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I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
1. für das Produkt „a“ mit echtem Wurmkraut für alle Haustiere, Hund, Katze & Kaninchen mit der Angabe zu werben:
1.1. „Wurmkur“,
1.2. „Wurmmittel“,
1.3. „b eignen sich zur schnellen und sicheren Bekämpfung von Würmern bei Wurmbefall“,
1.4. „schonende Alternative zu chemischen Mitteln“,
1.5. „Alternative zu herkömmlichen Wurmkuren“,
1.6. „Entwurmung auf natürliche & schonende Weise“,
1.7. „Alternative ganz ohne Chemie“,
1.8. „Bei und nach Wurmbefall“,
1.9. „Für Wurmfeindliches Darmmilieu“,
jeweils wenn geschieht, wie in der Anlage K 4 wiedergegeben,
2. für das Produkt „c“ für Hunde mit der Angabe zu werben:
2.1. „Wurmkur“,
2.2. „bei & nach Wurmbefall“,
2.3. „Wurmmittel“,
2.4. „Entwurmungsmittel“,
2.5. „Wurmformel Tabletten“,
2.6. „Entwurmung auf natürliche & schonende Weise“,
jeweils wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 5 wiedergegeben,
3. für das Produkt „d“ für Hunde mit der Angabe zu werben:
3.1. „Parasitenschutz-Effekt“,
3.2. „nie mehr Zecken“,
3.3. „“Vorbeugungsmaßnahmen gegen Parasitenbefall“,
3.4. „Zecken, Flöhe und Milben sind äußerst geruchsempfindlich. Genau da setzt die Wirkung von d Tabletten ein“.
jeweils wenn dies geschieht, wie aus der Anlage K 6 wiedergegeben,
4. für das Produkt „d“ für Katzen mit der Angabe zu werben:
4.1. „Parasitenschutz-Effekt“,
4.2. „Anti-Zecken“,
4.3. „Zeckenschild“,
4.4. „nie mehr Zecken“,
4.5. „Zeckenmittel“,
4.6. „über 90 % Wirksamkeit“,
4.7. „Zecken & Parasiten“,
4.8. „während der Zeckenzeit“,
4.9. „Zeckenschutz“,
4.10. „Zecken sind bei Katzen wie beim Menschen gefährliche Krankheitsüberträger. Sie lauern überall und warten auf die nächste Blutmahlzeit. Zecken, Flöhe und Milben sind äußerst geruchsempfindlich. Genau da setzt die Wirkung von d ein“,
4.11. „… Hautstoffwechsel … Es entsteht ein für Parasiten wahrnehmbarer äußerst unangenehmer Geruch“,
4.12. „zur Vorbeugung von Zecken“,
4.13. „Stressfrei durch die Zeckenzeit“,
jeweils wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 7 wiedergegeben,
5. für das Produkt „e“ für Hunde und Katzen mit der Angabe zu werben:
5.1. „Anti-Stress“,
5.2. „Beruhigung“,
5.3. „sanfte Unterstützung in ungewohnten oder unbehaglichen Situationen“,
5.4. „Die e für Hunde und Katzen können unterstützend bei diversen, nicht alltäglichen Situationen oder Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden“,
jeweils wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 8 wiedergegeben.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.06.2023 zu zahlen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu I.1., I.2. und I.4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 €, hinsichtlich des Tenors zu I.3. und I.5. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, gewerbliche oder selbstständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern sowie zu Fragen des lauteren Wettbewerbes zu beraten und zu informieren. Er ist seit dem 15. November 2021 in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen. Zu seinen Mitgliedern zählen u.a. Anbieter von Tierbedarf, Händler sowie Lebensmittel- und Einzelhandelsfilialbetriebe, die in ihrem ständigen Sortiment auch Futtermittel anbieten, der f und der g.
3Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Herstellung und der Vertrieb von Futtermitteln. Diese bietet sie auch über die Internetplattform amazon.de an.
4Am 20.03.2023 bewarb die Beklagte auf amazon.de u.a. die folgenden fünf Produkte für Tiere, mit den diesen im Unterlassungstenor jeweils zugeordneten Aussagen:
5• „h“ mit echtem Wurmkraut für alle Haustiere, Hund, Katze & Kaninchen,
6• „h“ für Hunde,
7• „h“ für Hunde,
8• „h“ für Katzen,
9• „h“ für Hunde und Katzen.
