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I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung im Inland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
a. die X
mit der Funktion "Cast"
sowie
b. Endnutzergeräte der Marke X, auf denen die X (einschließlich
X) mit der Funktion "Cast" bereitgestellt wird,
insbesondere die folgenden Endnutzergeräte
X
die geeignet sind, in einem Verfahren zum Bereitstellen eines Multimediadienstes für eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) durch einen Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS), wobei der Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) an die Wiedergabevorrichtung (RD) über ein Kommunikationsnetz (CN-1) gekoppelt ist, eingesetzt zu werden,
wobei das Verfahren ferner den folgenden Schritt umfasst:
a. Bestimmen mindestens eines zusätzlichen Multimediadienstes, der dem Multimediadienst zugeordnet ist, der durch den Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird; und
b. Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und
c. Bereitstellen des zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes, der durch die Kommunikationsvorrichtung ausgewählt ist, die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, für die jeweilige Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über das Kommunikationsnetz (CN-1), das ein IP-Netzwerk oder das Internet ist.
2. der Klägerin – nach ihrer, der Klägerin, Wahl – schriftlich oder in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – seit dem 1. Januar 2023 die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; im Übrigen wird der Klageantrag zu I.2. abgewiesen;
3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung – nach ihrer, der Klägerin, Wahl – schriftlich oder in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2023 begangen haben, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
im Übrigen wird der Klageantrag zu I.3. abgewiesen;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2023 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/6, im Übrigen tragen sie die Beklagten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von X EUR zuzüglich 110 % des nach Ziffer III. jeweils zu vollstreckenden Betrags, wobei Teilsicherheiten für die Zwangsvollstreckung wie folgt festgesetzt werden:
für Ziffer I.1 des Tenors X EUR,
für Ziffer I.2 und I.3 des Tenors X EUR und
für Ziffer III. des Tenors 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus behaupteter mittelbarer Patentverletzung in Anspruch.
2Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Europäischen Patents EP X (Anlage X 07, deutsche Übersetzung als Anlage X07a, im Folgenden Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 30. Juni 2009 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte unter dem 05. Januar 2011 und der Hinweis auf die Erteilung wurde am 06. November 2019 bekannt gemacht. Das Klagepatent steht mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Der deutsche Teil des Klagepatents hat ein Beschränkungsverfahren durchlaufen. Am 2. März 2023 wurde eine geänderte Patentschrift mit beschränkten Patentansprüchen als DE X (Anlage X 08) veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bereitstellung eines Multimedia-Dienstes.
3Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Anspruch 2 des Klagepatents lautet in der geltend gemachten beschränkten Fassung:
4„2. Method for provisioning a multimedia service to a multimedia rendering device (RD) by a multimedia application server (IPTV-AS), said multimedia application server (IPTV-AS), being coupled to said rendering device (RD) over a communication network (CN-1), whereby said method further comprises the step of:
5a. determining at least one additional multimedia service associated with said multimedia service provisioned by said multimedia application server (IPTV-AS), to said rendering device (RD); and
6b. selecting an additional multimedia service of said at least one additional multimedia service by a communications device (CD, CD1, CD2) associated with said multimedia service provisioned to said rendering device (RD), said communications device (CD, CD1, CD2) being associated with said multimedia service by means of registration at said multimedia application server (IPTV-AS); and
7c. provisioning, said additional multimedia service of said at least one additional multimedia service selected by said communications device (CD, CD1, CD2) associated with said multimedia service provisioned to said rendering device (RD), to said respective communications device (CD, CD1, CD2) over said communication network (CN-1) which is an IP network or the internet.“
8Übersetzt:
9„2. Verfahren zum Bereitstellen eines Multimediadienstes für eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) durch einen Multimedianwendungs-Server (IPTV-AS), wobei der Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) an die Wiedergabevorrichtung (RD) über ein Kommunikationsnetz (CN-1) gekoppelt ist, wobei das Verfahren ferner den folgenden Schritt umfasst:
10a. Bestimmen mindestens eines zusätzlichen Multimediadienstes, der dem Multimediadienst zugeordnet ist, der durch den Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird; und
11b. Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und
12c. Bereitstellen des zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes, der durch die Kommunikationsvorrichtung ausgewählt ist, die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, für die jeweilige Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über das Kommunikationsnetz (CN-1), das ein IP-Netzwerk oder das Internet ist.“
13Die Beklagte zu 4) hat am 19. April 2024 Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben. Das Verfahren über diese Klage ist beim Bundespatentgericht derzeit anhängig. In diesem Verfahren ist am 13. November 2024 ein Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG (Bl. 515-529 d. A., im Folgenden: qualifizierter Hinweis) ergangen, welcher von der derzeitigen Erfolglosigkeit der Nichtigkeitsklage ausgeht. Hinsichtlich der Ausführungen im Einzelnen wird auf den qualifizierten Hinweis verwiesen.
14Die vorliegende Klage richtet sich gegen das Angebot und die Lieferung der
15X (einschließlich X ) (im Folgenden: angegriffene Software) – soweit sie über die „Cast“-Funktion verfügt – sowie weiter gegen alle unter X angebotenen und vertriebenen Endgeräte der Beklagten, auf denen die X mit der „Cast“-Funktionalität vorinstalliert ist (im Folgenden: angegriffene Endgeräte; zusammen mit der angegriffenen Software auch: angegriffene Ausführungsformen).
16Die Beklagte zu 4) verkauft über die Webseite „x“ die folgenden Endgeräte:
17X
18Über den Dienst X können Filme, Serien und andere Videoinhalte gestreamt werden. Ein Nutzer legt sich zu diesem Zweck einen Account bei X an.
19Einige der angegriffenen Endgeräte – etwa Geräte der Modellreihe X– können mit einem Bildschirm, etwa einem TV-Gerät, verbunden werden oder weisen selbst einen Bildschirm auf. Zudem können die angegriffenen Endgeräte mit dem lokalen Netzwerk, etwa einem WLAN, verbunden werden. Über dieses lokale Netzwerk kann sodann das angegriffene Endgerät mit dem Internet verbunden werden.
20Für den Nutzer stellt sich die Bereitstellung beispielsweise des Films „X“ über einen X grafisch wie folgt dar:
21X
22(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 21 = Bl. 23 d.A.)
23Auf den anderen angegriffenen Endgeräten – etwa Geräten der Modellreihe X– kann die X ausgeführt werden. Die Software erlaubt es dem Nutzer des Gerätes, sich mit seinem Nutzeraccount in der auf dem Gerät vorinstallierten X anzumelden.
24Sobald die Anmeldung erfolgt ist, kann der Nutzer eines der Profile auswählen, die unterhalb des Nutzeraccounts angelegt worden sind. Nach Auswahl des entsprechenden Profils kann der Nutzer sodann einen Film oder eine Serie auswählen und die Wiedergabe des Films oder der Serie auf dem verwendeten Endgerät starten.
25Für den Nutzer stellt sich beispielsweise das Abspielen des Films „X“ auf einem X wie folgt dar:
26X
27(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 28 = Bl. 30 d.A., Hervorhebung durch die Klägerin)
28Wird ein Film oder eine Serie auf dem Endgerät abgespielt, so lässt sich auf diesem mittels Anwahl eines Bedienelementes (in vorstehender Abbildung rot hervorgehoben) die „Cast“-Funktion starten.
29Die Funktionsweise der „Cast“-Funktion wird nachfolgend beispielhaft an den angegriffenen Endgeräten der Modellreihe X und X beschrieben. Sofern ein X im selben lokalen Netzwerk vorhanden ist und auf diesem X eine Anmeldung mit dem Nutzeraccount erfolgt ist, welcher auch mit dem anderen Endgerät verwendet wird, so kann der X im Rahmen der „Cast“-Funktion, die auf dem X– auf welchem ein Film oder Video wiedergegeben wird – angewählt wird, als Ziel für die „Cast“-Funktion ausgewählt werden.
30Für den Nutzer wird nach Anwahl des Bedienelementes für die „Cast“-Funktionalität ein Auswahlbildschirm wie nachfolgend abgebildet angezeigt.
31X
32(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 29 = Bl. 31 d.A.)
33Trifft der Nutzer hier eine entsprechende Auswahl, so wird der Film oder die Serie im Anschluss über den X auf dem angeschlossenen Bildschirm, beispielsweise einem TV, wiedergegeben. Ob auf dem X gerade ein anderer Nutzer des entsprechenden Profils ausgewählt ist, ist ohne Bedeutung. Vielmehr wird die derzeitige Nutzung durch die Verwendung als Ziel der „Cast“-Funktionalität überlagert.
34Für den Nutzer stellt sich dies auf dem an den X angeschlossenen Bildschirm und dem X wie folgt dar:
35X
36(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 29 = Bl. 31 d.A.)
37Bei laufender Wiedergabe sieht der Nutzer – wiederum beispielhaft für den Film „X“ – folgende Bildschirminhalte:
38X
39(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 30 = Bl. 32 d.A.)
40Auf dem ursprünglich verwendeten Endgerät werden – wie oben auf dem Bild für das X dargestellt – Bedienelemente sowie insbesondere auch die sog. „X“-Funktion angezeigt.
41Mit der X-Funktion werden auf dem verwendeten Endgerät verschiedene Informationen mit Bezug zum aktuell abgespielten Film oder zur aktuell abgespielten Serie wiedergegeben. Beispielsweise werden die Schauspieler angezeigt, die in der aktuellen Szene auftreten.
42Dies stellt sich für den Nutzer grafisch wie nachfolgend abgebildet dar.
43X
44X
45(Klageschrift vom 31. Oktober 2023, S. 31 = Bl. 33 d.A., Beschriftungen von der Klägerin)
46Die Bedienelemente ermöglichen es dem Nutzer, die Wiedergabe anzuhalten oder fortzusetzen, aber auch den abgespielten Film oder die abgespielte Serie zu „X“, den „X“ für den abgespielten Film abzuspielen etc.
47Die Klägerin ist Teil des X. Die Beklagten sind Teil des X. Die Beklagte zu 1) hält 100% der Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 2), der Beklagten zu 3) und der Beklagten zu 4).
48Die Beklagte zu 1) ist für den technischen Betrieb der Website „X" verantwortlich. Über x werden X vertrieben, auf denen die X vorinstalliert ist.
49Die Beklagte zu 2) ist Betreiberin der X. Sie ist ferner Mediendiensteanbieterin für das X Angebot in der gesamten EU.
50Die Beklagte zu 3) ist Vertragspartnerin der X in Deutschland. Nutzer in Deutschland, die auf X zugreifen möchten, müssen mit der Beklagten zu 3) einen Vertrag über die Nutzung des X abschließen. Sie ist ferner Mediendiensteanbieterin für von X in der EU veranstalteten linearen Rundfunk.
51Die Beklagte zu 4) ist Verkäuferin der mit „X" angebotenen Produkte (einschließlich der angegriffenen Endgeräte).
52Die Beklagte zu 5) ist Konzernmutter des X.
53Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
54Die klagepatentgemäße Lehre stelle sich die Aufgabe, einen personalisierten Dienst für „irgendeinen Benutzer" des Multimediasystems bereitzustellen. Auf die Bereitstellung für mehrere Nutzer sei die Lehre des Klagepatents nicht zu beschränken.
55Der Begriff des Multimediadienstes im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre sei nicht auf das jeweilige einzelne Video als Zusammenstellung von Ton und Bildern zu reduzieren. Dies folge bereits daraus, dass das Klagepatent als zusätzlichen Multimediadienst jede Art von Meta-Information verstehe. Umfasst vom Begriff des Multimediadienstes seien daher sowohl Mediatheken mit einer Vielzahl an Videos als auch einzelne Videos. Daher lägen bei den angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls Multimediadienste im Sinne des Klagepatents vor.
56Ein Multimediaanwendungs-Server nach der klagepatentgemäßen Lehre sei nicht auf eine konkrete physikalische Vorrichtung zu beschränken. Vielmehr sei eine funktionale Betrachtung vorzunehmen. Der klagepatentgemäße Multimediaanwendungsserver könne deshalb auch aus dem Zusammenwirken mehrerer physischer Rechner bestehen. Die von den Beklagten zur Bereitstellung des X verwendete Serverinfrastruktur in ihrer funktionalen Gesamtheit sei deswegen als Multimediaanwendungs-Server nach der Lehre des Klagepatents anzusehen.
57Das klagepatentgemäße Bestimmen eines zusätzlichen Multimediadienstes umfasse das Bestimmen einer jeden Art von Metainformation, die mit dem Multimediadienst gemäß Merkmal 1 assoziiert sei, wie beispielsweise Hintergrundinformationen, Werbung, Abstimmungen, zusätzliche Medieninformationen, Downloads von Bildern, Videoclips, zusätzliche Programminformationen, elektronischer Handel, Musik- und DVD-Verkauf, sowie interaktive TV-Spiele mit mehreren Spielern usw. Auch inhaltsübergreifende Funktionalitäten, wie etwa Downloads, seien erfasst. Diese seien in der Klagepatentschrift auch ausdrücklich genannt. Deshalb seien sowohl die im Rahmen der X Funktion angezeigten Zusatzinhalte als auch die Bedienflächen für "X", „X" und die "X" zusätzliche Multimediadienste im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre.
58Weiter sei das Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung bei jeder Art von Kommunikationsvorrichtung gegeben. Es komme weder auf einen zweiten Nutzer noch auf einen zweiten Nutzeraccount an.
59Die Zuordnung zu dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server sei so zu verstehen, dass die Registrierung dem Server (als funktional verstandener Servereinrichtung) die Zuordnung zwischen der Kommunikationsvorrichtung und dem bereitgestellten Multimediadienst ermögliche.
60Vor diesem Hintergrund verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen die Lehre des Klagepatents.
61Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 02. Oktober 2024 die Klage insoweit zurückgenommen, als sie in die Vergangenheit gerichtete Rechtsfolgen vor dem 1. Januar 2023 betrifft.
62Sie beantragt zuletzt,
63I. die Beklagten zu verurteilen,
641. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
65Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung im Inland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
66a. die X mit der Funktion „Cast"
67sowie
68b. Endnutzergeräte der Marke X, auf denen die X (einschließlich X) mit der Funktion „Cast" bereitgestellt wird,
69insbesondere die folgenden Endnutzergeräte
70X
71die geeignet sind, in einem Verfahren zum Bereitstellen eines Multimediadienstes für eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) durch einen Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS), wobei der Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) an die Wiedergabevorrichtung (RD) über ein Kommunikationsnetz (CN-1) gekoppelt ist, eingesetzt zu werden,
72wobei das Verfahren ferner den folgenden Schritt umfasst:
73a. Bestimmen mindestens eines zusätzlichen Multimediadienstes, der dem Multimediadienst zugeordnet ist, der durch den Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird; und
74b. Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und
75c. Bereitstellen des zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes, der durch die Kommunikationsvorrichtung ausgewählt ist, die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, für die jeweilige Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über das Kommunikationsnetz (CN-1), das ein IP-Netzwerk oder das Internet ist.
