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Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Kauf von Lebensmitteln unter Angabe eines Preises bei Voranstellung einer prozentualen Preisermäßigung („‑23%“) in einem Prospekt zu werben, wenn sich die prozentuale Preisermäßigung nicht auf den niedrigsten Gesamtpreis aus den letzten 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung bezieht, sondern auf eine „UVP 1.29“ des Herstellers, wie geschehen im Werbeprospekt unter der Überschrift „DEINE MARKEN NOCH GÜNSTIGER. BIS ZU -48% SPAREN.“ gemäß Anlage K 2.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihren organschaftlichen Vertretern zu vollstrecken ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger € 243,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Februar 2025 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Verurteilung zur Unterlassung gegen Sicherheitsleistung von € 25.000 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Er nimmt die Beklagte wegen einer aus seiner Sicht Verbraucherinteressen beeinträchtigenden Werbung in Anspruch. Die Beklagte ist Teil der Unternehmensgruppe ALDI SÜD. Sie ist für deren werbliche Außendarstellung verantwortlich und erstellt hierzu wöchentlich Prospekte. Diese gibt sie in Papierform heraus und hält sie online auf mehreren Kanälen zum Abruf bereit. In den Prospekten stellt sie unter anderem Angebote aus dem Filialsortiment der Unternehmensgruppe vor.
3Der für die Woche vom 11. bis zum 16. November 2024 geltende Prospekt präsentierte auf seiner (von dem Kläger in Ablichtung als Anlage K 2 vorgelegten) Seite 10 ein Waschmittel und fünf Lebensmittel unter der Überschrift „DEINE MARKEN NOCH GÜNSTIGER.“, dem ein rotes Rechteck mit der Aufschrift „BIS ZU ‑48% SPAREN.“ folgte. Jedem Artikel war ein weißes liegendes Rechteck mit abgerundeten Ecken (Preiskachel) zugeordnet. Auf den Preiskacheln fanden sich zwei Preisangaben, nämlich in der Mitte eine größere, mit einem Sternchen versehene, und in der rechten unteren Ecke eine kleinere durchgestrichene. An der rechten oberen Ecke wurden die Preiskacheln von einem roten Störer mit Angabe einer prozentualen Reduzierung überlagert. Vor der durchgestrichenen Preisangabe in den Preiskacheln fand sich bei drei Artikeln der Zusatz „UVP“. Beispielsweise lauteten die Preisangaben im Fall eines beworbenen (in zwei Geschmacksrichtungen erhältlichen) Energy Drinks der Marke RED BULL „0.99*“ und „UVP1.29“. Die Prozentangabe lautete „-23%“. Der Sternchenhinweis an den Preisangaben wird unten auf der Prospektseite wie folgt aufgelöst: „Wir bitten um Beachtung, dass diese Artikel nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen und daher zu bestimmten Zeiten der Aktion ausverkauft sein können. Alle Artikel ohne Dekoration. Artikel teilweise mit Serviervorschlägen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des Gesamtbildes der Prospektseite wird auf die im Anschluss an die Entscheidungsgründe wiedergegebene Abbildung 1 verwiesen. Wegen der Einzelheiten des herausgegriffenen Angebots des Energy Drinks wird auf Abbildung 2 Bezug genommen.
4Der Kläger hält die Werbung für unlauter, mahnte die Beklagte deshalb mit anwaltlichem Schreiben ab und beanspruchte – beides vergeblich – die Erstattung einer Pauschale für ihm hierdurch entstandene Kosten in Höhe von € 243,51. Mit seiner Klage verfolgt er seine Begehren weiter.
5Er beantragt,
6I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Kauf von Lebensmitteln unter Angabe eines Preises bei Voranstellung einer prozentualen Preisermäßigung („‑23%“) in einem Prospekt zu werben, wenn sich die prozentuale Preisermäßigung nicht auf den niedrigsten Gesamtpreis aus den letzten 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung bezieht, sondern auf eine „UVP 1.29“ des Herstellers, wie geschehen im Werbeprospekt unter der Überschrift „DEINE MARKEN NOCH GÜNSTIGER. BIS ZU -48% SPAREN.“ gemäß Anlage K 2;
7II. der Beklagten näher bezeichnete Ordnungsmittel für den Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen;
8III. die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn € 243,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (5. Februar 2025) zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie meint, ihre Werbung enthalte eine (zulässige) Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP) und verweist darauf, dass – was zwischen den Parteien nicht streitig ist – sich die UVP des Herstellers für die beiden von ihr beworbenen Gebinde des Energy Drinks nach wie vor auf € 1,29 belaufe und verschiedene Mitbewerber die Erzeugnisse für € 1,39 oder sogar € 1,49 anböten.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13I.
14Die Klage ist zulässig.
151. Die Berechtigung des Klägers zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlich begründeter Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und damit – neben seiner sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung – seine prozessuale Klagebefugnis (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B I 1]) steht weder zwischen den Parteien im Streit noch ergeben sich sonst Anhaltspunkte an ihr zu zweifeln.
