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wird der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin u.a. wegen Irreführung und Rechtsbruchs im Zusammenhang mit dem Angebot und des Inverkehrbringens von Einweg-E-Zigaretten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens in Anspruch.
4Die Antragstellerin ist als Produzentin von Liquids und sonstigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten sowie als Groß- und Einzelhändlerin von E-Zigaretten tätig. Sie gründete am 08.02.2012 als alleinige Gesellschafterin die O. Diese erwarb am 26.06.2012 sämtliche Geschäftsanteile der Antragstellerin.
5Die Antragsgegnerin verkauft und vertreibt ebenfalls E-Liquids und E-Zigaretten – so auch die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten der Marke „F“. Das elektrische Verdampfen wird bei den Modellen der Antragsgegnerin durch das Ziehen/Saugen am Mundstück mittels des verbauten Unterdruckschalters ausgelöst. Da Einweg-E-Zigaretten nicht zum Nachfüllen bestimmt sind, lassen sie sich nicht ohne Werkzeug öffnen. Auf den streitgegenständlichen Produkten „F F3, F2, F1 20 mg/ml“ befindet sich das Gefahrenpiktogramm GHS 06.
6Die Antragstellerin erwarb am 30.09.2022 bei der U in E die Produkte „F F3 20 mg/ml“, „F F2 20 mg/ml“ und „F F1 20 mg/ml“ im Rahmen von Testkäufen. Mit Schreiben vom 30.09.2022 (Anlage AG 12) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin außergerichtlich zur Unterlassung angeblicher unlauterer geschäftlicher Handlungen auf.
7Die Antragstellerin behauptet, dass die durchgeführte gaschromatographische Analyse ergeben hätte, dass die bei den Testkäufen erworbenen Produkte nicht den auf der Verpackung angegeben Nikotingehalt (20 mg/ml) aufweisen würden. So sei bei der „F F3“ ein Wert von 18,60 mg/ml, bei der „F F2“ ein Wert von 19,20 mg/ml und bei der „F F1“ ein Wert von 17,67 mg/ml gemessen worden. Sie ist der Ansicht, dass darin eine Irreführung über die Zusammensetzung der E-Zigaretten im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG sowie ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TabakerzV liege. Darüber hinaus sei für E-Liquids mit einem Nikotingehalt von 1,667 % oder weniger das Gefahrenpiktogramm GHS 06 (Totenkopf) nicht einschlägig; vielmehr sei das Piktogramm GHS 07 (Ausrufezeichen) zu verwenden. In der Verwendung des Piktogramms GHS 06 für die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten liege ein Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2 CLP-Verordnung, welche Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG darstellen würden. Die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten entsprächen außerdem nicht § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG, da sie nicht „kindersicher“ seien. Diese Norm erfordere eine Vorrichtung, die verhindere, dass die Nikotinfreisetzung allein durch Saugen am Mundstück aktiviert werde.
8Die Antragstellerin beantragt (zuletzt),
9im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden/die Vorsitzende allein – der Antragsgegnerin es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, bei mehreren oder wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft jeweils an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu untersagen,
101. Einweg-E-Zigaretten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, deren tatsächlicher Nikotingehalt von dem auf der Außenverpackung angegebenen Nikotingehalt abweicht, wenn dies geschieht wie bei den in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „F F3 20 mg/ml“, „F F2 20 mg/ml“ und „F F1 20 mg/ml“, die entgegen des jeweils auf den Außenverpackungen angegebenen Nikotingehalts in Höhe von jeweils 20 mg/ml nur einen tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 18,6 mg/ml, 19,20 mg/ml und 17,67 mg/ml aufweisen;
112. das nachfolgend abgebildete Gefahrenpiktogramm für E-Liquids mit einem Nikotingehalt von weniger als 1,667 % (W/W) Gewichtsprozent zu verwenden, wenn dies geschieht wie bei den in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „F F3 20 mg/ml“ mit einem tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 1,63 % (W/W) Gewichtsprozent und „F F1 20 mg/ml“ mit einem tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 1,54 % (W/W) Gewichtsprozent
123. Einweg-E-Zigaretten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die nicht kindersicher sind, weil die Nikotinfreisetzung barrierefrei allein durch Saugen am Mundstück aktiviert werden kann, wenn die geschieht wie bei den nachfolgend und in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „F F3 20 mg/ml“, „F F2 20 mg/ml“ und „F F1 20 mg/ml“
13Die Antragsgegnerin beantragt,
14den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
15Die Antragsgegnerin behauptet, dass die Plausibilität der vorgetragenen Analysen mangels Vorlage bestimmter Daten nicht nachvollzogen werden könne und der vorgelegte Prüfbericht der Antragstellerin nicht den Anforderungen der DIN EN ISO 20714 entspräche. Sie ist der Ansicht, dass die Antragstellerin als sog. „Keinmanngesellschaft“ zu behandeln sei, die keine Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend machen könne. Eine „Überkennzeichnung“ durch Verwendung eines stärkeren Gefahrenpiktogramms beeinträchtige die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern nicht spürbar im Sinne von § 3a UWG. Der Begriff der „Kindersicherung“ im Sinne des § 14 Abs. 1 TabakerzG verlange keine Verwendungssperre, sondern ziele allein auf die Reduktion des Risikos von potenziell lebensgefährlichen Vergiftungsunfällen durch Verschlucken nikotinhaltiger Flüssigkeiten ab.
