.
28Unter dem 27.08.2015 ließen der Erblasser und der Beteiligte zu 4.) vor einem Notar in Duisburg eine Generalvollmacht, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung beurkunden, wobei sie als Adresse “…” angaben. Wegen des konkreten Inhalts wird auf Bl. 208 f. d.A. verwiesen.
29Mit Schreiben ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 29.09.2017 (Bl. 1-4 d.A.) beantragten die Beteiligten zu 1.)- 4.) beim Amtsgericht Duisburg die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, welcher die Beteiligte zu 1.) zu 1/8, die Beteiligten zu 2.) -3.) zu 1/16 und den Beteiligten zu 4.) zu ¾ als Erben ausweist. Der Beteiligte zu 4.) erschien am 13.12.2017 zur Beurkundung des Erbscheinsantrags (Bl. 64-76 d.A.). Eine Anhörung der Beteiligten zu 1.)-3.) zu dem beurkundeten Erbscheinsantrag vom 13.12.2017 unterließ der zuständige Rechtspfleger unter Verweis auf die Verfahrensökonomie, die unproblematische Fallgestaltung und die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 4.) über die Erbschaftsannahme durch alle Erben.
30Unter dem 13.12.2017 wurde der beantragte Erbschein antragsgemäß erlassen (vgl. Bl. 71 d.A.).
31Neben Mobiliarvermögen hinterließ der Erblasser Immobilien in Deutschland (Wohnung in …, Ladenlokal in …) und 5 Bungalows auf Gran Canaria (Spanien), welche er ab Januar 2014 sukzessive erwarb.
32Mit Schreiben ihres neuen Prozessbevollmächtigten vom 24.05.2019 beantragen die Beteiligten zu 1.) -3.) die Einziehung des am 13.12.2017 erlassenen Erbscheins. Zur Begründung tragen sie vor, der Erbschein sei zu Unrecht erlassen worden, da das Amtsgericht Duisburg nicht international zuständig gewesen sei. Der Erblasser habe seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Duisburg, sondern auf Gran Canaria in Spanien gehabt. Der auf Gran Canaria verstorbene Erblasser habe seit Dezember 2014 fast ununterbrochen mit seinem Lebenspartner, dem Beteiligten zu 4.), auf Gran Canaria seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Im Jahr 2017 sei der Erblasser nur zwei Mal in Deutschland gewesen, zuletzt Anfang Juni 2017 für 5 Tage. Auch im Jahr 2016 sei der Erblasser keine 183 Tage in Deutschland gewesen, sondern habe sich dort lediglich sporadisch aufgehalten. Seit 2016 habe der Erblasser unter der spanischen Adresse “…” gewohnt.
33Ohne Wissen der Beteiligten zu 1.) hätten der Erblasser und der Beteiligte zu 4.) sich mit gefälschter Unterschrift am 10.12.2015 unter der Wohnungsadresse der Beteiligten zu 1.) (… Duisburg) angemeldet. Beide hätten zu keinem Zeitpunkt unter der Adresse “…” gewohnt. Post, die an den Erblasser oder den Beteiligten zu 4.) an diese Adresse versandt worden sei, sei durch einen Bekannten der Beteiligten zu 1.) nach Gran Canaria weitergeleitet worden. Da die Beteiligten zu 1.) -3.) bei der Beantragung des Erbscheins im guten Glauben gewesen seien, hätten sie dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten gestattet, auch in ihrem Namen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu beantragen.
34Gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt in Duisburg spreche zudem, dass der Erblasser seine zwei Bäckereien (…) aufgegeben habe und die Immobilien an die Firma … vermietet habe. Der in Deutschland verbliebene Immobilienbesitz habe es für den Erblasser nicht erforderlich gemacht, sich regelmäßig in Deutschland aufzuhalten, um diesen ordnungsgemäß verwalten zu können. Die Immobilie … Duisburg sei 2003 als Steuerobjekt gekauft und seitdem vermietet gewesen und stellte den einzigen Grundbesitz dar, den der Erblasser noch in Deutschland zu verwalten gehabt habe.
