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Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Kauf von Lebensmitteln
- mit Preisreduzierungen in Form einer prozentualen Ermäßigung zu werben, wie geschehen im Fall der Bananen in dem für die Zeit vom 17. bis zum 22. Oktober 2022 geltenden Prospekt und in der im Anschluss an die Entscheidungsgründe wiedergegebenen Abbildung 1 dargestellt, wenn diese in Prozent angegebene Reduzierung nicht auf den niedrigsten Preis Bezug nimmt, der in den letzten 30 Tagen vor der Preisherabsetzung verlangt wurde;
- mit einer Preisreduzierung als „Preis-Highlight“ unter Angabe eines früheren Preises zu werben, wie geschehen im Fall der Ananas in dem für die Zeit vom 17. bis zum 22. Oktober 2022 geltenden Prospekt und in der im Anschluss an die Entscheidungsgründe wiedergegebenen Abbildung 1 dargestellt, wenn der als „Preis-Highlight“ bezeichnete Preis höher ist als der niedrigste Preis, der in den letzten 30 Tagen vor der Preisherabsetzung verlangt wurde.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihren organschaftlichen Vertretern zu vollstrecken ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger € 243,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2022 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Verurteilung zur Unterlassung gegen Sicherheitsleistung von € 30.000 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen und nimmt die Beklagte wegen einer aus seiner Sicht Verbraucherinteressen beeinträchtigenden Werbung in Anspruch. Die Beklagte ist Teil der Unternehmensgruppe ALDI SÜD. Sie ist für deren werbliche Außendarstellung verantwortlich und erstellt wöchentlich Prospekte, die sie in Papierform herausgibt und online zum Abruf bereithält. In den Prospekten stellt sie unter anderem Angebote aus dem Filialsortiment der Unternehmensgruppe vor.
3Der für die 42. Kalenderwoche (vom 17. bis zum 22. Oktober) 2022 geltende Prospekt präsentierte auf einer (von dem Kläger in Ablichtung als Anlage K 2 vorgelegten) Seite unter der Überschrift „UNSERE 6 FRISCHE-KRACHER FÜR DICH REDUZIERT“ sechs Lebensmittel, denen jeweils ein weißes liegendes Rechteck mit abgerundeten Ecken (Preiskachel) zugeordnet war. Auf den Preiskacheln fanden sich zwei Preisangaben, nämlich in der Mitte eine größere, mit einem Sternchen versehene, und in der rechten unteren Ecke eine kleinere durchgestrichene. Überlagert wurden diese Preiskacheln von schwarz-rot-gold gestreiften Störern. Dieser Störer war im Fall der „Rainforest Alliance Ananas“ mit dem Schriftzug „Preis-Highlight“ und bei den anderen Lebensmitteln mit Angabe einer prozentualen Reduzierung versehen. Unter jeder Preiskachel befand sich folgender Text: „Letzter Verkaufspreis. Niedrigster Preis der letzten 30 Tage: […]“. Die Preisangaben lauteten beispielsweise bei den Ananas „1.49*“ und „1.69“ in der Preiskachel und „1.39“ am Ende des Hinweistextes unterhalb der Preiskachel. Bei den „Fairtrade Bio-Bananen, lose“ lautete die Prozentangabe „-23%“ und die drei Preisangaben „1.29*“, „1.69“ und „1.29“. Wegen des Gesamtbildes der Prospektseite wird auf die im Anschluss an die Entscheidungsgründe wiedergegebene Abbildung 1 verwiesen, die einer verkleinerten Darstellung der Anlage K 2 ohne die von dem Kläger aufgebrachten Markierungen entspricht. Wegen der Einzelheiten der Darstellung der beiden beanstandeten Angebote wird auf Abbildungen 2 und 3 Bezug genommen. Der Sternchenhinweis wird auf einer späteren Seite des Prospekts wie folgt aufgelöst: „Wir bitten um Beachtung, dass diese Artikel nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen und daher zu bestimmten Zeiten der Aktion ausverkauft sein können. Alle Artikel ohne Dekoration. Artikel teilweise mit Serviervorschlägen.“
4Der in den Märkten der Unternehmensgruppe der Beklagten verlangte Preis für lose Fairtrade Bio-Bananen belief sich jedenfalls seit Mitte September durchgehend auf € 1,69/kg mit Ausnahme der Woche vom 19. bis zum 24. September, in der für die Bananen ein auf € 1,29/kg reduzierter Preis galt. Für die Rainforest Alliance Ananas galten während der fünf Wochen vor Angebotsbeginn (Kalenderwochen 37 bis 41) Stückpreise zwischen € 1,39 und € 1,79. Der Preis in der Woche vor Angebotsbeginn belief sich auf € 1,69.
5Der Kläger hält die Werbung in Bezug auf die Bananen und die Ananas für unlauter, mahnte die Beklagte deshalb mit anwaltlichem Schreiben ab und beanspruchte – beides vergeblich – die Erstattung einer Pauschale für ihm hierdurch entstandene Kosten in Höhe von € 243,51. Mit seiner Klage verfolgt er seine Begehren weiter.
6Er beantragt,
7I. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Verkauf von Lebensmitteln mit Preisreduzierungen in Form einer prozentualen Ermäßigung zu werben und/oder werben zu lassen, wie geschehen nach Anlage K 2 (Bananen; rote eckige Umrahmung durch den Kläger), wenn diese in Prozent angegebene Reduzierung nicht auf den niedrigsten Preis Bezug nimmt, der in den letzten 30 Tagen vor der Preisherabsetzung verlangt wurde;
8II. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Verkauf von Lebensmitteln mit einer Preisreduzierung als „Preis-Highlight“ unter Angabe eines früheren Preises zu werben und/oder werben zu lassen, wie geschehen nach Anlage K 2 (Ananas; rote eckige Umrahmung durch den Kläger), wenn der als „Preis-Highlight“ bezeichnete Preis höher ist als der Preis, der in den letzten 30 Tagen vor der Preisherabsetzung verlangt wurde;
9III. die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn € 243,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (1. Dezember 2022) zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie behauptet, in der 42. Kalenderwoche hätte ein Mitbewerber ebenfalls Ananas (allerdings ohne Rainforest Alliance Zertifizierung) für € 1,49 angeboten. Alle übrigen Mitbewerber hätten höhere Preise verlangt.
13Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Mai 2023 (kostenfrei abrufbar unter https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/sites/default/files/2023-05/lg_dusseldorf_vorlagebeschluss_19.05.23_az._38_o_182-22.pdf und veröffentlicht bei juris) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (fortan PreisangabenRL) vorgelegt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23 (= WRP 2024, 1311 mit Anm. Köhler; = ZIP 2024, 2396 mit Anm. Ernst) über die Vorlage entschieden.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15I.
16Die Klage ist zulässig. Die Berechtigung des Klägers zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlich begründeter Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und damit – neben seiner sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung – seine prozessuale Klagebefugnis (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B I 1]) steht weder zwischen den Parteien im Streit noch ergeben sich sonst Anhaltspunkte an ihr zu zweifeln.
17II.
18Die Klage ist begründet.
191. Die allgemeinen Voraussetzungen der von dem Kläger mit seinen Anträgen I und II verfolgten, auf Wiederholungsgefahr gestützten wettbewerbsrechtlichen Verletzungsunterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1 UWG sind erfüllt.
20a) Der Kläger ist – wie unter I bereits angesprochen – gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anspruchsberechtigt.
21b) Die von ihm verfolgten Unterlassungsansprüche leitet der Kläger aus dem öffentlichen Zugänglichmachen der von ihm inhaltlich beanstandeten, aus Wort- und Bildelementen bestehenden Darstellung her, die im Tatbestand beschrieben ist. Dieses Geschehen – also die (physische) Verbreitung der diese Darstellung enthaltenden Prospekte ebenso wie die (elektronische) Verbreitung durch das Bereithalten entsprechender Darstellungen zum Abruf über das Internet oder ihre Einbettung in Newsletter und andere elektronische Mitteilungen – erfüllt die Merkmale einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, und zwar jedenfalls in der Form der Förderung fremden Wettbewerbs (nämlich dem der Verkäuferinnen der beworbenen Waren, also der die Ladengeschäfte der Unternehmensgruppe ALDI SÜD betreibenden Regionalgesellschaften).
22c) Wegen dieser Vorgänge kann die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Sie bzw. eine Person, deren Verhalten ihr entsprechend § 31 BGB oder gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen ist, hat das Zugänglichmachen der Darstellungen in der beanstandeten Form veranlasst oder jedenfalls entscheidend daran mitgewirkt.
23d) Das geschäftliche Handeln ist gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig und begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Gefahr der Wiederholung entsprechender sowie kerngleicher Verstöße (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2024 – I ZR 147/22 – Eindrehpapier [unter B II 5 a]; Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App [unter B III 5 a]), soweit es unlauter ist. Letzteres ist der Fall, weil die Darstellung den bei ihrer Gestaltung zu beachtenden normativen Vorgaben zuwiderläuft (dazu nachfolgend 2) und die inhaltlichen Verstöße die Unlauterkeit des in dem öffentlichen Zugänglichmachen der Werbung liegenden geschäftlichen Handelns nach sich ziehen (dazu unter 3).
242. Die Bewerbung von Bananen und Ananas verstößt jeweils gegen § 11 Abs. 1 PAngV.
25a) § 11 Abs. 1 PAngV schreibt (in Umsetzung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL) vor, dass derjenige, der zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben hat, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat.
26b) Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind, beurteilt sich wie auch sonst bei Vorschriften, die (auch) eine Täuschung von Verbrauchern verhindern sollen, nach den gefestigten, ursprünglich zum Verbraucherschutzrecht entwickelten Grundsätzen, und damit nach der mutmaßlichen Erwartung eines normal informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – C-44/17, Scotch Whisky Association/Michael Klotz [Rn. 45, 47]; Urteil vom 21. Januar 2016 – C-75/15, Viiniverla Oy/Sosiaali – ja terveysalan lupa – ja valvontavirasto [Rn. 22 und 25]; Urteil vom 28. Januar 1999 – C-303/97, Verbraucherschutzverein eV ./. Sektkellerei G.C. Kessler GmbH & Co. KG [Rn. 36]; Urteil vom 16. Juli 1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide GmbH und Rudolf Tusky ./. Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt [Rn. 31 und 37]). Diese, bereits bei der Anwendung anderer Vorschriften der PreisangabenRL zugrunde gelegte (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, Citroën Commerce GmbH/Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs e. V. [Rn. 30]), auf die Verbraucherwahrnehmung abstellende Sichtweise steht im Einklang mit dem allgemein von der PreisangabenRL verfolgten Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, was verlangt, dass Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung bekannt gegebener Ermäßigung eindeutig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]).
27c) Die Bewerbung der Bananen und der Ananas fällt in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 PAngV. Da es sich um Preiswerbung handelt, mussten in ihr gemäß § 3 Abs. 1 PAngV Gesamtpreise angegeben werden.