76Hilfsweise zu I.1. beantragt die Klägerin mit den folgenden Hilfsanträgen, wobei Änderungen unterstrichen und Weglassungen durchgestrichen sind,
77mit Hilfsantrag 1 (Änderung nur in lit. c)
78I. die Beklagten zu verurteilen,
791 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
80[…]
81c. Bereitstellen des zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes, der durch die Kommunikationsvorrichtung ausgewählt ist, die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, für die jeweilige Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über das Kommunikationsnetz (CN-1), das ein IP-Netzwerk oder das Internet ist.
82[…]
83mit Hilfsantrag 2 (Änderung nur in lit. b)
84I. die Beklagten zu verurteilen,
851 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
86[…]
87b. Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über ein Nutzerabonnement dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und
88[…]
89mit Hilfsantrag 3 (Änderung nur in lit. b)
90I. die Beklagten zu verurteilen,
911 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
92[…]
93b. Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, wobei der zusätzliche Multimediadienst durch die Kommunikationsvorrichtung mittels einer Nutzerauswahl ausgewählt wird, wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und
94[…]
952. der Klägerin schriftlich und elektronisch darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – seit dem 1. Januar 2023 die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
96und zwar unter Angabe
97a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
98b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
99c. der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
100wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
1013. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2023 begangen haben, und zwar unter Angabe
102a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
103b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
104c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
105d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
106wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
107wobei die gesamten Rechnungslegungsdaten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln sind;
108II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2023 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden.
109Die Beklagten beantragen,
110die Klage abzuweisen;
111hilfsweise:
112der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsverfahren gegen den deutschen Teil (DE 60 2009 060 343.4) des Klagepatents EP 2 271 048 auszusetzen;
113höchst hilfsweise:
1145. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist gegenüber den Beklagten wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wobei die Beklagten an die Klägerin eine angemessene Entschädigung bis zum Ende der Laufzeit des Klagepatents zu zahlen haben.Weiter hilfsweise hierzu: Den Beklagten wird eine Umstellungsfrist von sechs (6) Monaten ab dem Datum eines etwaigen Urteils der Kammer mit einem Unterlassungstenor gewährt. Innerhalb der Frist kann ein etwaiger Unterlassungstenor der Kammer nicht gegen die Beklagten vollstreckt werden. Für die Dauer der Umstellungsfrist haben die Beklagten an die Klägerin eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
115Höchst hilfsweise:
116Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
117Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten keinen Gebrauch von der klagepatentgemäßen Lehre.
118Aufgabe der klagepatentgemäßen Erfindung sei die Bereitstellung von jeweils personalisierten Diensten für mehrere Benutzer. Es komme dem Klagepatent deshalb gerade auf das Vorhandensein mehrerer Nutzer an. Dieses Prinzip komme bei der Nutzung der angegriffenen „Cast“-Funktionalität nicht zum Einsatz. Diese finde stets nur innerhalb eines Nutzerprofils statt.
119Multimediadienst im klagepatentgemäßen Sinne sei das jeweilige einzelne Video als Zusammenstellung von Ton und Bildern. Ein Dienst als solcher, zu dem ein Nutzer ein Abonnement hält, sei kein solcher Multimediadienst.
120Der Begriff des Multimediaanwendungs-Servers erfordere nach der Lehre des Klagepatents zudem eine einzelne physikalische Vorrichtung im Sinne eines einzelnen Rechners, nicht lediglich ein funktional gedachtes Element, dessen nähere Ausgestaltung offenbleibe. Der Begriff des Servers meine einen einzelnen physikalischen Server. Das Koppeln des Multimediaanwendungs-Servers mit der Wiedergabevorrichtung erfordere demzufolge die Verknüpfung zweier konkreter Vorrichtungen.
121Zusätzlicher Multimediadienst im Sinne des Klagepatents sei eine Metainformation zu einem bestimmten Video, nicht hingegen bloße Funktionalitäten, die keinen Bezug zum konkreten Video hätten, sondern für alle Multimediadienste gleichermaßen Anwendung fänden. Funktionen wie „X“, „Beginn einer X“, die „X“ o.ä. seien Funktionalitäten ohne konkreten Bezug zur jeweiligen Videodatei. Sie stünden vielmehr für alle Videos gleichermaßen zur Verfügung, weswegen sie keine anspruchsgemäßen zusätzlichen Multimediadienste seien.
122Eine klagepatentgemäße Kommunikationsvorrichtung sei nur eine solche Vorrichtung, die einem zweiten Nutzer zugewiesen sei. Denn dies sei Voraussetzung für die Bereitstellung von personalisierten Diensten an mehrere Nutzer. Der Vorgang des Auswählens eines zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung erfordere also, dass die Kommunikationsvorrichtung einem weiteren, mindestens zweiten, Nutzer zugeordnet sei. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall. Zudem sei das genutzte Endgerät wie ein Tablet o.ä. im Rahmen der X nicht einem konkreten Video zugeordnet.
123Die Zuordnung der Kommunikationsvorrichtung zu dem Multimediadienst mittels einer Registrierung meine eine Verknüpfung der Kommunikationsvorrichtung mit einem konkreten Video mittels Registrierung bei einem konkreten Server. Die Serverinfrastruktur der Beklagten trenne hingegen zwischen der Bereitstellung von Inhalten und der Anmeldung bzw. Registrierung. Die Server, welche im Rahmen der X die Anmeldung bzw. die Verifikation eines Nutzers vornähmen, würden nicht dazu verwendet, Videodaten an Nutzergeräte zu senden.
124Vor dem Hintergrund einer solcherart vorzunehmenden Auslegung verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent nicht.
125Das Verfahren sei zudem, sofern man eine Verletzung bejahe, auszusetzen. Denn das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Die Druckschriften X, veröffentlicht am 7. September 2006 (Anlage X 8, deutsche Übersetzung als X 8a, im Folgenden „X 8“), US X, veröffentlicht am 4. Dezember 2008, (Anlage X 9, im Folgenden X 9) und WO X, veröffentlicht am 12. Juli 2007 (Anlage X 10, im Folgenden „X 10“) stünden der Rechtsbeständigkeit des Klagepatents entgegen.
126Die Beklagten seien auch nicht in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang passivlegitimiert. Die Beklagte zu 1) sei allenfalls zur bloßen Unterlassung verpflichtet, die Beklagte zu 4) hafte allenfalls hinsichtlich der angegriffenen Endgeräte. Die übrigen Beklagten seien überhaupt nicht passivlegitimiert.
127Auch die von der Klägerin beanspruchten Rechtsfolgen bestünden – selbst wenn man von einer Verletzung des Klagepatents ausgehe – nicht.
128Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei jedenfalls gemäß § 139 Abs. 1 S. 3 PatG unverhältnismäßig und daher ausgeschlossen. Denn eine vorzunehmende Interessenabwägung gehe vorliegend zulasten der Klägerin. Der Klägerin gehe es vorliegend allein um den Abschluss eines Lizenzvertrages, nicht um die Absicherung eigener Entwicklungs- und Produktionstätigkeiten. Die Unternehmensgruppe der Klägerin sei nur noch im Bereich von Netzwerkausrüstung und Zubehörteilen mit eigenen Produkten am Markt präsent. Auch in vergleichbaren Verfahren, welche die Klägerin angestrengt habe, sei es letztlich zum Abschluss von Lizenzverträgen gekommen. Dem allein auf finanzielle Kompensation ausgerichteten Interesse der Klägerin könne durch eine Ausgleichzahlung vollumfänglich Rechnung getragen werden.
129Zudem werbe die Klägerin auf ihren eigenen Produkten mit dem Zugang zu X. Sie demonstriere damit, dass sie sogar von dem Vertrieb des X profitiere, was gegen ihr Unterlassungsinteresse spreche. Gegen ihr Unterlassungsinteresse spreche auch, dass die Durchsetzung des Unterlassungsanspruches auch die der Klägerin im Falle eines Obsiegens zustehenden Schadensersatzansprüche schmälerten.
130Auch die Interessen von Dritten – namentlich Zulieferern, Kunden und zahlreichen Arbeitnehmern – sprächen gegen einen Unterlassungsanspruch. Der Beklagten drohe zudem ein in Zahlen nicht messbarer und irreparabler Imageschaden.
131Gleiches gelte für die Komplexität der angegriffenen Ausführungsformen. Diese spreche gegen einen Unterlassungsanspruch. Die angebliche Erfindung nach dem Klagepatent betreffe (mit der „Cast“-Funktion) nur eine eher untergeordnete Funktion einer einzigen der vielen Technologien der angegriffenen Ausführungsformen. Diese werde zudem von einem überwiegenden Teil der Nutzer nicht genutzt und sei diesem vermutlich auch nicht bekannt.
132Hilfsweise sei jedenfalls bis zu einer Unterlassung eine sechsmonatige Umstellungsfrist geboten. Es stehe bei einer solchen Frist auch nicht zu befürchten, dass die Klägerin vor dem Ablauf des Klagepatents keine Möglichkeit mehr hätte, für die verbleibenden Restlaufzeit den Unterlassungstenor zu vollstrecken.
133An einer mittelbaren Patentverletzung durch die X fehle es auch deshalb, weil diese für sich genommen als reine Software kein geeignetes Mittel für eine mittelbare Patenverletzung gemäß §10 PatG darstelle, da es sich nicht um einen körperlichen Gegenstand handele.
134Auch sei selbst bei unterstellter mittelbarer Patentverletzung ein Schlechthinverbot keinesfalls gerechtfertigt.
135Schließlich bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Verurteilung zu Auskunft und Rechnungslegung in schriftlicher und zusätzlich elektronischer Form. Eine elektronische Form sei grundsätzlich nicht geschuldet. Jedenfalls aber sei nicht parallel Auskunft sowohl in schriftlicher als auch in elektronischer Form geschuldet.
136Selbst wenn eine Verurteilung erfolge, müsste diese vorliegend jedoch von einer hohen Vollstreckungssicherheit abhängig gemacht werden. Keinesfalls sei vorliegend der Streitwert tauglicher Ausgangspunkt einer festzusetzenden Vollstreckungssicherheit für die Klägerin. Die Festsetzung habe sich vielmehr an den den Beklagten durch die Vollstreckung drohenden Schäden zu orientieren.
137Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des von den Beklagten eingewandten und durch die Teilklagerücknahme nicht mehr entscheidungserheblichen Lizenzeinwandes, wird auf die wechselseitigen Eingaben der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2024 verwiesen.
Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bereitstellung eines Multimedia-Dienstes (Abs. [0001], Abs. ohne abweichende Kennzeichnung hier und im Folgenden sind solche der B1-Klagepatentschrift).
140Das Klagepatent erläutert zum Hintergrund der Erfindung, dass weithin bekannte Internet-Protokoll-Fernsehsysteme (IPTV-Systeme) typischerweise ein Gerät zur Wiedergabe von Multimediadiensten, welches sich beim Nutzer des IPTV-Systems befindet, und einen IPTV-Anwendungsserver beinhalten. Ein solches Gerät zur Wiedergabe von Multimediadiensten bestehe typischerweise aus einer Set-Top-Box und einem mit dieser gekoppelten Fernsehgerät oder Bildschirm. Die Set-Top-Box sei dafür ausgelegt, die Ausstattung des Nutzers, wie das Fernsehgerät oder den Bildschirm, über ein Kommunikationsnetzwerk wie das Internet mit dem IPTV-Anwendungsserver zu koppeln. Ein IPTV-Anwendungsserver sei dazu in der Lage, IPTV-Dienste wie IPTV-Programme oder Video-on-demand für die Set-Top-Box des Nutzers zur Darstellung auf dem verbundenen Fernsehgerät oder Bildschirm bereitzustellen (Abs. [0002]).
141Für die Interaktion des Nutzers im Kontext der IPTV-Dienste stehe nur ein visuelles Interface, nämlich der Fernsehbildschirm, und ein Interaktionsgerät, nämlich die (Infrarot-) Fernbedienung, zur Verfügung. TV-Bildschirm und Set-Top-Box könnten nun in interaktiver Verbindung mit der Fernbedienung stehen, diese interaktive Beziehung sei aber auf einen einzigen Nutzer zur selben Zeit beschränkt und ist weder auf diesen Nutzer personalisiert, noch kann sie auf diesen Nutzer, oder alle Nutzer in einem Haushalt personalisiert und außerdem nicht von mehreren Nutzern gleichzeitig verwendet werden (Abs. [0003]).
142Vor diesem Hintergrund formuliert das Klagepatent die Aufgabe (Abs. [0004], s. zur Aufgabe der Erfindung auch im Folgenden unter II.3), ein Verfahren zur Bereitstellung eines Multimediadienstes der oben bekannten Art bereitzustellen, bei dem ein personalisierter Dienst für jeden der Benutzer des Multimediasystems bereitgestellt werden kann.
143Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Verfahren gemäß Anspruch 2 mit folgenden Merkmalen vor:
1441 |
Verfahren zum Bereitstellen eines Multimediadienstes für eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) durch einen Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS), |
2 |
wobei der Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) an die Wiedergabevorrichtung (RD) über ein Kommunikationsnetz (CN-1) gekoppelt ist, wobei das Verfahren ferner den folgenden Schritt umfasst: |
3 |
Bestimmen mindestens eines zusätzlichen Multimediadienstes, der dem Multimediadienst zugeordnet ist, der durch den Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird; und |
4 |
Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2), die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, |
5 |
wobei die Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) zugeordnet ist; und |
6 |
Bereitstellen des zusätzlichen Multimediadienstes des mindestens einen zusätzlichen Multimediadienstes, der durch die Kommunikationsvorrichtung ausgewählt ist, die dem Multimediadienst zugeordnet ist, der für die Wiedergabevorrichtung (RD) bereitgestellt wird, für die jeweilige Kommunikationsvorrichtung (CD, CD1, CD2) über das Kommunikationsnetz (CN-1), |
7 |
wobei das Kommunikationsnetz (CN-1) ein IP-Netzwerk oder das Internet ist. |
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen die Merkmale 1, 3, 4 und 5 der Auslegung.
Merkmal 1 sieht ein Verfahren zum Bereitstellen eines Multimediadienstes für eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) durch einen Multimediaanwendungs-Server (IPTV-AS) vor.