35Auch dass er seine “Villa” zum 01.12.2015 im Wert von 815.000,- EUR veräußert habe und auch sämtliche Autos verkauft habe, dokumentiere, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland völlig aufgegeben habe. Teilweise habe er Mobiliar mit nach Spanien mitgenommen und anderes Mobiliar verkauft.
36Auch in sämtlichen Urkunden, Rechnungen etc. sei stets die spanische Adresse genannt worden. Das Konto bei der Deutschen Bank in Duisburg habe der Erblasser noch selbst aufgelöst. Das Konto bei der Deutschen Bank in Gran Canaria sei für die Verwaltung der fünf Immobilien nötig gewesen.
37Der Erblasser habe fast sein gesamtes Barvermögen in Immobilien in Spanien angelegt.
38Auch habe der Erblasser die Beteiligte zu 1.) und ihren Lebensgefährten überredet, vom spanischen Festland nach Gran Canaria zu ziehen, was diese auch zum 20.10.2016 getan hätten. Nach dem Umzug auf die Insel habe die Beteiligte zu 1.) den Erblasser und den Beteiligten zu 4.) oft verköstigt und mit diesen gemeinsame Ausflüge unternommen und Einkäufe getätigt.
39Spanischkenntnisse seien auf der Insel nicht erforderlich gewesen, da 80 % der Menschen dort Deutsch sprechen würden. Zudem hätten der Erblasser und der Beteiligte zu 4.) regelmäßig einen Sprachkurs besucht.
40Dass er in der Wohnung der Mutter noch Gegenstände wie Geschäftsakten und Fotos gehabt habe, sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass Immobilien in Spanien stets möbliert verkauft würden und ein Transport aus Deutschland sehr teuer sei.
41Der Erblasser habe nicht an einer chronischen Erkrankung gelitten.
42Der Beteiligte zu 4.) widerspricht der Einziehung des Erbscheins mit der Begründung, das angerufene Gericht sei international zuständig gewesen. Allein sein mehrfacher Immobilienbesitz - auch gewerblicher Art - habe es für den Erblasser notwendig gemacht, sich regelmäßig in Deutschland aufzuhalten, um diesen ordnungsgemäß zu verwalten. (… Duisburg, … Duisburg) Auch der Großteil seines Barvermögens sei bei deutschen Banken (… Duisburg, … Duisburg) angelegt gewesen, während er in Spanien nur ein Konto bei der … gehabt habe.
43In Spanien habe der Erblasser insgesamt Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 514.719,- EUR gehabt und in Deutschland Vermögenswerte von insgesamt etwa 482.532,- EUR.
44Soweit er sich vor seinem Tod für längere Zeit - auch über Monate - in Spanien aufgehalten habe, sei dies der Verwaltung und der Renovierung des dortigen Grundbesitzes geschuldet gewesen. Sein Aufenthalt in Spanien sei als Touristenstatus zu werten. Die Immobilien habe er zur Geldanlage erworben und als Urlaubs- und Rentnerresidenz. Die auf Gran Canaria erworbenen Immobilien seien allesamt in reinen Ferienanlagen gelegene Ferienwohnungen, die der Erblasser nach erfolgter Renovierung an Urlauber vermietet habe. Die als Geldanlage erworbenen Bungalows seien für einen Daueraufenthalt viel zu klein gewesen. Der zuletzt vom Erblasser und dem Beteiligten zu 4.) bewohnte Bungalow habe eine Größe von 60 qm aufgewiesen. Aufgrund der beengten Lebensverhältnisse habe er sich mit dem Beteiligten zu 4.) bereits nach einer größeren Wohnung in Deutschland umgesehen.
45Vor einer Entscheidung zum künftigen Lebensmittelpunkt habe er Land und Leute kennenlernen wollen. Sein Aufenthalt in Spanien sei allenfalls als Vorbereitungsphase für eine etwaige zukünftige Verlagerung des Lebensmittelpunktes nach Spanien zu werten.
