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I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Vorrichtungen zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist,
wenn die Vorrichtungen einen Stereobreitenparameter verwenden, der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus einem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer Breitenstereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken,
wenn die Vorrichtungen einen Symmetrieparameter verwenden, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld darstellt, das durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals definiert wird,
wenn die Vorrichtungen ein Monosignal verwenden, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird,
und wenn die Vorrichtungen Folgendes aufweisen:
einen parametrischen Stereodecodierer zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, das durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals definiert wird.
II. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall von wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Mittel zur Durchführung eines Verfahrens zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals
zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
wenn das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist, und
wenn das Verfahren einen Stereobreitenparameter verwendet, der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus einem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer Breitenstereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken,
wenn das Verfahren einen Symmetrieparameter verwendet, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld darstellt, das durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals definiert wird,
wenn das Verfahren ein Monosignal verwendet, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird, und
wenn das Verfahren folgende Schritte aufweist:
parametrisches Stereodecodieren zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, das durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals definiert wird.
III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung in elektronischer Form – hinsichtlich der Angaben a. und b. unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, weiter hilfsweise Quittungen in Kopie, wobei Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können – darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie seit dem 15. Dezember 2011 Vorrichtungen gemäß Ziffer I. in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
IV. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung in elektronischer Form – hinsichtlich der Angaben a. und b. unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, weiter hilfsweise Quittungen in Kopie, wobei Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können – darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie seit dem 15. Dezember 2011 Mittel gemäß Ziffer II. zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland angeboten oder geliefert haben,
und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. und II. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Dezember 2011 entstanden ist und noch entstehen wird.
VI. Die Beklagten werden verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und nach dem 15. Dezember 2011 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatent XXX (deutscher Teil des XXX) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten diese Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen.
VII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindliche, in Ziffer I. bezeichnete Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben.
VIII. Die Zwischenfeststellungswiderklage wird abgewiesen.
IX. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
X. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
Ziff. I., II., VI. und VII.: 700.000 Euro
Ziff. III. und IV.: 200.000 Euro
Ziff. IX.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents XXX (nachfolgend: Klagepatent, Anlage KA 2, in deutscher Übersetzung als Anlage KA 2b) in Anspruch.
3Die Klägerin ist seit dem 15.12.2011 eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme mehrerer Prioritäten vom 10.07.2001, 15.03.2002 und 09.07.2002 am 10.07.2002 angemeldeten Klagepatents. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 28.09..2005 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen das Klagepatent ist Nichtigkeitsklage erhoben worden, über die noch nicht entschieden ist.
4Das in englischer Verfahrenssprache verfasste Klagepatent trägt die Bezeichnung „Effiziente und skalierbare parametrische Stereocodierung für Anwendungen mit niedriger Bitrate“. Die geltend gemachten Ansprüche 33 und 20 lauten in deutscher Übersetzung:
533 “Eine Vorrichtung zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals, wobei das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist, die einen Stereobreitenparameter, der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus dem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer Breitenstereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken, und einen Symmetrieparameter verwendet, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld, definiert durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals, und ein Monosignal darstellt, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird, die folgende Merkmale aufweist:
6einen parametrischen Stereodecodierer (119) zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, definiert durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals.“
720 „Ein Verfahren zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals, wobei das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist, das einen Stereobreitenparameter, der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus einem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer Breitenstereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken, und einen Symmetrieparameter verwendet, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld, definiert durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals, und ein Monosignal darstellt, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird, das folgende Schritte aufweist:
8parametrisches Stereodecodieren zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, definiert durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals.“
9Die nachfolgenden Abbildungen zeigen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung. Abbildung 2b ist ein Blockschema eines Pseudostereogenerators mit Steuerparametereingaben und Abbildung 2c ein Blockschema einer Symmetrieeinstelleinrichtung mit Steuerparametereingaben:
10Die Klägerin ist Inhaberin von Patenten, die für den sog. MPEG-4 Advanced Audio Coding (im Folgenden: AAC) Standard (im Folgenden: AAC-Standard oder Standard) wesentlich sind. Sie gab gegenüber der International Organisation for Standardizaton“ (im Folgenden: „ISO“) und der „International Electrotechnical Commission“ (im Folgenden: „IEC“), die den Standard verabschiedeten, eine Erklärung ab, wonach sie bereit ist, Lizenzen an ihren AAC-relevanten Patenten zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (im Folgenden: FRAND bzw. FRAND-Bedingungen = „fair, reasonable and non-discriminatory“) zu vergeben. Von der Erklärung ist auch das hiesige Klagepatent erfasst.
13Der AAC-Standard verfolgt ein modulares Konzept, das die Erweiterung der Grundkonzepte durch sogenannte Tools vorsieht. Daneben definiert der Standard Profile, die bestimmte Konfigurationen bzw. Tools zusammenfassen. Der Standard umfasst dabei drei Profile: das allgemeine AAC-Profil, das „High Efficiency AAC Profile“ (HE AAC) und das „High Efficiency AAC v2 Profile“ (HE AAC v2). Die in diesem Rechtsstreit relevante parametrische Stereocodierung bzw. das Parametric Stereo Tool ist Gegenstand des Profils HE AAC v2. Wegen der Einzelheiten des AAC-Standards wird insofern auf die als Anlage K3f vorgelegten Ausschnitte des derzeit geltenden Standards und die als Anlage K3g vorgelegten Auszüge aus dem Subpart 8 mit dem Abschnitt 8.6.4 verwiesen.
14Das Klagepatent ist Teil eines von der XXX (im Folgenden: XXX) XXX aufgelegten Lizenzierungsprogramms für Patente, die als wesentlich für die Implementierung des AAC-Standards erachtet werden. XXX fungiert bei dem Abschluss von Lizenzverträgen mit Dritten als Verwalterin des AAC-Lizenzierungsprogramms (im Folgenden auch: AAC-Pool) und als nicht-ausschließliche Vertreterin der Patentinhaber, deren Patente in dem AAC-Pool eingelagert sind. Neben der Lizenzierung über den AAC-Pool können auch die einzelnen Pool-Patentinhaber, zu denen neben der Klägerin unter anderem auch XXX gehören (vgl. zu den Pool-Mitgliedern insgesamt die mit Anlage KA1b vorgelegte Liste mit der Überschrift „AAC Licensors“), über bilaterale Vereinbarungen Lizenzen an ihren jeweiligen AAC-Patenten vergeben.
15Der AAC-Pool verfügt über mehr als 900 Lizenznehmer, unter anderem XXX. Eine im Internet, über die Homepage von XXX abrufbare Liste der Lizenznehmer liegt als Anlage K-Kart8 vor. Die Lizenzierung der AAC-Pool Patente erfolgt grundsätzlich über einen Standardlizenzvertrag (Exemplar in der am 13.04.2017 geltenden Fassung liegt als Anlage K-Kart5 vor), in dem die Lizenzgebühren in Form einer gestaffelten Stücklizenz ausweislich der Veröffentlichung auf der Internetseite der XXX mit der Adresse www.XXX wie folgt geregelt sind (vgl. screenshot Anlage KA1b dort überschrieben mit „AAC License Fees“):
16XXX,
17XXX
18Alternativ kann der Lizenznehmer auch ein Gebührensystem wählen, das die zu entrichtenden Lizenzen zusätzlich nach Ländern differenziert. Für die Region 1 (bezeichnet als „R1“), der beispielsweise die europäischen Länder und Nordamerika zugeordnet sind, fallen die Gebühren nach der bereits wiedergegebenen Tabelle an. Für eine Region 2 (bezeichnet als „R2“), die die verbleibenden Länder außerhalb der Kategorie „R1“ erfasst (z.B. Asien, Afrika und China), sind geringere Lizenzsätze nach der folgenden Tabelle zu entrichten:
19XXX.
20Die Beklagte zu 2) ist XXX mit Sitz in XXX. Die Beklagte zu 2) ist Betreiberin der deutschsprachigen Webseite XXX, auf der Smartphones und Tablets der Marke XXX für deutsche Kunden beworben werden, darunter das Smartphone XXX oder das Tablet XXX. Auf die als Anlage KA 3d vorgelegten Screenshots wird Bezug genommen. Die Internetseite verlinkt zu Online-Händlern wie zum Beispiel Amazon, bei denen die Kunden die Geräte unmittelbar erwerben können.
21Weiterhin liefert die Beklagte zu 2) Smartphones der Marke XXX in die Bundesre-publik Deutschland, darunter das Smartphone mit der Bezeichnung XXX. Auf dem Telefon selbst und auch auf der Umverpackung wird die Beklagte zu 2) als Importeurin ausgewiesen.
22Schließlich bewirbt die Beklagte zu 2) Smartphones der Marke XXX über die von ihr verantwortete Webseite XXX, die von der XXX nach Deutschland geliefert und über ausgewählte Einzelhändler vertrieben werden. Ein Auszug aus dieser Webseite kann der Anlage K 3k entnommen werden. Auf der Website werden Einzelhändler benannt, bei denen die Geräte bestellt werden können. Ebenso wird, wenn ein Kunde ein Gerät ausgewählt hat, über den Button „Jetzt kaufen“ angezeigt, wo dieses erworben werden kann. Über weitere Links kann der Kunde unmittelbar auf die Seiten der entsprechenden Händler gelangen.