16II.
17Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist insgesamt unzulässig und im Hinblick auf die Anträge zu Ziff. 2) und 3) darüber hinaus auch unbegründet.
181.
19Das einstweilige Verfügungsverfahren ist unzulässig.
20a.
21Es ist ungeeignet die den Anträgen zu 1) und 2) zugrunde liegenden Streitgegenstände in diesem Verfahren zu klären. Das einstweilige Verfügungsverfahren kann in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ungeeignet sein, den Besonderheiten des Sachverhaltes oder der Kompliziertheit der zugrundeliegenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgänge gerecht zu werden. Davon umfasst sind Sachverhalte, bei denen die im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Verfügung stehenden Glaubhaftmachungsmittel der Kompliziertheit nicht gerecht werden oder besonders schwierige Fragen beantwortet werden müssen (vgl. Schlinghoff, in: MüKo zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl., § 12, Rn. 40).
22Die Kammer kann mit den Erkenntnismöglichkeiten des Verfügungsverfahrens vorliegend nicht feststellen, ob die Voraussetzungen des § 5 bzw. § 3 Abs. 1 UWG iVm § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TabakerzV erfüllt sind. Für die Annahme einer Irreführung iSd § 5 UWG bzw. eines Rechtsbruchs iSd § 3a UWG kommt es maßgeblich darauf an, ob die Kammer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt ist, dass der tatsächliche Nikotingehalt der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten von dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalts in Höhe von 20 mg/ml abweicht. Diese Überzeugung kann nicht allein aufgrund der Vorlage der Kopie der eidesstattlichen Versicherung des Chemikers Herrn Dr. I gewonnen werden. In dieser bestätigt dieser zwar, dass bei dem Produkt F F3 20 mg/ml ein tatsächlicher Nikotingehalt von 18,6 mg/ml, bei dem Produkt F F2 in Höhe von 19,20 mg/ml und bei dem Produkt F F1 in Höhe von 17,67 mg/ml gemessen worden seien. Gegen die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit sprechen die Einwendungen der Antragsgegnerin. Diese gibt an, dass bei betriebsinternen Untersuchungen der streitgegenständlichen Produkte Nikotinkonzentrationen von jeweils über 19,5 mg/ml festzustellt worden seien (Anlage AG 9) und die Plausibilität der Ergebnisse nicht ohne Angabe von Daten wie der Anzahl der Probenaufarbeitung, Einwaagen, integrierten Flächen der Analyten und die Flächen der zugehörigen internen Standards bewertet werden könne (Anlage AG 28) und der Prüfbericht mangels Auskunft zum Probenentnahmeverfahren nicht den Anforderungen der DIN EN ISO 20714 entspreche. Im einstweiligen Verfügungsverfahren gilt die Beschränkung auf präsente Beweismittel. Ein Sachverständigengutachten kann nicht eingeholt werden. Ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens kann die Kammer aufgrund des widerstreitenden Vortrages und mangelnder eigener Fachkunde nicht zu der Annahme der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gelangen.
23Dasselbe gilt für den durch die Klägerseite geltend gemachten Verstoß gegen § 3 Abs. 1, 3a UWG iVm Artt. 17 Abs. 1, 19 CLP-Verordnung durch die Verwendung des Gefahrenpiktogramms GS 06 (Totenkopf). Streitentscheidend ist die Überzeugung des Gerichts, ob der tatsächliche Nikotingehalt der Einweg-E-Zigaretten von dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalt tatsächlich in dem von der Antragstellerin behaupteten Ausmaß abweicht. Da dieser Umstand, wie ausgeführt, nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar ist, ist das einstweilige Verfügungsverfahren für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der behaupteten Verstöße ungeeignet.
24b.