147Unter einem Multimediadienst im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre ist jede für die Wiedergabevorrichtung bereitgestellte Darstellung von Ton- und Bildinhalten zu verstehen. Der Multimediadienst ist nicht auf eine konkrete einzelne Bild- oder Tondatei beschränkt und weit zu verstehen. Umfasst sein kann letztlich jeder darstellbare Inhalt. Der Multimediadienst muss lediglich zur Wiedergabe auf der Wiedergabevorrichtung geeignet sein. Umfasst sein kann auch eine Sammlung von abrufbaren Inhalten.
148Ein entsprechendes Verständnis kann bereits aus dem Anspruchswortlaut geschlossen werden. So deutet der Wortlaut des Begriffs Multimedia in Multimediadienst bereits darauf hin, dass Multimediadienst ein Werk bezeichnet, das sich aus mehreren Medien, also etwa aus Ton und Grafik bzw. bewegten Bildern, zusammensetzt Anspruchsgemäß ist zudem das Bereitstellen des Multimediadienstes an eine Multimediawiedergabevorrichtung (RD) vorgesehen, also an eine Vorrichtung, die ihrer Beschreibung nach auf „Wiedergabe“ von Multimedia gerichtet ist. Der Multimediadienst muss demnach zur Wiedergabe geeignet sein.
149Gestützt wird dieses Verständnis durch die Beschreibung des Klagepatents, die den Begriff des Multimediadienstes im Rahmen des „zusätzlichen Multimediadienstes“ definiert. So heißt es in Abs. [0007] der Beschreibung:
150„[0007] Such an additional multimedia service may be any kind of meta-information associated with the currently provisioned multimedia service like background information, advertisements related to the currently provisioned multimedia service, voting, obtaining additional media information, downloads such as pictures, video clips, additional information on the program, e-commerce related to items visible on screen, music and DVD sales, multi-player interactive TV gaming, etc. All these additional information, functions, features, actions and activities furthermore can be provisioned interactively and personalised according to the user’s preferences which can be configured manually and/or by tracking previous requests and demands from the user.“
151Übersetzt:
152„[0007] Solch ein zusätzlicher Multimediadienst kann aus jeglicher Art von Metainformationen bestehen, die dem aktuell bereitgestellten Multimediadienst zugeordnet sind, wie z. B. Hintergrundinformationen, Werbung im Zusammenhang mit dem aktuell bereitgestellten Multimediadienst, Abstimmungen, Empfang zusätzlicher Medieninformationen, Downloads wie Bilder, Videoclips, zusätzliche Programminformationen, elektronischer Handel im Hinblick auf Elemente, die auf dem Bildschirm sichtbar sind, Musik- und DVD-Verkauf, interaktive TV-Spiele mit mehreren Spielern usw. Alle diese zusätzlichen Informationen, Funktionen, Merkmale, Aktionen und Aktivitäten können außerdem interaktiv und personalisiert gemäß den Präferenzen des Benutzers bereitgestellt werden. Diese können manuell und/oder durch Verfolgung früherer Anfragen und Anforderungen des Benutzers ausgelegt werden.“
153Abs. [0007] lässt sich entsprechend ein breites Verständnis des Begriffs des zusätzlichen Multimediaservice entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent zwischen einem Multimediadienst und einem zusätzlichen Multimediadienst ein unterschiedliches Verständnis aufweist, lässt sich der Klagepatentschrift nicht entnehmen. Im Zweifel ist gleichen Begriffen eines Patentanspruchs im Rahmen der Auslegung die gleiche Bedeutung beizumessen (vgl. BGH GRUR 2017, 152, 154 – Zungenbett). Gerade die Bezeichnung des weiteren Multimediadienstes als „zusätzlich“ macht eine Vergleichbarkeit der beiden Dienste deutlich.
154Bestätigt wird dieses Verständnis durch Abs. [0006], in dem es heißt:
155„[0006] [...] additional multimedia services that are associated to the currently provisioned multimedia service, i.e. the Television broadcast or video on demand currently "playing" [...]“
156Deutsche Übersetzung:
157„[0006] [...] zusätzliche Multimediadienste [..], die dem aktuell bereitgestellten Multimediadienst zugeordnet sind, d. h. die aktuell „wiedergegebene“ Fernsehsendung oder das Video on Demand [...].“
158Der bereitgestellte Multimediadienst wird also beispielhaft näher als Fernsehsendung oder Video auf Abruf charakterisiert, welche oder welches gerade abgespielt wird, also durch die Wiedergabevorrichtung wiedergegeben wird.
159Eine weitere Stütze findet das genannte Verständnis schließlich in Abs. [0035], wo es heißt:
160„[0035] […] The currently provisioned multimedia service for instance is a TV program like a TV show or a movie or a video clip, or a video on demand being a certain movie. […]“
161Deutsche Übersetzung:
162„[0035] [...] Der aktuell bereitgestellte Multimediadienst ist zum Beispiel ein Fernsehprogramm wie eine TV-Show oder ein Film oder ein Videoclip oder ein Video on Demand, das ein bestimmter Film ist. [...]“
163An dieser Stelle wird beispielhaft eine TV-Show, ein Film, ein Videoclip oder ein auf Abruf zur Verfügung stehendes Video genannt.
164Für vorstehendes Verständnis spricht auch Abs. [0027] der Beschreibung. Dort wird von dem ersten Nutzer als „the multimedia service subscriber, master of the house, person who holds the multimedia service subscription“ gesprochen. Zu diesem „Multimedia service“ („allowed to connect to this multimedia service“) können dann die Kommunikationsvorrichtungen verbunden („connect“) werden. Das Klagepatent differenziert hier nicht weiter, so dass unter dem Begriff des Multimediadienstes auch Sammlungen von abrufbaren Inhalten zu verstehen sind, die abonniert werden können.
Merkmal 3 sieht das Bestimmen eines zusätzlichen Multimediadienstes durch einen Multimediaanwendungs-Server vor.
166Ein Multimediaanwendungs-Server im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre ist ein Element, welches die Funktion eines Servers wahrnimmt; auf die physische Ausgestaltung als einheitlicher Server kommt es nicht an.
167Der Begriff des Servers findet im Anspruchswortlaut selbst keine nähere Ausgestaltung. Allerdings verdeutlicht die Klagepatentbeschreibung das genannte Verständnis. Denn diese beschäftigt sich nicht mit der näheren physikalischen Ausgestaltung des Servers; dieser wird ausschließlich funktional definiert. Aussagen zum technischen Aufbau des Servers werden nicht getroffen.
168Es geht dem Klagepatent insoweit ausdrücklich nicht um die Zusammensetzung des Servers im Einzelnen.
169So heißt es in Abs. [0046] zu den Ausführungsbeispielen:
170„[0046] A final remark is that embodiments of the present invention are described above in terms of functional blocks. From the functional description of these blocks, given above, it will be apparent for a person skilled in the art of designing electronic devices how embodiments of these blocks can be manufactured with wellknown electronic components. A detailed architecture of the contents of the functional blocks hence is not given.“
171Übersetzt:
172„[0046] Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung oben in Form von Funktionsblöcken beschrieben wurden. Aus der oben gegebenen Funktionsbeschreibung dieser Blöcke wird für den Fachmann auf dem Gebiet der Entwicklung elektronischer Geräte ersichtlich, wie Ausführungsformen dieser Blöcke mit bekannten elektronischen Bauteilen hergestellt werden können. Eine detaillierte Architektur des Inhalts der Funktionsblöcke wird daher nicht angegeben.“
173Die Ausgestaltung entsprechender Bauteile wird also ausdrücklich dem Fachmann überlassen. Hierbei wird nicht verkannt, dass es sich bei dieser Beschreibungsstelle um eine allgemeine Passage handelt, die sich nicht speziell auf den Begriff des Servers bezieht. Diese Ausführungen der Beschreibung zeigen aber, dass die Lehre nach dem Klagepatent ein funktionales Verständnis in den Vordergrund rückt.
174Auch die Figuren 1 und 2 zeigen den Server lediglich als rein funktionales Element. Bauteile, elektronische Komponenten oder andere physisch-greifbare Elemente finden sich nicht. Die Beschreibung der Fig. 2 nennt ausdrücklich eine funktionale Struktur als abgebildet. Die von der Klägerin zitierten Absätze [0019], [0029]-[0031] nennen ebenfalls keinen physikalischen Aufbau, sondern bezeichnen verschiedene Bestandteile, die voneinander logisch abgeschichtete Schritte der beanspruchten Verfahren vornehmen.
175Dem genannten Verständnis steht die umgangssprachliche Bedeutung des Begriffes „Server“ nicht entgegen. Zwar kann insoweit der Begriff „Server“ einen konkreten physikalisch gegenständlichen Computer beschreiben. Ein eindeutiges Verständnis als eine rein singuläre Ausgestaltung, kann allerdings auch bei einer ausschließlich Beurteilung nach dem Wortsinn nicht festgestellt werden. Auch dem von den Beklagten zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht angeführten Abschnitt des Abs. [0023] der Klagepatentschrift kann kein anderes Verständnis entnommen werden. Dort heißt es:
176„[0023] A multimedia application server IPTV-AS is able to provision multimedia services like IPTV program or Video on demand to the settop box of the user for presentation at the connected television or screen.“
177Übersetzt:
178„[0023] Ein Multimedia-Anwendungsserver IPTV-AS ist in der Lage, Multimediadienste wie IPTV-Programme oder Video-on-Demand für die Set-Top-Box des Nutzers zur Darstellung auf dem angeschlossenen Fernseher oder Bildschirm bereitzustellen.“
179Es wird an dieser Stelle die Fähigkeit des Servers, Multimediadienste bereitzustellen, beschrieben. Dies stellt allerdings lediglich eine Funktionsbeschreibung dar und trifft keine Aussage über die physische Ausgestaltung des Servers. Abgesehen von der Verwendung des Singulars – wie schon im Anspruchswortlaut – enthält diese Passage demnach keine Stütze für ein engeres Verständnis. Vielmehr spricht die funktionale Beschreibung für das Verständnis als funktional umschriebene Einheit.
180Einen Unterschied in technisch-funktionaler Hinsicht dahingehend, ob die klagepatentgemäße Lehre durch eine oder mehrere physikalische Vorrichtungen umgesetzt wird, haben die Beklagten schließlich nicht aufzeigen können und ein solcher ist auch nicht ersichtlich.
181Der Begriff des zusätzlichen Multimediadienstes entspricht in seiner inhaltlichen Ausgestaltung dem des Multimediadienstes. Auf die vorangehenden Ausführungen kann insoweit verwiesen werden.
Merkmal 4 sieht das Auswählen eines zusätzlichen Multimediadienstes durch eine Kommunikationsvorrichtung vor. Der hier beanspruchte zusätzliche Multimediadienst ist einer der zusätzlichen Multimediadienste nach Merkmal 3. Es muss der Auswahl also eine Bestimmung der zusätzlichen Multimediadienste nach Merkmal 3 durch den Multimediaanwendungs-Server vorangehen. Nach diesem Bestimmen wählt die Kommunikationsvorrichtung einen dieser zusätzlichen Multimediadienste aus. Die Kommunikationsvorrichtung muss dabei keinem zweiten Nutzer zugeordnet sein.
183Dies folgt zunächst aus dem Anspruchswortlaut, der eine solche Beschränkung nicht vorsieht. Dieser setzt Multimediawiedergabevorrichtung und Kommunikationsvorrichtung(en) nicht in Bezug zu verschiedenen Nutzern. Auch der Beschreibung lässt sich eine Zuordnung zu einem zweiten Nutzer nicht entnehmen. Aus der Beschreibung geht lediglich hervor, dass die Kommunikationsvorrichtung jedenfalls einen Nutzer hat. So heißt es in Abs. [0013]:
184„[0013] The step of determining the additional multimedia service is based on a request of a (mobile) communications device associated with the multimedia service provisioned to the rendering device RD, hence as an initiative of the user of the communications device.“
185Übersetzt:
186„[0013] Der Schritt der Bestimmung des zusätzlichen Multimediadienstes beruht auf einer Anforderung einer dem Multimediadienst zugeordneten (mobilen) Kommunikationsvorrichtung, die der Wiedergabevorrichtung RD, also auf Initiative des Benutzers der Kommunikationsvorrichtung, bereitgestellt wird.“
187Auch aus der – zwischen den Parteien in Streit stehenden – Aufgabenstellung der klagepatentgemäßen Erfindung folgt vorliegend nicht das Erfordernis eines zweiten Nutzers. Die Aufgabe der Erfindung stellt sich als das objektiv gelöste technische Problem dar, wohingegen die Ausführungen, die sich in nahezu allen Patentschriften finden, oftmals von – nicht maßgeblichen – subjektiven Vorstellungen des Patentanmelders getragen sind (BGH GRUR 1991, 522, 523 – Feuerschutzabschluss; Schulte/Moufang, PatG, 12. Aufl., § 1 Rn. 45). Der objektive Gehalt des vorliegend geltend gemachten Patentanspruchs 2 besteht darin, auf einer Kommunikationsvorrichtung einen dem anderweitig bereitgestellten Multimediadienst zugeordneten zusätzlichen Multimediadienst bereitzustellen. Der Nutzer der Wiedergabevorrichtung, über die der (erste) Multimediadienst bereitgestellt wird, ist nicht Gegenstand der geschützten Lehre. Die Bereitstellung an mehrere Nutzer ist deswegen nicht das objektiv von Patentanspruch 2 gelöste Problem.
188Dies steht im Einklang mit den Ausführungen in Abs. [0003]. Dort schildert das Klagepatent drei im Stand der Technik bekannte Probleme, deren Überwindung angestrebt wird. So kann das bekannte System nur von einem Nutzer zur gleichen Zeit (interaktiv) genutzt werden, das System ist nicht auf diesen Nutzer personalisiert und es kann nicht pro Nutzer oder für alle Nutzer eines Haushaltes personalisiert werden. Das Klagepatent sieht gegenüber dieser Problemstellung vor, dass für jeden der Nutzer, seien es einer oder mehrere, ein personalisierter Dienst bereitgestellt werden kann, also eine jeweils personalisierte Nutzung durch einen oder mehrere Nutzer möglich ist. Dadurch lassen sich alle drei genannten Probleme lösen. Soweit die Beklagten die Personalisierung ausschließlich gegenüber mehreren Nutzern als zentrales Element der klagepatentgemäßen Lösung erachten, kann die Kammer sich dieser Auslegung vor dem Hintergrund des Abs. [0003], der gerade auch die fehlende Personalisierung gegenüber einem Nutzer als nachteilig ansieht, nicht anschließen. Dies steht auch in Einklang mit dem vorstehend geschilderten, von der klagepatentgemäßen Lehre objektiv gelösten Problem.