162. Die Klage ist nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers unzulässig.
17a) Es liegt kein Fall von § 8c Abs. 2 Nr. 5 UWG vor. Dazu müsste die vorgeschlagene Unterlassungserklärung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgehen. Das ist nicht der Fall. In der Abmahnung hat sich der Kläger – anders als nun im Rechtsstreit – mit weiteren Gestaltungselementen der Prospektseite nicht befasst. Er hat lediglich beanstandet, die Beklagte habe mit einer prozentualen Ermäßigung geworben, die sich nicht auf einen früher verlangten Preis, sondern auf eine unverbindliche Preisempfehlung bezogen habe, ohne dabei den niedrigsten verlangten Preis der letzten 30 Tage angegeben zu haben. Dieser abgemahnten Rechtsverletzung entspricht die von dem Kläger vorgeschlagene Unterlassungserklärung.
18b) Ob die Klage infolge der Befassung mit weiteren Gestaltungselementen der Prospektseite hinter der Abmahnung zurückbleibt, kann offenbleiben. Daraus könnte kein Rechtsmissbrauch abgeleitet werden.
19II.
20Die Klage ist begründet.
211. Die allgemeinen Voraussetzungen des von dem Kläger mit seinem Antrag I verfolgten, auf Wiederholungsgefahr gestützten wettbewerbsrechtlichen Verletzungsunterlassungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1 UWG sind erfüllt. Der Kläger ist – wie unter I 1 bereits angesprochen – gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anspruchsberechtigt Das öffentliche Zugänglichmachen der von ihm inhaltlich beanstandeten Darstellung in dem von der Beklagten herausgegebenen Prospekt ist eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. dazu auch Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 1 b]). Das Handeln hat eine Person, deren Verhalten gemäß § 8 Abs. 2 UWG oder entsprechend § 31 BGB der Beklagten zuzurechnen ist, veranlasst oder entscheidend daran mitgewirkt. Es verstößt gegen § 11 Abs. 1 PAngV (dazu unter II 2), was gemäß §§ 5a Abs. 1 bis Abs. 3, 5b Abs. 4 UWG seine Unlauterkeit nach sich zieht (dazu unter II 3). Weil das Handeln unlauter ist, ist es gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig. Ein unzulässiges Handeln begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Gefahr der Wiederholung entsprechender sowie kerngleicher Verstöße (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2025 – I ZR 186/17 –App-Zentrum III [unter B II 1 d aa]; Urteil vom 23. Januar 2024 – I ZR 147/22 – Eindrehpapier [unter B II 5 a]).
222. Die Bewerbung des von dem Kläger herausgegriffenen Energy Drinks verstößt gegen § 11 Abs. 1 PAngV.
23a) § 11 Abs. 1 PAngV schreibt (in Umsetzung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL) vor, dass derjenige, der zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben hat, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat.
24b) Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind, beurteilt sich nach den gefestigten Grundsätzen, die zu Vorschriften entwickelt wurden, die eine Täuschung von Verbrauchern verhindern sollen, und die – über den von der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (UGPRL) erfassten Bereich hinaus – allgemein angewendet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – C-44/17, Scotch Whisky Association/Michael Klotz [Rn. 45, 47]; Urteil vom 21. Januar 2016 – C-75/15, Viiniverla Oy/Sosiaali – ja terveysalan lupa – ja valvontavirasto [Rn. 22 und 25]; Urteil vom 28. Januar 1999 – C-303/97, Verbraucherschutzverein eV ./. Sektkellerei G.C. Kessler GmbH & Co. KG [Rn. 36]; Urteil vom 16. Juli 1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide GmbH und Rudolf Tusky ./. Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt [Rn. 31 und 37]). Nach diesen Grundsätzen ist auf die Wahrnehmung eines normal informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wobei der Begriff des Durchschnittsverbrauchers nicht auf statistischen, sondern auf normativen Maßstäben beruht und einen fiktiven typischen Verbraucher bezeichnet, dessen mutmaßliche Reaktion von den Gerichten regelmäßig aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer Verbraucherbefragung unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren durch Anwendung speziellen Erfahrungswissens festzustellen ist (vgl. Erwägungsgrund 18 der UGPRL; EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide GmbH und Rudolf Tusky ./. Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt [Rn. 31 f., 35 f. und 37]; Urteil vom 26. Oktober 2016 – Rs. C-611/14 Canal Digital Danmark A/S [Rn. 39 f.]; Urteil vom 7. Juni 2018 – C-44/17, Scotch Whisky Association ./. Michael Klotz [Rn. 45, 47, 52 und 56]; Urteil vom 9. September 2021 – C-406/20, Phantasialand ./. Finanzamt Brühl [Rn. 46 f.]; Urteil vom 23. Januar 2025 – C-518/23, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. ./. NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH [Rn. 34 ff.]; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 167/97 – Orient-Teppichmuster, GRUR 2000, 619 [unter II 2 b]; Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 – Marktführerschaft [unter II 2 a]; Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 – Biomineralwasser [unter II 2 c aa und unter II 3 a aa]; Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport [unter II 3 c bb]; Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 34/12 [unter II 2]; Urteil vom 20. September 2018 – I ZR 71/17 – Industrienähmaschinen [unter B II 1 e dd (1)]; Urteil vom 24. Januar 2019 – I ZR 200/17 – Das beste Netz [unter B II 2 a]; Urteile vom 7. April 2022 – I ZR 5/21 – Kinderzahnärztin [unter B II 3 c aa und bb] und I ZR 217/20 – Kinderzahnarztpraxis [unter B III 2 b und c]).