25Den Anträgen zu 1)-3) fehlt darüber hinaus das Rechtsschutzbedürfnis. Niemand darf Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemühen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen. Die Antragstellerin kann sich auf die streitgegenständlichen Ansprüche nicht berufen, da sie entsprechend einer sog. „Keinmanngesellschaft“ zu behandeln ist. Eine Gesellschaft, die sämtliche Geschäftsanteile an ihr selbst hält, ist mit dem Erwerb des letzten außenstehenden Geschäftsanteils aufzulösen (vgl. Fleischer, in: Münchener Kommentar GmbHG, 4. Aufl., § 1 Rn. 85). Zwar hat die Antragstellerin eine formelle Gesellschafterin in Form der O. Die Antragstellerin gründete diese jedoch am 08.02.2012 selbst und hält 100 % der Geschäftsanteile an der O. Diesem Vortrag der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nicht weiter entgegengetreten, sodass er gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Die Geschäftsführung der herrschenden Gesellschaft (der Antragstellerin) könnte etwa die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft (der O) anweisen, wie die Rechte aus den Anteilen auszuüben sind. Dadurch erlangt die Geschäftsführung der herrschenden Gesellschaft eine Einflussmöglichkeit in ihrer eigenen Gesellschafterversammlung. Es fehlt an einem privatautonom handelnden Interessenträger (vgl. Schindler, in: BeckOK GmbhG, 53 Ed., § 33, Rn. 84).
26Eine Gesellschaft, die unmittelbar aufzulösen ist, mag zwar zivilprozessual unter bestimmten Bedingungen noch als Partei zu behandeln sein. Sie kann aber für sich nicht in Anspruch nehmen, Rechte auszuüben, die einem gewerblich tätigen Mitbewerber im Sinne des § 2 Nr. 6 UWG zustehen. Denn diese von ihr ein Jahrzehnt aufrechterhaltene werbliche Tätigkeit war gesellschaftsrechtlich unzulässig. Aus der Aufrechterhaltung dieses Zustandes kann die Antragstellerin, auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung, keine Ansprüche herleiten.
27III.
28Die Anträge zu Ziff. 2) und 3) sind darüber hinaus auch unbegründet.
291.
30Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verwendung des in der Anlage AS 6 abgebildeten Gefahrenpiktogramms gegen die Antragsgegnerin gem. §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm Art. 17 Abs. 1, 19 CLP-Verordnung zusteht.
31Unlauter im Sinne des § 3a UWG handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Danach resultiert eine Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen nur daraus, dass sie geeignet sind, die Interessen der geschützten Kreise spürbar zu beeinträchtigen. Soweit der Rechtsbruch die wettbewerbliche Situation nicht in relevanter Weise berührt, bleibt er auch lauterkeitsrechtlich irrelevant (vgl. Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG, 3. Aufl. § 3a, Rn. 30). Produktbezogene Kennzeichnungspflichten nach der CLP-Verordnung – in Form von Gefahrenkennzeichen – dienen dem Gesundheitsschutz und damit dem Interesse der (potenziellen) Abnehmer in Form einer Marktverhaltensregelung. Die „Überkennzeichnung“ durch Verwendung eines „höheren“ Gefahrenpiktogramms führt indes nicht zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Gesundheit der Abnehmer. Diese stärkt den Gesundheitsschutz, da von der Verwendung des Zeichens eine abschreckende Wirkung auf die Abnehmer ausgeht. Letztere werden hierdurch von dem Konsum verhältnismäßig weniger toxischer Substanzen abgehalten. Anhaltspunkte dafür, dass hieraus eine „Verwässerungsgefahr“ für das Kennzeichen folgt, bestehen nicht. Die CLP-Verordnung dient nicht dem Schutz der Mitbewerber. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern die Antragstellerin als Mitbewerberin spürbar durch die behauptete „Überkennzeichnung“ beeinträchtigt ist. Es erscheint fernliegend, dass sich die Antragsgegnerin Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Mitbewerbern verschafft, indem sie sich Kennzeichnungsaufwand erspart. Vielmehr setzt sich die Antragsgegnerin Umsatzeinbußen aus, indem sie durch die „Überkennzeichnung“ Abnehmer von ihrem Produkt abschreckt.
322.
33Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG iVm 3a UWG iVm 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG zusteht, weil die von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Einweg-E-Zigaretten nicht kindersicher sind, da die Nikotinfreisetzung barrierefrei allein durch Saugen am Mundstück aktiviert wird.
34Es ist nicht erkennbar, dass ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG vorliegt. Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter dürfen nach § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie kinder- und manipulationssicher sowie bruch- und auslaufsicher sind und über einen Mechanismus für eine auslauffreie Nachfüllung verfügen. Das TabakerzG beruht auf der Richtlinie 2014/40/EU. Ausweislich der Erwägungsgründe können elektronische Zigaretten in den Händen von Kindern ein Gesundheitsrisiko darstellen, weshalb dafür Sorge zu tragen ist, dass diese Produkte kindergesichert und manipulationssicher sind, einschließlich durch der Sicherheit des Kindes dienende Kennzeichnung sowie kindergesicherte Verschlüsse und Öffnungsmechanismen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 40 Richtlinie 2014/40/EU). Aus dem Normtext von § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG lässt sich nicht ableiten, dass er auf Gesundheitsgefahren durch das Inhalieren von Nikotin Bezug nimmt.