23Die Beklagte zu 1) ist XXX wird nachfolgend – wenn auch bezogen auf die Beklagten zu 1) und zu 2) etwas verkürzt – als „Muttergesellschaft“ oder als XXX bezeichnet.). Die Beklagte zu 1) betreibt den deutschen Facebook-Auftritt der Marke XXX unter https://www.facebook.com/ XXX . Auf der Facebook-Seite werden ausweislich der als Anlage KA 3d vorgelegten Screenshots Smartphones und Tablet-PC’s der Marke XXX, darunter die Modelle XXX und XXX, beworben. Zudem wird von dieser Facebook-Seite auf die Webseite der Beklagten zu 2) verlinkt.
24Die Klägerin wendet sich gegen Angebot und Vertrieb sämtlicher Mobiltelefone und Tablets durch die Beklagten, die vom Profil HE AAC v2 des AAC-Standards Ge-brauch machen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), darunter die Smartphones XXX oder XXX oder das Tablet XXX.
25Die angegriffenen Smartphones und Tablet PC’s nutzen das mobile Betriebssystem „Android“, ein maßgeblich unter der Führung des „Google“-Konzerns entwickeltes Betriebssystem sowie eine Software-Plattform für mobile Geräte wie Smartphones und Tablet-PC’s.
26Der AAC-Standard stellt eine Kompatibilitätsanforderung für das Android-System von Google insofern dar, als dessen Implementierung erforderlich ist, um die Zertifizierung für sog. „Google Mobile Services“ (GMS) zu erhalten. Dieser bedarf es wiederum, um „Google-Anwendungen“, insbesondere den Google Play App Store, Google Maps, Google Search sowie YouTube zu nutzen.
27Mit dem Parametric Stereo Tool des AAC-Standards ist es möglich, Audiosignale als Monosignal zu codieren und sodann im Decodierer ein synthetisches Stereosignal zu erzeugen. Die Prozesskette des standardgemäßen parametrischen Stereodecodierers kann wie folgt veranschaulicht werden (der Klageschrift entnommen auf Seite 40):
28Unter anderem werden sowohl unveränderte (Sub-)Subbandsignale des monauralen Signals als auch dekorrelierte, also veränderte bzw. dem Original unähnliche Versionen dieser (Sub-)Subbandsignale einem Block „Stereo Processing“ zugeführt und dort in einer bestimmten Weise überlagert. Diese Überlagerung erfolgt in Abhängigkeit von Stereoparametern, die der Standard als „stereo cues“ bezeichnet. Erzeugt werden zwei Kanäle eines Stereosignals in der Subband-Domäne. Gemäß Abschnitt 8.6.4.1 des Standards (Anlage KA 3g) umfassen diese Stereoparameter insbesondere:
30„1) The inter-channel intensity difference, or IID, defined by the relative levels of the band-limited signal.
312) The inter-channel and overall phase differences, IPD and OPD, defining the phase behaviour of the band-limited signal.
323) The inter-channel coherence ICC, defining the (dis)similarity of the left and right band-limited signal.”
33Diese Stereoparameter werden quantisiert und innerhalb des Datenstroms durch Indizes angegeben. Für den IID-Parameter (Interchannel-Intensitätsdifferenz-Parameter) und ICC-Parameter (Interchannel-Kohärenz-Parameter) ergeben sich die Werte mitsamt den zugehörigen Indizes wie folgt (Anlage KA 3g):
34Die so erzeugten zwei Kanäle eines Stereosignals in der Subband-Domäne werden sodann im Synthesefilter aus der Subband-Domäne in die Zeitdomäne zurücktransformiert. Diese Signaltransformation ist invers zu der Transformation im Analysefilter.
37Im Jahre 2005 hatte die Muttergesellschaft über XXX bereits eine AAC-Pool-Lizenz in Form des damals geltenden Standardlizenzvertrags erworben (Vertragsdokument liegt als Anlage K-Kart 1 vor). Dieser Vertrag wurde von XXX mit Schreiben vom 02.03.2007 (Anlage K-Kart 2) vorzeitig beendet.
38In den Jahren 2007 – 2015 kam es zu weiteren Kontaktaufnahmen von XXX an die Muttergesellschaft, in deren Verlauf auch die jeweils gültige Fassung des von XXX bereitgehaltenen Standardlizenzvertrags übersandt wurde.
39Am 03.02.2016 ließ XXX der Muttergesellschaft eine E-Mail (Anlage K-Kart 3) mit einem Exemplar eines Standard-Lizenzvertrags des Pools (eine Version dieses Vertragsentwurfs liegt der Akte nicht bei) zukommen. In einem sich daran anschließenden persönlichen Treffen von XXX erkundigte sich Herr XXX, aus dem Konzern der Beklagten, nach Claim Charts und stellte in den Raum, ob die Patente aufgrund von Lizenzierungen an XXX und XXX erschöpft seien. In einem Schreiben vom 23.03.2016 (Anlage K-Kart 4) teilte XXX mit, dass keine Lizenzen an XXX vergeben worden seien, und dass die Lizenz von XXX nicht als Ganzes erfasse. Wegen weitergehender Details der genannten Kommunikation wird auf die jeweiligen Schreiben verwiesen. In einem Telefonat am 27.04.2016 wiederholte der Konzern der Beklagten seine Anfrage im Hinblick auf eine etwaige Erschöpfung.
40Neben dem Pool-Lizenzangebot durch XXX erhielt die Muttergesellschaft mit Schreiben der XXX (Gesellschaften aus dem Konzern der Klägerin werden nachfolgend zusammenfassend mit XXX bezeichnet) vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) unter anderem Claim Charts von AAC-Pool-Patenten der Klägerin sowie einen Entwurf für eine bilaterale Vereinbarung mit XXX. Der Vertragsentwurf sieht unter Ziffer 3.2.1 in Verbindung mit „Appendix A“ eine gestaffelte Stücklizenzgebühr wie folgt vor:
41XXX.
42XXX. Im Übrigen wird auf den als Anlage KA1c vorgelegten Vertragsentwurf verwiesen.
43Mit Schreiben vom 13.04.2017 übersandte XXX erneut einen Standardlizenzvertrag an den Konzern der Beklagten (Anlage K-Kart 5). Auf das Schreiben sowie den Vertragsentwurf, der die Lizenzraten, wie auf der Internetseite von XXX veröffentlicht (und wie oben bereits wiedergegeben), nennt, wird jeweils verwiesen.
44In dem Zeitraum zwischen Oktober 2017 bis Februar 2019 kam es zu weiteren persönlichen Treffen zwischen XXX und XXX. Mit Schreiben vom 11.10.2019 (Anlage KA1d) wiederholte XXX sein Angebot aus dem Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage KA1c).
45Nach Zustellung der Klage, nämlich mit E-Mail vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2), verhielt sich XXX zu dem Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) und forderte unter anderem die Erläuterung der mit dem von der Klägerin vorgelegten Vertragsentwurf vorgeschlagenen Lizenzgebühren. Des Weiteren wurde um Erläuterung und Vorlage abgeschlossener Lizenzverträge gebeten. XXX antwortete auf diese E-Mail mit E-Mail vom 16.07.2020 (Anlage VP Kart 3). Mit E-Mail vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 4) wiederum teilte XXX mit, dass die von XXX erhaltenen Informationen im Hinblick auf die Angemessenheit und Diskriminierungsfreiheit des Angebots aus Februar 2017 für unzureichend erachtet würden. Mit E-Mail vom selben Tag (Anlage VP Kart 5) forderte XXX von XXX mit Blick auf den im April 2017 zugesandten Standardlizenzvertragsentwurf ähnliche Informationen wie in dem Schreiben vom 17.06.2020 von XXX (Anlage VP Kart 2). Wegen des weitergehenden Inhalts der jeweiligen Schreiben wird auf diese Bezug genommen.
46Zwischen der Klägerin und Dritten bestehen teilweise auch bilaterale Vereinbarungen, über die ausschließlich die AAC-relevanten Patente der Klägerin lizenziert sind, unter anderem auch mit der XXX (vormals: XXX), die innerhalb der XXX-Gruppe für die TV-Sparte verantwortlich zeichnet.
47Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 15.09.2020 (Bl. 305 f. GA) und den Abschluss eines NDA folgend legte die Klägerin im Dezember 2020 XXX bilateralen Lizenzvereinbarungen vor, die sich auf die Lizenzierung ihrer AAC-relevanten Patente für Hersteller von „Smartphones“ bzw. „Tablets“ beziehen. Die Lizenznehmer sind: XXX. Zum anderen brachte sie XXX insgesamt mehr als 1500 Lizenzverträge von XXX zur Kenntnis.