28d) Die in dem Prospekt enthaltene Bewerbung der Bananen und der Ananas hat die Pflicht zur Angabe des niedrigsten für diese Artikel innerhalb der letzten 30 Tage vor dem 17. Oktober 2022 geforderten Preise ausgelöst. Für beide Artikel wird in der Werbung nach der Wahrnehmung des Verbrauchers eine Preisermäßigung bekanntgegeben. Das folgt bereits aus der Überschrift der Prospektseite, in der von einer Reduzierung der Preise für die sechs auf ihr vorgestellten Erzeugnisse die Rede ist. Davon unabhängig ergibt es sich für beide Produkte aus der Gegenüberstellung eines höheren durchgestrichenen – und auf diese Weise als nicht (mehr) gültig gekennzeichneten – Preises mit einem niedrigeren Preis. Für die Bananen kommt noch hinzu, dass eine negative Prozentzahl genannt wird, die vom Verkehr als Ermäßigungsfaktor wahrgenommen wird.
29e) Der Verpflichtung zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage ist in der Werbung nicht (vollständig) entsprochen worden. Zwar wird sowohl für die Bananen als auch für die Ananas jeweils der niedrigste Preis der letzten 30 Tage genannt. Gleichwohl ist die Werbung nicht regelkonform gestaltet, weil sie weitere Elemente enthält, die auf die Vorteilhaftigkeit des Preises hinweisen, ohne dass diese Elemente auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sind.
30aa) Wie der Gerichtshof auf die Vorlagefrage der Kammer entschieden hat, erschöpft sich der Regelungsgehalt von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL nicht in der Verpflichtung, bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Im Hinblick auf die von der PreisangabenRL allgemein und ihrem Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 im Besonderen verfolgten Ziele verlangt die Vorschrift darüber (und über ihren Wortlaut) hinaus, dass ein angegebener Ermäßigungsfaktor oder sonstige Werbeaussagen, mit denen die Ermäßigung bzw. die Vorteilhaftigkeit des abgesenkten Preises hervorgehoben werden soll, auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sein müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V./Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 24 ff.]).
31bb) Das Ergebnis dieser Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL ist auf § 11 Abs. 1 PAngV zu übertragen. Den von der Beklagten insoweit erhobenen Bedenken kann jedenfalls deshalb nicht beigetreten werden, weil eine von den Vorgaben des Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL abweichende Auslegung von § 11 Abs. 1 PAngV gegen Unionsrecht verstieße.
32Zwar finden selbst klare, genaue und unbedingte Bestimmungen einer Richtlinie, die dem Einzelnen Rechte gewähren oder Verpflichtungen auferlegen, als solche im Rahmen eines zwischen Privaten geführten Rechtsstreits keine Anwendung und können deshalb nicht angeführt werden, um die Anwendung einer Vorschrift des nationalen Rechts, die gegen die Richtlinie verstößt und nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann, auszuschließen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 41 ff.]). Davon unberührt bleibt aber die Verpflichtung der mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte, bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen zu berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um – ggf. unter Aufgabe einer gefestigten nationalen Rechtsprechung – seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer einschlägigen Richtlinie des Unionsrechts auszurichten, damit das darin festgelegte Ergebnis erreicht und Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2019 – C-143/18, Antonio Romano u.a. ./. DSL Bank… [Rn. 37 ff.]; Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 36 ff.]). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung unterliegt Grenzen lediglich dergestalt, dass die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen findet und nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen darf (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 – C-122/17, David Smith ./. Patrick Meade u.a. [Rn. 40]).
33Einer richtlinienkonformen, einen Gleichklang mit Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL herstellenden Auslegung ist § 11 Abs. 1 PAngV zugänglich. Anders läge es nur, wenn die Vorschrift nach ihrem Wortlaut, der Systematik, dem Zweck und der Entstehungsgeschichte eindeutig einen bestimmten (abweichenden) Regelungsgehalt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Lässt eine Norm im Rahmen des nach dem innerstaatlichen Recht methodisch Erlaubten unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zu, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht, ist eine richtlinienkonforme Auslegung zulässig. So aber liegt es hier. Nach Zweck und Entstehungsgeschichte der PAngV ist nicht zweifelhaft, dass dieses Regelwerk der Umsetzung der Vorgaben der PreisangabenRL dient. Mit dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 PAngV ist eine Übernahme der Auslegung, wie sie der Gerichtshof für Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL vorgenommen hat, nicht schlechthin unvereinbar, und die PAngV dient letztlich denselben Zielen, die mit der PreisangabenRL verfolgt werden.
34Offenbleiben kann, ob sich der Begründung des (deutschen) Verordnungsgebers positive Hinweise darauf entnehmen lassen, dass dessen Vorstellungen zu § 11a Abs. 1 PAngV bereits so weit reichten, wie die Vorgaben, die der Gerichtshof Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL entnommen hat (vgl. dazu Stillner, WRP 2023, 1293 [1295 f.]). Selbst wenn dem nicht so sein sollte oder sich die Begründung der Bundesregierung (BR Drs. 669/21) sogar gegenteilig verstehen ließe, stünde das einer richtlinienkonformen Auslegung von § 11 Abs. 1 PAngV nicht entgegen. Nach den anerkannten nationalen Auslegungsgrundsätzen können die Materialien bei der Auslegung von Normen nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen „objektiven“ Norminhalt schließen lassen, weshalb der sogenannte Wille des Normgebers oder der am Normgebungsverfahren Beteiligten bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden kann, als er auch im Text seinen Niederschlag gefunden hat; die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der normgebenden Instanzen dem objektiven Norminhalt gleichzusetzen, so dass sich Erkenntnisse zum Willen des Normgebers nicht gegenüber widerstreitenden gewichtigen Befunden durchsetzen können, die aus der Anwendung der anderen Auslegungskriterien gewonnen werden (vgl. BVerwG Beschluss vom 20. Juni 2022 – 5 PB 14.21 [Rn. 5]).
35cc) Danach entspricht die Bewerbung der Bananen nicht den Vorgaben des § 11 Abs. 1 PAngV.
