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wird das Verfahren des Amtsgerichts Rosenheim zum Az. 02 XVII 679/20 übernommen, die Genehmigung der Unterbringung mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Beglaubigte Abschrift |
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15 XVII 108/20 A |
Erlassen am 11.05.2020Wirksam geworden am 11.05.2020um 15:35 Uhrdurch Übergabe an die Geschäftsstelle… |
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Amtsgericht Duisburg Betreuungsgericht Beschluss |
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In dem betreuungsgerichtlichen Verfahren
3für Frau …, 47053 Duisburg, untergebracht im …
4seit dem 26.04.2020 aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Rosenheim zum Az. 02 XVII 679/20
5wird das Verfahren des Amtsgerichts Rosenheim zum Az. 02 XVII 679/20 übernommen, die Genehmigung der Unterbringung mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
6Gründe:
7Die Entscheidung, durch welche nach §§ 1846, 1906 Abs. 1 Nr. 1, 1906 Abs. 4 BGB das Gericht Unterbringung und Fesselung der Betroffenen von sich aus angeordnet hat, ist unter Verstoß gegen materielle und prozessuale Vorschriften zustandegekommen und daher aufzuheben.
8Nach dem dokumentierten Sachverhalt hat die Betroffene in einem Hotelzimmer gebetet und wirr gesprochen. Darauf von Polizeibeamten in Anspruch genommen gab die Betroffene Widerworte und wurde ohne Beteiligung eines Arztes oder des Ordnungsamtes einer Psychiatrie zugeführt.
9Die Klinik erklärte, dass die Betroffene unverzüglich gegen ihren Willen nach dem PsychKG untergebracht und behandelt werden müsse. Außerdem müsse sie in einer geschützten Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses gegen ihren Willen festgehalten und für 2 Wochen mit Fesseln aller Extremitäten, eines Bettgitters, eines Bauchgurts und mit Gurten am Tisch und Stuhl gefesselt werden.
10Die Maßnahme erging ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers. Dieser hätte aber vor den gerichtlichen Ermittlungen bestellt werden müssen, und er hätte Gelegenheit zur Anhörung haben müssen. Anderenfalls ergeht die Entscheidung rechtswidrig, weil elementare Verfahrensrechte missachtet werden. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers war nach dem Gesetz unbedingt erforderlich, weil der Betroffenen vom Gericht die Fähigkeit abgesprochen wurde, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. In diesen Fällen ist immer nach §§ 317 FamFG, 276 FamFG ein Verfahrenspfleger zu bestellen, um die fehlende Fähigkeit der Betroffenen zur Wahrung rechtlichen Gehörs zu kompensieren (siehe das Gesetz, dementsprechend einhellige Meinung in Rechtsprechung und Lehre, vergleiche statt aller Jaschinski in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1906 BGB (Stand: 15.10.2019), Rn. 175)
11Die Bestellung des Verfahrenspflegers muss auch grundsätzlich vor der Anhörung stattfinden, sodass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hat, die gerichtliche Maßnahme zu überwachen und Fehler zum Nachteil der Freiheitsrechte zu vermeiden. Ist in einem Unterbringungsverfahren die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich, hat diese so frühzeitig zu erfolgen, dass der Verfahrenspfleger noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann (einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung, BGH, Beschluss vom 02. März 2011 – XII ZB 346/10 –, juris).
12Die Unterbringung hätte nicht auf die ärztliche Stellungnahme gestützt werden dürfen. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, warum eine weitere Behandlung nur unter den Voraussetzungen einer geschlossenen Unterbringung ergehen konnte. Soweit eine Suizidalität behauptet wird, wird keine Person genannt, die eine entsprechende Äußerung der Betroffenen gehört hätte.
13Aus der ärztlichen Stellungnahme ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, warum die Betroffene gefesselt werden müsste.
14Stattdessen muss auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleiben, weshalb die Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung nur zulässig ist, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden.
15Ferner müssen konkrete Tatsachen nahe legen, dass mit dem Aufschub der Unterbringung Gefahr für den Betroffenen bestünde (ständige Rechtsprechung seit mehr als 20 Jahren, vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 15. September 1999 – 3Z BR 221/99 –, Rn. 15 - 16, juris)
16Die Unterbringung und die Anordnung der Fesselung hätten auch nicht auf die ärztliche Stellungnahme gestützt werden können, die nach der Anhörung der Betroffenen eingeholt wurde. Eine Entscheidung ergeht rechtsfehlerhaft, wenn nicht vor der Entscheidung der Betroffene Gelegenheit hat, zu der ärztlichen Einlassung Stellung zu nehmen (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 183/17 –, Rn. 3, juris).
17Nach der Anordnung der Unterbringung und der körpernahen Fesselung der Betroffenen hätte unverzüglich ein Betreuer bestellt werden müssen, statt das Verfahren mit großer Langsamkeit abzugeben. Das fesselnde und einsperrende Gericht ist in einem solchen Falle gehalten, gleichzeitig mit der Anordnung der Unterbringung durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Untergebrachten unverzüglich – binnen weniger Tage – ein Betreuer oder jedenfalls ein vorläufiger Betreuer zur Seite gestellt wird. (Jaschinski in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1906 BGB (Stand: 15.10.2019), Rn. 150).
18Die Verfahrensfehler sind so gravierend, dass die Entscheidung ohne weitere Ermittlungen aufzuheben waren. Es ist offensichtlich, dass die Entscheidung auf der Verletzung materiellen und prozessualen Rechts beruht.
19Rechtsbehelfsbelehrung:
20Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.
21Beschwerdeberechtigt ist diejenige/derjenige, deren/dessen Rechte durch diesen Beschluss beeinträchtigt sind. Das ist vor allem die/der Betroffene selbst.
22In ihrem/seinem Namen sind ferner beschwerdeberechtigt ihr/sein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter, der Verfahrenspfleger sowie die zuständige Betreuungsbehörde.
23Im Interesse der/des Betroffenen sind schließlich beschwerdeberechtigt
241. deren/dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kinder, wenn die/der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat,
252. eine von der/dem Betroffenen benannte Person seines Vertrauens sowie
263. der Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt,
27soweit sie am Verfahren beteiligt worden sind.
28Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
29Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Betreuungsgericht - Duisburg, Kardinal-Galen-Straße 124-132, 47058 Duisburg schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Der Betroffene kann die Beschwerde auch bei dem Amtsgericht einlegen, in dessen Bezirk er untergebracht ist. Die Beschwerde kann von allen Beschwerdeberechtigten auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Betreuungsgericht - Duisburg eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Tages.
30Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
31Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
32Duisburg, 11.05.2020Amtsgericht
33…Richter am Amtsgericht
34Beglaubigt…Amtsgericht Duisburg