48Mit E-Mail vom 13.03.2021 übersandte die Muttergesellschaft XXX das als Anlage VP Kart 09 vorgelegte Gegenangebot, auf das wegen seines Inhalts verwiesen wird. Auf die Ablehnung des Gegenangebots durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2021 überreichten die Beklagten eine Bürgschaftsurkunde vom 16.03.2021 der Deutschen Bank AG über einen Betrag in Höhe von USD XXX (vgl. Abschrift Bl. 637f. GA). Das Dokument weist die Muttergesellschaft als Schuldnerin und die Klägerin als Gläubigerin aus.
49Vor der entscheidenden Kammer ist auch ein von der Pool-Patentinhaberin XXX gegen die Beklagten des hiesigen Verfahrens eingeleitetes Verletzungsverfahren (Az.: 4b O 83/19) anhängig. Des Weiteren laufen Parallelverfahren zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits, die andere AAC-Pool-Patente betreffen (Az.: 4b O 48/20 und Az.: 4b O 49/20). Zudem erhob die XXX als Inhaberin von AAC-Pool-Patenten eine Zahlungsklage vor dem Landgericht Mannheim gegen die Beklagten. Eines der beiden Verfahren wurde zugunsten der dortigen Klägerin beschieden, das Berufungsverfahren ist vor dem Oberlandesgericht Mannheim anhängig. Das andere Verfahren ist bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt.
50Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagten stellten eine Verletzung des Klagepatents dar. Das Parametric Stereo Tool des AAC-Standards erfordere die Anwendung der technischen Lehre des Klagepatents. Bei Geräten, die den AAC-Standard mit dem HE AAC v2-Profil implementierten – und dazu gehöre aufgrund der Kompatibilitätsanforderung für das Betriebssystem Android auch die angegriffene Ausführungsform – handele es sich daher um Vorrichtungen im Sinne des Klagepatents bzw. die Geräte seien zur Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahren geeignet. Insbesondere gebe der von einem standardgemäßen Decodierer zur Synthetisierung des Stereosignals verwendete ICC-Parameter einen Grad der Ähnlichkeit zwischen den Stereokanälen an und entspreche folglich dem Stereobreitenparameter des Klagepatents. Die Bestimmung dieses ICC-Parameters erfolge im Codierer anhand des zu codierenden Originalsignals, so dass der ICC-Parameter sich auf dieses Signal beziehe.
51Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, gegen die sich aus der Patentverletzung ergebenen Ansprüche greife der von den Beklagten erhobene Verjährungseinwand nicht durch. Die Beklagten würden verkennen, dass die Patentinhaber, die sich in einem Lizenzpool zusammenfinden, dies gerade deshalb täten, damit sie sich nicht um die Patentverletzung kümmern müssten. Richtig sei, dass XXX Ende 2015 versucht habe, mit der Mobilkommunikationssparte von XXX ins Gespräch zu kommen. Dies sei jener Zeitpunkt gewesen, zu dem der Lizenzpool den Lizenzgebern erstmals signalisiert habe, dass man mit XXX nicht recht vorankomme. Von einem Marktüberblick und von spezifischen Verletzungen in Deutschland könne zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein.
52Die Klägerin ist weiter der Ansicht, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auch im Hinblick auf die Standardessentialität des Klagepatents zu. Der von den Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greife nicht durch.
53Das Klagepatent vermittle ihr, der Klägerin, schon keine marktbeherrschende Stellung. An einer solchen fehle es jedenfalls, weil die Beklagten entweder auf alternative Betriebssysteme ausweichen (beispielsweise „Nokia OS“, „Windows Phone / Mobile“ von Microsoft oder „Blackberry OS“ von Blackberry) oder ein eigenes Betriebssystem entwickeln könnten, ohne den AAC-Standard zu implementieren. Auch auf diese Weise könne ein wettbewerbsfähiges Produkt angeboten werden.
54Zudem ist die Klägerin der Ansicht, auch dann, wenn sie eine marktbeherrschende Stellung innehabe, seien die Grundsätze der EUGH-Rechtsprechung in der Rechtssache HUAWEI ./. ZTE (Urt. v. 16.0.72015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015, Az.: C-170/13, GRUR 2015, 764; im Folgenden: EuGH-Rechtsprechung oder EuGH-Urteil) hier nicht anwendbar. Bei dem AAC-Standard handele es sich nicht um einen Mobilfunkstandard, sondern um eine technische Spezifikation, die einen de-facto Standard etabliere, der nach den von dem BGH in der „Orange-Book-Standard“ Entscheidung (BGH, NJW-RR 2009, 1047) entwickelten Grundsätzen zu beurteilen sei. Die Beklagten seien den sie danach treffenden kartellrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen.
55Aber auch bei Orientierung an der EuGH-Rechtsprechung nutze sie, die Klägerin, eine etwaige marktbeherrschende Stellung nicht durch die Geltendmachung der auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichteten Ansprüche aus.
56XXX sei schon nicht als lizenzwillig zu erachten.
57Aus den Schreiben vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) und vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 5), in denen XXX pauschal seine Lizenzwilligkeit unterstreiche, könne sich eine Lizenzwilligkeit vor dem Hintergrund des Verhaltens von XXX in den vorherigen Jahren nicht ergeben. Das gelte weiter auch deshalb, weil XXX in den genannten Schreiben Forderungen erhebe, die zuvor nicht geäußert worden seien.
58Zudem seien der Muttergesellschaft zwei der EuGH-Rechtsprechung genügende Angebote in Form des bilateralen Angebots der Klägerin vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) und in Form des Standardlizenzvertrags von XXX vom 13.04.2017 (Anlage K-Kart 5) unterbreitet worden.
59Soweit die Beklagten sich gegen die FRAND-Gemäßheit des Pool-Vertragsangebots richten, sei ihnen dieser Einwand bereits aufgrund des in den Jahren 2005/2006 bestehenden Lizenzvertragsverhältnisses betreffend den AAC-Pool und der Kündigung desselben wegen vertragswidrigen Verhaltens der Muttergesellschaft verwehrt.
60Unbeschadet dessen entspreche dieses aber auch FRAND-Grundsätzen.
61Eine Erläuterung der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren sei angesichts des Vorliegens eines Standardlizenzvertrags nicht erforderlich.
62Es fehle auch an einer Diskriminierung, weil alle Lizenznehmer die laufenden Lizenzgebühren zahlen würden, die auch XXX angeboten worden seien. Ausnahmen bestünden nur in geringem Umfang, diese seien vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Vertragsverhältnisses begründbar. XXX
63Das Pool-Lizenzangebot erweise sich darüber hinaus auch als fair und angemessen. Das ergebe sich bereits daraus, dass dieses von über 900 Lizenznehmern akzeptiert werde.
64Auch das der Muttergesellschaft unterbreitete bilaterale Angebot entspreche FRAND-Grundsätzen.
65Andere als die XXX vorgelegten bilateralen Vereinbarungen mit Dritten, die andere Produktgruppen als Smartphones und Tablets betreffen, müsse sie, die Klägerin, nicht vorlegen. Denn durch diese könne eine Diskriminierung schon nicht eintreten.
66Ein XXX diskriminierendes Verhalten könne ihr, der Klägerin, auch nicht im Zusammenhang mit XXX. Etwaige danach noch verbleibende Unterschiede seien jedenfalls sachlich gerechtfertigt.
67Die angebotenen Lizenzgebühren seien auch angemessen.
68Sie, die Klägerin, habe sich bei deren Festsetzung an der Gebührenstruktur des AAC-Pools (Standardlizenzvertrag) orientiert. Dies führe zu angemessenen Lizenzgebühren, wie die XXX abgeschlossenen Lizenzvereinbarungen, nach denen Lizenzgebühren in der Höhe zu zahlen seien, wie sie auch XXX angebotenen worden seien, zeigen würden.
69Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, das Klagepatent sei auch rechtsbeständig.
70Nachdem die Klägerin mit den ursprünglichen Klageanträgen eine Verurteilung der Beklagten für seit dem 28.10.2005 begangene Verletzungshandlungen geltend gemacht hat, beantragt sie nunmehr
71zu erkennen wie geschehen, wobei sie weiterhin beantragt,
72hilfsweise zu Ziffer III. und IV.:
73wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 zu machen sind,
74hilfsweise zu Ziffer V.:
75festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin
76a) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. und II. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2017 entstanden ist und noch entstehen wird, und
77b) dasjenige herauszugeben, was sie durch zwischen dem 15. Dezember 2011 und dem 31. Dezember 2016 begangene Handlungen gemäß Ziffer I. und II. erlangt haben.
78Die Beklagten beantragen,
79die Klage abzuweisen,
80hilfsweise,
81den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden,
82ferner hilfsweise,
83den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die am 2. September 2020 gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen.
84Widerklagend beantragen die Beklagten,
85festzustellen, dass das Lizenzangebot der XXX vom 13. Februar 2017 gemäß Anlage KA 1c rechtswidrig ist, weil es nicht fair, angemessen und diskriminierungsfrei (FRAND) im Sinne von Art. 102 AEUV ist, insbesondere weil es an der erforderlichen Darlegung der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr fehlt, die Lizenzgebühren nicht fair und angemessen sind und/oder die Lizenzgebühren gegenüber dritten Lizenznehmern nicht diskriminierungsfrei sind.
86Die Klägerin beantragt,
87die Widerklage abzuweisen.