36Für dieses Obst wird in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit den in der Preiskachel enthaltenen Preisen ein negativer Prozentsatz genannt. Dieser Prozentsatz stellt sich nach der Wahrnehmung des Verbrauchers als Angabe des Rabattfaktors dar.
37Mithin ist der Prozentsatz Teil der Werbeaussagen, mit denen die angekündigte Preisermäßigung beschrieben wird. Folglich hätte er auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen sein müssen.
38Letzteres ist nicht der Fall. Der Prozentsatz gibt nicht den Ermäßigungsfaktor im Vergleich zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage an, sondern denjenigen im Vergleich zu dem unmittelbar vor Eintritt der Preisermäßigung für die Bananen geforderten Preis.
39dd) Die Bewerbung der Ananas entspricht ebenfalls nicht den Vorgaben des § 11 Abs. 1 PAngV.
40In der Werbung ist von einem „Preis-Highlight“ die Rede. Diese Bezeichnung wird zwar – anders als das bei einem Prozentsatz der Fall ist – von dem Verbraucher nicht gleichsam aus sich heraus mit einer Preisermäßigung in Verbindung gebracht werden. Sie kann – für sich betrachtet – stattdessen als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass vergleichbare Erzeugnisse bei Wettbewerbern nur zu höheren Preisen erhältlich sind. Ein für ein solches Verständnis sprechender Umstand findet sich mit der Wendung „Deutschlands bester Preis“ im Umfeld der Bewerbung der Ananas im linken Bereich der Prospektseite.
41Gleichwohl wird der Verbraucher die Bezeichnung „Preis-Highlight“ in der angegriffenen Werbung als eine Werbeaussage wahrnehmen, mit der (zumindest auch) die Vorteilhaftigkeit des abgesenkten Preises hervorgehoben werden soll. Die Prospektseite dient ausweislich ihrer Überschrift dazu, sechs Artikel zu präsentieren, bei denen der Preis abgesenkt wurde. Zu diesen sechs Artikeln zählen die Ananas. Von daher liegt es für den Verbraucher nahe, die speziell für die Ananas getroffenen Werbeaussagen jeweils (zumindest auch) auf die für dieses Produkt vorgenommene Preissenkung zu beziehen. Das gilt zumal deshalb, als auch für die Ananas in der Preiskachel der beworbene (reduzierte) Preis einem durchgestrichenen (nicht mehr gültigem alten) Preis gegenübergestellt wird und der Störer mit der Aufschrift „Preis-Highlight“ der Kachel räumlich zugeordnet ist. Durch diese räumliche Zuordnung zu den Preisangaben wird aus Sicht des Verbrauchers ein inhaltlicher Bezug nicht nur zu der Angabe des im Angebotszeitraum gültigen Preises hergestellt, sondern zugleich zu der mit der Preisgegenüberstellung beworbenen Preisermäßigung. Von daher wird der Verbraucher, selbst wenn er zuvor die Wendung „Deutschlands bester Preis“ gelesen hat, die Bezeichnung „Preis-Highlight“ – wenn auch möglicherweise nicht ausschließlich, aber jedenfalls auch – auf die Preissenkung beziehen und sie (mit anderen Worten) als eine Werbeaussage wahrnehmen, mit der (auch) die Ermäßigung bzw. die Vorteilhaftigkeit des abgesenkten Preises hervorgehoben werden soll.
42Folglich hätte die Angabe „Preis-Highlight“ (so, wie sie in der angegriffenen Werbung verwendet worden ist) auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen werden müssen. Das ist nicht geschehen. Zwar kann Preis für die Ananas nach dem Vortrag der Beklagten als „Highlight“ bezeichnet werden, weil während des Angebotszeitraums bei keinem ihrer Mitwerber ein vergleichbares Produkt zu diesem Preis erhältlich war. Im Vergleich zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage handelt es sich jedoch nicht um ein „Highlight“, weil dieser Preis unter dem aktuell beworbenen lag. Deshalb handelt es sich bei der Bewerbung der Ananas um eine Darstellung, die dem sich aus Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL ergebenden (und für § 11 Abs. 1 PAngV zu übernehmenden) Erfordernis, Informationen über Preise und Methoden zur Berechnung bekannt gegebener Ermäßigungen eindeutig zu gestalten (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 28 und 24]), nicht genügt und die damit einhergehend gegen § 11 Abs. 1 PAngV verstößt.
433. Infolge des inhaltlichen Verstoßes der angegriffenen Darstellung gegen die § 11 Abs. 1 PAngV zu entnehmenden Vorgaben ist das öffentliche Zugänglichmachen dieser Darstellung unlauter.
44a) Die Unlauterkeit der geschäftlichen Handlung ergibt sich aus §§ 5a Abs. 1 und Abs. 3, 5b Abs. 4 UWG. Die Beklagte hat dadurch, dass sie die von § 11 Abs. 1 PAngV geforderte Information nicht so eindeutig bereitgestellt hat, wie das § 11 Abs. 1 PAngV vorgibt, zwar eine wesentliche Information bereitgestellt, dies jedoch in einer in § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG beschriebenen Weise, was einem Vorenthalten gleichsteht.
45aa) Einer Prüfung der Lauterkeit der inhaltlich gegen § 11 Abs. 1 PAngV verstoßenden Geschäftspraxis der Beklagten anhand von §§ 5a Abs. 1 bis Abs. 3, 5b Abs. 4 UWG stehen Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (UGPRL) und die diese Regelung gleichlaufend in nationales Recht umsetzende Vorschrift des § 1 Abs. 2 UWG nicht entgegen.