25Diese auf die Verbraucherwahrnehmung abstellende Sichtweise, die bereits bei der Anwendung anderer Vorschriften der PreisangabenRL zugrunde gelegt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, Citroën Commerce GmbH/Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs e. V. [Rn. 30]), steht im Einklang mit dem von der PreisangabenRL verfolgten Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen und zu diesem Zweck für eindeutige Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung bekannt gegebener Ermäßigungen zu sorgen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]), und entspricht der nationalen Rechtsprechungspraxis (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. Januar 2025 – I ZR 49/24 – Bearbeitungspauschale [unter B II 4]).
26c) Die von der Beklagten betriebene Werbung fällt in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 PAngV. Da es sich um Preiswerbung handelt, mussten in ihr gemäß § 3 Abs. 1 PAngV Gesamtpreise angegeben werden. Das gilt für alle auf S. 10 des Prospekts beworbenen Artikel, namentlich auch für den für den Energy Drink.
27d) Die Bewerbung der auf S. 10 des Prospekts vorgestellten Artikel hat die Pflicht zur Angabe des jeweils niedrigsten Preises ausgelöst, der für diese Artikel innerhalb der letzten 30 Tage vor dem 11. November 2024 (dem Beginn der Gültigkeitsdauer des Prospekts und damit der Geltung der beworbenen Preise) gefordert worden ist. Auf der entsprechenden Seite des Prospekts wird für sämtliche Artikel – einschließlich des Energy Drinks – im Sinne von § 11 Abs. 1 PAngV eine Preisermäßigung bekanntgegeben.
28aa) Ob die tatbestandliche Voraussetzung der „Bekanntgabe einer Preisermäßigung“ erfüllt ist, beurteilt sich (wie unter II 2 b festgehalten) nach der Wahrnehmung des (unter II 2 b beschriebenen) Referenzverbrauchers. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob (wozu die Parteien nicht vorgetragen haben) tatsächlich eine Preisermäßigung stattgefunden hat, sondern ob die Werbung nach der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers den Eindruck einer solchen erweckt (vgl. auch Abschnitt 1.1 sowie Abschnitt 3 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/02).
29Für die Feststellung, eine Werbung gebe eine Preisermäßigung bekannt, ist es nicht notwendig, dass in der Werbung der bisherige Preis oder ein bestimmter Ermäßigungsfaktor genannt wird. Genügen kann beispielsweise die Angabe „jetzt nur € 5“ (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1999 – I ZR 159/97 – Preisknaller, GRUR 2000, 337 [unter I 2 b]). Diese Aussage bringt für den Verkehr ebenso eine Preissenkung zum Ausdruck, wie das bei Ankündigungen wie „Schlussverkauf(spreis)“, „Sonderangebote“, „Black-Friday-Angebote“ oder „heute ohne Zahlung der Mehrwertsteuer kaufen“ der Fall sein kann (vgl. Abschnitte 1.1 und 2.2 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, Bekanntmachung der Kommission, Abl. 2021/C 526/02). Allerdings handelt es sich bei der Preisgegenüberstellung – insbesondere unter Verwendung durchgestrichener Referenzpreise – um ein typisches Mittel der Preissenkungswerbung, weshalb eine nicht ausdrücklich anderweitig erläuterte Streichpreiswerbung von einem Durchschnittsverbraucher regelmäßig als Bekanntgabe einer Preisermäßigung wahrgenommen werden wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis II [unter II 1 c]; s.a. Abschnitt 2.8.2 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/01).
30Auf der anderen Seite ist nicht jede Preisgegenüberstellung als „Bekanntgabe einer Preisermäßigung“ anzusehen. So muss etwa eine vergleichende Werbung, in der eigene Preise denen von Mitbewerbern gegenüberstellt werden, keine Ankündigung eines Preisnachlasses enthalten. Ebenso kann es in Fällen liegen, in denen auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers Bezug genommen wird.
31Die unterschiedlichen Formen der Preisgegenüberstellung zeigen, dass „Preisvergleich“ und „Bekanntgabe einer Preisermäßigung“ keine sich einander ausschließenden Gestaltungsmittel von Preiswerbung sind. Beide können miteinander kombiniert werden und gleichzeitig in einer Werbung verwendet werden. Letztlich hängt es von der konkreten Gestaltung der Werbung ab, ob sie sich nach der Verbraucherwahrnehmung als bloßer (Fremd‑)Preisvergleich, als reine Bekanntgabe einer (Eigen‑)Preisermäßigung, oder als eine Kombination von (Fremd‑)Preisvergleichs- und (Eigen‑)Preissenkungswerbung darstellt.