10Der Kläger ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten verstoße gegen Art. 13 Abs. 3 Verordnung (EG) 767/2009, die bestimme, dass die Kennzeichnung und Aufmachung von Einzelfuttermitteln und Mischfuttermitteln keine krankheitsbezogene Werbung enthalten dürfe. Ein Parasitenbefall stelle eine Krankheit dar, womit der Tatbestand klar erfüllt sei.
11Zugleich seien die streitbefangenen Wirkungsauslobungen aber auch irreführend und begründeten einen Verstoß gegen die § 3a UWG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. b), Art. 13 Abs. 3 lit. a) Verordnung (EG) 767/2009, §§ 19, 20 LFGB sowie auch gegen die §§ 3, 5 UWG, weil die in der Werbung ausgelobten Wirkungen gegen Würmer, Zecken- oder anderen Parasitenbefall bzw. eine entsprechende Abwehrfunktion und auch die für die i ausgelobten beruhigenden Wirkungen tatsächlich nicht bestünden, jedenfalls aber in keiner Weise wissenschaftlich abgesichert seien. Die von der Beklagten im Hinblick auf die Zeckenmittel vorgelegte Studie sei lediglich eine drittklassige Veröffentlichung in Form einer sogenannten Posterpräsentation, die es nicht in veterinärmedizinische Journale/Zeitschriften geschafft habe und ohne strenges Per-Review-Verfahren alleine vor Naturheilkundler präsentiert worden sei und der eine wissenschaftliche Herangehensweise fehle. Außerdem beschreibe sie eine Wirkung von 75 %, so dass die Beklagte für ihr Produkt auch auf dieser Grundlage nicht mit Aussagen wie „nie mehr Zecken“ werben dürfe.
12Wegen dieser Verstöße mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2023 erfolglos ab, wodurch ihr ein Aufwand von 238,00 € (incl. 19 % USt.) entstand.
13Der Kläger begehrt Unterlassung des rechtsverletzenden Verhalten aus § 8 UWG sowie Ersatz der Abmahnkostenpauschalen aus § 13 Abs. 3 UWG.
14Der Kläger beantragt,
15zu erkennen wie geschehen.
16Die Beklagte beantragt
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte ist der Ansicht, bei den Produkten „j mit echtem Wurmkraut für alle Haustiere“ sowie „j für Hunde“ könne keinesfalls bei allen verwendeten Begrifflichkeiten eine Irreführung angenommen werden. Im Übrigen habe die Beklagte die Werbeauslobungen eingestellt.
19Die Zeckenmittel „j für Hunde“ und „j für Katzen“ seien wirksam wie die als Anlage B. 2 vorgelegte Studie mit dem Titel „x“ belege. Die Studie habe ergeben, dass bei denjenigen Tieren, welche mit dem in ihrem Produkt enthaltenen x gefüttert wurden, dies zu einer Reduzierung einer Zeckenbelastung in Höhe von 74,43 % geführt habe. Dies habe der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt.
20Schließlich handele es sich bei den Werbeaussagen auch nicht um krankheitsbezogene Äußerungen. Entscheidend sei bei der Frage des Vorliegens einer gesundheitsbezogenen Angabe stets, ob in der Aussage eine irgendwie geartete konkrete gesundheitsfördernde Wirkung beinhaltet ist. Dies sei bei den beanstandeten Werbeäußerungen gerade nicht der Fall, da es bereits am erforderlichen Zusammenhang zwischen Aufnahme des Futtermittels und der Verbesserung des Gesundheitszustandes fehle. Es werde hier lediglich die Aussage getroffen, dass die Mittel potentiell dazu geeignet seien, Würmer bzw. Zecken, die nicht etwa stets mit Krankheiten verbunden seien, vom Hund fernzuhalten. Insofern könne hiermit auch keinerlei Heilung, Verhinderung oder Linderung einer Krankheit in Verbindung gebracht werden. Schließlich seien mit einer Belastung mit Zecken oder Würmern nicht stets etwaige Krankheiten verbunden.
21Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2024 sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen ergänzend Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
23Die zulässige Klage ist begründet.
24I.Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch es zu unterlassen, für ein Tierfuttermittel, wie im Tenor wiedergegeben, zu werben, aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG, weil die angegriffene Werbung mit den in Ziffern I.1. bis I.4. des Tenors wiedergegebenen Angaben gegen § 20 LFGB Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. Artikel 13 Abs. 3 lit. a) der VO 767/2009 sowie mit allen in Ziffer I. wiedergegebenen Angaben gegen die §§ 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, Art. 11 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) 767/2009 und gegen die §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UWG verstößt.
251.Der Kläger ist als Verband i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, der in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen ist, unstreitig aktivlegitimiert. Zu seinen Mitgliedern zählen Unternehmen, die im Wettbewerb zur Beklagten stehen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 03.08.2023, 6 U 64/22, Rn. 18 ff. - Ergänzungsfuttermittel, zitiert nach juris).
262.Bei der streitgegenständlichen Bewerbung der streitgegenständlichen Produkte der Beklagten auf x handelt es sich um eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, die auf die Förderung ihres Absatzes gerichtet ist.
273.Diese geschäftliche Handlung ist auch unzulässig.
28Nach § 3 Abs. 1 UWG ist eine unlautere geschäftliche Handlung unzulässig. Unlauter handelt gemäß § 3a UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen
29Diese Voraussetzungen liegen hier auf Grund von Verstößen gegen § 20 LFGB Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. Artikel 13 Abs. 3 lit. a) der VO 767/2009 und gegen § 19 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, Art. 11 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) 767/2009 sowie gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG vor. Die Vorschriften sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2019, 2 U 144/18, Rn. 45 – x, zitiert nach juris).
30a.In der streitgegenständlichen Produktwerbung mit den in Ziffern I.1. bis I.4. des Tenors wiedergegebenen Angaben liegt ein Verstoß gegen § 20 LFGB Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. Artikel 13 Abs. 3 lit. b) der VO 767/2009. Gemäß § 20 Abs. 1 LFBG ist es verboten, beim Verkehr mit Futtermittelzusatzstoffen oder Vormischungen oder in der Werbung für sie allgemein oder im Einzelfall Aussagen zu verwenden, die sich auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten oder auf die Verhütung solcher Krankheiten beziehen, die nicht Folge mangelhafter Ernährung sind. Dies lässt gemäß § 20 Abs. 3 LFBG die Vorschrift des Artikels 13 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 unberührt, wonach ebenfalls untersagt ist, durch die Kennzeichnung oder Aufmachung von Einzelfuttermitteln und Mischfuttermitteln zu behaupten, dass sie Krankheit verhindern, behandeln oder heilen, wenn nicht hier ersichtlich nicht einschlägige Ausnahmen vorliegen. Das Verbot gilt unabhängig von dem Irreführungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFBG, so dass es auf die objektive Richtigkeit der Aussage nicht ankommt (OLG Koblenz, Urt. v. 10.05.2021, 9 U 1586/20, Rn. 59, Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 03.08.2023, 6 U 64/22, Rn. 31 – Ergänzungsfuttermittel, jeweils zitiert nach juris).
31Bei angegriffenen Werbeaussagen der Beklagten handelt es sich um krankheitsbezogene Angaben. Der Begriff der Krankheit ist weit auszulegen und umfasst jede, auch geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Funktion des Körpers (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2019, 2 U 144/18, Rn. 56 x, LG München, Urt. 26.03.2021, 37 O 5573/20, Rn. 50, OLG Koblenz, Urt. v. 10.05.2021, 9 U 1586/20, Rn. 59, Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 03.08.2023, 6 U 64/22, Rn. 32 - Ergänzungsfuttermittel, jeweils zitiert nach juris).