46(1) Ein die Anwendbarkeit der UGPRL ausschließender Kollisionsfall im Sinne von Art. 3 Abs. 4 UGPRL liegt regelmäßig nicht vor, wenn – was in Bezug auf § 11 Abs. 1 PAngV, wie nachfolgend unter II 3 a cc näher ausgeführt werden wird, der Fall ist – Art. 7 Abs. 5 UGPRL eingreift. Art. 7 Abs. 5 UGPRL bezieht über die Verweisung auf im sonstigen Gemeinschaftsrecht festgelegte, die kommerzielle Kommunikation betreffende Informationsanforderungen diese Normen derart in den Anwendungsbereich der UGPRL ein, dass sie und die UGPRL sich gegenseitig ergänzen mit der Folge, dass auf die Verletzung von Informationspflichten im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGPRL, die zugleich solche im Sinne von § 5b Abs. 4 UWG darstellen, Art. 7 Abs. 1 bis Abs. 3 UGPRL – und damit die diese umsetzenden Regelungen in § 5a Abs. 1 bis Abs. 3 UWG – anzuwenden sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2022 – I ZR 69/21 – Grundpreisangabe im Internet [unter C II 3 b cc (2)]; Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B II 1 e bb (2)]; Beschluss vom 29. Juli 2021 – I ZR 135/20 – Flaschenpfand III [unter B II 3 b dd (1)]; s.a. Beschluss vom 10. Februar 2022 – I ZR 38/21 – Zufriedenheitsgarantie [unter B II 6 b aa] sowie EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – C-544/13 und 545/13, Abcur AB/Apoteket Farmaci AB und Abcur AB/Apoteket AB u.a [Rn. 78 f.]; Urteil vom 13. September 2018 – C-54/17 und 55/17, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato/Wind Tre SpA und Autorità Garante…/Vodafone Italia SpA [Rn. 58 und 60 f.], Erwägungsgrund 10 der UGPRL und Abschnitte 1.2.1 und 1.2.2 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/01).
47Spezifischen Vorschriften des Unionsrechts wie Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL kommt ein gemäß Art. 3 Abs. 4 UGPRL (und § 11 Abs. 1 PAngV gemäß § 1 Abs. 2 UWG) die Prüfung anhand der UGPRL und der sie umsetzenden Normen beschränkender Anwendungsvorrang nur insoweit zu, als die spezifischen Vorschriften besondere Aspekte von auf ihre Lauterkeit zu prüfenden Geschäftspraktiken in einer mit den Vorgaben der UGPRL unvereinbaren Weise regeln (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, Citroën Commerce GmbH/Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs e. V. [Rn. 42 ff.]; Urteil vom 13. September 2018 – C-54/17 und 55/17, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato/Wind Tre SpA und Autorità Garante… ./.Vodafone Italia SpA [Rn. 60 f.]), etwa indem sie besondere Informationsanforderungen aufstellen oder bestimmen, wie bestimmte Informationen dem Verbraucher zu vermitteln sind (vgl. Erwägungsgrund 10 der UGPRL sowie EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – C-544/13 und 545/13, Abcur AB/Apoteket Farmaci AB und Abcur AB/Apoteket AB u.a [Rn. 79]). Soweit das der Fall ist, könnte eine durch spezielle unionsrechtliche Regelungen vorgeschriebene Informationspraxis selbst dann nicht als irreführend angesehen werden, wenn sie für sich gesehen geeignet sein sollte, bei Verbrauchern Fehlvorstellungen auszulösen, und es könnte ebenfalls nicht verlangt werden, die durch spezielle unionsrechtliche Regelungen vorgeschriebene Informationspraxis durch aufklärende Zusätze zu erläutern (vgl. EuGH, Urteil vom 4. September 2019 – C-686/17, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V./Prime Champ Deutschland Pilzkulturen GmbH [Rn. 66 ff. und 76 ff.]; Urteil vom 25. Juli 2018 – C-632/16, Dyson Ltd und Dyson BV/BSH Home Appliances NV [Rn. 32 ff.; 42 ff.]; BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 – I ZR 74/16 – Kulturchampignons II [unter II 2 c bb und unter II 2 d] sowie Köhler, WRP 2022, 127 [130 Rn. 30]).
48Von diesen Grundsätzen ist der Gerichtshof in Rn. 28 seines auf die Vorlagefrage der Kammer ergangenen Urteils nicht abgerückt. Die dort angestellten Erwägungen stellen nicht die eben beschriebene, über den in Art. 7 Abs. 5 UGPRL enthaltenen Verweis auf im Unionsrecht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation festgelegte Informationsanforderungen bewerkstelligte Einbeziehung dieser Bestimmungen in den Anwendungsbereich der UGPRL im Sinne einer gegenseitigen Ergänzung in Frage, sondern sollen in Erinnerung rufen, dass sich die inhaltlichen Anforderungen, die an die Geschäftspraxis bei der Bekanntgabe von Preisermäßigungen zu stellen sind, nach den Bestimmungen der PreisangabenRL richten, sofern diese speziell die Aspekte im Zusammenhang mit der Angabe des vorherigen Preises in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung und die Definition dieses Preises regeln, und insoweit ein Rückgriff auf die inhaltlichen Vorgaben der UGPRL ausscheidet. Eine abweichende Interpretation der Ausführungen des Gerichtshofs würde die in Art. 7 Abs. 5 UGPRL enthaltene Verweisung ihres Anwendungsbereichs berauben (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – I ZR 135/20 – Flaschenpfand III [unter B II 3 b dd (1)]) und die im Interesse des unionsrechtlich angestrebten hohen Verbraucherschutzniveaus von Art. 8 PreisangabenRL gleichermaßen wie von Artt. 11a, 13 UGPRL geforderte effektive Sanktionierung von Verstößen gegen unionsrechtliche Informationspflichten behindern.