35Der Begriff der Kindersicherung bezieht sich im Wesentlichen, wie sich aus den Erwägungsgründen ergibt, auf den Schutz vor Gesundheitsgefahren durch die Verwendung von kindergesicherten Verschlüssen und Öffnungsmechanismen. Ihm kommt dabei auch neben den weiteren Anforderungen der Manipulationssicher-, Bruchsicher-, und Auslaufsicherheit eine eigenständige Bedeutung zu. Manipulationssicher bedeutet nämlich, dass elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter von Unbefugten nicht ohne sichtbare Spuren verwendet bzw. geöffnet werden können (vgl. Boch, in: Tabakerzeugnisgesetz, 1. Aufl., § 14, Rn. 3). Eine Bruch- und Auslaufsicherheit bezieht sich auf die qualitativen Anforderungen an die Umhüllung des Nikotins. Vor dem Hintergrund der hohen Toxizität flüssigen Nikotins erscheint diese Wertung nachvollziehbar.
36Die Kammer kann nicht erkennen, dass § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG die Untersagung der barrierefreien Nikotinfreisetzung durch Saugen am Mundstück fordert. Hierdurch würde ein Sicherheitsstandard gefordert, der jedes denkbare Gesundheitsrisiko für Kinder ausschließt und damit über den bestehenden Schutzrahmen bei der Produktion herkömmlicher Zigaretten hinausgeht. Ein vollständiger Ausschluss jeder Gesundheitsgefahren für Kinder ließe sich lediglich durch eine vollständige Untersagung des Vertriebs der Produkte erzielen. So besteht auch bei herkömmlichen Zigaretten kein Schutz davor, dass ein Kleinkind eine solche in den Mund nimmt und auf dieser herumkaut. Ebenso kann ein Kleinkind (theoretisch) an einer glimmenden Zigarette ziehen.
37Eine Kindersicherung kann nur gegen bestehende Gefahrensituationen gefordert werden. Die Antragstellerin hätte dabei das Bestehen einer konkreten und tatsächlichen Gesundheitsgefahr durch die fehlende Verwendungssperre der streitgegenständlichen Produkte glaubhaft zu machen. Dies ist ihr nicht gelungen. Unstreitig geht zwar eine hohe Gesundheitsgefahr von der oralen Aufnahme flüssigen Nikotins aus. Die Kammer verkennt auch nicht, dass von der Inhalation des Nikotins Gesundheitsgefahren ausgehen. Dass jedoch eine tatsächliche Gefahr für Kinder aufgrund der konkreten Konstruktion der streitgegenständlichen Produkte besteht, kann die Kammer nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen. Vorliegend hat die Antragstellerin weder glaubhaft gemacht, dass Vorfälle eingetreten sind, in denen Kinder an ihrer Gesundheit durch das Inhalieren von Einweg-E-Zigaretten geschädigt wurden, noch woraus sich ihrer Auffassung nach die nicht nur theoretisch denkbare, sondern tatsächliche Gesundheitsgefährdung ergibt. Gegen die Annahme einer solchen Gesundheitsgefährdung spricht auch das von der Antragsgegnerin vorgelegte Kurzgutachten von Herrn Prof. Dr. C (Anlage AG 32), welcher ausführt, dass eine schädliche Wirkung des Ziehens an dem streitgegenständlichen Produkt durch Kleinkinder ausgeschlossen ist.
383.
39Ob die Anspruchstellerin den Anspruch nach §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 2 S. 1 CLP-Verordnung glaubhaft gemacht hat, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an einem Verfügungsgrund. Die Antragsschrift stützte sich ausschließlich auf den Unterlassungsanspruch wegen der behaupteten Verletzung von § 14 TabakerzG. Da die Antragstellerin den Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Art. 35 CLP-VO später in das Verfahren eingeführt hat, fehlt es insoweit an der Dringlichkeit. Entschließt sich die Antragstellerin zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung, muss sie das beanstandete Verhalten sogleich unter allen infrage kommenden Gesichtspunkten angreifen. Tut sie dies nicht, fehlt es insoweit an der Dringlichkeit (vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2020, 238, Rn. 20).
40IV.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
42Die Streitwertfestsetzung erfolgt unter Berücksichtigung der Streitwertangaben in der Abmahnung und der Vorläufigkeit des Verfahrens.
43Rechtsbehelfsbelehrung:
44A) Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, oder dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
45Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
46Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen bei dem Landgericht Düsseldorf oder dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
47B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
48E, 11.11.202212. Zivilkammer
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