32Die behaupteten Wirkungen, Wurm-, Zecken- oder anderen Parasitenbefall zu verhindern, zu lindern oder zu beseitigen, wie sie sich aus den Angaben gemäß Ziffern I.1. bis I.4. des Tenors im Zusammenhang mit dem Kontext der Werbung für die Wurm- und Zeckenmittel in den Anlagen K 4 bis K 7 ergeben, dienen dazu einen vom Normalzustand abweichenden Gesundheitszustand zu behandeln bzw. diesem vorzubeugen. Ein Parasit ist ein Organismus, der sich von anderen Lebewesen (Wirt) ernährt oder diesen zu Fortpflanzungszwecken befällt. Er kann den Wirt schädigen, indem er seine Organfunktionen beeinträchtigt, Zellen zerstört und ihm wichtige Nährstoffe entzieht oder indem er Krankheitserreger überträgt. Bereits der Befall mit Parasiten kann Juckreiz oder Schmerzen hervorgerufen werden. Überdies können Krankheiten übertragen werden. Im normalen Gesundheitszustand sollten Haustiere daher keine Parasiten aufweisen. Auch wenn man nicht bei einem einzelnen Zecken- oder Flohbiss von einem vom Normalzustand abweichenden Gesundheitszustand ausgehen will und man diesen nicht als Krankheit ansieht (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2019, 2 U 144/18, Rn. 57 ff. – x, zitiert nach juris), ist bei einem stärkeren Befall jedenfalls mithin von einem vom Normalzustand ausgehenden Gesundheitszustand auszugehen. Die beworbenen Produkte sollen gerade einen vorhandenen Befall lindern bzw. überhaupt einen Befall ganz oder weitgehend verhindern, wie die Aussagen „bei und nach Wurmbefall“, „für Wurmfeindliches Darmmilieu“, „Entwurmungsmittel“, „nie mehr Zecken“ und „über 90% Wirksamkeit“ belegen.
33Das gilt für jede der angegriffenen Äußerungen. Denn sie nehmen – mit Ausnahme der Behauptungen in Ziffer I.1.7. und I.4.6. – ausdrücklich auf Würmer, Zecken, Flöhe, Milben oder Parasiten Bezug, wobei sich aus dem Kontext ergibt, dass es um deren Bekämpfung bzw. um Vorbeugungsmaßnahmen geht. Die in Ziffern I.1.7. und I.4.6. enthaltenen Behauptungen betreffen die Wirksamkeit bezüglich der im Kontext genannten Bekämpfung bzw. Vorbeugung gegen Würmer bzw. Zecken. Damit handelt es sich bei allen in Bezug genommenen Angaben um unzulässige krankheitsbezogene Angaben.
34b.Es kann dahinstehen, ob auch die Angaben in Ziffer I.5., die im Kontext der Werbung für k gemäß Anlage K 8 stehen, unzulässige krankheitsbezogene Angaben oder lediglich gesundheitsbezogenen Angaben (dazu unten unter Ziffer I.3.c.) sind.
35Mit der Bezugnahme auf „Stress“, „ungewohnte oder unbehagliche Situationen“ sowie „nicht alltägliche Situationen oder Verhaltensauffälligkeiten“ werden Situationen aufgezeigt, in denen das betroffene Haustür eine Störung des seelischen Gleichgewichts erleidet, die vom Normalzustand abweicht oder in der jedenfalls die Gefahr – der es durch „Beruhigung“ und „Unterstützung“ vorzubeugen gilt – droht, dass eine relevante Abweichung vom Normalzustand auftritt. Da nicht nach der Schwere der Störung unterschieden wird, verspricht die Bewerbung, dass die Produkte geeignet sind, auch einem die Gesundheit beeinträchtigenden seelischen Leiden Linderung zu verschaffen oder diesen oder aufgrund von Stress auftretenden Folgekrankheiten zumindest vorzubeugen. Sie dienen also aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auch der Linderung und Verhütung von Krankheiten, weshalb in Betracht zu ziehen ist, die Äußerungen als krankheitsbezogene Angaben zu untersagen.
36Dies kann indes offenbleiben, weil sie – wie nachfolgend ausgeführt – jedenfalls als irreführende gesundheitsbezogenen Angaben zu unzulässig sind.
37c.Die Werbung mit allen angegriffenen Angaben ist als irreführende Werbung mit gesundheitsbezogen Angaben § 19 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, Art. 11 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) 767/2009 zu unterlassen.