49(2) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Anwendung von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 UGPRL (und damit einhergehend der sie umsetzenden §§ 5a Abs. 1 und Abs. 2, 5b Abs. 4 UWG) sind erfüllt. Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL (und damit einhergehend § 11 Abs. 1 PAngV) sind unter Berücksichtigung der von dem Gerichtshof auf die Vorlagefragen gegebenen Antwort keine von Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 UGPRL/§ 5a Abs. 1 und Abs. 2 UWG abweichenden Vorgaben zu entnehmen. Insbesondere verlangt Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL eine eindeutige Gestaltung der Informationen über beworbene Preisermäßigungen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2024 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eV ./. Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG [Rn. 23 f.]), was mit den Regelungszielen von Art. 7 Abs. 2 UGPRL/§ 5a Abs. 2 UWG übereinstimmt. Schließlich entsprechen die in Art. 8 PreisangabenRL vorgesehenen Sanktionen denjenigen der Artt. 11a, 13 UGPRL.
50bb) Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die dieser nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2).
51cc) Diejenigen Informationen, deren Angabe durch § 11 Abs. 1 PAngV vorgeschrieben wird, gelten gemäß § 5b Abs. 4 UWG als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG.
52(1) Als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG gelten gemäß § 5b Abs. 4 UWG solche Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Dass trifft auf die durch § 11 Abs. 1 PAngV vorgeschriebenen Informationen zu.
53(2) § 5b Abs. 4 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 5 UGPRL und ist daher richtlinienkonform auszulegen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – I ZR 135/20 – Flaschenpfand III [unter B II 3 b bb]). Infolgedessen sind Informationsanforderungen im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGPRL solche im Sinne von § 5b Abs. 4 UWG.
54Erfasst werden von Art. 7 Abs. 5 UGPRL (und damit zugleich von § 5b Abs. 4 UWG) Informationen, die im Unionsrecht vorgesehen sind und die sich auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing beziehen, und von denen eine nicht erschöpfende Liste in Anhangs II der UGPRL enthalten ist. Dabei sind unter kommerzieller Kommunikation im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGPRL – und damit zugleich im Sinne von § 5b Abs. 4 UWG –in Anlehnung an Art. 2 lit. f der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 – I ZR 14/23 – Bequemer Kauf auf Rechnung [unter B II 3 b]; Urteil vom 26. Oktober 2023 – I ZR 176/19 – Zigarettenausgabeautomat III [unter B I 1 c aa, bb und cc (2)]; Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B II 1 e dd (1)]; Beschluss vom 10. Februar 2022 – I ZR 38/21 – Zufriedenheitsgarantie [unter B II 6 b bb (1)]). Nicht dazu zählen mangels Förderung des Produktabsatzes oder des unternehmerischen Erscheinungsbilds grundsätzlich Informationspflichten, die anderen Zwecken dienen oder die (erst) im Zuge des Vertragsschlusses oder bei der Vertragsabwicklung zu erfüllen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – I ZR 176/19 – Zigarettenausgabeautomat III [unter B I 1 c aa und bb]; Beschluss vom 10. Februar 2022 – I ZR 38/21 – Zufriedenheitsgarantie [unter B II 6 b bb (1)]).
55Ob die betreffenden, Informationspflichten vorsehenden unionsrechtlichen Vorschriften in der Liste nach Anhang II der UGPRL enthalten sind, ist nicht maßgeblich, da diese Liste ausdrücklich nicht erschöpfend ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B II 1 e cc]; Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 184/17 – Energieeffizienzklasse III [unter II 3 c bb (3)]). Diese Sichtweise steht in Einklang mit den Zielen der UGPRL, nach deren Erwägungsgrund 15 S. 1 in ihrem Rahmen Informationsanforderungen, die das Gemeinschaftsrecht in Bezug auf Werbung, kommerzielle Kommunikation oder Marketing festlegt, als wesentlich angesehen werden.
56(3) Aus diesen Vorgaben leitet sich ab, dass die in § 11 Abs. 1 PAngV geregelten Informationspflichten die kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGPRL und damit zugleich im Sinne von § 5b Abs. 4 UWG betreffen.
57§ 11 Abs. 1 PAngV schreibt (in Umsetzung von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL) vor, dass bestimmte Informationen „bei Bekanntgabe einer Preisermäßigung“ angegeben werden müssen. Damit sind diese Informationen dem Verbraucher jedenfalls vor Abgabe seiner Vertragserklärung zugänglich zu machen. Mithin handelt es sich um Informationen, die in der auf die Förderung des Produktabsatzes gerichteten Phase bereitzustellen sind.
58Die Informationsanforderungen sind im Unionsrecht festgelegt, nämlich in Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL, deren Umsetzung § 11 Abs. 1 PAngV dient.
59Auf den Umstand, dass Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL in der Liste nach Anhang II der UGPRL nicht enthalten sind, kommt es – wie eben bereits ausgeführt – nicht an.
60dd) Mit dem öffentlichen Zugänglichmachen der Werbung, in der eine den Vorgaben des § 11 Abs. 1 PAngV nicht genügende Bekanntgabe einer Preisermäßigung enthalten ist, hat die Beklagte dem Verbraucher wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG vorenthalten.
61(1) Vorenthalten wird dem Verbraucher eine Information, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – I ZR 26/15 – LGA tested [unter B III 1 d bb]).
62(2) In der von dem Kläger beanstandeten Darstellung werden dem Verbraucher Informationen zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage vorenthalten.