88Die Beklagten stellen eine Verletzung des Klagepatents nicht in Abrede. Sie sind jedoch der Auffassung, die Klage sei im Umfang des Rückrufanspruchs unbegründet. Zudem liege auf der Hand, dass für den ganz überwiegenden Teil des Rückrufzeitraums davon auszugehen sei, dass sich keine damals vertriebenen Produkte mehr in den Vertriebswegen befänden.
89Die geltend gemachten Ansprüche auf Vernichtung seien auch aus weiteren Gründen unverhältnismäßig. Die angegriffene Ausführungsform sei eine komplexe elektronische Vorrichtung, die eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten biete. Im Wesentlichen handele es sich um ein Kommunikationsmittel und nicht in erster Linie um Vorrichtungen, welche dem primären Zweck dienten, ein AAC-codiertes Signal wiederzugeben. Soweit die angegriffene Ausführungsform überhaupt in der Lage sein sollte, das anspruchsgemäße Verfahren durchzuführen, gehe dies allein auf die verwendete Software zurück, die dahingehend abgewandelt werden könne, dass sie von dem – unterstellt – anspruchsgemäßen Verfahren keinen Gebrauch mehr mache.
90Weiterhin erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung hinsichtlich aller angeblichen Benutzungshandlungen und entsprechend vermeintlicher Ansprüche bis einschließlich 31.12.2016. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass XXX den Lizenzvertrag mit der Muttergesellschaft gekündigt hatte. Für den Zeitraum ab 2015 habe die Klägerin ihre Kenntnis sogar zugestanden.
91Die Beklagten erheben zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand.
92Sie sind der Ansicht, die Klägerin habe sich nicht im Sinne der auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbaren EuGH-Rechtsprechung FRAND-konform verhalten und ihre Marktmacht durch Erhebung der hiesigen Klage missbräuchlich ausgenutzt.
93Das Klagepatent vermittle der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Smartphones und Tablet PCs.
94Eine solche ergebe sich zum einen daraus, dass die marktbeherrschenden Streaming- und Multimediaplattformen sowie Inhalteanbieter den AAC-Standard standardmäßig voraussetzen würden, und zum anderen aus dem Umstand, dass Google – insoweit unstreitig – den streitgegenständlichen Standard zur Kompatibilitätsanforderung mache. Android-Smartphones, bei denen die Google-Dienste mangels AAC-Standard fehlen, könnten allenfalls auf einem Nischenmarkt vertrieben werden.
95Es sei den Herstellern auch nicht möglich, auf ein alternatives Betriebssystem auszuweichen, da auf dem Markt lediglich das Android-System von Google sowie das iOS-System von Apple, an dem Lizenzen unstreitig nicht genommen werden können, vorherrschend seien. Ein wettbewerbsfähiges Produkt könne durch einen Rückgriff auf alternative Betriebssysteme nicht angeboten werden, vielmehr könne mit diesen lediglich ein Nischenmarkt erschlossen werden.
96Die danach bestehende marktbeherrschende Stellung habe die Klägerin missbraucht, indem sie das FRAND-Prozedere nach der EuGH-Rechtsprechung nicht eingehalten habe.
97XXX habe sich dadurch lizenzwillig gezeigt, dass die Muttergesellschaft ihre unbedingte Lizenzbereitschaft kundgetan habe. Ihre Lizenzbereitschaft komme schließlich auch in dem zwischen der XXX und der Klägerin bestehenden Lizenzvertrag die AAC-Patente betreffend zum Ausdruck.
98Sowohl das von der XXX in Form des Standardlizenzvertrags unterbreitete Angebot als auch der bilaterale Vertragsentwurf der Klägerin würden den FRAND-Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung nicht gerecht.
99Das Vertragsangebot von XXX widerspreche FRAND-Grundsätzen.
100Das gelte schon deshalb, weil die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren einschließlich einer fehlenden Diskriminierung nicht hinreichend dargelegt worden seien.
101Die vorgelegten Verträge seien unvollständig, XXX. Auch seien die Erläuterungen im Übrigen unzureichend, weil anhand dieser ein zuverlässiger Vergleich der bestehenden Pool-Lizenzverträge mit dem den Beklagten angetragenen Angebot nach dem Standardlizenzvertrag nicht möglich sei.
102Unbeschadet dessen trete bereits aus den vorgelegten Verträgen eine Diskriminierung von XXX zu Tage. Denn die abgeschlossenen Standardlizenzverträge würden – insoweit unstreitig – durch Nebenabreden flankiert. Diese würden dazu führen, dass XXX ohne sachlichen Grund erheblich benachteiligt werde. Das gelte insbesondere XXX.
103Aus einem Vergleich der in dem Standardlizenzvertrag festgesetzten Gebühren mit der Lizenzgebühr für eine Lizenznahme an dem AVC/H.264-Pool bzw. dem HEVC/H.265-Pool folge zudem, dass die hier in Rede stehende Pool-Lizenzgebühr überhöht sei.
104Auch das bilaterale Angebot aus Februar 2017 stelle sich als FRAND-widrig dar.
105Die Klägerin habe schon ihre bilateralen Vereinbarungen mit Dritten nur unzureichend erläutert, weil sie – insoweit unstreitig – lediglich solche Verträge vorgelegt habe, die sich auf Smartphones und Tablets beziehen. Mit weiteren Unternehmen, die andere Produktgruppen vertreiben (bspw. XXX), abgeschlossene Verträge würden hingegen – insoweit unstreitig – fehlen, obwohl ihr Vertragsangebot – insoweit unstreitig – nicht zwischen einzelnen Produktgruppen differenziere.
106Zudem seien die vorgelegten Verträge nicht hinreichend erläutert worden.
107Gleichwohl würden bereits die vorgelegten bilateralen Lizenzverträge erkennen lassen, dass XXX gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert werde. Dies gelte insbesondere XXX.
108Die mit dem bilateralen Angebot vorgeschlagenen Lizenzgebühren würden sich auch nicht als angemessen darstellen. Diese seien im Hinblick auf vergleichbare Technologien, insbesondere den AVC/H.264-Standard für die Videokompression, nicht nachvollziehbar bzw. stellten sich als überhöht dar. Ein Vergleich der vorgeschlagenen Gebühren mit denjenigen des HEVC/H.265-Standard gehe hingegen fehl, weil der Pool – insoweit unstreitig – sehr viel größer als der Bestand des AAC-Pools sowie von AVC/H.264 sei.
109Des Weiteren ergebe sich eine Unangemessenheit der von der Klägerin angebotenen Lizenzgebühren aber auch aus der Art und Weise, wie sie, die Klägerin, diese im Verhältnis zu den in dem Standardlizenzvertrag bemessenen Gebühren ermittelt habe.
110Schließlich sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Klagepatent auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) hin für nichtig erklärt werde. Der Gegenstand des Klagepatents der hier geltend gemachten Ansprüche sei gegenüber der Anmeldung des Klagepatents unzulässig erweitert. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Klagepatents weder neu noch erfinderisch.
111Die Beklagten sind der Auffassung, die anspruchsgemäße Vorrichtung beschränke sich auf die Kombination diverser Parameter, wobei diese Parameter sowohl einzeln als auch bereits in der Kombination aus dem Stand der Technik hinlänglich bekannt gewesen seien. In einer Stereosituation stimmten die verschiedenen Signale oftmals in großen Teilen überein und unterschieden sich nur in manchen. Es würden daher anspruchsgemäß Parameter verwendet, die die Stereoeigenschaften des Originalsignals beschreiben bzw. darstellen könnten. Dies könne dadurch geschehen, dass Unterschiede zwischen den Originalsignalen oder -kanälen ausgegeben würden und im Übrigen nur ein Monosignal übertragen werde, aus dem dann wieder mehrere Signale bzw. Kanäle erzeugt werden würden. Dies seien die Stereobreitenparameter. Kombiniert werde dieser aus dem Stand der Technik bekannte Stereobreitenparameter mit einem Symmetrieparameter, der eine Lokalisation im Ursprungsklangfeld repräsentiere und über den eine Lokalisation im rekonstruierten Ausgabesignal gesteuert werden könne. Diese Symmetrieparameter seien im Stand der Technik als „localisation cues“ bzw. „intensity cues“ bekannt gewesen.
112Hinsichtlich der Widerklage sind die Beklagten der Auffassung, ein besonderes Interesse an der Feststellung, dass das streitgegenständliche Lizenzangebot der Klägerin kartellrechtswidrig sei und dies daher nicht zur Annahme verpflichte, sei gegeben. Die Beklagten liefen vorliegend Gefahr, keine Klarheit darüber zu erhalten, dass das Lizenzangebot kartellrechtswidrig sei. Diese Ungewissheit sei dadurch bedingt, dass das Verletzungsgericht die Klage auch aus anderem Grund abweisen bzw. den Rechtsstreit aussetzen könne. Dies müsse auch in der vorliegenden Konstellation gelten, in der eine Ungewissheit darüber bestehe, ob das Gericht über die Kartellrechtswidrigkeit des Lizenzangebots befinde.
113Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
114Entscheidungsgründe
115Die zulässige Klage ist begründet; die Zwischenfeststellungswiderklage ist unzulässig.