46Er sei mit seinem Wohnsitz und seiner Wohnanschrift immer in Deutschland gemeldet gewesen. Eine Anmeldung des Wohnsitzes in Spanien in Form einer „Residencia“ habe nie stattgefunden und sei auch bis zum Tod nicht gewollt gewesen. Der Erblasser habe auch keinen ES Führerschein besessen und auch keine ES ID Card.
47Nach Verkauf seines Wohnhauses Ende 2015 habe er sich aus Praktikabilitätsgründen mit Wissen seiner Mutter unter ihrer Adresse (…Duisburg) angemeldet, damit wichtige Post nicht in Verlust geraten würde. Die Beteiligte zu 1.) habe von der Wohnsitzanmeldung unter ihrer Adresse gewusst, zumal sie selbst ihm die Post teilweise nach Spanien gebracht habe und auch der Briefkasten mit dem Namen des Erblassers und des Beteiligten zu 4.) versehen gewesen sei.
48Einen Teil seiner persönlichen Habe habe er auch im Haus seiner Mutter eingelagert.
49Zudem hätten der Erblasser und der Beteiligte zu 4.) gemeinsam mit einer Bekannten eine Wohnung in Düsseldorf (…) angemietet, in der sich auch ein Großteil der Möbel befinde. In dieser Wohnung habe der Erblasser auch während seiner Deutschlandaufenthalte gewohnt.
50Die Zeitspanne des Aufenthaltes des Erblassers in Spanien und Deutschland sei über das Jahr verteilt in etwa gleich groß gewesen. Nach dem Verkauf des Wohnhauses im Jahr 2015 sei der Erblasser zwischen beiden Staaten hin und her gependelt. Er sei alle 2-3 Monate nach Deutschland geflogen und habe sich zwischen 3-7 Wochen in Deutschland aufgehalten.
51Der Erblasser sei chronisch erkrankt gewesen, sodass es notwendig gewesen sei, sich zur Behandlung öfters und regelmäßig, mindestens vierteljährlich in Deutschland aufzuhalten. Wegen der Einzelheiten der ärztlichen Behandlungstermine wird verwiesen auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4.) vom 20.11.2019 (Bl. 218 ff. d.A.).
52Neben den regelmäßigen Arztbesuchen sei auch ein weiteres Indiz für den Lebensmittelpunkt in Deutschland, dass der Erblasser noch weiterhin Mitglied in Vereinen in Duisburg (ehrenamtliche Tätigkeit für den … Duisburg in den Jahren 2016 und 2017) gewesen sei, Bekannte dort besucht habe und Geschäftsbeziehungen zu deutschen Banken unterhalten habe. Der Erblasser habe sämtliche soziale Kontakte in Deutschland, vorwiegend in Duisburg, weiterhin aufrechterhalten und gepflegt. Er habe sich regelmäßig mit seinen Freunden in Duisburg getroffen und auch sehr innigen Kontakt zur Familie des Beteiligten zu 4.) gepflegt. In Spanien hingegen habe er keine Anstalten unternommen, um sich dort in einem Verein zu engagieren oder sich auf andere Weise einzugliedern. Alle wichtigen Sozialkontakte und sein sozialgesellschaftliches Engagement habe er in Deutschland gepflegt.
53Er habe auch kein Spanisch sprechen oder lesen können. Einen Spanischkurs habe er nach 5-6 maligem Besuch abgebrochen. Der Erblasser habe insoweit keinen Bleibe- und Integrationswillen gehabt.
54Zu seiner Mutter, der Beteiligten zu 1.), habe er kein gutes und inniges Verhältnis gehabt. Sie habe im Leben des Erblassers über weite Strecken keine Rolle gespielt, sodass sie auch nicht über seine chronische Krankheit informiert gewesen sei. Der Kontakt zu ihr habe sich auf wenige Besuche im Jahr beschränkt. Dass die Beteiligte zu 1.) 2016 nach 6 Jahren vom spanischen Festland nach Gran Canaria umgezogen sei, sei dem besseren Klima geschuldet gewesen und sei unabhängig vom Aufenthalt des Erblassers gewesen.