189Auch aus Abs. [0013] lässt sich hingegen – anders als die Beklagten meinen – nicht folgern, dass dieser Nutzer gerade verschieden von dem in Abs. [0003] genannten Nutzer zu sein hat. Das Klagepatent führt lediglich die Aktivität der Kommunikationsvorrichtung auf die Initiative eines – damit implizit vorausgesetzten – Nutzers zurück. Die Beschreibungsstelle schließt ein selbstständiges Tätigwerden der Kommunikationsvorrichtung ohne Nutzereingabe aus. Die Beschreibung befasst sich an der genannten Stelle nicht mit der Abgrenzung verschiedener Nutzer, sondern dem Tätigwerden der Kommunikationsvorrichtung auf Nutzereingabe und einem Tätigwerden ohne eine solche.
190Dieses Verständnis steht auch in Einklang mit der Beschreibung des Klagepatents.
191Zwar nennen die nachfolgend wiedergegebenen Abs. [0035], [0039] und [0042] jeweils weitere Nutzer.
192[0035] […] The mobile communications device CD belongs to a second user also watching the same multimedia service i.e. a provisioned Video on demand service being a certain movie at the same rendering device RD. […]
193[0039] Upon request a list of available additional multimedia services may be forwarded to the mobile communications device CD or may generally be accessible to the mobile communications device CD. Subsequently the second user by means of the mobile communications device sends a selection signal indicating the chosen additional multimedia service. […]
194[0042] Hence by applying the present invention the control of additional multimedia services is given to further users that are associated to a certain multimedia service provisioned at a certain rendering device and in addition an additional multimedia service can be provisioned to any associate further user and be provisioned to a mobile communications device of the further user.
195Deutsche Übersetzung:
196„[0035] [...] Die mobile Kommunikationsvorrichtung CD gehört einem zweiten Nutzer, der ebenfalls denselben Multimediadienst, d. h. einen bereitgestellten Video-on-Demand-Dienst, der einen bestimmten Film darstellt, auf demselben Wiedergabegerät RD ansieht.
197[0039] Auf Anfrage kann eine Liste verfügbarer zusätzlicher Multimediadienste an die mobile Kommunikationsvorrichtung CD weitergeleitet werden oder allgemein für das mobile Kommunikationsvorrichtung CD zugänglich sein. Daraufhin sendet der zweite Nutzer mittels der mobilen Kommunikationsvorrichtung ein Auswahlsignal, das den gewählten zusätzlichen Multimediadienst angibt.
198[0042] Durch die Anwendung der vorliegenden Erfindung wird somit die Steuerung zusätzlicher Multimediadienste an weitere Nutzer gegeben, die mit einem bestimmten Multimediadienst verbunden sind, der einer bestimmten Wiedergabevorrichtung bereitgestellt wird, und darüber hinaus kann ein zusätzlicher Multimediadienst für jeden zugehörigen weiteren Nutzer bereitgestellt und einer mobilen Kommunikationsvorrichtung des weiteren Nutzers zur Verfügung gestellt werden.“
199Diese stellen Ausführungsbeispiele dar, welche die technische Lehre des Klagepatentes bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu beschränken vermögen. Anderes gilt nur ausnahmsweise dann, wenn die entsprechenden Angaben trotz ihrer vorgenannten Verortung in der Klagepatentschrift im Rahmen der Schilderung eines Ausführungsbeispiels kein Spezifikum des in der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiels darstellen, sondern der Fachmann ohne Weiteres erkennt, dass sie dem eigentlichen Erfindungsgedanken des Klagepatents zwingend immanent sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. August 2015, Az. I-15 U 2/14, Rz. 100 – zitiert nach juris).
200Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Klagepatent beschäftigt sich – wie geschildert – bereits in der Auseinandersetzung mit dem Stand der Technik damit, eine Personalisierung auch für einen Nutzer bereitzustellen (vgl. Abs. [0003]). Auch ist eine Personalisierung bereits für einen Nutzer technisch sinnvoll, da somit Zusatzinhalte gerade auf diesen Nutzer und den wiedergegebenen Multimediadienst zugeschnitten werden können.
201Der von den Beklagten angeführte und nachfolgend wiedergegebene Abs. [0027] steht ebenfalls mit diesem Verständnis in Einklang:
202„[0027] The first user, being the multimedia service subscriber, master of the house, person who holds the multimedia service subscription e.g. being an IPTV service subscription first may use a password protected configuration feature of the multimedia service that is provisioned to the rendering device and define the users allowed to connect to this multimedia service via their mobile handset or smart handheld device or any handheld device with mobile or wireless function or other communications device coupled to the multimedia application server IPTV-AS over a communications network.“
203Deutsche Übersetzung:
204„[0027] Der erste Nutzer, d.h. der Multimediadiensteabonnent, der Hausherr, der Inhaber des Multimediadiensteabonnements, z.B. eines IPTV-Dienste-Abonnements, kann zunächst eine passwortgeschützte Konfigurationsfunktion der Multimediadienstleistung verwenden, die dem Wiedergabegerät zur Verfügung gestellt wird, und die Nutzer festlegen, die sich über ihr mobiles Handgerät oder ein intelligentes Handheld-Gerät oder ein beliebiges Handheld-Gerät mit mobiler oder drahtloser Funktion oder eine andere Kommunikationsvorrichtung, die über ein Kommunikationsnetz mit dem Multimedia-Anwendungsserver IPTV-AS verbunden ist, zu dieser Multimediadienstleistung eine Verbindung herstellen dürfen.“
205Dort wird beschrieben, dass ein erster Nutzer bestimmen kann, welche Nutzer über eine Kommunikationsvorrichtung mit dem Multimediaanwendungs-Server anspruchsgemäß kommunizieren dürfen. Dass dies stets mehr als ein Nutzer sein muss, ist indes nicht gesagt.
206Schließlich stehen auch die Abs. [0036] f., welche sich mit einem zweiten Nutzer sowie weiteren Nutzern über diesen zweiten Nutzer hinaus beschäftigen, hierzu nicht im Widerspruch, da sie ebenfalls Ausführungsbeispiele betreffen.
207Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es im qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts vom 13. November 2024 auf die von der Beklagten zu 4) angestrengte Nichtigkeitsklage heißt (qualifizierter Hinweis, S. 6):
208„Auch wenn dies keinen Eingang in den Anspruch gefunden hat, wird laut Streitpatent eine solche Auswahl über die Kommunikationsvorrichtung (SP, Abs. [0026]: „communications devices, like personal computers or smart handheld devices“) von einem anderen Nutzer vorgenommen, als dies der ursprüngliche Nutzer des Multimediadienstes bzw. der Wiedergabevorrichtung ist (SP, Abs. [0039]).“
209Die Kammer sieht sich mit ihrer Auslegung jedenfalls nicht in einem eindeutigen Widerspruch zur – ohnehin für das Verletzungsgericht nicht bindenden – Auslegung des Anspruchs durch das Bundespatentgericht. Es ist aus vorstehender Passage bereits nicht eindeutig erkennbar, ob das Erfordernis eines zweiten Nutzers als Anspruchsbestandteil erachtet wird, welcher sich lediglich nicht im Wortlaut wiederspiegelt, oder ob das Bundespatentgericht einen zweiten Nutzer gerade nicht als zwingenden Anspruchsbestandteil erachtet. Ohnehin ist die vorstehende Passage hinsichtlich des zweiten Nutzers lediglich mit Verweis auf Abs. [0039] der Klagepatentschrift begründet, die ein – wie vorstehend geschildert nach Auffassung der Kammer nicht verallgemeinerungsfähiges – Ausführungsbeispiel zum Gegenstand hat.
Nach Merkmal 5 muss die Kommunikationsvorrichtung, die den zusätzlichen Multimediadienst auswählt, dem Multimediadienst mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server zugeordnet sein. Die Kommunikationsvorrichtung als solche muss also beim Multimediaserver registriert sein. Aus dieser Registrierung muss sich eine Zuordnung gerade dieser Kommunikationsvorrichtung zu dem Multimediadienst ergeben.
211Das folgt zunächst aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes „Registrierung“.
212Die Beschreibung des Klagepatents führt hierzu in Abs. [0009] aus:
213"Such an associated communication device is a device that is associated to a certain multimedia service-subscription and hence associated to one or more set-top boxes of a user by registering at the application server to be associated in the multimedia service-subscription. […]"
214In deutscher Übersetzung:
215"Ein solches assoziiertes Kommunikationsgerät ist ein Gerät, das einem bestimmten Multimediadienst-Abonnement zugeordnet ist und somit einer oder mehreren Set-Top-Boxen eines Benutzers zugeordnet ist, indem es sich beim Anwendungsserver registriert, um dem Multimediadienst-Abonnement zugeordnet zu werden."
216Die Kommunikationsvorrichtung muss als solche individualisiert werden, um zugeordnet werden zu können.
217Hinsichtlich des Verständnisses des Begriffs der Kommunikationsvorrichtung ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Diese muss keinem zweiten Nutzer zugeordnet sein.
218Ebenso ist der Begriff des Multimediaanwendungs-Servers in Übereinstimmung mit der Verwendung der Begrifflichkeit in den übrigen Merkmalen auszulegen. Es bedarf also der Registrierung bei einer funktional verstandenen Serverinfrastruktur, nicht der Registrierung bei dem konkreten physikalischen Server, der etwa auch den Multimediadienst bereitstellt.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen bei Nutzung der Cast-Funktion nach dem vorgenannten Verständnis von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
220Nachfolgend wird die Verletzung anhand eines angegriffenen Gerätes der Modellreihe X sowie eines angegriffenen Gerätes der Modellreihe X geschildert, wobei die weiteren angegriffenen Ausführungsformen hinsichtlich der für die Lehre des Klagepatents maßgeblichen Funktionalitäten eine identische Funktionalität aufweisen und hinsichtlich der Ausführung der „Cast“-Funktionalität entweder dem X oder dem X entsprechen.
Die Merkmale 1 und 2 sind verwirklicht. Es handelt sich um ein Verfahren zur Bereitstellung eines Multimediadienstes. Über „X" können Filme, Serien und andere Videoinhalte gestreamt, also über das Netzwerk bereitgestellt und abgespielt, werden. Das Streaming erfolgt dabei mittels entsprechendem Endgerät und TV-Bildschirm, also mittels einer entsprechenden Multimediawiedergabevorrichtung. Die wiedergegebenen Inhalte werden auch von der X zugeordneten Servern über das Internet, welches vorliegend das Kommunikationsnetz CN-1 darstellt, übertragen. Dabei sind diese Server und das Endgerät, welches das Video empfängt und abspielt, miteinander verbunden, also gekoppelt.
Das Merkmal 3 ist verwirklicht. Der Server, mit dem das Endgerät verbunden ist, wählt verschiedene Metadaten oder sonstige Interaktionsmöglichkeiten aus, die mit dem derzeit abgespielten Video assoziiert sind. Hier sind etwa die X Funktion, die Download-Funktion aber auch und insbesondere die X-Funktion zu nennen. Die Assoziierung mit dem für die Wiedergabevorrichtung bereitgestellten Multimediadienst ergibt sich bereits daraus, dass sich die X Aktion sowie die X Inhalte stets auf das konkrete abgespielte Video bezieht. Wird etwa der Firm „X" abgespielt, so führt der Teilen-Button zum Teilen genau dieses Titels. Bei angezeigten mittels der X-Funktion angezeigten Metainformationen wie Schauspielern etc. ergibt sich die Assoziierung gerade daraus, dass die angezeigten Schauspieler auf die konkret parallel abgespielte Szene des Films abgestimmt sind.
Auch die Merkmale 4 und 5 werden verwirklicht.
224Ein X stellt eine Kommunikationsvorrichtung gemäß der Merkmale 4 und 5 dar. Wird mittels der Cast-Funktion etwa der Film X von dem bzw. den X Server(n) auf den X und das an diesen angeschlossene TV-Gerät gestreamt, so zeigt das X verschiedene Reiter, etwa „X“ oder „X“ an. Diese Reiter sind durch den Nutzer auswählbar und bei Auswahl etwa des Reiters „X“ werden die derzeit in dem auf dem X bereitgestellten Film auftretenden Schauspieler mit Namen und Bild wiedergegeben. Dies stellt einen zusätzlichen Multimediadienst dar, der auch durch den Nutzer des X als Kommunikationsvorrichtung ausgewählt wird. Darauf, ob dieser Nutzer von dem Nutzer des X verschieden ist, kommt es, wie geschildert, nicht an. Der Film X als Multimediadienst und die Angabe der Schauspieler als zusätzlicher Multimediadienst sind auch einander zugeordnet. Denn X Film und Anzeige der Schauspieler sind mit dem Nutzerkonto des Nutzers bei X verknüpft. Die Anzeige der konkreten Reiter auf dem X als zusätzlicher Multimediadienst erfolgt gerade nur, weil auf dem X der Film X, konkret die dargestellte Szene, als Multimediadienst wiedergegeben und der Nutzer auf dem konkret auf dem Nutzeraccount eingewählten X die entsprechende App geöffnet hat, während der Multimediadienst bereitgestellt wird.
225Damit ist das X als Kommunikationsvorrichtung mit dem auf dem X wiedergegebenen Film mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungsserver zugeordnet. Das Tablet ist durch einen Einwählvorgang mit einem Nutzeraccount bei X verknüpft. Gleiches gilt für den X. Nur, weil der Login an beiden Geräten mit einem einheitlichen Benutzeraccount vorgenommen wurde, stellt die Software die Cast-Funktion zur Verfügung. Damit ist eine Verknüpfung der Kommunikationsvorrichtung mit dem abgespielten Film gegeben, was für die Verwirklichung des Merkmals 5 ausreichend ist.
226Der Nutzer der Kommunikationsvorrichtung erhält bei Nutzung der Cast-Funktion eine Reihe von interaktiven Elementen oder Metadaten angezeigt, welche sowohl auf das Abonnement-Konto als auch auf den konkret übertragenen Film bezogen sind.
227Die Endgeräte der Beklagten (z.B. X ) sind daher Kommunikationsvorrichtungen im Sinne von Merkmal 4 und 5.
228Die Registrierung der Kommunikationsvorrichtung (z.B. X) erfolgt bei den für die Durchführung des X Dienstes eingerichteten Servern, indem der Nutzer sich (regelmäßig durch Passworteingabe) mit dem Tablet bei dem X Prime Video-Profil anmeldet. Auf die Serverstruktur der Beklagten kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
229Durch diese Registrierung wird sowohl ein Bezug zum konkret auf die Wiedergabevorrichtung unter Nutzung des X übertragenen Videos als auch zu Einrichtung der Wiedergabevorrichtung mittels X hergestellt.