116Eine Aussetzung der Verhandlung ist nicht geboten.
117A.
118Die Klage ist begründet.
119Die Klägerin hat gegen die Beklagten im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
120I.
121Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. Denn ihr Begehren auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz macht sie für den Zeitraum ab Registerumschreibung geltend. Einer näheren Darlegung zur materiellen Inhaberschaft am Klagepatent bedarf es dann nicht (BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren, Kühnen Hdb. Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Kap. D Rn. 256f.). Die Beklagten haben auch keine Umstände vorgetragen, die aus Sicht der Kammer Zweifel an der materiellen Patentinhaberschaft der Klägerin begründen können.
122II.
123Das Klagepatent bezieht sich auf die effiziente und skalierbare parametrische Stereocodierung für Anwendungen mit niedriger Bitrate.
124Nach der Beschreibung des Klagepatents in Absatz [0002] (Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift) können Audioquellencodierungstechniken in natürliche Audiocodierung und Sprachcodierung unterteilt werden. Bei mittleren bis hohen Bitraten wird üblicherweise eine natürliche Audiocodierung für Sprach- und Musiksignale verwendet. In diesen Fällen ist eine Stereo-Übertragung und -Wiedergabe möglich. Sind bei Anwendungen indes nur niedrige Bitraten verfügbar, wie beispielsweise bei Internet-Streaming-Audio, ist eine Monocodierung des Audioprogramms unvermeidbar. Jedoch ist auch in diesen Fällen eine Stereo-Vertiefung weiterhin wünschenswert, insbesondere beim Hören mit Kopfhörern. Ein reines Monosignal wird dann jedoch derart wahrgenommen, dass es von „innerhalb des Kopfes“ stammt, was aus Sicht des Klagepatents eine unangenehme Erfahrung sein kann.
125Ein Ansatz zum Adressieren dieses Problems, so das Klagepatent, ist das Synthetisieren eines Stereosignals an der Decodierseite von einem reinen empfangenen Monosignal (Abs. [0003]). Dazu wurden im Laufe der Jahre verschiedene unterschiedliche „Pseudo-Stereo“-Generatoren vorgeschlagen. Das US-Patent 5,883,962 schlägt eine Verbesserung von Monosignalen mit Hilfe des Addierens von verzögerten/phasenverschobenen Versionen eines Signals zu dem unverarbeiteten Signal vor, wodurch eine Stereo-Illusion erzeugt wird. Hierzu wird das verarbeitete Signal zu dem Originalsignal für jede der zwei Ausgaben auf gleichen Pegeln aber mit unterschiedlichen Vorzeichen addiert, wodurch sichergestellt wird, dass die Verbesserungssignale aufgehoben werden, wenn die zwei Kanäle später in dem Signalweg addiert werden. In der PCT WO 98/57436 ist ein ähnliches System gezeigt, aber ohne die Monokompatibilität des verbesserten Signals.
126Bekannte Verfahren haben, so beschreibt es das Klagepatent, gemeinsam, dass sie als reine Nachverarbeitungsprozesse angewendet werden. Anders ausgedrückt sind keine Informationen mit dem Grad einer Stereobreite, geschweige denn einer Position einer Stereoklangstufe, für den Decodierer verfügbar. Somit kann das Pseudostereosignal eine Ähnlichkeit des Stereocharakters des Originalsignals aufweisen oder nicht. Eine bestimmte Situation, in der bekannte Systeme aussteigen, ist, wenn das Originalsignal ein reines Monosignal ist, was bei Sprachaufzeichnungen häufig ist. Das Monosignal wird dann blind in ein synthetisches Stereosignal an den Decodierer umgewandelt, was in dem Fall von Sprache häufig lästige Artefakte erzeugt und die Klarheit und Sprachverständlichkeit reduzieren kann.
127Das Klagepatent beschreibt weiter in Absatz [0004], dass andere bekannte Systeme, die auf eine wahre Stereoübertragung bei niedriger Bitrate abzielen, üblicherweise ein Summe- und Differenz-Codierungsschema verwenden. Die ursprünglichen linken (L) und rechten (R) Signale werden in ein Summensignal S = (L+R)/2 und ein Differenzsignal D = (L-R)/2 umgewandelt, nachfolgend codiert und übertragen. Der Empfänger decodiert die S- und D-Signale, woraufhin das ursprüngliche L/R-Signal wieder durch die Operationen L = S + D und R = S – D erzeugt wird. Das Klagepatent beschreibt hieran als vorteilhaft, dass zwischen L und R sehr häufig eine Redundanz vorliegt, wodurch die Informationen bei D, die decodiert werden sollen, geringer sind und damit weniger Bits erfordern als bei S. Offensichtlich ist der extreme Fall ein reines Monosignal, bei dem L und R identisch sind. Ein herkömmlicher L/R-Codec, so das Klagepatent, codiert dieses Monosignal zwei Mal, wohingegen ein S/D-Codec diese Redundanz erfasst und das D-Signal idealerweise keine Bits erfordert. Ein anderes Extrem ist dargestellt mit der Situation R = -L, was „gegenphasigen“ Signalen entspricht. Das Signal S ist Null und das Signal D wird zu L berechnet. Das S/D-Schema weist auch hier einen deutlichen Vorteil gegenüber einer standardgemäßen L/R-Codierung auf.
128Wird jedoch die Situation R = 0 betrachtet, sind sowohl S als auch D in diesem Falle gleich L/2 und das S/D-Schema bietet keinen Vorteil. Im Gegenteil handhabt eine L/R-Codierung diesen Fall sehr gut: das R-Signal benötigt keine Bits. Aus diesem Grund, so das Klagepatent, verwenden bekannte Codecs ein adaptives Schalten zwischen den beiden Codierungsschemata, abhängig davon, welches Verfahren das vorteilhafteste zum Verwenden zu einer gegebenen Zeit ist. Die vorgenannten Beispiele beschreibt das Klagepatent als theoretisch, außer für den Dual-Mono-Fall, der nur in Nur-Sprache-Programmen üblich ist. Somit enthält reales Stereoprogrammaterial bedeutende Mengen an Stereoinformationen und sogar wenn das beschriebene Schalten implementiert ist, ist die resultierende Bitrate häufig noch zu hoch für viele Anwendungen. Ferner, so kritisiert das Klagepatent, ist eine sehr grobe Quantisierung des D-Signals bei einem Versuch zum weiteren Reduzieren der Bitrate nicht durchführbar, da die Quantisierungsfehler in Fehler eines nicht vernachlässigbaren Pegels bei dem L- und R-Signal übersetzt werden.
129Die EP X offenbart eine gemeinsame Stereocodierung von Audiosignalen. Ein Stereosignal wird, so das Klagepatent in Absatz [0005], abwärts gemischt zu einem Übertragungskanal, das das Linkskanalsignal oder eine Kombination des Linkskanalsignals und des Rechtskanalsignals darstellt. Zusätzlich dazu werden parametrische Informationen aus dem Links- und Rechtskanalsignal hergeleitet. Diese parametrischen Informationen erfassen Lokalisierungshinweise des Stereoaudiosignals, einschließlich Intensitäts- und Phasen-Charakteristika des Links- und des Rechtskanalsignals. Diese Lokalisierungshinweise umfassen Niedrigfrequenzphasenhinweise, Intensitätshinweise und Gruppen-Verzögerungs- oder Hüllkurven-Hinweise. Dabei werden die Niedrigfrequenzphasenhinweise aus der relativen Phase des Links- und des Rechts-Kanals bei niedrigen Frequenzen hergeleitet. Die Intensitätshinweise werden aus der relativen Leistung des Links- und des Rechts-Kanalsignals bei hohen Frequenzen der Signale hergeleitet. Die Hüllkurven-Hinweise werden aus der relativen Phase der Links- und Rechts-Signal-Hüllkurve hergeleitet und basierend auf der Gruppen-Verzögerung zwischen den zwei Signalen bestimmt.
130Vor dem Hintergrund des Standes der Technik bezeichnet es das Klagepatent als Aufgabe (technisches Problem), ein verbessertes Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen zum Codieren von Stereoeigenschaften für ein verbessertes Verfahren und eine Vorrichtung zum Synthetisieren des Ausgangssignals (Abs. [0006]).
131Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Anspruch 33 des Klagepatents im Rahmen der Decodierung des codierten Signals eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
132a1. |
Eine Vorrichtung zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals, |
|
a2. |
wobei das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist. |
|
b. |
Die Vorrichtung verwendet einen Stereobreitenparameter, |
|
b1. |
der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, |
|
b2. |
wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus einem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer breiten Stereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken. |
|
c. |
Die Vorrichtung verwendet einen Symmetrieparameter, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld darstellt, das durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals definiert wird. |
|
d. |
Die Vorrichtung verwendet ein Monosignal, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird. |
|
e. |
Die Vorrichtung weist auf: |
|
e1. |
einen parametrischen Stereodecodierer (119) zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal |
|
e2 |
durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und |
|
e3. |
durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, das durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals definiert wird. |
Nach Anspruch 20 ist zudem ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vorgesehen:
134a1. |
Ein Verfahren zum Synthetisieren eines ersten Ausgangskanals und eines zweiten Ausgangskanals eines Ausgangssignals, |
|
a2. |
wobei das Ausgangssignal ein Zweikanalausgangssignal oder ein Mehrkanalausgangssignal ist, das den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal aufweist. |
|
b. |
Das Verfahren verwendet einen Stereobreitenparameter, |
|
b1. |
der einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten Kanal und einem zweiten Kanal eines Originalsignals darstellt, wobei das Originalsignal ein Zweikanalsignal oder ein Mehrkanalsignal ist, das den ersten Kanal und den zweiten Kanal aufweist, |
|
b2. |
wobei der Stereobreitenparameter ein Wert aus einem finiten Satz von Werten ist, die einen gesamten Bereich zwischen einer Monosituation und einer Breitenstereosituation zwischen dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals abdecken. |
|
c. |
Das Verfahren verwendet einen Symmetrieparameter, der eine Lokalisierung in einem Stereofeld darstellt, das durch den ersten Kanal und den zweiten Kanal des Originalsignals definiert wird. |
|
d. |
Das Verfahren verwendet ein Monosignal, das aus dem ersten Kanal und dem zweiten Kanal des Originalsignals hergeleitet wird. |
|
e. |
Das Verfahren weist folgende Schritte auf: |
|
e1. |
Parametrisches Stereodecodieren zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal |
|
e2 |
durch Verwenden des Stereobreitenparameters, um eine Stereobreite zwischen dem ersten Ausgangskanal und dem zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals zu steuern, und |
|
e3. |
durch Verwenden des Symmetrieparameters, um eine Lokalisierung in dem Stereofeld zu steuern, das durch den ersten Ausgangskanal und den zweiten Ausgangskanal des Ausgangssignals definiert wird. |
III.
136Die angegriffene Ausführungsform macht von den Merkmalen des Anspruchs 33 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Sie nutzt das mobile Betriebssystem „Android“ und ist infolgedessen mit dem HE AAC v2 Profil des AAC-Standards kompatibel. Da die Standardkompatibilität zwingend die Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents voraussetzt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs. Dies steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit.
137Die angegriffene Ausführungsform verletzt zudem den geltend gemachten Verfahrensanspruch 20 mittelbar gemäß § 10 Abs. 1 PatG. Die angegriffene Ausführungsform stellt ein Mittel dar, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Die angegriffene Ausführungsform ist aufgrund ihrer Standardkompatibilität geeignet, zur Benutzung des anspruchsgemäßen Verfahrens verwendet zu werden. Insofern bezieht sie sich auch auf ein wesentliches Element der Erfindung. Es ist weiterhin offensichtlich, dass die Nutzer die angegriffene Ausführungsform zur Anwendung des geschützten Verfahrens bestimmen. Denn es ist mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass Nutzer mit der angegriffenen Ausführungsform Audiodaten abspielen. Da solche Daten zu einem nicht unerheblichen Teil gemäß dem AAC-Standard codiert sind, kommt es zwangsläufig zur Anwendung des geschützten Verfahrens.
138IV.
139Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt die zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt:
1401.
141Die Beklagten sind der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da sie weder zum Anbieten und Inverkehrbringen der patentgemäßen Vorrichtung noch zum Anbieten und Liefern von Mitteln zur Benutzung des patentgemäßen Verfahrens berechtigt sind.
1422.
143Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
144a)
145Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
146b)
147Die Beklagten sind zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist, zumal bereits patentverletzende Erzeugnisse in den Verkehr gebracht wurden.
148c)
149Die Schadensersatzpflicht umfasst – wie von der Klägerin beantragt – alle seit dem 15. Dezember 2011 begangenen Verletzungshandlungen. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
150aa)
151Ansprüche wegen Patentverletzung verjähren nach § 141 PatG i.V.m. §§ 199 Abs. 1, 195 BGB regelmäßig innerhalb von drei Jahren, wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
152Allerdings haben die Beklagten Umstände, die auf eine Kenntnis der Klägerin vor dem 1. Januar 2017 schließen lassen und für die die Beklagten grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet sind, nicht vorgetragen.
153Die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (Ellenberger in Palandt, 80. Auflage 2021, § 199 Rn. 27 ff.).
154Eine solche Kenntnis der Klägerin ist weder dargetan noch ersichtlich. Soweit die Beklagten eine Kenntnis daraus ableiten wollen, dass die für die Klägerin handelnde XXX den Lizenzvertrag mit der Muttergesellschaft gekündigt hatte, lässt dies keinen Schluss darauf zu, dass die Klägerin von dieser Kündigung tatsächlich Kenntnis erlangte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen XXX.
155Auch aus dem Umstand, dass XXX Ende des Jahres 2015 versuchte, mit der Mobilkommunikationssparte von XXX ins Gespräch zu kommen, begründet nicht die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Es sind keine Umstände dahingehend vorgetragen oder ersichtlich, dass die Klägerin als Tochtergesellschaft der XXX über das Nicht(mehr-)bestehen einer Lizenz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich in Kenntnis gesetzt wurde. Zudem fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt tatsächliche Kenntnis von konkreten Verletzungshandlungen der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland hatte oder hätte haben können. Aus der (vermeintlichen) Kenntnis von der Kündigung des Lizenzvertrages gegenüber der Muttergesellschaft folgt nicht zwangsläufig die Kenntnis von den auf dem deutschen Markt tätigen Konzerngesellschaften der XXX-Gruppe. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Kenntnis unschwer hätte erlangt werden können. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, ob und in welcher Form die Beklagten vor dem Jahr 2017 auf dem deutschen Markt tätig waren.
156Für seit dem 1. Januar 2017 begangene Verletzungshandlungen ist die Verjährung durch die Klageerhebung im Jahr 2020 gehemmt, §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB,
157bb)
158Auch die absolute Verjährung ist bislang nicht eingetreten. Gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Diese Frist ist für Ansprüche wegen der seit dem 15. Dezember 2011 begangenen Handlungen noch nicht abgelaufen, da die Verjährungsfrist seit der Erhebung der Klage im Jahr 2020 gehemmt ist.
1593.
160Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
161Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
162Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Dies betrifft auch den tenorierten Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu den Angeboten der Beklagten einschließlich Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger sowie den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zur betriebenen Werbung. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
1634.
164Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) wegen der Verletzung des Vorrichtungsanspruchs einen Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Dieser ist nicht aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 140a Abs. 4 PatG ausgeschlossen.
165a)
166Nach § 140a Abs. 4 PatG sind Vernichtungs- und Rückrufansprüche ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Die Anordnung der Vernichtung sowie die Anordnung des Rückrufs und des endgültigen Entfernens aus den Vertriebswegen hat über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Artikel 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen Die Frage der Unverhältnismäßigkeit ist deshalb unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. So sind unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Vernichtungsinteresse des Schutzrechtsinhabers und das Erhaltungsinteresse des Verletzers abzuwägen. In die Abwägung einzubeziehen ist ferner die Schuldlosigkeit oder der Grad des Verschuldens des Verletzers. Insbesondere bei schuldlosem Handeln des Verletzers werden bei der Abwägung, ob und durch welche Maßnahmen dem Gebot der Beseitigung des rechtsverletzenden Zustands auf andere Weise genügt ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen entsprechend geringere Anforderungen zu stellen sein. Im Rahmen der Abwägung ist außerdem die Schwere des Eingriffs, der Umfang des bei der Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers einzubeziehen. Neben diesen Gesichtspunkten kann auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung zur Verfügung steht (vgl. zum Markenrecht BGH, GRUR 2019, 518, Rn. 21 – Curapor, Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Kap. D Rn. 852 ff., Rinken in BeckOK Patentrecht, 17. Edition 2020, § 140a Rn. 30.1).
167b)
168Die insoweit darlegungspflichtigen Beklagten haben die Möglichkeit eines patentfreien Austauschs bzw. einer patentfreien Umgestaltung anstelle der vollständigen Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform nicht aufgezeigt. Soweit sie vortragen, das Klagepatent betreffe lediglich ein Detail der angegriffenen Ausführungsform, das nicht streitentscheidend sei, verweisen die Beklagten auf die Deaktivierung der das Stereo-Profil des Standards unterstützenden Softwarefunktion als milderes Mittel. Wie dies aber im Einzelnen vonstattengehen soll, ist nicht vorgetragen. Konkrete Maßnahmen werden nicht benannt. Es ist auch weder bekannt, ob den Beklagten ein entsprechendes Softwareupdate bereits zur Verfügung steht noch welche technischen Auswirkungen ein solches Update auf die mobilen Endgeräte haben wird, zumal das Betriebssystem „Android“ den Standard vorgibt und die angegriffene Ausführungsform insoweit auch kompatibel ausgestaltet sein muss.