38Bei den beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln für Tiere handelt sich um Futtermittel, die gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und LFGB nicht in den Verkehr gebracht oder beworben werden dürfen, wenn ihre Kennzeichnung oder Aufmachung nicht den Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 entspricht. Danach dürfen sie den Verwender nicht irreführen, z.B. durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Futtermittel nicht besitzt. Gesundheitsbezogene Angaben, also Angaben die suggerieren, dass ein Zusammenhang zwischen dem Futtermittel oder einem seiner Bestandteile und der Erhaltung oder Verbesserung der Tiergesundheit besteht, verstoßen gegen diese Vorschrift, wenn sie nicht wissenschaftlich abgesichert sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 03.08.2023, 6 U 64/22, Rn. 44ff. – Ergänzungsfuttermittel, zitiert nach juris).
39aa.Die angegriffenen Angaben bezüglich der Produkte „l mit echtem Wurmkraut für alle Haustiere, Hund, Katze & Kaninchen“ und „l für Hunde“, die wie aus den Anlagen K 4 und K 5 ersichtlich beworben worden sind, sind gesundheitsbezogen. Denn der Verkehr sie nur dahingehend verstehen, dass hier eine wissenschaftlich abgesicherte Wirksamkeit gegen Wurmbefall beworben wird, wodurch bei den benannten Haustieren ein Wurmbefall entweder vermieden oder beseitigt, zumindest aber vermindert und damit zur Tiergesundheit beigetragen wird. Insoweit vermag die Vorsitzende der Kammer das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Verbrauchers gestützt auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung selbst zu beurteilen, weil die Feststellung der maßgeblichen Verkehrsauffassung hier keine besonderen Erfahrungen erfordert und sie auch infolge der ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen über ausreichende Sachkunde verfügt.
40Eine irgendwie geartete Wirkung oder besondere Eigenschaft der Produkte hat die Beklagte schon nicht dargelegt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass keinesfalls bei allen verwendeten Begrifflichkeiten eine Irreführung angenommen werden und die Bewerbung mit den Äußerungen eingestellt sei (zur Darlegungs- und Beweislast vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2019, 2 U 144/18, Rn. 67 ff. – x, Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 03.08.2023, 6 U 64/22, Rn. 46 – Ergänzungsfuttermittel, jeweils zitiert nach juris). Indes vermitteln alle Äußerungen, zu deren Auslegung der Kontext der Werbung heranzuziehen ist, den irreführenden Eindruck, dem Befall mit den jeweils angegebenen Parasiten lindern oder vermeiden zu können. Denn wie bereits ausgeführt nehmen sie – mit Ausnahme der Behauptungen in Ziffer I.1.7. und I.4.6. – ausdrücklich auf Würmer, Zecken, Flöhe, Milben oder Parasiten Bezug, wobei sich aus dem Kontext ergibt, dass es um deren Bekämpfung bzw. um Vorbeugungsmaßnahmen geht. Die in Ziffern I.1.7. und I.4.6. enthaltenen Behauptungen betreffen die Wirksamkeit bezüglich der im Kontext genannten Bekämpfung bzw. Vorbeugung gegen Würmer bzw. Zecken. Die Einstellung der Bewerbung vermag den begangenen Verstoß nicht zu beseitigen.
41bb.Hinsichtlich der Produkte „l für Hunde“ und „l für Katzen“, die wie aus den Anlagen K 6 und K 7 ersichtlich mit den von dem Kläger angeführten Werbeaussagen beworben wurden, vermochte die Beklagte eine Wirksamkeit ebenfalls nicht zu belegen. Soweit sie sich auf die von ihr als Anlage B. 2 überreichte Studie beruft, vermag diese keinen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen, da sie lediglich auf einer Befragung von Hundehaltern von 34 Hunden basiert und das Ergebnis als „ersten Beweis für die Wirksamkeit eines standardisierten natürlichen m zur Vorbeugung von Zeckenbefall“ einordnet. Selbst wenn man an den Nachweis im Verkehr mit Futtermittel für Tiere geringe Nachweise genügen lässt als im Verkehr mit Lebensmitteln und ausreichen lässt, dass eine Aussage der herrschenden Meinung entspricht oder alle verfügbaren Daten berücksichtigt und Erkenntnisse abgewogen wurden (so OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2019, 2 U 144/18, Rn. 66 – Anti-Zecken-Snack m.w.N., zitiert nach juris), genügt diese Studie als Wirksamkeitsnachweis schon nach ihrer eigenen Schlussaussage nicht. Dies ist auch aufgrund der geringen Zahl der teilnehmenden Hunde und der fehlenden Beschreibung der genauen Rahmenbedingungen offenkundig. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass die Ergebnisse in der Fachwelt diskutiert worden wären oder sie gar einer herrschenden Meinung entsprächen.