32Von daher kann der von der Beklagten zitierte Satz, der „Verweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung [stelle] keine Preisermäßigung im Sinne von § 11 Abs. 1 PAngV dar“ (so OLG Stuttgart, Urteil vom 6. März 2025 – 2 U 142/23, GRUR-RS 2025, 4779 [unter II 2 b dd (1) (a)]), nicht dahin verstanden werden, jegliche Werbung, in der auf eine unverbindliche Preisempfehlung Bezug genommen werde, enthalte keine Bekanntgabe einer Preisermäßigung (vgl. auch Buchmann/Sauer WRP 2022, 538 [545] Rn. 52). Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Nur anhand ihrer kann ermittelt werden, wie eine Werbung auf den Durchschnittsverbraucher wirkt, und erst aufbauend darauf kann bestimmt werden, ob diese Werbung ausschließlich nach den für einen (Fremd‑)Preisvergleich entwickelten Grundsätzen zu beurteilen ist, ob sich ihre Zulässigkeit ausschließlich nach den für eine (Eigen‑)Preisnachlasswerbung geltenden Regeln beurteilt oder ob sie beiden Anforderungen entsprechen muss.
33Bei Prüfung der Frage, welche Art von Werbung vorliegt, wird man in Fällen, in denen ein beworbener Eigenpreis zu einer unverbindlichen Preisempfehlung in Beziehung gesetzt wird, von einer reinen (Fremd‑)Preisvergleichswerbung nur ausgehen können, wenn klar ersichtlich ist, dass es sich bei dem beworbenen (Eigen‑)Endverkaufspreis nicht (auch) um eine Ermäßigung des zuvor verlangten Eigenpreises handelt, sich also die Werbeaussage in dem Verweis auf die Preisempfehlung und der sich (allein) aus dem Vergleich mit ihr abgeleiteten Attraktivität des beworbenen Eigenpreises erschöpft. Das mit dem harmonisierten Preisangabenrecht verfolgte Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen und zum Zwecke einer verbesserten Unterrichtung der Verbraucher für eindeutige Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung bekannt gegebener Ermäßigungen zu sorgen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]; s.a. BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis II [unter II 1]; Urteil vom 17. März 2011 – I ZR 81/09 – Original Kanchipur [unter II 4 b]), rechtfertigt es, an das Tatbestandsmerkmal „Bekanntgabe einer Preisermäßigung“ keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Andernfalls könnten die mit Blick auf das hohe Irreführungspotential von Preisnachlasswerbung gerechtfertigten strengen Grundsätze für die Beurteilung solcher Werbung ihre verbraucherschützende Wirkung nur unzureichend entfalten.
34Diese Sichtweise entspricht den Überlegungen der Kommission, denen zufolge »ein Verkäufer, der einen Preisvergleich präsentiert, äußerste Sorgfalt walten lassen [muss], um sicherzustellen, dass der Durchschnittsverbraucher den Vergleich mit z. B. dem empfohlenen Einzelhandelspreis nicht als Preisermäßigung wahrnimmt. Wird der Preisvergleich aufgrund seiner irreführenden Darstellung von einem Durchschnittsverbraucher tatsächlich als Preisermäßigung wahrgenommen, kann diese Praktik infolge der falschen Darstellung des „vorherigen“ Preises einen Verstoß [gegen Art. 6a PreisangabenRL] darstellen« (vgl. Abschnitt 3 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/02). In dieselbe Richtung geht die von der Bundesregierung gegebene Begründung der PAngV, in der es heißt, es bleibe „Händlern mit Blick auf § 11 unbenommen, unter Einhaltung der Vorgaben des UWG mit einem Preisvergleich (z. B. zu einer unverbindlichen Preisempfehlung) zu werben, sofern auch hier für Verbraucher klar erkennbar ist, dass es sich lediglich um einen Preisvergleich und nicht um eine Preisermäßigung des eigenen Preises handelt (vgl. BR-Drucks. 669/21, S. 40).
35bb) In der Bewerbung des Energy Drinks auf S. 10 des Prospekts der Beklagten wird nach der Wahrnehmung des Verbrauchers eine Preisermäßigung bekanntgegeben. Sie ist Teil einer als Preissenkungswerbung aufgemachten Darstellung und wird von dem Referenzverbraucher entsprechend verstanden werden.
36(1) Für ein solches Verständnis spricht bereits die Überschrift der Prospektseite. In ihr heißt es unterhalb der Angabe des Gültigkeitszeitraums des Prospekts: „Deine Marken noch günstiger.“ Entsprechend ihrem Wortsinn wird der Verbraucher dieser Aussage entnehmen, die vorgestellten Produkte seien in den Filialen der Unternehmensgruppe der Beklagten während des genannten Zeitraums „noch günstiger“ als ohnehin schon. „Noch günstiger“ können die Waren aber nur sein, wenn sie vorher etwas weniger günstig (also teurer) waren. Folglich wird der Verkehr erwarten, die für diese Artikel geltenden Preise seien für die Dauer der Gültigkeit des Prospekts abgesenkt worden.