63Wie oben unter II 2 festgestellt, werden in der Werbung Informationen zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage nicht so eindeutig bereitgestellt, wie das durch § 11 Abs. 1 PAngV vorgeschrieben ist. Die Bekanntgabe der Preisermäßigung enthält Werbeaussagen, die die Preisermäßigung oder deren Vorteilhaftigkeit betreffen, ohne – wie geboten – auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen zu sein. Durch diese Art der Darstellung werden dem Verbraucher in der Werbung zwar Informationen zu dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bereitgestellt, infolge der Wahl einer falschen Bezugsgröße für einen Teil der Werbeaussagen aber nicht eindeutig, sondern in einer in § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG beschriebenen Weise. Eine Bereitstellung von Informationen unter solchen Gegebenheiten aber gilt gemäß § 5a Abs. 2 UWG als ein „Vorenthalten“ im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG.
64(3) Die in Rede stehenden Informationen fallen in den Verantwortungsbereich der Beklagten.
65Allerdings ist die Beklagte nach dem Wortlaut der PAngV nicht Normadressat von § 11 Abs. 1 PAngV. Die Informationspflichten aus § 11 Abs. 1 PAngV hat nur zu erfüllen, wer zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist. Das wiederum ist nach dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 PAngV nur, wer als Unternehmer Verbrauchern Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt. Beides trifft auf die Beklagte nicht zu, weil sie selbst keine Geschäfte mit Verbrauchern abschließt, sondern Dienstleistungen innerhalb der Unternehmensgruppe ALDI SÜD erbringt, nämlich für die Gesellschaften, die das Filialgeschäft und den ALDI-ONLINESHOP.DE betreiben.
66Demgegenüber ist der PreisangabenRL nicht zu entnehmen, dass die in ihr vorgesehenen Informationspflichten für den mit Preisen werbenden Unternehmer nur dann gelten sollen, wenn er selbst auch Händler der beworbenen Waren ist. Eine solche, etwas weiterreichende Sichtweise entspricht dem Regelungskonzept der UGPRL und den sie umsetzenden Vorschriften des UWG. Nach Art. 2 lit. b UGPRL ist der Anwendungsbereich der UGPRL auch in einer Situation eröffnet, in der die Geschäftspraktiken eines Wirtschaftsteilnehmers von einem anderen Unternehmen ausgeübt werden, das im Namen oder Auftrag dieses Wirtschaftsteilnehmers tätig wird, so dass die Bestimmungen der UGPRL in bestimmten Situationen sowohl diesem Wirtschaftsteilnehmer als auch dem handelnden Unternehmen entgegengehalten werden können, wenn beide der Definition des Gewerbetreibenden entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH [Rn. 38]).
67So liegt es hier, weil die Beklagte die Werbung für diejenigen Unternehmen ihrer Unternehmensgruppe betreibt, die mit dem Absatz der Produkte an den Endverbraucher befasst sind, mithin im Auftrag dieser Unternehmen handelt. Von daher können die Bestimmungen der UGPRL (und damit einhergehend die sie umsetzenden Vorschriften des UWG) auch der Beklagten entgegengehalten werden, obwohl die Verbraucher, an die sie sich mit ihren Prospekten wendet, nicht ihre Kunden sind. Im Falle einer Verbreitung wettbewerbswidriger Äußerungen haftet jeder an der Weitergabe und der Verbreitung Beteiligte, soweit sein Verhalten eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt was zur Folge hat, dass Personen, die zwar rein tatsächlich an einer Verletzung mitwirken, aber – wie etwa Plakatkleber oder Prospektverteiler – nicht entscheidungsbefugt und in völlig untergeordneter Stellung ohne eigenen Entscheidungsspielraum tätig sind, in der Regel nur bei vorsätzlichem Handeln als Gehilfen zur Verantwortung gezogen werden können (§§ 830 Abs. 2 BGB, 27 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 183/09 – Irische Butter [unter II 1 e aa]).
68Eine solche nur untergeordnete Stellung hat die Beklagte, die zudem nach außen in den Impressumsangaben des Prospekts und der Internetpräsenz der Unternehmensgruppe die Verantwortung für die beanstandeten werblichen Darstellungen übernommen hat, nicht inne. Ihr obliegt es als übergeordnete Dienstleistungsgesellschaft die von weiteren konzernangehörigen Unternehmen vertriebenen Produkte zentral zu bewerben und letztlich die gesamte kommerzielle Kommunikation mit den Endkunden (oder jedenfalls einen Großteil davon) eigenverantwortlich zu organisieren. In dieser Position ist sie in der Lage, auf den Inhalt der Werbung Einfluss zu nehmen. Deshalb sind die nach § 11 Abs. 1 PAngV bereitzustellenden Informationen (zumindest auch) ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen.
69ee) Nach den Umständen benötigt der Verbraucher die ihm vorenthaltenen Informationen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihr Vorenthalten ist geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
70(1) Diese weiteren in § 5a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UWG umschriebenen Tatbestandsmerkmale sind im Regelfall erfüllt, wenn dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten werden, und es obliegt dem Unternehmer aufzuzeigen, dass der Informationserfolg bereits auf anderem Wege erreicht worden ist oder sonst ein Ausnahmefall vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 – I ZR 111/22 – Mitgliederstruktur [unter B III 6]; Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II [unter B II 3 a]; Urteil vom 2. März 2017 – I ZR 41/16 – Komplettküchen [unter II 4 e bb und cc]; s.a. Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 17/18 – Berechtigte Gegenabmahnung [unter II 7 e bb]; Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 184/17 – Energieeffizienzklasse III [unter II 3 c bb (2) und (5)]).
71(2) Die Beklagte hat keine in diese Richtung weisenden Umstände aufgezeigt. Sie verweist darauf, dass der Verbraucher aus ihrem (insgesamt übersichtlich gestalteten) Prospekt erfährt, auf welchen Betrag sich der niedrigste Preis der letzten 30 Tage für Bananen und Ananas belaufen hat. Das mag zwar zutreffen, ändert aber nichts daran, dass dem Verbraucher die von § 11 Abs. 1 PAngV vorgeschriebenen Informationen unklar bereitgestellt (und damit im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG vorenthalten) worden sind, indem Werbeaussagen in den Prospekt aufgenommen wurden, die die Preisermäßigung betreffen ohne – wie geboten – auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen zu sein.