Das Merkmal 6 ist verwirklicht. Die Metainformation oder Interaktionsmöglichkeit, die von dem Endgerät als Kommunikationsvorrichtung ausgewählt wird, wird für dieses Endgerät über das lokale Netzwerk und das Internet bereitgestellt. Ein ausgewählter Download etwa wird auf das Endgerät heruntergeladen.
Merkmal 7 ist ebenfalls verwirklicht. Vorstehende Funktionen werden über das Internet oder IP-basierte Netzwerke realisiert.
Die Beklagten sind insgesamt passivlegitimiert.
Die Beklagte zu 1) ist vollumfänglich passivlegitimiert. Sie haftet jedenfalls deliktsrechtlich als fahrlässige Nebentäterin.
Aus § 139 PatG haftet nämlich nicht nur, wer die patentierte Erfindung in eigener Person § 9 PatG unmittelbar benutzt oder wer als Teilnehmer eine fremde unmittelbare Benutzung ermöglicht oder fördert.
235Passivlegitimiert ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2009, 1142 = BGHZ 182, 245, Rz. 29 ff. – MP3-Player-Import; GRUR 2017, 785, 788 – Abdichtsystem) – von der abzuweichen die Kammer vorliegend keinen Anlass sieht – auch derjenige, der eine Benutzung des geschützten Gegenstandes durch eigenes pflichtwidriges Verhalten ermöglicht.
236Es haftet dabei derjenige, der die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch den Dritten ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGHZ 182, 245, Rz. 29 ff. – MP3-Player-Import; Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. A., Kap. D Rn. 409). Es handelt sich hierbei um einen Fall der Nebentäterschaft (vgl. Schulte/Voß, PatG, 12. Aufl., § 139 Rn. 21 f.). Hierunter fallen auch Mitwirkung innerhalb eines Konzerns etwa bei Absatzbemühungen, wie beispielsweise die Vornahme von Marketingmaßnahmen zugunsten eines dritten Konzernunternehmens oder das Erbringen von Serviceleistungen (Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. A., Kap. D Rn. 409). Ein pflichtwidriges Verhalten liegt aber etwa dann nicht vor, wenn ein Spediteur oder Frachtführer die transportierte Ware, ohne im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für die Verletzung fremder Schutzrechte zu haben, ausliefert ohne eine Überprüfung vorzunehmen (BGHZ 182, 245, Rz. 41 – MP3-Player-Import; GRUR 1957, 352, 354 – Taeschner/Pertusin II).
237Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolgs richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen; es kommt entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem potentiell Verpflichteten nach den Umständen des Einzelfalles ein Tätigwerden zuzumuten ist. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Schutzbedürftigkeit des Verletzten und der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Handlungspflichten, die von Dritten zu beachten sind (BGHZ 182, 245, Rz. 43 m.w.N. – MP3-Player-Import).
Gemessen an diesem Maßstab hat die Beklagte zu 1) pflichtwidrig die fremde Benutzungshandlung hinsichtlich der angegriffenen Endgeräte gefördert. Sie ist verantwortlich für den technischen Betrieb der Website X.
239Dadurch trifft sie eine Pflicht zur Prüfung der konzerneigenen Produkte auf Schutzrechtsverletzungen. Zwar wird durch die Bereitstellung einer Internetplattform an sich noch keine Überwachungs- und Prüfpflicht hinsichtlich jeglicher angebotenen Waren begründet (Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. A., Kap. D Rn. 427). Dies ist allerdings dann anders zu beurteilen, wenn, wie hier, der angesprochene Kunde die vertriebenen, potentiell patentverletzenden Waren eindeutig mit dem Plattformbetreiber in Verbindung bringt und der Plattformbetreiber zugleich mit dem Händler konzernverbunden ist. Denn in einem solchen Fall steht das Produkt dem Plattformbetreiberdeutlich näher als andere Drittprodukte. Außerdem ist der Umfang der Prüfpflichten begrenzt, da der Umfang der in dieser Art und Weise angebotenen Produkte nur einen Bruchteil des insgesamt angebotenen Warenbestandes betrifft. Gleichzeitig wird der Marktplatzbetreiber aufgrund der Konzernverbundenheit leichtere Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten auf den jeweiligen Händler haben als bei fremden Drittunternehmen. Schließlich erscheint in Fällen wie dem vorliegenden für den in erster Linie angesprochenen Kundenkreis – private Bezieher der angegriffenen Endgeräte – eine Unterscheidung zwischen dem Marktplatzbetreiber und dem Händler gekünstelt. Aufgrund der prägenden Unterscheidungskraft der Marke „X“ wird der angesprochene Privatkunde eine genaue Unterscheidung zwischen den handelnden Unternehmen nicht vornehmen, diese mithin ihre gegenseitige Marktdurchdringung jeweils wechselseitig als Vorteil nutzen.
Gleiches gilt für die Förderung der angegriffenen Software. Die Ausführungen hinsichtlich der Unterscheidungskraft der Marke X, die auch die Software treffen, gelten insoweit entsprechend. Auch fördert der Absatz von entsprechenden Endgeräten sowohl Nutzung als auch Verbreitung der Softwarelösungen bezüglich X.
Die Beklagte zu 2) ist vollumfänglich passivlegitimiert.
242Die Beklagte zu 2) „betreibt“ – was zwischen den Parteien unstreitig ist – die X. Dieser Vortrag der Parteien kann im Ergebnis mangels näheren Vortrags zum Begriff des „Betreibens“ nur so verstanden werden, dass die Beklagte zu 2) durch das Aufrechterhalten der notwendigen Infrastruktur den fortwährenden Betrieb der X (durch Betrieb der Server etc.) gewährleistet. Dieses Verhalten ist nach den dargestellten Grundsätzen als jedenfalls fahrlässige Nebentäterschaft hinsichtlich der Benutzung sowohl der angegriffenen Endgeräte als auch der angegriffenen Software anzusehen.
243Ein derartiges Betreiben fördert ohne jeden Zweifel den Vertrieb Dritter sowohl der Endgeräte als auch der Softwareanwendung. Die Beklagte zu 2), deren Infrastruktur bei Ausführung der Cast-Funktionalität wesentliche Schritte des beanspruchten Verfahrens ausführt, trifft auch nach dem oben dargestellten Maßstab eine Prüfpflicht, dass die von ihr zur Verfügung gestellte Infrastruktur nicht zu einer Schutzrechtsverletzung beiträgt. Das Betreiben entsprechender Infrastruktur ist nicht mit dem Vertrieb zahlreicher unterschiedlicher Fremdprodukte vergleichbar. Deswegen trifft die Beklagte zu 2) vorliegend eine Prüfpflicht hinsichtlich ihrer „betriebenen“ Dienste. Dass eine Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre für die Beklagte zu 2) als Betreiberin der X nicht erkennbar gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Beklagte zu 3) ist vollumfänglich passivlegitimiert.
245Dabei folgt eine fahrlässige Nebentäterschaft der Beklagten zu 3) entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen bereits daraus, dass die Beklagte den jeweiligen Vertrag für die Nutzung des X abschließt und ein Vertrag mit ihr für die Nutzung der hier gegenständlichen Videoübertragung erforderlich ist. Dies stellt sowohl für den Vertrieb von entsprechenden Endgeräten als auch für den Vertrieb der Software eine entsprechende Absatzhilfe dar. Könnten keine X abgeschlossen werden, so wäre die Nutzung der gesamten Funktionalität inklusive der Cast-Funktionalität nicht nutzbar.
Die Beklagte zu 4) ist passivlegitimiert.
247Dies gilt hinsichtlich der angegriffenen Endgeräte bereits deshalb, weil die Beklagte zu 4) diese vertreibt.
248Hinsichtlich des Betriebs der Videoplattform und der Softwareplattform fördert die Beklagte zu 4) diese jedenfalls und ist nach den oben dargestellten Maßstäben insoweit jedenfalls fahrlässige Nebentäterin. Der Vertrieb der angegriffenen Endgeräte fördert, wie bereits hinsichtlich der Beklagten zu 1) geschildert, vorliegend auch den Vertrieb der angegriffenen Software.
Die Beklagte zu 5) ist passivlegitimiert.
Allerdings lässt sich allein aus der Stellung der Beklagten zu 5) als Muttergesellschaft der Beklagten zu 1) bis 4) eine Passivlegitimation nicht herleiten. Die bloße Inhaberschaft an den Gesellschaftsanteilen kann eine solche nicht begründen (BGH GRUR 2016, 1031 Rz. 58 – Wärmetauscher). Dies gilt offenkundig ebenso für die bloße vorprozessuale Korrespondenzführung durch die Mutter nach einer behaupteten Patentverletzung einer Tochtergesellschaft (BGH aaO).
Auch auf eine beherrschende Stellung der Beklagten zu 5) gegenüber den Beklagten zu 1) bis 4) kann eine Passivlegitimation nicht gestützt werden.
252Auf eine beherrschende Stellung der Muttergesellschaft allein kann eine Stellung als Nebentäterin nicht begründet werden. Nach den oben aufgeführten Grundsätzen bedarf es einer Rechtspflicht im Einzelfall, deren Verstoß eine Stellung als Nebentäter begründet. Die bloße Herrschaft über Tochtergesellschaften vermag die Kammer nicht als allein haftungsbegründendes Moment zu erachten. Auch die Kenntnis der Mutter von einer behaupteten Patentverletzung reicht nicht aus, um insoweit Verhaltenspflichten herbeiführen. Die Stellung einer beherrschenden aber untätigen Konzernmutter unterscheidet sich insoweit von der eines Lieferanten, der potentiell schutzrechtsverletzende Gegenstände aktiv ausliefert und bei greifbaren Anhaltspunkten für eine Schutzrechtsverletzung nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tätig werden muss.
Dass die Beklagte zu 5) sich ihrer Tochterunternehmen „bediene“, um die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland abzusetzen, ist zu wenig konkret, um eine Mittäterschaft oder auch nur eine fahrlässige Nebentäterschaft zu begründen. Konkrete Handlungen der Beklagten zu 5), mit denen sie auf die Beklagten zu 1) bis 4) steuernd einwirkt, und anhand derer eine Täter- oder Teilnehmerstellung geprüft werden könnte, sind nicht vorgetragen.
Eine fahrlässige Nebentäterschaft der Beklagten zu 5) folgt allerdings aus dem Copyright-Vermerk auf der Webseite X.
255Eine fahrlässige Nebentäterschaft ist nach den oben unter 1.a. geschilderten Grundsätzen dann anzunehmen, wenn der Handelnde eine Benutzung des geschützten Gegenstandes durch eigenes pflichtwidriges Verhalten ermöglicht. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolgs richtet sich – wie geschildert – im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen; es kommt entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem potentiell Verpflichteten nach den Umständen des Einzelfalles ein Tätigwerden zuzumuten ist.
256Nach diesen Grundsätzen stellt die Verwendung des Copyright-Vermerks auf der Webseite X ein solches pflichtwidriges Verhalten dar, dass die Tätigkeit der Beklagten zu 1) bis 4) und damit ihre Absatzbemühungen der angegriffenen Ausführungsformen fördert. Es besteht, da für die Beklagte zu 5) der angesprochene Adressatenkreis nicht näher zwischen den Beklagten differenzieren wird, vorliegend eine für die Beklagte zu 5) auch erkennbare Nähebeziehung der bereitgestellten Rechte sowie ihres Unternehmensnamens zu den angegriffenen Ausführungsformen. Der Vermerk auf der Webseite, bei dem vorliegend nach dem Parteivortrag davon auszugehen ist, dass dieser nicht ohne Wissen und Wollen der Beklagten zu 5) erfolgt ist, stellt damit eine Absatzförderung dar und die Beklagte zu 5) trifft auch eine Prüfplicht hinsichtlich jedenfalls solcher Produkte, die der angesprochene Abnehmer mit ihr assoziiert, für deren Vertrieb also letztlich der „gute Name“ der Beklagten zu 5) als innovativem und global tätigem Technologiekonzern absatzfördernd wirkt. Ob und welche Urheberrechte konkret an die Beklagten zu 1) und 4) gewährt werden, bedarf demgegenüber keiner Aufklärung. Der Vermerk als solcher ist als absatzfördernde Handlung anzusehen.
257Schließlich benachteiligt ein solches Ergebnis Konzerne auch nicht gegenüber Einzelunternehmen, wie die Beklagten meinen, da bei Einzelunternehmen die patentverletzende Vertriebshandlung – mangels Tochterunternehmen – ebenfalls vom Einzelunternehmen begangen worden wäre.
Auch die weiteren Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung liegen vor.
259Da die Beklagten die angegriffene Software und die angegriffenen Endgeräte im Inland an inländische Abnehmer anbieten und liefern, ist der für § 10 PatG erforderliche doppelte Inlandsbezug gegeben.
260Die von den Beklagten vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen stellen auch Mittel im Sinne des § 10 PatG dar. Auch Software kommt als Mittel in Betracht (BGH GRUR 2013, 713, 714 – Fräsverfahren; Schulte/Rinken, PatG, 12. Aufl., § 10 Rn. 20; Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. Aufl., Kap. A Rn. 599; aA noch BGH GRUR 2001, 228, 231 – Luftheizgerät). Damit stellen sowohl die Software für sich genommen als auch die angegriffenen Endgeräte taugliche Mittel dar.
261Die angegriffene Software wie auch die angegriffenen Endgeräte beziehen sich jeweils auch auf ein wesentliches Element der Erfindung. Insbesondere sind diese in der Lage, bei der Ausführung des in Anspruch 2 beanspruchten Verfahrens mitzuwirken. Sie sind so konfiguriert, dass sie, sofern der Nutzer das Cast-Verfahren anstößt, in ihrem Zusammenwirken das klagepatentgemäße Verfahren durchführen. Damit sind sie sowohl auf ein wesentliches Element der Erfindung bezogen als auch zur Benutzung der Erfindung geeignet. Hieran ändert es nichts, dass die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, die Cast-Funktionalität könnte nur von den X unter den angegriffenen Endgeräten angestoßen werden. Denn auch das Mitwirken als Ziel des Cast-Verfahrens, wie von den Klägern beim Verletzungsvortrag anhand des X vorgetragen, ist ausreichend, um auf ein wesentliches Element der Erfindung bezogen zu sein. Die Geräte sind in diesem Fall Wiedergabevorrichtungen bei der Ausführung des klagepatentgemäßen Verfahrens.
262Entsprechendes ist den Beklagten auch bewusst. Die Beklagten kennen die Möglichkeiten, welche die vertriebenen Kombinationen aus Hard- und Software dem Nutzer bieten. Damit wissen die Beklagten, dass sowohl die angegriffene Software als auch die angegriffenen Endgeräte jeweils dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung – die Ausführung des beanspruchten Verfahrens – verwendet zu werden.