37Davon unabhängig wecken weitere Gestaltungsmittel die Erwartung einer Preissenkung. Das gilt zum einen für das rote Rechteck mit der Aufschrift „Bis zu ‑48% sparen.“ Es signalisiert dem Verbraucher (im Einklang mit der darüberstehenden Überschrift), die Preise für die auf der Seite vorgestellten Artikel seien um bis zu 48% gesenkt worden. Hinzu tritt, dass die Bewerbung des Energy Drinks auf diese, die Prospektseite einleitende Werbeaussage mit dem Störer „-23%“ Bezug nimmt. Dieser Störer bestätigt den Verbraucher in dem Verständnis, auch der Preis für den Energy Drink sei abgesenkt worden. Schließlich handelt es sich um eine Aktionswerbung mit nur für einen begrenzten Zeitraum gültigen Preisen. Derartige Aktionen versteht der Verbraucher typischerweise dahin, dass es sich bei den herausgestellt beworbenen Preisen um für den Gültigkeitszeitraum abgesenkte Preise handelt.
38(2) Der Zusatz „UVP“ lenkt das Verständnis des Verbrauchers nicht in eine andere Richtung.
39(a) Viele Verbraucher werden diesen Zusatz bereits nicht wahrnehmen. Die Werbung auf S. 10 des Prospekts ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ihrem Gesamteindruck nach als Preissenkungswerbung aufgemacht. In diesem werblichen Umfeld erwartet der Verbraucher keine – und schon gar keine zwischengestreuten – bloßen Vergleiche mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen. Deshalb wird der kleingeschriebene Zusatz „UVP“ bei einer Durchsicht des Prospekts vielfach untergehen.
40(b) Selbst wenn der Zusatz bemerkt wird, ergibt sich aus ihm nicht mit hinreichender Klarheit, dass es sich bei der Bewerbung des Energy Drinks nur um einen reinen UVP-Vergleich handelt und nicht (zugleich) eine Preissenkung angekündigt wird. Das werbliche Umfeld spricht – wie festgestellt – für letzteres. Auf S. 10 des Prospekts werden nicht nachrichtlich Preise gegenübergestellt, sondern es wird mit Gestaltungsmitteln gearbeitet, die typische Bestandteile von Preissenkungswerbung sind.
41Zwar bleiben, wenn die Angabe „UVP“ bemerkt wird, Fragen offen. Dies zu erkennen, setzt jedoch den Eintritt in eine analytische Betrachtung voraus, die anzustellen der Verbraucher bei Durchsicht des Prospekts keinen Anlass hat. Von daher wird er, so er die Angabe „UVP“ bemerkt, ihr letztlich angesichts der Einbettung der Bewerbung des Energydrinks in die insgesamt als Preissenkungswerbung aufgemachte Prospektseite keine Bedeutung beimessen.
42(c) Sollte ein Verbraucher gleichwohl in weitergehende Überlegungen zu dem Zusatz „UVP“ eintreten, ist nicht zu erwarten, dass er zu einem Verständnis dahingehend gelangt, bezogen auf die Energy Drinks liege eine bloße Preisvergleichswerbung und nicht zugleich eine Preissenkungswerbung vor.
43So ist der Bewerbung des Energy Drinks nicht zu entnehmen, ob der durchgestrichene Preis ausschließlich die UVP bezeichnen soll oder zugleich den von der Unternehmensgruppe der Beklagten vor Beginn der Aktion geforderten Eigenpreis. Der Umstand, dass der klein geschriebene Preis durchgestrichen ist, signalisiert dem Verbraucher auf den ersten Blick, dass dieser Preis früher galt, jetzt aber nicht mehr. Von daher läge es, wenn ein Verkäufer schlicht seinen Eigenpreis einer UVP gegenüberstellen möchte, nahe, die UVP nicht durchzustreichen (zu einem solchen Fall vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. November 2003 – I ZR 94/01 – Mondpreise?), denn diese muss ja – soll der Werbevergleich mit ihr zulässig sein (zu den Voraussetzungen einer wettbewerbsrechtlich zulässigen Bezugnahme auf eine unverbindliche Herstellerpreisempfehlung vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon [unter II 3 b bb und dd]; Urteil vom 27. November 2003 – I ZR 94/01 – Mondpreise? [unter II 1]; Urteil vom 14. November 2002 – I ZR 137/00 – Preisempfehlung für Sondermodelle [unter II 1 a]; s.a. Urteil vom 7. Dezember 2006 – I ZR 271/03 – UVP [unter II 2 und II 3 c]) – noch gültig sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht fernliegend, die Angabe „UVP1.29“ in Verbindung mit der Angabe einer prozentualen Reduzierung dahin zu verstehen, dass sich sowohl die UVP als auch der zuvor geforderte Eigenpreis auf € 1,29 belaufen.