72Überdies stellt § 5a Abs. 2 UWG (in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 UGPRL) darauf ab, ob die vorenthaltene wesentliche Information als solche für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigt wird. Dementsprechend ist, soweit Informationen nicht vollständig fehlen, nicht im Rahmen von § 5a Abs. 1 UWG zu prüfen, ob die konkrete Art der Darstellung geeignet ist, sich auf die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers auszuwirken, sondern es ist – und zwar aufgrund der in § 5a Abs. 3 UWG (in Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 UGPRL) getroffenen Regelung – festzustellen, ob die nicht vollständig fehlende Information gleichwohl als „vorenthalten“ gilt. Ist das der Fall, verläuft die Relevanzprüfung nach § 5a Abs. 2 UWG unabhängig davon, ob die Information deshalb vorenthalten wurde, weil sie vollständig fehlt, oder weil sie unter den in § 5a Abs. 3 UWG beschriebenen Umständen bereitgestellt wurde und deshalb als vorenthalten gilt.
73b) Hielte man entgegen der vorstehenden Ausführungen §§ 5a Abs. 1 bis Abs. 3, 5b UWG für unanwendbar, ergäbe sich die Unlauterkeit der beanstandeten Geschäftspraxis der Beklagten aus § 3a UWG (vgl. Köhler, WRP 2024, 1313 [1314]). § 11 Abs. 1 PAngV ist (wie andere Vorschriften der PAngV, vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – I ZR 135/20 – Flaschenpfand III [unter B II 1]) eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift. Verstöße gegen sie sind (ebenso wie Verstöße gegen andere in der PAngV enthaltene Marktverhaltensregelungen, vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14 – Wir helfen im Trauerfall [unter II 6]) mit Blick auf die gerade unter II 3 a ee angestellten Erwägungen und die von Art. 6a Abs. 1 und Abs. 1 PreisangabenRL (und damit einhergehende § 11 Abs. 1 PAngV) verfolgten Ziele geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.
744. Gemäß § 13 Abs. 3 UWG schuldet die Beklagte dem Kläger den Ersatz der ihr in Rechnung gestellten Abmahnkosten.
75a) Dem Grunde nach ist der Anspruch entstanden. Entsprechend der Ausführungen oben unter II 1 bis 3 war die ausgesprochene Abmahnung berechtigt. Außerdem entsprach sie den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG.
76b) Die Kosten, die dem Kläger dadurch entstanden sind, dass er seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Abmahnung beauftragt hat, sind ersatzfähig.
77Allerdings sind die Kosten anwaltlicher Abmahnungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung von Verbänden grundsätzlich nicht erforderlich. So müssen Wettbewerbs- und Fachverbände in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2021 – I ZR 214/18 – Gewinnspielwerbung II [unter B II 2]; Urteil vom 6. April 2017 – I ZR 33/16 – Anwaltsabmahnung II [unter II 2 a und b]), und es ist Verbraucherschutzverbänden abzuverlangen, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende verbraucherfeindliche Praktiken selbst erkennen und abmahnen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15 – Klauselersetzung [unter B II 1 b]).
78Hier liegt jedoch ein Ausnahmefall (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017, a.a.O. [unter B II 1 c]) vor. Die aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind für einen mit der wettbewerbsrechtlichen Durchsetzung von Verbraucherschutzrecht befassten Juristen überdurchschnittlich schwierig und verlassen den Rahmen der Kenntnisse, die bei den in der täglichen Beratungspraxis des Klägers eingesetzten Mitarbeitern erwartet werden können. Die streitentscheidende Norm ist eine Neuregelung, deren Normzweck angesichts der fehlenden Materialien des Unionsnormgebers nicht auf der Hand liegt und deren Auslegung zahlreiche Zweifelsfragen aufwirft. Die Bearbeitung der Angelegenheit verlässt deshalb den Rahmen der Tätigkeiten, deren Erledigung der Kläger ohne anwaltliche Hilfe zu bewerkstelligen hat.
79c) Die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Ersatzfähigkeit fiktiver Abmahnkosten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. April 2017 – I ZR 33/16 – Anwaltsabmahnung II [unter II 2 d ee]; Kammerurteil vom 19. Mai 2023 – 38 O 178/22, GRUR-RS 2023, 16813 [unter II 4]) stellt sich nicht. Dem Kläger sind – wie gerade ausgeführt – tatsächlich Kosten entstanden, deren Ersatzfähigkeit zwar im Regelfall, nicht aber ausnahmslos fehlt. Unter diesen Gegebenheiten sind seine Ausführungen zur Abmahnkostenpauschale bei verständiger Würdigung der Gericht und Gegner erkennbaren Interessenlage nicht dahin zu verstehen, dass der Kläger fiktive Kosten einklagt (er also statt der ihm tatsächlich entstandenen Kosten die Pauschale verlangt, die ihm bei selbst ausgesprochener Abmahnung zugestanden hätte), sondern dass er die ihm tatsächlich entstandenen Kosten nur begrenzt bis zur Höhe der Aufwendungen geltend macht, die ihm die Beklagte auf eine von ihm selbst ausgesprochene Abmahnung hin hätte erstatten müssen.
805. Die auf die Abmahnpauschale beanspruchten Rechtshängigkeitszinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB zu.
81III.
82Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO. Die Androhung der Ordnungsmittel hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
83Streitwert: € 30.000
84W i e d e r g a b e d e r A b b i l d u n g e n
85Abbildung 1
86Abbildung 2 |
Abbildung 3 |
Seifert