55Auch sei der Erblasser in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig gewesen und habe seine Steuererklärungen demgemäß auch in Deutschland abgegeben und sich hierfür durch einen deutschen Steuerberater vertreten lassen Allein um seine steuerrechtlichen Belange zu regeln, seien zahlreiche Termine bei seinem Steuerberater in Deutschland angefallen.
56Durch die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem Beteiligten zu 4.) noch am 24.08.2015 in Deutschland und den Schluss eines Lebenspartnerschaftsvertrages, der die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils nach § 1371 BGB beinhaltete, nur zwei Jahre vor seinem Tod, habe der Erblasser zum Ausdruck gebracht, sich dem deutschen Rechtsstaat mit seinem Wertesystem angehörig zu fühlen und nach deutschem Recht - insbesondere Erb- und Familienrecht - behandelt werden zu wollen. Der Erblasser habe insoweit konkludent eine Rechtswahl für die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts getroffen.
57II.
58Der Antrag auf Einziehung des Erbscheins war zurückzuweisen, weil der streitgegenständliche Erbschein nicht zu Unrecht erteilt worden ist.
59Das angerufene Gericht war international zuständig i.S.d. Artikel 4 der EuErbVO, da der Erblasser im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Duisburg seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
60Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen, wobei alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigten sind, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele der europäische Erbrechtsverordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen (vgl. hierzu Beschluss des OLG Hamburg vom 16.11.2016; Az.: 2 W 85/16). Unter Würdigung der sich aus den Schriftsätzen und Belegen ergebenden Umstände lässt sich nach Ansicht des Gerichts ein „Schwerpunktaufhenthalt“ des Erblassers in Spanien nicht feststellen. Das Nachlassgericht war dementsprechend auch international zuständig i.S.d. Art. 4 der EuErbVO.
61Für die Frage der internationalen Zuständigkeit eines Nachlassgerichts ist gem. Art. 4 der der EuErbVO maßgebend, an welchem Ort der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird in der Verordnung nicht definiert. Insbesondere hat sich der europäische Gesetzgeber dagegen entschieden, eine Mindestaufenthaltsfrist für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers festzulegen, da eine solche Frist zu „willkürlichen Ergebnissen“ führen würde (vgl. hierzu: MüKoBGB/Dutta, 7. Auflg. 2018, EuErbVO Art. 4 Rdnr. 2). Beim „gewöhnlichen Aufenthalt“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Gerichten einen erheblichen Entscheidungsspielraum einräumt und autonom auszulegen ist. Dabei sind sämtliche tatsächlichen Umstände des Einzelfalls daraufhin zu untersuchen, ob sie belegen können, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit handelt und ob der Aufenthalt Ausdruck einer gewissen Integration in ein soziales und familiäres Umfeld ist. Allgemein zu berücksichtigende Faktoren sind die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthaltes, die Gründe für diesen Aufenthalt, die Staatsangehörigkeit, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen der betreffenden Person. Bedeutung wird zudem dem nach außen manifestierten Bleibewillen des Betreffenden beigemessen (vgl. MüKoBGB, a.a.O. Rdnr. 3 und 4). Die Wendung „gewöhnlicher Aufenthalt“ setzt eine „gewisse Beständigkeit und Regelmäßigkeit“ voraus.
62Bei einer Gesamtschau der hier vorliegenden Faktoren lässt sich nicht feststellen, dass der Erblasser seinen “gewöhnlichen Aufenthalt” zuletzt in Spanien hatte.
63Zwar hat der Erblasser auf der einen Seite ab Januar 2014 insgesamt fünf Immobilien auf Gran Canaria erworben, 2015 seine von ihm bewohnte “Villa” in Duisburg und seine Fahrzeuge veräußert und im Juli 2015 auch die von ihm betriebene Bäckerei aufgegeben und die Immobilien an die Firma “…” vermietet. Auch hat der Erblasser ab 2016 bis zu seinem Tod sich zum weitaus überwiegenden Teil in Spanien aufgehalten, wobei er jeweils in einer seiner Immobilien gewohnt hat.