44Geht der Verbraucher demgegenüber nicht davon aus, die UVP sei mit dem vorher geltenden Eigenpreis identisch, steht damit nicht zugleich fest, dass mit der Bewerbung des Energy Drinks keine Preisermäßigung bekannt gegeben wird. Dann nämlich wäre nicht erklärlich, weshalb die Bewerbung des Energy Drinks in das Umfeld einer Preisnachlasswerbung eingebettet ist. Deshalb hätte ein Verbraucher, der die Angabe „UVP1.29“ dahin versteht, dass mit € 1,29 ausschließlich die UVP angegeben werde, keinen Anlass anzunehmen, der (Eigen‑)Preis für dieses Produkt sei nicht abgesenkt worden. Für den Verbraucher bleibt lediglich offen, auf welchen Betrag sich der von der Unternehmensgruppe der Beklagten vor Beginn der Aktion geforderte Eigenpreis belief.
45Von daher führen die sich bei einer tiefergehenden analytischen Betrachtung der Werbung ergebenden Unklarheiten nicht dazu, dass der Verbraucher die Werbung nicht als Preissenkungswerbung wahrnimmt. Sie haben allenfalls zur Folge, dass sich der Verbraucher nicht in der Lage sieht, sich anhand der Werbung über das Ausmaß der angekündigten Preisermäßigung eine präzise Vorstellung bilden zu können.
46(d) Zusammenfassend führt der Zusatz „UVP“ vor der dem Energy Drink zugeordneten Streichpreisangabe nicht dazu, dass die Werbung entgegen dem durch die Aufmachung der Prospektseite hervorgerufenen Eindruck nicht (zumindest auch) als Preissenkungswerbung wahrgenommen werden wird. Die Werbung tritt dem Verbraucher bei unbefangener Betrachtung als Preisnachlasswerbung entgegen. Die Angabe „UVP“ verkehrt den hervorgerufenen ersten Eindruck aus der Verbraucherwahrnehmung nicht ins Gegenteil, sondern ist allenfalls dazu geeignet, zu Unklarheiten zu führen. Derartige Unklarheiten aber sind – wie unter II 2 d aa ausgeführt – kein Grund, die Werbung nicht den für Preisnachlasswerbung geltenden Regeln zu unterstellen.
47(3) Der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erhobene Einwand, ihre Unternehmensgruppe vertreibe zu 90% Eigenmarken und führe bestimmte Markenartikel nur gelegentlich, hat kein abweichendes Verständnis der Werbung zur Folge.
48(a) Das gilt schon deshalb, weil sich der Prospekt nicht ausschließlich an Stammkunden der Unternehmensgruppe der Beklagten richtet, die (so) regelmäßig dort einkaufen, dass sie mit der Zusammensetzung des dort zu findenden Sortiments vertraut sind. Unabhängig davon wird selbst solchen Verbrauchern zu großen Teilen beim Durchblättern des Prospekts nicht präsent sein, welche Markenartikel Teil des laufenden Sortiments der Beklagten sind und welche sie nur zeitlich begrenzt im Rahmen bestimmter Aktionen anbietet. Das gilt vor allem für Artikel, die Stammkunden der Beklagten selbst nicht regelmäßig einkaufen, sondern nur bisweilen erwerben.
49(b) Davon abgesehen besteht für den Verbraucher – mag er nun Stammkunde der Gruppe der Beklagten sein oder nicht – kein Anlass sich dazu Gedanken zu machen, ob einzelne oder alle auf S. 10 des Prospekts beworbenen Waren ständig in den Märkten der Beklagten verfügbar sind oder nicht. Die Beklagte wirbt auf S. 10 ihres Prospektes nicht damit, dass die beworbene Aktion darin bestehe, während des Gültigkeitszeitraums des Prospekts (ausnahmsweise) bestimmte Markenartikel anzubieten, die sie ansonsten nicht führt, sondern damit, dass man die präsentierten Produkte bei ihr während der Gültigkeit des Prospekts „noch günstiger“ einkaufen könne.
50Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Fußnotenhinweis, demzufolge Artikel zu bestimmten Zeiten der Aktion ausverkauft sein können. Diesem Hinweis entnimmt der Verbraucher nicht, dass die beworbenen Waren überhaupt nur im Rahmen der Aktion erhältlich sind, sondern, dass sie nur während der Aktion zu den beworbenen Preisen (und ansonsten zu mutmaßlich höheren Preisen) in den Märkten der Unternehmensgruppe der Beklagten erworben werden können.
51(4) Die von der Beklagten vorgetragene Verbreitung von Werbung mit Verweisen auf unverbindliche Preisempfehlungen rechtfertigt nicht die Annahme, jegliche Werbung, in der auf eine unverbindliche Preisempfehlung Bezug genommen wird, werde stets als reine Preisvergleichswerbung und nicht (zumindest auch) als Preissenkungswerbung verstanden. Vielmehr kommt es, wie unter II 2 d aa festgehalten, auf die konkrete Gestaltung der jeweils zu beurteilenden Werbung an. Einen gegenläufigen Erfahrungssatz hat das Oberlandesgericht Stuttgart in der von der Beklagten angeführten Entscheidung (vgl. oben unter II 2 d aa) nicht formuliert. Entsprechend wird jedenfalls ein großer Teil der von der Beklagten in der Klageerwiderung auszugsweise abgebildeten Werbemittel ihrer Mitbewerber (ebenfalls) als Preissenkungswerbung verstanden werden.