Aus der Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffenen Ausführungsformen ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 ff. PatG.
Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 10 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.
Ein vollständiger oder auch nur zeitweiser Ausschluss des Unterlassungsanspruchs aufgrund von Unverhältnismäßigkeit, § 139 Abs. 1 S. 3 PatG, kommt nicht in Betracht.
266Gemäß § 139 Abs. 1 S. 3 PatG ist der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. Der Unverhältnismäßigkeitseinwand des § 139 Abs. 1 S. 3 PatG ist auf besondere Ausnahmefälle begrenzt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Unterlassungsanspruch die logische Folge des Ausschließlichkeitsrechts ist. Mit der Erteilung des Patents entstehen an der patentierten Erfindung absolute Rechte, die neben ihrem Zuweisungsgehalt einen Ausschlussgehalt besitzen, so dass der Inhaber des Rechts grundsätzlich jedermann von der Nutzung der patentierten Lehre ausschließen kann. So erlauben sie insbesondere – im Rahmen der übrigen gesetzlichen, insbesondere der patent- und kartellrechtlichen Vorgaben – den Ausschluss Dritter von der Nutzung der patentierten Lehre. Um sein Ausschließlichkeitsrecht durchzusetzen, ist der Patentinhaber in aller Regel auf den Unterlassungsanspruch angewiesen.
267Der Gesetzgeber hat in der Begründung des 2. PatModG klargestellt, dass eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Der Unterlassungsanspruch ist die regelmäßige Sanktion der Patentrechtsordnung bei einer Patentverletzung. Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt, dass den Patentverletzer die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Unverhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme trifft. Der Patentverletzer hat hiernach ganz konkrete, einer gerichtlichen Beweiserhebung zugängliche Tatsachenbehauptungen vorzutragen, und nicht nur Allgemeinplätze. Zweifel gehen, wie die Gesetzesbegründung bestätigt, zu Lasten des Patentverletzers.
268Wenn der Patentverletzer besondere Umstände darlegt, die im Einzelfall eine nicht gerechtfertigte Härte begründen können, kann es im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und bei einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben und der grundsätzlich vorrangigen Interessen des Verletzten an der Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs ausnahmsweise darauf ankommen, ob der Verletzte selbst Produkte oder Komponenten herstellt, die mit dem patentverletzenden Produkt in Wettbewerb stehen, oder ob primär eine Monetarisierung seiner Rechte das Ziel des Patentinhabers ist (BT-Drs. 19/25821, S. 53). Im Übrigen können wirtschaftliche Auswirkungen der Unterlassungsverfügung, die Komplexität von Produkten, subjektive Gesichtspunkte auf beiden Seiten und Drittinteressen zu berücksichtigen sein. So kann etwa zu Lasten des Verpflichteten eine fehlende Lizenzwilligkeit gesehen werden (BT-Drs. 19/25821, S. 54).
269Entsprechend dem vorliegenden Maßstab hat die Kammer in vorangegangenen Verfahren den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs aufgrund Unverhältnismäßigkeit etwa bei komplexen Halbleiterprodukten verneint (Kammerurteile vom 07. Februar 2024, Az. 4c O 58/22, 4c O 59/22, 4c O 60/22). Nach der Kammerrechtsprechung ist ein Verletzer, insbesondere, wenn er sich auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand berufen will, gehalten, frühzeitig Maßnahmen, u.a. im Sinne von Umgehungslösungen, zu ergreifen, die aus einer Patentverletzung herausführen können. Es ist nicht ausreichend, hiermit erst nach einer gerichtlichen Entscheidung zu beginnen.
270Bei Anwendung dieser Maßstäbe greift der von der Beklagtenseite erhobene Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht durch. Unter Berücksichtigung aller Umstände des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits und ihrer maßgeblichen Interessen hat die Beklagtenseite eine Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs nicht dargetan.
271Hierbei kommt es nicht darauf an, ob – wie zwischen den Parteien streitig – vorliegend zunächst eine besondere Härte festzustellen ist. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen eines Anspruchsausschlusses nicht vor.
272Maßgeblich ist für die Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass es sich bei dem patentgemäßen Zusammenwirken der angegriffenen Hardware und Software um die softwaremäßige Implementierung einer Funktion handelt, welche – anderes ist jedenfalls nicht dargetan – softwareseitig abgeschaltet werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Abstellung der „Cast“-Funktionalität die Funktionsfähigkeit der angegriffenen Hard- und Software im Übrigen beeinträchtigt. Eine – möglicherweise bestehende – Komplexität der angegriffenen Ausführungsformen kann deshalb dem Unterlassungsanspruch der Klägerin bereits deshalb nicht entgegenstehen, weil nicht ersichtlich ist, dass eine solche Komplexität der Beachtung der Patentrechte der Klägerin entgegen steht. Ist eine softwaremäßige Abschaltung der patentverletzenden Funktionalität ohne Beeinträchtigung der Funktion der angegriffenen Ausführungsformen im Übrigen möglich, so wirkt sich eine Komplexität im Übrigen nicht auf die geschuldete Rechtsfolge aus, weil sie dem Verletzer nicht erschwert, die Schutzrechtslage einzuhalten oder unzumutbare Opfer in schutzrechtsfreien Bereichen auf sich zu nehmen. Dieses Ergebnis wird dadurch bestärkt, dass die Beklagten selbst vortragen, die patentverletzende Funktion (die „Cast“-Funktion) betreffe nur einen marginalen Aspekt der X und werde von dem weit überwiegenden Teil der Nutzer niemals genutzt (Klageerwiderung vom 22. April 2024, S. 41 = Bl. 144 d.A.). Nach der Gesetzesbegründung spricht es gerade gegen das Vorliegen eines Unverhältnismäßigkeitsausschlusses, wenn es sich um ein untergeordnetes, nicht funktionswesentliches Element handelt (BT-Drs. 19/25821, S. 54).
273Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Drittinteressen über das übliche Maß hinaus betroffen sind. Erforderlich wäre es, dass die spezifischen von den Beklagten angebotenen angegriffenen Ausführungsformen einen maßgeblichen Einfluss für den Erhalt der Gesellschaft haben. Diskutiert wird eine entsprechende Einschränkung aufgrund Drittinteressen etwa bei lebensbedrohlichen oder schweren Krankheiten Dritter, die auf verletzende Produkte für die Behandlung angewiesen sind oder bei einer erheblichen Beeinträchtigung der öffentlichen Telekommunikationsinfrastruktur (Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, 12. Aufl. 2023, PatG § 139 Rn. 32k). Eine vergleichbare Situation ist bei der vorliegend streitigen Technologie, die der Freizeitunterhaltung dient, nicht ersichtlich. Zudem sind für die streitigen Produkte Konkurrenzlösungen am Markt. Auch dass möglicherweise Zulieferer, Kunden und Arbeitnehmer von einer Unterlassung betroffen sein mögen, kann einen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs nicht rechtfertigen. Solche Folgen sind der Beschränkung des Vertriebs eines Unternehmens als Folge einer Patentverletzung letztlich immanent. Dies erkennt auch die Gesetzesbegründung an. So sind auch (mittelbare) Nachteile Dritter grundsätzlich als Folge eines Unterlassungsausspruchs hinzunehmen (BT-Drs. 19/25821, S. 55).
274Auch soweit die Beklagten sich auf einen drohenden, in Zahlen nicht messbaren und irreparablen Imageschaden berufen, fehlt es an entsprechendem konkretem Vortrag. Dass die Herstellung oder der Vertrieb eines patentverletzenden Erzeugnisses eingestellt und erst dann wieder aufgenommen werden kann, wenn der Handelnde sich die dafür erforderlichen Rechte verschafft oder das Erzeugnis patentfrei abgewandelt hat, gehört zu den zwangsläufig mit einer Unterlassungsanordnung verbundenen Härten, die vom Gesetzgeber angeordnet und grundsätzlich hinzunehmen sind. Gegen einen drohenden erheblichen Imageschaden spricht zudem, dass die „Cast“-Funktion nach Vortrag der Beklagten von dem weit überwiegenden Teil der Nutzer niemals genutzt wird, weswegen eine Umgehungslösung für diesen überwiegenden Teil der Nutzer als Produkt ebenso tauglich wie die angegriffenen Ausführungsformen sein dürfte.
275Dass die Klägerin vorliegend selbst keinerlei X anbietet und vielmehr für eigene Produkte auch mit der Zugangsmöglichkeit zu X wirbt beziehungsweise die X für Produkte mit der X lizenziert, kann vorliegend nach dem eingangs geschilderten Maßstab ebenfalls nicht zu einem Ausschluss des Unterlassungsanspruchs führen. Zwar können solche Umstände im Einzelfall wie geschildert Berücksichtigung finden, führen aber keinesfalls ohne weitere Härten für die Beklagten zu einem Ausschluss des Unterlassungsanspruchs.
276Schließlich ist den Beklagten auch keine sechsmonatige Umstellungsfrist zu gewähren. Eine besondere, die Beklagten treffende Härte, die einen auch nur zeitweisen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs rechtfertigen würde, ist nicht festzustellen. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit verwiesen. Zudem ist zulasten der Beklagten in die Interessenabwägung über den auch nur zeitweisen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs einzustellen, dass diese nicht bereits bei Kenntnis des Vorwurfes der Patentverletzung mit einer Umgehungslösung begonnen haben. Ein Verletzer ist nach dem eingangs geschilderten Maßstab gehalten, insbesondere, wenn er sich auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand berufen will, frühzeitig Maßnahmen, u.a. im Sinne von Umgehungslösungen, zu ergreifen, die aus einer Patentverletzung herausführen können. Damit erst zu beginnen, wenn eine gerichtliche Entscheidung zu Lasten des Verletzers ergeht, ist nicht ausreichend. Die Beklagten haben mit Datum vom 06. Dezember 2023 ihre Verteidigung angezeigt. Für die Umstellung der angegriffenen Ausführungsformen standen somit ab dem Zeitpunkt, ab dem die Beklagten ausdrücklich mit dem Vorwurf der Patentverletzung konfrontiert wurden, mehr als 12 Monate zur Verfügung. Dass die Beklagten nunmehr sechs weitere Monate für die Abwandlung der angegriffenen Ausführungsformen aus der Patentverletzung heraus benötigen, kann nicht zulasten der Klägerin gehen, wenn die Beklagten ohne zureichenden Grund mit dem Beginn der entsprechenden Umstellung auf eine gerichtliche Entscheidung gewartet haben. Wenn dem Verletzer eine Umstellung des angegriffenen Produktes innerhalb des laufenden Prozesses möglich gewesen wäre und dieser zugewartet hat, kommt ein nur ausnahmsweise vorzunehmender und die Rechte des Schutzrechtsinhabers massiv beschneidender Ausschluss der Unterlassungsverpflichtung nicht in Betracht.
Die Klägerin kann vorliegend auch ein Schlechthinverbot verlangen.
278Ein generelles und umfassendes Vertriebsverbot besteht grundsätzlich nur, wenn das gelieferte Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur patentverletzend gebraucht werden kann (Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. Aufl., Kap. D Rn. 610; vgl. BGH GRUR 2004, 758, 763 – Flügelradzähler). Allerdings kommt ausnahmsweise auch bei der Möglichkeit patentfreier Verwendung ein Schlechthinverbot dann in Betracht, wenn weder ein Warnhinweis noch eine Vertragstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten können, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den Schutzrechtsinhaber praktisch nicht feststellbar wäre und dem Lieferanten ohne Weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2004, 345, 349 – Rohrschweißverfahren; Schulte/Rinken, PatG, 12. Aufl., § 10 Rn. 43).
279So liegt es hier. Zwar können die angegriffene Software und die angegriffenen Endgeräte auch jeweils patentfrei verwendet werden. Verzichtet der Nutzer auf die Verwendung der „Cast“-Funktionalität, so kommt es nur zur Wiedergabe auf einer Vorrichtung. Die klagepatentgemäße Lehre ist dann bereits deshalb nicht verwirklicht, weil keine Kommunikationsvorrichtung zusätzlich zu einer Multimedia-Wiedergabevorrichtung zum Einsatz kommt. Eine solche patentfreie Verwendung ist auch technisch und wirtschaftlich sinnvoll, da sie dem Nutzer – wenn auch ohne Anzeige zusätzlicher Mediendienste auf einem weiteren Endgerät – die Betrachtung entsprechender Medieninhalte ermöglicht.
280Dennoch trifft die Beklagten ausnahmsweise ein Schlechthinverbot wie tenoriert, da die Voraussetzungen der dargestellten Ausnahme gegeben sind.
281Weder ein Warnhinweis noch eine Vertragstrafenvereinbarung bieten vorliegend eine Gewähr dafür, dass es nicht zu Benutzungshandlungen des Klagepatents kommt.
282Dass die Beklagten die „Cast“-Funktionalität abschalten können, ist allerdings allein nicht ausreichend. Denn auf eine Abänderung derart, dass die Cast-Funktionalität deaktiviert wird, ist der aus mittelbarer Patentverletzung folgende Unterlassungsanspruch nicht gerichtet. Die angegriffenen Ausführungsformen finden ihre Anwendung im privaten Bereich. Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass sich private Nutzer weniger intensiv mit der Schutzrechtslage auseinandersetzen als gewerblich tätige Verwender, zumal sich die Wirkungen des Patents nicht auf private Handlungen zu nichtgewerblichen Zwecken erstrecken, § 11 Nr. 1 PatG. Damit ist anzunehmen, dass es auch bei Verwendung entsprechender Warnhinweise jedenfalls im Einzelfall zur Nutzung der „Cast“-Funktion kommt. Eine Vertragstrafenvereinbarung, die im Verhältnis zu einem privaten Nutzer ohnehin nicht getroffen werden kann (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 16. Auflage, 2024, Kap. A. Rn. 668), dürfte hingegen zu einer Unverkäuflichkeit der angegriffenen Endgeräte führen und für die Beklagten im Ergebnis ebenso belastend sein wie ein Schlechthinverbot.
283Auch eine Kontrollmöglichkeit der Klägerin hinsichtlich möglicherweise erfolgender Benutzungshandlungen ist vorliegend ausgeschlossen. Bei der Verwendung in privaten Haushalten ist nicht ersichtlich, wie es der Klägerin möglich sein soll, die Verwendung der „Cast“-Funktionalität, die im Internum des jeweiligen Verwenderhaushaltes verbleibt, festzustellen.
284Schließlich ist es den Beklagten vorliegend ohne Weiteres zumutbar, eine entsprechende Umgestaltung des Mittels vorzunehmen. Mit der „Cast“-Funktionalität steht eine softwarebasierte Funktionalität im Streit, bei der nicht ersichtlich ist, warum diese nicht herstellerseitig deaktiviert werden kann.