169Auch vor dem Hintergrund, dass ein milderes Mittel als die vollständige Vernichtung der Erzeugnisse nicht zur Verfügung steht, ist eine Verurteilung zur Vernichtung nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Die Beklagten wenden insofern ein, bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um eine komplexe elektronische Vorrichtung mit einer Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, von denen der Einsatz als Kommunikationsmittel und nicht die Verwendung zur Decodierung eines AAC-Signals im Vordergrund stehe. Dahinter steckt der Gedanke, dass die patentfreien Nutzungsmöglichkeiten und der darauf entfallende Wert der angegriffenen Ausführungsform weit höher anzusetzen sind als die der patentgemäßen Funktionalität. Demgegenüber haben die Beklagten allerdings in der mündlichen Verhandlung betont, dass die Kompatibilität der angegriffenen Ausführungsform mit dem AAC-Standard entscheidend für die Kaufentscheidung der Kunden sei, so dass von einer nur untergeordneten Bedeutung für die angegriffene Ausführungsform nicht ausgegangen werden kann. Auch die Klägerin hat noch einmal darauf hingewiesen, dass die angegriffene Ausführungsform von einer Vielzahl der Nutzer vornehmlich als Speicher und Player bzw. Streaminggerät für Musikdateien und weniger als Telefon im herkömmlichen Sinne genutzt wird. Dann aber ist es auch gerechtfertigt, einer Perpetuierung der Patentverletzung durch die endgültige Vernichtung der Erzeugnisse entgegenzuwirken.
1705.
171Die Klägerin kann die Beklagte aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG schließlich auf Rückruf der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen. Auch hier sind Einschränkungen des Rückrufanspruchs aufgrund von Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht geboten.
172Insoweit greift der Einwand der Beklagten, es sei unverhältnismäßig, den Rückruf von Mobilfunkgeräten zu verlangen, deren Veräußerung mehrere Jahre zurückliege, nicht durch. Zwar ist aufgrund der kurzen Entwicklungs- und Modellzyklen für Mobilfunkgeräte und Tablet PC’s davon auszugehen, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass vor etlichen Jahren in die Vertriebswege gebrachten Erzeugnisse noch bei den Abnehmern vorhanden sind. Dass tatsächlich alle gewerblichen Abnehmer der Beklagten nicht mehr über solche älteren, vor einem gewissen Zeitraum in den Verkehr gebrachten Modelle der angegriffenen Ausführungsformen verfügen, ist allerdings weder ersichtlich noch vorgetragen. Zudem fehlt es an Vortrag der Beklagten dazu, welche Dauer die Entwicklungs- und Modellzyklen der angegriffenen Ausführungsform haben und auf welchen konkreten Rückrufzeitraum der Rückrufanspruch erstreckt werden sollte.
173V.
174Die Durchsetzung der auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichteten Ansprüche ist durch den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand nicht gehindert.
175Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (dazu unter Ziff. 1) gemessen an Art. 102 AEUV missbraucht (dazu insgesamt unter Ziff. 2).
1761.
177Das Klagepatent vermittelt der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf den hier relevanten Märkten für „Smartphones“ bzw. für „Tablets“.
178a)
179„Marktbeherrschung“ meint in dem streitgegenständlichen Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg. 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche; BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 55 – FRAND-Einwand). Bei der Marktbeherrschung handelt sich um einen objektiven Begriff, der auf eine tatsächliche wirtschaftliche Lage verweist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 45 – Huawei Technologies / ZTE; OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 126 – Mobiles Kommunikationssystem). Sie muss mindestens auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarktes bestehen.
180Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 127). Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen (a.a.O.). Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug von Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (bspw. Marktanteil, Unternehmensstruktur, Wettbewerbssituation, Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis) (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt – wie jeder Mitgliedstaat – zugleich einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes dar (BGH, ebd., Rn. 64).
181Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 128; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 13. Auflage, 2021, Kap. E., Rn. 230): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe an dem jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Auf diesem Lizenzvergabemarkt bedarf es einer beherrschende Stellung des Patentinhabers (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 231). Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden (BGH, NJW-RR 2005, 269 (271) – Standard-Spundfass), und zwar auch dann nicht, wenn es sich um ein standardessentielles Patent (im Folgenden auch: SEP) handelt (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 129). Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so vermittelt ihm diese Wettbewerbsposition auf dem Markt für erfindungsgemäße Produkte eine marktbeherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Lizenzvergabemarkt (EuGH, GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH, WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 231). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen. Die Annahme eines in diesem Sinne eigenständigen Lizenzmarktes setzt voraus, dass es sich um ein standardessentielles Patent handelt, also die Benutzung der patentgeschützten Lehre für die Umsetzung eines (von einer Standardisierungsorganisation normierten oder auf dem Markt durchgesetzten) Standards unerlässlich ist, so dass es in der Regel technisch nicht möglich ist, diese zu umgehen, ohne für den Produktmarkt wichtige Funktionen einzubüßen (BGH, ebd., Rn. 58). Die dem Patent und dem Standard entsprechende technische Lehre darf auch nicht durch eine andere technische Gestaltung des Produkts substituierbar sein (a.a.O.).
182Der Beklagte trägt für die Marktbeherrschung nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 130; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 238). Er ist insoweit gehalten, ganz konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine gerichtliche Überprüfung, ob eine beherrschende Stellung auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt gegeben ist oder nicht, erlauben (Kühnen, a.a.O.). Für das Bestreiten des Patentinhabers gilt im Anschluss dasselbe Maß an Substantiierung (Kühnen, a.a.O.).
183b)
184Orientiert an vorstehenden Grundsätzen vermittelt das Klagepatent der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf den hier relevanten Produktmärkten für „Smartphones“ bzw. für „Tablets“.
185Bei dem Klagepatent handelt es sich um ein für die Umsetzung des AAC-Standards wesentliches Patent (dazu oben unter Ziff. III.).
186Trotz technischer Alternativen kann auch ein wettbewerbsfähiges Produkt ohne den streitgegenständlichen Standard nicht angeboten werden.
187Dabei bedarf es im Ergebnis keiner Entscheidung über den Streit der Parteien, ob das Angebot eines wettbewerbsfähigen Produkts deshalb nicht möglich ist, weil führende Anbieter von Multimedia- und Streamingdiensten diesen vorgeben. Ohne den streitgegenständlichen Standard kann ein marktgängiges Produkt auf dem Smartphone- bzw. Tabletmarkt jedenfalls deshalb nicht bereitgestellt werden, weil dieser die Kompatibilität mit aus Sicht des Endabnehmers bedeutsamen Anwendungen im Zusammenhang mit dem Android-Betriebssystem gewährleistet (dazu unter lit. aa) und lit. cc)). Denn die Implementierung des AAC-Standards wird durch Google als Betreiber des marktführenden „Android“-Betriebssystems vorgegeben, ohne dass ein alternatives Betriebssystem zur Verfügung stünde bzw. entwickelt werden könnte (dazu unter lit. bb) und lit. cc)).
188aa)
189Erfüllen die Hersteller der Smartphones die Kompatibilitätsanforderung nicht, steht dies einer „GMS“-Zertifizierung entgegen, die wiederum Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte Google-Anwendungen (z. B. Google Play App Store, YouTube, Google Maps sowie die Google-Suche) genutzt werden können.
190Insbesondere für den sog. Google Play Store gilt, dass dieser aus Sicht des Endnutzers eine wesentliche Funktion zum Herunterladen neuer „Apps“ darstellt – was der Wahrnehmung der Kammer als potenzieller Endabnehmerkreis entspricht (vgl. zu diesem Maßstab allg. OLG Düsseldorf, GRUR 2017,1219, Rn. 130 – Mobiles Kommunikationssystem). Wie die Daten des Statistikportals „statista“ erkennen lassen, sind in den Jahren 2016 bis 2019 weltweit jährlich zwischen 55 und 84,3 Milliarden Apps über den Play Store abgerufen worden. Die Beklagten nehmen weiter einen Zeitungsartikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Bezug, der die Einschätzung wiedergibt, dass die Google-Dienste eine wesentliche Komponente bei der Entscheidung für die Nutzung des Android-Systems sind. Dem tritt auch die Klägerin nicht prozessrechtlich relevant entgegen. Soweit sie darauf verweist, dass auch in dem „Android-Ökosystem“ andere App-Stores nutzbar sind („Amazon Underground“, „Gretja“, „SlideME“ oder „Yandex Store“) ist gerade nicht ersichtlich, dass diese die Erwartungshaltung des Endabnehmers gleichermaßen befriedigen.
191bb)
192Der Hersteller von Smartphones kann nicht darauf verwiesen werden, seinerseits ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln bzw. auf ein anderes Betriebssystem als das „Android-System“ auszuweichen – unstreitig sind alternative Systeme anderer Hersteller wie Nokia OS (Nokia), Windows Phone/ Mobile (Microsoft) und Blackberry OS (Blackberry) sowie Open Source Betriebssysteme verfügbar.
193Das „Android-Betriebssystem“ ist auf dem Smartphone-Markt neben dem „iOS“-System, an dem Nutzungsrechte nicht erworben werden können, vorherrschend. Diese machen gemeinsam einen Marktanteil von nahezu 100% aus, wobei der Marktanteil von Android-Smartphones ausweislich der Angaben von „statista“ im Zeitraum von Januar bis März 2020 einen Marktanteil am Smartphone-Absatz von rund 78,2% erzielte. Mit anderen existierenden Betriebssystemen kann demgegenüber allenfalls ein Nischenmarkt erschlossen werden.