52cc) Auf die entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit der Werbung mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen kommt es nicht an. Diese Grundsätze sind heranzuziehen soweit es um die Frage geht, ob ein Verweis auf eine UVP als solcher zulässig ist. Erschöpft sich eine Werbung aber nicht in einem bloßen UVP-Vergleich, sondern enthält sie – stattdessen oder zusätzlich – die Ankündigung einer Preisermäßigung, ist sie insoweit (auch) nach den speziell für Preissenkungswerbung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.
53e) Der Verpflichtung zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage ist in der von der Beklagten verantworteten Werbung nicht entsprochen worden. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Streichpreis bei dem Energy Drink alleine die UVP bezeichnet und nicht zugleich – was voraussetzen würde, dass in den Geschäften, deren Angebot die Beklagte bewirbt, in den 30 Tagen vor Beginn der Gültigkeitsdauer des Prospekts durchgängig mindestens den Streichpreis für den Artikel gefordert wurde – den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage.
54Unabhängig davon hätte die Beklagte selbst dann gegen die Verpflichtung zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage verstoßen, wenn der Energy Drink in den letzten 30 Tagen vor Beginn der Gültigkeitsdauer des Prospekts durchgängig mindestens € 1,29 gekostet hätte (sich also der niedrigste Preis der letzten 30 Tage auf € 1,29 belaufen hätte). Zwar ist der Unternehmer nach § 11 Abs. 1 PAngV nicht verpflichtet, in der Ankündigung einer Preisermäßigung den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage als solchen zu betiteln, wenn er dem zuletzt von ihm angewendeten Preis entspricht und dieser Preis in der Werbung angegeben wird (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 2022 – 38 O 144/22, GRUR-RS 2022, 39854 = LMuR 2023, 170 mit Anm. Stange [unter II 2 b dd]). An letzterem aber fehlt es hier, obwohl der Streichpreis – wie unter II 2 d bb (2) (c) erörtert – möglicherweise dahin verstanden werden kann, dass er sowohl den letzten angewandten Eigenpreis als auch die UVP bezeichnen soll. Denn es bleibt die (von der Beklagten für richtig gehaltene) Deutungsmöglichkeit dahin, dass der Streichpreis nur die UVP bezeichnet. Damit wäre, sollte es sich bei dem Streichpreis zugleich um den letzten Eigenpreis handeln, der niedrigste Preis der letzten 30 Tage nicht so wie von § 11 Abs. 1 PAngV verlangt – nämlich nicht eindeutig (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]) – angegeben worden.
553. Infolge des inhaltlichen Verstoßes der angegriffenen Darstellung gegen die § 11 Abs. 1 PAngV zu entnehmenden, auf Unionsrecht zurückzuführenden Vorgaben ist das öffentliche Zugänglichmachen dieser Darstellung gemäß §§ 5a Abs. 1 und Abs. 3, 5b Abs. 4 UWG unlauter. Die Beklagte hat dem Verbraucher in ihrer Werbung unionsrechtlich geforderte wesentliche Informationen vorenthalten.
56a) Einer Prüfung der Lauterkeit der inhaltlich gegen § 11 Abs. 1 PAngV verstoßenden Geschäftspraxis der Beklagten anhand von §§ 5a Abs. 1 bis Abs. 3, 5b Abs. 4 UWG stehen Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (UGPRL) und die diese Regelung gleichlaufend in nationales Recht umsetzende Vorschrift des § 1 Abs. 2 UWG nicht entgegen.
57Ein die Anwendbarkeit der UGPRL ausschließender Kollisionsfall im Sinne von Art. 3 Abs. 4 UGPRL liegt regelmäßig nicht vor, wenn Art. 7 Abs. 5 UGPRL eingreift. Diese Vorschrift bezieht über die Verweisung auf im sonstigen Gemeinschaftsrecht (bzw. nunmehr Unionsrecht) festgelegte, die kommerzielle Kommunikation betreffende Informationsanforderungen diese Normen derart in den Anwendungsbereich der UGPRL ein, dass sie und die UGPRL sich gegenseitig ergänzen mit der Folge, dass auf die Verletzung von Informationspflichten im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGPRL (die zugleich solche im Sinne von § 5b Abs. 4 UWG darstellen) Art. 7 Abs. 1 bis Abs. 3 UGPRL – und damit einhergehend die diese umsetzenden Regelungen in § 5a Abs. 1 bis Abs. 3 UWG – anzuwenden sind. Abweichendes gilt nur, soweit die spezifischen Vorschriften des sonstigen Unionsrechts besondere Aspekte von auf ihre Lauterkeit zu prüfenden Geschäftspraktiken in einer mit den Vorgaben der UGPRL unvereinbaren Weise regeln (vgl. zum Ganzen näher Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 3 a aa (1) einschließlich der dort angeführten Nachweise]).