285Nach alledem ist vorliegend ausnahmsweise ein Schlechthinverbot als Ausfluss des der Klägerin zustehenden Unterlassungsanspruchs trotz patentfreier Verwendungsmöglichkeit gerechtfertigt.
Die Beklagten trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagten als jeweilige Fachunternehmen bzw. ihre jeweiligen Geschäftsführer hätten bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung der Lehre des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des jeweiligen Klagegebrauchsmusters schulden die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihnen zustehenden Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, §§ 140b PatG, 259, 242 BGB.
288Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ; der Umfang der Auskunftspflicht ergibt sich aus § 140b Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ.
289Die Auskunft und Rechnungslegung ist grundsätzlich schriftlich zu erteilen. Liegen elektronische Unterlagen vor, so kann Auskunft und Rechnungslegung in der digitalen Form verlangt werden (Kühnen, Handbuch d. Patentverletzung, 16. A., Kap. D Rn. 889). Dabei ist angesichts der weitgehenden Digitalisierung in der Geschäftswelt grundsätzlich gerechtfertigt, ohne weiteres davon auszugehen, dass der Gläubiger vom Schuldner Auskunft und Rechnungslegung in digitalisierter Form verlangen kann (hierzu und zum Folgenden OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze). Es entspricht den heutigen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, dass die entsprechenden Daten beim Schuldner bereits digital verfügbar sind. Dementsprechend ist es ihm regelmäßig möglich und zumutbar, dem Gläubiger dasjenige elektronische Element zu überlassen, das ohnehin die Basis einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Papierform bildet. Der Schuldner wird hierdurch offensichtlich nicht belastet und dem Gläubiger wird die Verwertung der Auskünfte zum Zwecke der weiteren Rechtsverfolgung entscheidend erleichtert. Liegen die entsprechenden Daten dem Schuldner ausnahmsweise nur in analoger Form vor, ist es ihm ein Leichtes, dies im Verletzungsprozess einzuwenden und seinen Einwand mit entsprechendem Sachvortrag zu untermauern (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Hierzu ist von Seiten der Beklagten nichts vorgetragen.
290Eine Anspruchsgrundlage für die Auskunftserteilung und Rechnungslegung kumulativ schriftlich und elektronisch ist hingegen nicht ersichtlich. Eine solche doppelte Auskunft hätte für den Gläubiger – die Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit beider Auskünfte unterstellt – auch keinen Mehrwert. Den Gläubigerinteressen ist vielmehr mit der Auskunftserteilung und Rechnungslegung in der Form seiner Wahl ausreichend Rechnung getragen. Die weitergehenden Klageanträge waren deshalb insoweit abzuweisen.
Mit Blick auf die von der Beklagten gegen das Klageschutzrecht eingewandten Entgegenhaltungen ist eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu einer auch nur erstinstanzlichen Entscheidung in der beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsklage nicht geboten.
292Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679).
293Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit ist im Streitfall nicht gegeben.
294Das Bundespatentgericht hat mit Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Sachlage die Nichtigkeitsklage hinsichtlich des vorliegend geltend gemachten Anspruchs 2 des Klagepatents keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, da dieser sich nach vorläufiger Auffassung als neu und auf erfinderischer Tätigkeit beruhend darstellt.
295Die Kammer kann auch vor diesem Hintergrund einen Erfolg der Nichtigkeitsklage nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen.
Insbesondere zieht die in der mündlichen Verhandlung diskutierte Entgegenhaltung X 9 die Patentfähigkeit der klagepatentgemäßen Lehre nicht derart in Zweifel, dass entgegen der vorläufigen Auffassung des Bundespatentgerichts als zur Entscheidung über den Rechtsbestand berufenen Instanz eine Aussetzung geboten ist.
Die Druckschrift X 9 (US X, Anlage X 12a X 9, Übersetzung als Anlage X 9a) wurde am 4. Dezember 2008 und damit vor dem 30. Juni 2009, dem Prioritätstag des Klagepatents, veröffentlicht.
298Die X 9 beschreibt Zugriffsmethoden auf Mediendateien innerhalb eines Netzwerkes. Außerhalb eines Heimnetzwerkes stammende Quelldaten werden in diesem wiedergegeben. In erster Linie beschäftigt sich die X 9 dabei mit dem Problem, sekundäre Medieninhalte, die primären Medieninhalten zugeordnet sind, innerhalb des Netzwerkes in der erwünschten Art und Weise wiederzugeben, auch wenn die Datenübermittlung an das Gerät, auf welchem die Wiedergabe der sekundären Medieninhalte erfolgen soll, diese nur mittelbar, etwa über einen im Netzwerk befindlichen Server, erhält (Abs. [0002] f. der X 9). Die X 9 beschäftigt sich, wie auch das Bundespatentgericht im qualifizierten Hinweis, S. 11, feststellt, hauptsächlich mit einer hausinternen Kommunikation.
299Die X 9 offenbart in Fig. 1 ein Netzwerk 10 (entnommen S. 2 Anlage X 12a X 9):
300Die Abbildung zeigt insbesondere einen Medienserver 30, Medienwiedergabegeräte 50, 70 und das Kontrollpunktgerät 20. Diese sind als separate Einheiten ausgebildet. Der Medienserver 30 empfängt Rundfunkinhalte, verarbeitet diese und stellt sie anderen Geräten zur Verfügung. Die Medienwiedergabegeräte 50, 70 rendern den gesendeten Inhalt oder lokal im Netzwerk gespeicherte Inhalte und geben diesen wieder. Über das Kontrollpunktgerät 20 kann ein Benutzer außerdem Inhaltselemente auswählen sowie weiter auswählen, welches Gerät 50, 70 diesen Inhalt wiedergibt.
302Weiter heißt es in der X 9 in Abs. [0033]:
303„[0033] Although the Media Server devices 30, 40, Media Renderer devices 50, 70 and Control Point device 20 are shown as separate entities, two or more of these may be combined in a single physical device in a manner which will be well understood.“
304Übersetzt:
305„[0033] Obwohl die Medienserver-Geräte 30, 40, die Medienwiedergabegeräte 50, 70 und das Kontrollpunktgerät 20 als separate Einheiten dargestellt sind, können zwei oder mehr davon auf leicht verständliche Weise in einem einzigen physischen Gerät kombiniert werden.“
306In Abs. [0037] erörtert die X 9, dass in Fig. 2 ein Kontrollpunkt 20 eine Verbindung für den primären Inhaltsstrom herstellt. Dieser wird von dem Medienserver 30 zum Medienwiedergabegerät 50 übermittelt. In Abs. [0041] wird erläutert, dass, wenn der Kontrollpunkt 20 feststellt, dass zusätzlicher Inhalt vorhanden ist, der Benutzer über eine Schnittstelle auswählen kann, auf, ob und wo er den zusätzlichen Inhalt wiedergeben möchte. Danach kann der Kontrollpunkt 20 eine Verbindung zwischen dem Medienserver 30 und dem zweiten Medienwiedergabegerät 70 herstellen, um den zusätzlichen Inhalt wiederzugeben.
307Weiter heißt es in Abs. [0042] der X 9:
308„[0042] […] In addition, and as described more fully below with reference to FIG. 4, the database 45 can also store a list 41 of devices that have registered with it, and information about the event(s) the devices wish to be notified of. Devices send a registration request which includes information about the event they wish to be notified of; this may include the identity of a rendering device 50, 70 which the device wishes to render associated content for. When an event occurs which matches the registered event information, the registered device is notified 49.“
309Übersetzt:
310„[0042] [...] Darüber hinaus kann die Datenbank 45, wie weiter unten unter Bezugnahme auf FIG. 4 näher beschrieben, auch eine Liste 41 von Geräten speichern, die sich bei ihr registriert haben, sowie Informationen über das/die Ereignis(se), über das/die die Geräte benachrichtigt werden möchten. Die Geräte senden eine Registrierungsanfrage, die Informationen über das Ereignis enthält, über das sie benachrichtigt werden möchten. Dazu kann auch die Identität eines Wiedergabegeräts 50, 70 gehören, für das das Gerät zugehörige Inhalte wiedergeben möchte. Wenn ein Ereignis eintritt, das mit den registrierten Ereignisinformationen übereinstimmt, wird das registrierte Gerät benachrichtigt 49.“
Ausgehend von diesem Inhalt ist das Bundespatentgericht vertretbar davon ausgegangen, dass die Lehre des Klagepatents der X 9 gegenüber rechtsbeständig ist.
312Das Bundespatentgericht vertritt die Ansicht, dass die X 9 die Merkmale 4 und 5 (2.4 und 2.5 und 2.6) nicht in neuheitsschädlicher Weise offenbare (siehe qualifizierter Hinweis, S. 10 f. = Bl. 524 f. d.A.).
313Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin).
314Gemessen an diesem Maßstab ist die im qualifizierten Hinweis geäußerte Einschätzung des Bundespatentgerichtes nicht unvertretbar.
315Zwar offenbart der bereits zitierte Abs. [0033] der X 9, dass die genannten Geräte kombiniert werden können. Es ist aber nicht unvertretbar, eine konkrete Kommunikationsvorrichtung im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre sowie die weitere Einbindung dieser Kommunikationsvorrichtung in das klagepatentgemäße Verfahren als nicht offenbart anzusehen. Der Hinweis des Abs. [0033] der X 9 bezieht sich auf die Fig. 1. Die weiteren Abs. [0037], [0041] der X 9 hingegen beschäftigten sich mit der Fig. 2.
316Zudem ist es ebenso vertretbar, Merkmal 5 als nicht in der X 9 offenbart anzusehen. Der Abs. [0042] der X 9, auf welchen die Beklagten allein die Offenbarung des Merkmals 5 stützen, offenbart schon keine Zuordnung einer Kommunikationsvorrichtung mittels einer Registrierung bei dem Multimediaanwendungs-Server zu dem Multimediadienst. Zwar ist eine Registrierung von „Geräten“ beschrieben. Diese Geräte können eine Registrierungsanfrage senden und werden dann bei bestimmten Ereignissen benachrichtigt. Eine Zuordnung einer Kommunikationsvorrichtung gerade zu einem bestimmten Mediendienst ist dadurch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Auch fehlt es am Bereitstellen des zusätzlichen Mediendienstes für das registrierte Gerät.
317Entsprechendes gilt für eine erfinderische Tätigkeit. Das Bundespatentgericht hat auch insoweit in vertretbarer Weise verneint, dass der Fachmann ausgehend von der X 9, gegebenenfalls auch in Kombination mit der X 10, in naheliegender Weise zum Gegenstand der Erfindung gelangt (vgl. S. 11 f. des qualifizierten Hinweises). Entscheidend für die Frage, ob eine konkrete Erfindung für den Fachmann ausgehend vom Stand der Technik naheliegend ist, sind (1) der konkrete Stand der Technik, (2) der hinsichtlich der Erfindung einschlägige Fachmann und (3) dessen Können auf Grund seines Fachwissens (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 12. Aufl., § 4 Rn. 8). Der Nichtigkeitskläger hat dabei darzulegen, wie der Fachmann in naheliegender Weise zur klagepatentgemäßen Lehre gelangen soll (vgl. auch qualifizierter Hinweis, S. 12). Die Beklagten haben in Auseinandersetzung mit dem qualifizierten Hinweis nicht dazu vorgetragen, warum das Bundespatentgericht einzig vertretbar zum Naheliegen einer anspruchsgemäßen Registrierung gemäß Merkmal 5 hätte gelangen müssen. Dies ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist es vertretbar, wenn das Bundespatentgericht weder der X 9 noch der X 10 eine anspruchsgemäße Registrierung entnimmt. Das Erfordernis einer Registrierung der Kommunikationsvorrichtung zu dem Multimediadienst stellt auch mehr als die bloße Vergabe einer IP-Adresse dar (vgl. qualifizierter Hinweis, S. 6). Das Bundespatentgericht hat vertretbar angenommen, dass der Fachmann nicht auf Basis der X 9, der X 10 oder der Kombination beider zu einer Lehre gelangt, die alle Merkmale der Lehre nach dem Klagepatent umfasst.
Dies gilt auch für die weitere, zwischen den Parteien nach dem Hinweis nicht mehr diskutierte Entgegenhaltung.
319Bei der X 8, die lediglich die Zuweisung einer IP-Adresse (Abs. [0009] X 8) offenbart, fehlt es insoweit bereits an der für die klagepatentgemäße Lehre notwendigen Registrierung nach Merkmal 5 (vgl. hierzu qualifizierter Hinweis, S. 9). Weiter fehlt es jedenfalls auch an Merkmal 4.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Aufgrund der Teilklagerücknahme war eine anteilige Kostenlast der Klägerin im Wege einer einheitlichen Kostengrundentscheidung vorzunehmen. Da der weit überwiegende Teil des Streitwertes auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch entfällt, sind für die datumsabhängigen Ansprüche nur 1/3 des Streitwertes anzusetzen. Da der auf die Teilklagerücknahme entfallende Zeitraum mit Blick auf die Restlaufzeit des Klagepatents etwas weniger als die Hälfte der verbleibenden Schutzzeit, gemessen ab den Daten, ab denen ursprünglich Rechtsfolgen begehrt werden, beträgt, ist vorliegend eine Kostenlast der Klägerin von 1/6 aufgrund der Teilklagerücknahme angemessen. Die Teilabweisung der Anträge zu I.2 und I.3 hinsichtlich des schriftlich und elektronisch kumulativ geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsverlangens fällt kostenrechtlich nicht ins Gewicht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung ergibt sich aus §§ 709 Satz 1 und 2, 108 ZPO.
322Dabei war die Sicherheitsleistung für die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs in Höhe von X Euro und für den Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung auf X Euro festzusetzen.