42cc.Auch die Angaben in Ziffer I.5., die im Kontext der Werbung für n gemäß Anlage K 8 stehen, beziehen sich auf die Vorbeugung (Ziffer I.5.1.) oder Linderung (Ziffern I.5.2. bis I.5.4.) in einer Situation, die gesundheitsrelevant ist. Denn der Gesundheitsbegriff umfasst auch das seelische Gleichgewicht. Bei x genügt es für den Gesundheitsbezug, dass mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass die beworbenen Produkte zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts geeignet sind und insoweit besondere sie von anderen Erzeugnissen unterscheidende Eigenschaften besitzen (BGH, Urt. v. 24.07.2014, I ZR 221/12, Rn. 29 – x, zitiert nach juris). Mit der Bezugnahme auf „Stress“, „ungewohnte oder unbehagliche Situationen“ sowie „nicht alltägliche Situationen oder Verhaltensauffälligkeiten“ werden Situationen aufgezeigt, in denen das betroffene Haustier eine Störung des seelischen Gleichgewichts erleidet oder erleiden kann. Da nicht nach der Schwere der Störung unterschieden wird, verspricht die Bewerbung, dass die Produkte geeignet sind, auch einem die Gesundheit beeinträchtigenden seelischen Leiden oder aufgrund von Stress auftretenden Folgestörungen Linderung zu verschaffen oder diesen zumindest vorzubeugen und damit auf den Gesundheitszustand einzuwirken. Die Aussagen bringen zum Ausdruck, dass der Verzehr des beworbenen Bachblütenproduktes den Hund beruhigt und von Stress befreit und damit sein seelisches Wohlbefinden deutlich steigern und seelisches Leiden lindern oder vermeiden kann (vgl. zur Einordnung als gesundheitsbezogene Angabe: zu Bachblüten als Lebensmittel mit der Bewerbung „Ruhe und Gelassenheit“ OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.08 2015, I-2 U 14/15 (unveröffentlicht), zu x als Lebensmittel mit der Bewerbung „sanften Hilfe für einen guten Schlaf“ OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.04.2023, I-20 U 65/22, Rn. 35ff., zitiert nach juris).
43Da die Beklagte auch insoweit die Wirksamkeit nicht dargelegt hat, sind die Werbeangaben unzulässig.
44d.Schließlich liegt in der Bewerbung auch ein Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG, da der Verkehr hinsichtlich der Wirkungen der Produkte der Beklagten, deren Richtigkeit nicht wissenschaftlich abgesichert ist, in die Irre geführt wird und damit über die von der Verwendung der Produkte zu erwartenden Ergebnisse und Zwecktauglichkeit der Produkte getäuscht wird (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2013, I ZR 62/11, Rn. 15 ff. - x mit Gewichtsvorteil, zitiert nach juris).
45e.Die unzulässige Werbung ist i.S.d. § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, denn der Verbraucher misst Wirkangaben im Gesundheitsbereich regelmäßig eine große Bedeutung bei. Dies gilt auch dann, wenn es nicht um die Gesundheit von Menschen geht, sondern um die Gesundheit von Tieren.
464.Die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht fort, weil die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.
475.Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 Absatz 2 ZPO.
48IV.Der Kläger hat schließlich einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten für die beiden Abmahnungen gemäß § 13 Abs. 3 UWG. Der Kläger hat die Höhe der geltend gemachten Abmahnkostenpauschale plausibel begründet. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben. Solche Einwendungen sind auch nicht ersichtlich.
49Der Zinsanspruch des Klägers folgt jeweils aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.
50V.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
51Der Streitwert wird 55.000,00 Euro festgesetzt.
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