64Auf der anderen Seite hatte er jedoch auch noch Immobilienbesitz in Deutschland (…Duisburg; … Duisburg; vermietetes Ladenlokal auf der …in Duisburg), wobei dahingestellt bleiben kann, inwieweit seine Anwesenheit in Deutschland zur Verwaltung des vermieteten Immobilienbesitzes erforderlich war. Darüber hinaus ist nach den von dem Beteiligten … vorgelegten schriftlichen Belegen der Ärzte … davon auszugehen, dass der Erblasser sich in den letzten Jahren vor seinem Tod zumindest in regelmäßigen Abständen auch in Deutschland aufgehalten und dann in der Wohnung seiner Bekannten in Düsseldorf gewohnt hat. Insoweit bedurfte es auch keiner Vernehmung des Zeugen …. Soweit die Antragsteller vortragen, der Erblasser und der Beteiligte zu 4.) hätten nie in der Wohnung der Mutter (… Duisburg) gewohnt, so wird dies vom Beteiligten zu 4.) auch nicht behauptet.
65Es bedurfte insoweit keiner Beweisaufnahme über die genaue Dauer des Aufenthaltes des Erblassers in Spanien und in Deutschland in den Jahren 2016 und 2017. Das Gericht geht nach den Angaben der Beteiligten davon aus, dass der Erblasser sich in der Zeit von 2016 bis zu seinem Tod zum überwiegenden Anteil auf Gran Canaria aufgehalten hat, zumal auch der Beteiligte zu 4.) vorträgt, dass der Erblasser sich auch für längere Zeiten – manchmal für Monate – in Spanien aufgehalten habe. Dieser Umstand allein führt jedoch nicht zu der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes dort. Auch wenn die Dauer des Aufenthaltes in Spanien in den letzten Jahren vor seinem Tod im Vergleich zur Aufenthaltsdauer in Deutschland zeitlich deutlich überwogen haben mag, ist anhand der von den Ärzten dokumentierten Arzttermine (…) davon auszugehen, dass der Erblasser sich in den Jahren vor seinem Tod auch noch häufig in Deutschland aufgehalten hat. Auch wenn die Gründe für die Arztbesuche dahingestellt bleiben können, belegen diese Schreiben, dass der Erblasser sich für seine Gesundheitsvorsorge und zur ärztlichen Behandlung regelmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Den vorgelegten Belegen der Freunde/Bekannte des Erblassers ist darüber hinaus zu entnehmen, dass er auch seine sozialen Kontakte in Duisburg weiterhin gepflegt hat und sich in regelmäßigen Abständen mit ihnen getroffen hat.
66Zwar hat der Erblasser, wie von beiden Seiten vorgetragen, nicht unter der Anschrift “… Duisburg” gewohnt und diese Adresse lediglich als “Postadresse” verwendet, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob die Anmeldung unter der Adresse seiner Mutter mit oder ohne deren Wissen erfolgt ist. Gegen die Annahme eines “gewöhnlichen Aufenthaltes” in Spanien spricht vorliegend der Umstand, dass der Erblasser in Spanien keinen Wohnsitz angemeldet (keine Residencia) hat und er zumindest keine vertieften Sprachkenntnisse der Landessprache hatte. Auch wenn viele Einheimische auf Gran Canaria Deutsch sprechen mögen, so stellen nennenswerte Sprachkenntnisse des Landes einen Umstand dar, der bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu: MüKoBGB/Dutta, 7. Auflg. 2018, EuErbVO Art. 4 Rdnr. 3 und 4). Soweit die Beteiligten zu 1.) - 3.) vortragen, der Erblasser habe begonnen, spanisch zu lernen, trägt der Beteiligte zu 4.) vor, der Spanischkurs sei mangels Interesses nach 5-6 Terminen abgebrochen worden.
67Ferner spricht gegen die Annahme eines “gewöhnlichen Aufenthaltes” in Spanien, dass der Erblasser nach dem Hausverkauf im Jahr 2015 einen Teil seiner persönlichen Gegenstände (wie Fotos, Akten) im Haus seiner Mutter bzw. einen Großteil seiner Möbel in der Wohnung seiner Bekannten in Düsseldorf eingelagert hat. Auch wenn in Spanien Immobilien grundsätzlich möbliert erworben werden mögen, spricht der Umstand, dass die in Deutschland befindlichen persönlichen Gegenstände nicht veräußert bzw. nach Spanien verbracht worden sind, dafür, dass der Erblasser auch in Deutschland noch verwurzelt war.