323Die Sicherheitsleistung dient der Absicherung der sich im Fall der Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils aus § 717 Abs. 2 ZPO ergebenden Ausgleichsansprüche des Vollstreckungsschuldners (vgl. BGH BeckRS 2025, 17215 Rn. 11). Da die Sicherheitsleistung den Anspruch des Vollstreckungsschuldners aus § 717 Abs. 2 ZPO abdecken soll, muss ihre Höhe derart bemessen sein, dass ein möglicher Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO vollständig abgedeckt wird, soweit dieser an die nach § 709 ermöglichte vorläufige Vollstreckung anknüpft. Dieser Anspruch umfasst nicht nur den Ausgleich der aus dem Urteil zu Unrecht vorläufig vollstreckten Leistungen, sondern auch einen darüber hinausgehenden ersatzfähigen Vollstreckungsschaden. Soweit sich ein (möglicherweise weiterer) Vollstreckungsschaden nicht konkret absehen lässt, ist er zu schätzen (OLG Karlsruhe GRUR-RS 2022, 30212 Rn. 13), z.B. in Form eines angemessenen Aufschlags auf den Wert der vorläufig vollstreckbaren Leistung. Die der gerichtlichen Schätzung zugrunde zu legenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (OLG Karlsruhe GRUR-RS 2022, 30212 Rn. 13). Die Last, das Gericht von einem bestimmten Ausmaß des Sicherungsbedürfnisses zu überzeugen (LG Düsseldorf GRUR-RS 2019, 37383 Rn. 117), obliegt dem durch die Sicherheitsleistung Begünstigten (LG München I GRUR-RS 2024, 1165 Rn. 155). Da der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO lediglich insoweit abgesichert werden soll, wie die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO beruht, ist die Sicherheitsleistung - ebenso wie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit - nach Prozessrechtsverhältnissen, Streitgegenständen und Parteien getrennt zu bestimmen. Dabei richtet sich im Rahmen eines nachfolgenden, den Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO betreffenden Rechtstreits der Inhalt und Umfang des Schadensersatzes nach den §§ 249 ff. BGB, so dass auch ein sich nach § 254 BGB ergebendes Mitverschulden des Schuldners anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist.
324Bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung eines für vorläufig vollstreckbar zu erklärenden Urteils ist dieser Umstand allerdings nicht zu berücksichtigen. Dies würde auf eine Prognosebeurteilung hinauslaufen, da zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils im Rahmen der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung bereits in die Betrachtung ein etwaiges (keinesfalls feststehendes) Verhalten des Schuldners eingestellt werden müsste und mit Blick auf dieses hypothetische Verhalten eingeschätzt werden müsste, ob dem Schuldner ein mitwirkendes Verschulden im Rahmen eines Anspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO angelastet werden kann.
325Die Kammer sieht sich nicht in der Lage und sieht es auch nicht als ihre Aufgabe, abzuschätzen, an welches Verhalten auch immer ein etwaiges Mitverschulden angeknüpft werden könnte. Hinzukommt, dass eine anspruchsmindernde Berücksichtigung eines etwaigen Verhaltens des Schuldners der grundsätzlichen Risikoverteilung widerspricht. Der Gläubiger vollstreckt auf eigene Gefahr und ihm sind daher ausschließlich die Risiken zugewiesen, die sich aus der Zwangsvollstreckung ergeben (BeckOK ZPO/Ulrici ZPO, 55. Ed. § 717 Rn. 15-16.1). Die Sicherheitsleistung dient – wie oben ausgeführt – der Absicherung der sich im Fall der Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils aus § 717 Abs. 2 ZPO ergebenden Ausgleichsansprüche des Vollstreckungsschuldners und dieser hat das Recht und es steht ihm frei, das Recht auf den gesetzlich vorgegebenen Wegen zu suchen. Wenn eine Partei der Auffassung ist, dass sie einen streitigen Punkt auf gerichtlichem Wege geklärt haben möchte, so ist es ihre freie Entscheidung, die nicht durch die Obliegenheit eingeschränkt ist, die über den Weg des Mitverschuldens nach § 254 BGB zum Versagen eines gesetzlich vorgesehenen Schadensersatzanspruches führen kann.
326Gleichermaßen nicht zu berücksichtigen ist, ob den Beklagten während des Laufes eines Berufungsverfahrens eine Umgehungslösung möglich und dies bei der Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung zu berücksichtigen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Kammer über keinerlei Daten verfügt, ob und ggfs. binnen welchen Zeitraums die Implementierung einer Umgehungslösung den Beklagten möglich wäre, gilt allerdings auch hier, dass es nicht Sinn und Zweck der Bestimmung einer Sicherheitsleistung ist, die Beklagten in eine Umgehungslösung zu zwingen.
327Geht man von diesen Grundsätzen aus bestimmt sich die Sicherheitsleistung und damit der Vollstreckungsschaden in aller Regel nach dem festgesetzten Streitwert. Denn die Bestimmung des Streitwerts richtet sich nach dem Interesse der klagenden Partei an der begehrten gerichtlichen Entscheidung, für dessen Berechnung bei einem – auch hier im Vordergrund stehenden – Unterlassungsanspruch nicht nur der Wert und die Bedeutung der verletzten Rechtsposition des Klägers, sondern ebenso der Umfang der angegriffenen Handlungen maßgeblich sind (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 256 – Sicherheitsleistung/Kaffeepads; LG Düsseldorf, Urt. v. 7. Februar 2024, 4c O 58/22). Jedenfalls ist die Vollstreckungssicherheit typischerweise nicht höher als der Streitwert einzuschätzen. Denn während es für die Höhe der vom Landgericht anzuordnenden Vollstreckungssicherheit nur auf den mutmaßlichen Vollstreckungsschaden des Schuldners im kurzen Zeitraum bis zur Berufungsverhandlung und der sich daran anschließenden Verkündung der Berufungsentscheidung ankommt, weil mit ihr eine eigene, neue Vollstreckungsgrundlage geschaffen wird, und darüber hinaus nicht vollstreckbare Teile des Urteilsausspruchs (wie der Feststellungstenor) außer Betracht zu bleiben haben, fallen für die Streitwertbemessung sämtliche Klageansprüche und der gesamte Zeitraum bis zum regulären Ende der Patentlaufzeit ins Gewicht (OLG Düsseldorf, GRUR RR 2012, 304 – Höhe des Vollstreckungsschadens). Ist dagegen – ausnahmsweise – zu erwarten, dass eine in Höhe des Streitwerts festgesetzte Sicherheit den drohenden Vollstreckungsschaden nicht vollständig abdecken wird, ist es Sache des Beklagten, dem Gericht die dafür bestehenden konkreten Anhaltspunkte darzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47). Hierfür bedarf es weder einer ins Einzelne gehenden Rechnungslegung noch der Ausbreitung von Geschäftsinterna. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr eine generalisierende Darstellung, die die behaupteten Umsatz- und Gewinnzahlen nachvollziehbar und plausibel macht. Hierzu wird es vielfach genügen, auf Dritte ohnehin zugängliche Unterlagen wie Geschäftsberichte oder dergleichen zurückzugreifen oder eine nach Maßgabe der obigen Ausführungen spezifizierte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers oder eines sonst zuständigen Mitarbeiters vorzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47).
328Vorliegend haben die Beklagten nachvollziehbar vorgetragen, dass eine Vollstreckungssicherheit in Höhe des Streitwerts den Vollstreckungsschaden nicht ansatzweise abdeckt und durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen hierzu näher vorgetragen. Berechnungsrelevant ist der Zeitraum bis Abschluss des Berufungsverfahrens, welcher derzeit 15 Monate plus Spruchfrist, d.h. 16 Monate beträgt. Im Einzelnen:
Danach haben die Beklagten vorgetragen und eidesstattlich versichert, dass mit Blick auf eine Unterlassungsvollstreckung der X (einschließlich X) bis zu einer Berufungsentscheidung ein Schaden in Höhe von X Euro eintritt. Dabei basiert die Berechnung auf einem Gewinn aus dem Jahr 2023 in Höhe von X Euro. Denn alle seit X verfügbaren Versionen der X umfassen die angegriffene Funktion „Cast“. Den im Jahr 2023 erzielten Gewinn mit der X haben die Beklagten mit der eidesstattlichen Versicherung der X (Anlage X 10, deutsche Übersetzung X 10a), vorgetragen. Diese hat beschrieben, welche Gewinne der X mit dem X gemacht hat. Soweit die Klägerin die in der eidesstattlichen Versicherung von X gemachten Zahlen als nicht werthaft ansieht, da diese sie nicht selbst ermittelt habe, überzeugt dies nicht. Zwar mag X diese nicht selbst wahrgenommen haben, was aufgrund ihrer Position als X der und aufgrund ihrer Tätigkeit in der Betreuung weltweiter Patentverletzungsverfahren bei X ohne Weiteres nachvollziehbar ist, da die Ermittlung entsprechender Zahlen nicht ihrem Zuständigkeitsbereich entspricht. Allerdings hat sie versichert, dass ihr diese von den zuständigen technischen und finanziellen Abteilungen zur Verfügung gestellt wurden, womit sie grundsätzlich zunächst aus dem X stammen und zur Berechnung der Sicherheitsleistung herangezogen werden können. Die Kammer hält die Erklärung für ausreichend. Denn für die Darlegung einer höheren Sicherheitsleistung bedarf es weder einer ins Einzelne gehenden Rechnungslegung noch der Ausbreitung von Geschäftsinterna. Eine generalisierende Darstellung, die die behaupteten Umsatz- und Gewinnzahlen nachvollziehbar und plausibel macht, reicht aus.
330Weniger plausibel erscheinen der Kammer allerdings die Angaben zum Gewinn und damit zur Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung betreffend die angegriffenen Endnutzergeräte. Die Beklagten machen geltend, dass bei einer Vollstreckung ein möglicher Schaden in Höhe von X Euro zu befürchten wäre. Sie haben insoweit unter Bezugnahme auf eine eidesstattliche Versicherung von X (Anlage X 15, deutsche Übersetzung X15a), vorgetragen wie im Unternehmen der Beklagten basierend unter anderem auf X ermittelt werden. Dabei wird, was in der eidesstattlichen Versicherung näher erläutert wird, der X für ein Gerät ermittelt. Es handelt sich hierbei X. Der X wird berechnet X. Dabei umfasst der X nicht alle Gewinne mit anderen Produkten und Dienstleistungen des Käufers des Geräts nach dem Kauf, die mit dem Gerät nur irgendwie in Zusammenhang stehen. Vielmehr erfasst der LTV nur solche Gewinne, die bei der Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs ersatzlos wegfallen. Eine entsprechende Aufstellung für die einzelnen angegriffenen Endnutzergeräte nebst Prognose haben die Beklagten überreicht.
331Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine nachvollziehbare und glaubhaft gemachte Darlegung eines prognostizierten Schadens. Eine Berechnung allein auf Basis des X würde, wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, da der X erzielt werden.
332Auf die Kritik der Klägerin konnten die Beklagten allerdings nicht mit Sicherheit ausschließen, dass in die Berechnung X, der bei einer Vollstreckung zu berücksichtigen ist, nicht eingeflossen ist. Insofern besteht daher das Risiko einer Übersicherung. Dieses bemisst die Kammer mit einem Abschlag von 50 % auf den dargelegten möglichen Gewinnausfall, d.h. X Eur x 1/2 = X Euro.
333Soweit die Beklagten ferner einen zusätzlichen Schaden durch den erzwungenen Marktaustritt in Höhe von X Euro geltend machen, da es X dauern würde bis der alte Zustand wieder erreicht würde, ist die Kammer hiervon mangels nachvollziehbarer Darlegungen nicht überzeugt. Die Behauptung, dass tatsächlich X benötigt würden um den ursprünglichen Zustand wieder zu erreichen, ist zu pauschal und kann auch der eidesstattlichen Versicherung von X (Anlage X 15, deutsche Übersetzung X 15a) nicht entnommen werden. Dort ist unter X von einer X die Rede.
Ferner ist eine Sicherheitsleistung für die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung in Höhe von X Euro angemessen.
335Denn, wenn eine unvertretbare Handlung, z.B. ein Auskunftsanspruch, vollstreckt werden kann, ist neben den Verfahrenskosten (vgl. BGH NJW-RR 2024, 610 Rn. 22) primär der geschätzte Aufwand an Zeit und Kosten einzustellen, den der Schuldner zur Leistungserbringung tätigen muss (vgl. BGH GRUR 2022, 1675 Rn. 26; NJW 1995, 664 (664 f.)). Der Wert des Leistungsinteresses des Gläubigers ist dagegen nicht maßgeblich.
336Den geschätzten Aufwand haben die Beklagten für eine Auskunftserteilung ab dem 1. Januar 2023 mit X Euro, hilfsweise X Euro ermittelt. Dabei wurden die X und die X berücksichtigt. Dabei ist nach Ansicht der Kammer X zu berücksichtigen. Insgesamt sind danach X Sachverhalte zu berücksichtigen. Legt man 2 Euro als Aufwand pro Verkaufsvorgang zugrunde (vgl. OLG München, Urt. v. 17. Dezember 2020, 6 U 6389/20, S. 28) ergibt sich eine Sicherheitsleistung in Höhe von X Euro.
Die Sicherheitsleistung ist vorliegend für alle Beklagten gemeinsam festzusetzen. Grundsätzlich ist zwar, da der Anspruch aus § 717 Ab. 2 ZPO lediglich insoweit abgesichert werden soll, wie die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO beruht, die Sicherheitsleistung – ebenso wie der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit – nach Prozessrechtsverhältnissen, Streitgegenständen und Parteien getrennt zu bestimmen (BeckOK ZPO/Ulrici ZPO, § 709 Rn. 3 m.w.N.).
338Eine Aufteilung der Sicherheiten nach den einzelnen Beklagten, wie von der Klägerin vorgeschlagen, wird dem Schutzinteresse nicht gerecht. Die Festsetzung der Sicherheiten getrennt nach Beklagten hätte zur Folge, dass die Klägerin durch vorläufige Vollstreckung gegenüber einer Beklagten bei Leistung einer auf die einzelnen Beklagten aufgeteilten Sicherheitsleistung das Urteil auch gegenüber den weiteren Beklagten durchsetzen könnte, ohne dass für diese zu diesem Zeitpunkt hätte Sicherheit geleistet werden müssen. Dies haben die Beklagten mit Blick auf das arbeitsteilige und verzahnte Tätigwerden der Beklagten vorgetragen, was für die Kammer plausibel erscheint. Damit hätte die Vollstreckung gegenüber einer der Beklagten stets auch eine Durchsetzung des Unterlassungstitels gegenüber den weiteren Beklagten zur Folge, was nur dann geboten wäre, wenn für jede einzelne Beklagte die gesamte Sicherheitsleistung festgesetzt werden würde, was nicht dem Interesse der Klägerin entsprechen dürfte.
Einheitlich festzusetzen ist die Sicherheitsleistung auch in Bezug auf die Modellreihen. Eine getrennte Festsetzung beispielsweise nur für die X muss ausscheiden. Denn Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist der zu vollstreckende Anspruch (vgl. Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 704-945b, Rn. 3). Teilsicherheiten sind nur für einzelne Ansprüche möglich (OLG Düsseldorf, Teilurt. V. 7. Juli 2026 – I-2 U 34/16).
Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO war den Beklagten nicht zu gewähren, da die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bereits nicht glaubhaft gemacht haben.
Der Streitwert wird auf 3.000.000,00 EUR festgesetzt, § 51 Abs. 1 GKG.
342Klepsch |
Dr. Janich |
Dr. Gräwe |