58Diese Voraussetzungen einer ergänzenden Anwendung von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 UGPRL (und damit einhergehend der sie in nationales Recht umsetzenden §§ 5a Abs. 1 und Abs. 2, 5b Abs. 4 UWG) sind in Bezug auf § 11 Abs. 1 PAngV, der seine Grundlage in Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL findet, erfüllt (vgl. Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 3 a aa (2)]).
59b) Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die dieser nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2).
60c) Diejenigen Informationen, deren Angabe durch § 11 Abs. 1 PAngV vorgeschrieben wird, gelten gemäß § 5b Abs. 4 UWG als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG (vgl. Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 3 a cc]).
61d) Mit dem öffentlichen Zugänglichmachen der Werbung, in der eine den Vorgaben des § 11 Abs. 1 PAngV nicht genügende Bekanntgabe einer Preisermäßigung enthalten ist, hat die Beklagte dem Verbraucher wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG vorenthalten. Zwar ist die Beklagte nicht Verkäuferin der beworbenen Waren und deshalb nach dem Wortlaut der PAngV nicht Normadressat von § 11 Abs. 1 PAngV. Gleichwohl fiel es in ihren Verantwortungsbereich, die von § 11 Abs. 1 PAngV geforderten Informationen dem Verbraucher in der Werbung bereitzustellen (vgl. Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 3 a dd (3)]).
62e) Nach den Umständen benötigt der Verbraucher die ihm vorenthaltenen Informationen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihr Vorenthalten ist geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (vgl. Kammerurteil vom 31. Oktober 2024 – 38 O 182/22, WRP 2025, 121 = GRUR-RS 2024, 29456 = kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2024-11/lg_dusseldorf_31.10.24_az._38o182_22.pdf [unter II 3 a ee]).
63f) Auf diese rechtliche Bewertung hat die von der Beklagten vorgetragene Verbreitung von Werbung mit Verweisen auf unverbindliche Preisempfehlungen keinen Einfluss. Aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Werbeverhalten in einer Branche verbreitet oder sogar üblich ist, ergibt sich nicht dessen Lauterkeit (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I ZR 24/23 – Corona-Prophylaxe [unter B II 6]). Vielmehr sind die von der Beklagten angeführten Beispiele, soweit sie den Eindruck einer Preissenkungswerbung vermitteln, mangels Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage ihrerseits Erscheinungsformen eines unlauteren Handelns.
644. Gemäß § 13 Abs. 3 UWG schuldet die Beklagte dem Kläger den Ersatz der ihr in Rechnung gestellten Abmahnkosten. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erwägungen unter II 4 der Entscheidungsgründe des bereits mehrfach genannten, in dem zwischen den Parteien geführten Parallelverfahren 38 O 182/22 am 31. Oktober 2024 verkündeten Kammerurteils Bezug genommen. Klarzustellen ist insoweit, dass der letzte Absatz unter II 4 b der Entscheidungsgründe des genannten Kammerurteils (leider) etwas missverständlich abgefasst ist und in seinem mittleren Teil wie nachfolgend unterstrichen gelesen werden sollte:
65Hier liegt jedoch ein Ausnahmefall (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017, a.a.O. [unter B II 1 c]) vor. Die aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind für einen mit der wettbewerbsrechtlichen Durchsetzung von Verbraucherschutzrecht befassten Juristen überdurchschnittlich schwierig und verlassen den Rahmen der Kenntnisse, deren Anwendung von den Mitarbeitern des Klägers im Rahmen der Abarbeitung der in die tägliche Beratungspraxis des Klägers fallenden Angelegenheiten erwartet werden kann. Die streitentscheidende Norm ist eine Neuregelung, deren Normzweck angesichts der fehlenden Materialien des Unionsnormgebers nicht in jeder Hinsicht klar auf der Hand liegt und deren Auslegung zahlreiche Zweifelsfragen aufwirft. Die Bearbeitung der Angelegenheit zählt deshalb nicht zu den Tätigkeiten, deren Erledigung der Kläger ohne anwaltliche Hilfe zu bewerkstelligen hat.
66So verstanden gelten die Erwägungen uneingeschränkt fort und sind auf den hiesigen Fall übertragbar. Die von dem Kläger geltend gemachte Zuwiderhandlung knüpft an die noch immer neue Regelung in § 11 Abs. 1 PAngV an und betrifft Fragen, die in der Zuspitzung – soweit ersichtlich – noch nicht vertieft behandelt und entschieden worden sind.
675. Die auf die Abmahnpauschale beanspruchten Rechtshängigkeitszinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB zu.
68III.
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO. Die Androhung der Ordnungsmittel hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
70Streitwert: € 25.000
71W i e d e r g a b e d e r A b b i l d u n g e n
72Abbildung 1
73Abbildung 2
75Seifert