68Für einen “gewöhnlichen Aufenthalt” in Deutschland spricht ferner, dass der Erblasser in Deutschland noch unbeschränkt steuerpflichtig war und noch im August 2015 in Deutschland mit dem Beteiligten … eine Lebenspartnerschaft eingegangen ist. Der Umstand, dass der Lebenspartnerschaftsvertrag die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils nach § 1371 BGB beim Tod des Partners beinhaltete, zeigt eine Verbundenheit zum deutschen Recht und damit zu Deutschland.
69Zwar ist die Mutter des Erblassers zusammen mit ihrem Lebensgefährten im April 2016 vom spanischen Festland aus ebenfalls nach Gran Canaria in die Nähe der Wohnung des Erblassers gezogen. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Erblasser seine Mutter und deren Lebensgefährten deshalb auf die Insel geholt hat, um sich besser um beide kümmern zu können. Da die Mutter und ihr Lebensgefährte vor ihrem Umzug auf die Insel bereits seit 6 Jahren auf dem spanischen Festland gelebt hatten, ist zumindest davon auszugehen, dass sie Spanien nicht als Land ihres Wohnortes ausgewählt haben, weil der Erblasser dort lebte. Auch wenn die Beteiligte zu 1.) und ihr Lebensgefährte in der Zeit vor dem Tod viel Zeit mit dem Erblasser auf der Insel verbracht haben mögen, stellen die Mutter und ihr Lebensgefährte die einzigen Sozialkontakte des Erblassers auf der Insel dar. Weitere familiäre und soziale Bindungen in Spanien sind nicht ersichtlich. Dass der Erblasser sich in das soziale Umfeld auf Gran Canaria integriert hätte, wird weder vorgetragen noch ist dies sonstwie ersichtlich. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Erblasser in Deutschland noch Verwandte und Freunde hatte, die er regelmäßig besucht hat und z.B. noch seine ehrenamtliche Arbeit für den … Duisburg fortgesetzt hat.
70Angesichts der Betonung einer Integration in ein familiäres und soziales Umfeld wird man bei Erblassern, die ihren Lebensabend im Ausland genießen, ohne die dortige Sprache zu beherrschen oder jedenfalls dort persönliche Kontakte zu pflegen (Stichwort: Mallorca-Rentner) einen gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsland annehmen (Saenger, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 8. Auflg. 2019, EuERbVO Art, 4, Rdnr 11).
71Nach den vorstehenden Erwägungen geht das Gericht davon aus, dass sich ein “Schwerpunktaufenthalt” in Spanien nicht feststellen lässt und der Erblasser vielmehr in den letzten Jahren vor seinem Tod zwischen Deutschland und Spanien “gependelt” ist.
72Der Erwägungsgrund Nr. 24 der Verordnung (EU) Nr. 620/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses sieht hierzu folgendes vor:
73“Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.“
74Da der Erblasser in beiden Ländern Vermögensgegenstände von nicht unerheblichem Wert hatte, ist nach dem vorgenannten Erwägungsgrund die Staatsangehörigkeit des Erblassers ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung, die vorliegend somit gegen Spanien als “gewöhnlicher Aufenthalt” spricht.
75Auch eine mangelnde örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts lässt sich nicht feststellen. Da der Erblasser nach den obigen Erwägungen wegen des „Pendellebens“ noch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, ist gem. § 343 Abs. 2 FamFG auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland – d.h. Duisburg - abzustellen, sodass auch die örtliche Zuständigkeit des den Erbschein erteilenden Nachlassgerichts gegeben war.
76III.
77Die Kostenentscheidung basiert auf den §§ 81 Abs. 1 S. 1, 353 Abs. 2 S. 1 FamFG.
78Rechtsbehelfsbelehrung:
79Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Soweit sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richtet, ist diese nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.
80Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
81Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht – Duisburg eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
82Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
83Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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