194Zudem liefert die als Anlage VP Kart 1 vorgelegte Beschreibung des streitgegenständlichen Standards, verfasst von einem Poolmitglied, dem Unternehmen XXX, aus dem Jahre 2017, Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls auch die Betriebssysteme von Microsoft und Blackberry den AAC-Standard unterstützen (vgl. dort S. 2 unter Pkt. 2., 2. Abs.), was zusätzlich dafür spricht, dass ein wettbewerbsfähiges Produkt ohne den streitgegenständlichen Standard nicht angeboten werden kann.
195Es ist den Beklagten schließlich auch nicht zumutbar ein alternatives Betriebssystem zu schaffen, um so die Vorgabe zur Implementierung des streitgegenständlichen Standards, die sich bei Verwendung des Android-Betriebssystems ergibt, zu umgehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Markt für Smartphone-Betriebssysteme durch zwei Systeme dominiert wird. Die Klägerin selbst trägt zudem vor, dass die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems durch den Mobilfunkhersteller den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr entspreche.
196cc)
197Soweit die Beklagten keine gesonderten Ausführungen zur beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem „Tablet-PC-Markt“ machen, ist nicht ersichtlich, dass die Überlegungen zu dem „Smartphone-Markt“ nicht übertragbar sind. Die Klägerin trägt zwar vor, dass der Google Play Store für Android-Tablets eine geringere Bedeutung habe. Dass diese geringere Bedeutung der Annahme einer marktbeherrschenden Stellung entgegensteht, ist indes nicht zu erkennen. Zudem verbleibt es dabei, dass ohne die „GMS“-Zertifizierung auch andere Google-Anwendungen nicht nutzbar sind.
1982.
199Ein Missbrauch der nach Maßgabe der Ausführungen unter Ziffer 1. bestehenden marktbeherrschenden Stellung kann nicht festgestellt werden.
200Während der Klägerin nach der hier anwendbaren EuGH-Rechtsprechung (dazu unter lit. a)) ein Verstoß gegen das darin statuierte FRAND-Prozedere nicht vorgeworfen werden kann, haben sich die Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht lizenzwillig gezeigt (dazu insgesamt unter lit. b)).
201a)
202Die Ausübung eines mit einem Recht des geistigen Eigentums verbundenen ausschließlichen Rechts, hier des Rechts, eine Verletzungsklage zu erheben, gehört zu den Vorrechten des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums, so dass sie als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht (EuGH, GRUR 2005, 764, Rn. 46 – Huawei / ZTE; BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 69 – FRAND-Einwand). Die Klage eines marktbeherrschenden Patentinhabers, welcher sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, kann jedoch einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung darstellen, wenn und soweit sie geeignet ist, zu verhindern, dass dem Standard entsprechende Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt erhältlich bleiben (EuGH, ebd., Rn. 54 ff.; BGH, ebd., Rn. 68).
203aa)
204Vor diesem Hintergrund hat der EuGH dem Inhaber eines standardessentiellen Patents, der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren, Verpflichtungen auferlegt, die – sofern sie von diesem eingehalten werden – dazu führen, dass eine von diesem erhobene Klage auf Unterlassen oder Rückruf nicht als Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist (EuGH, ebd., Rn. 55). Gleiches gilt für eine Klage, die auf die Entfernung von Produkten aus den Vertriebswegen oder auf deren Vernichtung gerichtet ist (BGH, ebd., Rn. 68; OLG Düsseldorf GRUR 2017, 1219, Rn. 220 – Mobiles Kommunikationssystem).
205Das Verhaltensregime des EuGH sieht vor, dass der Patentinhaber den angeblichen Verletzer „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „vor der gerichtlichen Geltendmachung“) unter Angabe des fraglichen SEP sowie der Art und Weise der Verletzung hinzuweisen hat (EuGH, ebd., Rn. 62, 71). Hat der angebliche Patentverletzer daraufhin seine Lizenzbereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrags unter FRAND-Bedingungen zum Ausdruck gebracht, hat der Patentinhaber – um sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auszusetzen – ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (EuGH, ebd., Rn. 71). Aus diesem müssen insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung hervorgehen (a.a.O.). Dem vermeintlichen Patentverletzer obliegt es sodann, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren (EuGH, ebd., Rn. 65, 71). Nimmt der vermeintliche Verletzer das Angebot nicht an, kann er sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EUGH, ebd., Rn. 66). Weiter hat der Patentbenutzer ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, ebd., Rn. 67).
206bb)
207Die EuGH-Rechtsprechung ist auch auf den hier vorliegenden Fall anwendbar.
208Die Kammer vermag schon einen sachlichen Grund dafür, die Verhaltenspflichten des Inhabers eines Schutzrechts danach zu unterscheiden, ob das Schutzrecht Teil eines durch eine Normierungsorganisation gesetzten Standards ist (so die Konstellation in dem EuGH-Urteil in der Sache Huawei / ZTE), oder ob dieses „lediglich“ faktisch zu einem Standard erhoben worden ist (so die Konstellation in: BGH, NJW-RR 2009, 1947 – „Orange-Book-Standard“), nicht zu erkennen. Denn die Verhaltenspflichten resultieren aus der marktbeherrschenden Stellung, die wiederum an die tatsächlichen Marktgegebenheiten anknüpft – unabhängig davon, wie diese zustande gekommen sind.
209Auf eine Entscheidung dieses Aspekts kommt es aber auch für den hier vorliegenden Fall nicht an. Denn die Konstellation, die den EuGH dazu veranlasste, dem Patentinhaber die näher beschriebenen Obliegenheiten aufzuerlegen (für einen normierten Standard essentielles Schutzrecht und Abgabe einer FRAND-Verpflichtungserklärung, vgl. EuGH, ebd., Rn. 49f.), sind auch hier gegeben.
210Auch hier ist das Klagepatent zwingender Teil einer standardisierten Technik (dazu oben unter Ziff. III.), die für den Smartphone-Markt (bzw. Tablet-Markt) eine Relevanz entfaltet. Unerheblich ist, dass es sich dabei nicht um einen – wie die Klägerin vorträgt – „Mobilfunkstandard“ handelt, das heißt der AAC-Standard nicht die Grundtechnologie der Sprachtelefonie betrifft. Der AAC-Standard bezieht sich auf sämtliche Endgeräte, für die die Audiodecodierung von Interesse ist. Zu solchen Endgeräten gehören auch Smartphones bzw. Tablets, weil die Erwartungshaltung des Endabnehmers dahingeht, Audioinhalte mit diesen abspielen zu können. Die Relevanz des Standards für die genannten Produkte erreicht auch eine solche, die als marktbeherrschend zu qualifizieren ist (dazu unter Ziff. 1., lit. b)). Dies ist auch gerade auf die Standardisierung zurückzuführen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Marktbeherrschung dadurch zustande kommt, dass der AAC-Standard eine Zertifizierungsvoraussetzung für das Android-Betriebssystem ist. Die Klägerin hat jedenfalls auf einen entsprechenden Vortrag der Beklagten, dass die Standardsetzung in dieser Art und Weise auf die Marktverhältnisse wirkte, und nicht etwa – was theoretisch denkbar ist – umgekehrt, die Standardsetzung eine Folge von Marktverhältnissen ist, in denen sich AAC bereits vor der Standardsetzung durchgesetzt hatte, nichts vorgebracht. Die Standardisierung wirkt so auch bei der Durchdringung des Smartphone- (bzw. Tablet)-Marktes fort. Dies berücksichtigend können die Marktverhältnisse nicht losgelöst von der Standardsetzung betrachtet werden.
211Auch die weiteren Erwägungen, mit denen der EuGH dem Patentinhaber das Antragen eines FRAND-Angebots auferlegt hat, treffen auf die vorliegende Konstellation zu. Denn die Klägerin hat gegenüber ISO/IEC eine Erklärung abgegeben, Lizenzen an dem Klagepatent zu FRAND-Bedingungen zu erteilen; und zwar unabhängig davon, über welches Endgerät die Audiowiedergabe erfolgt. Die von dem EuGH angenommene Erwartungshaltung, Nutzungsrechte an der standardmäßigen Lehre zu erhalten, ist mithin gleichermaßen bei den Herstellern von Mobiltelefonen begründet (zu diesem Aspekt allgemein auch: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 368).
212b)
213Die Beklagten haben sich auf die Verletzungsanzeige der Klägerin (dazu unter lit. aa)) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit gezeigt, während auf Seiten der Klägerin ein Verhalten, welches die Annahme rechtfertigt, dass diese ihrerseits nicht (mehr) lizenzwillig ist, nicht vorliegt (dazu insgesamt unter lit. bb)).
214aa)
215Eine hinreichende Verletzungsanzeige liegt – worüber auch zwischen den Parteien im Ausgangspunkt noch Einigkeit besteht – jedenfalls mit dem Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) vor.
216Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (EuGH, ebd., Rn. 61), sind die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, der angegriffenen Ausführungsform und der vorgeworfenen Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 85; OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 143 – Mobiles Kommunikationssystem). Die Verletzungsanzeige verlangt aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen – der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden – ggf. mit sachverständiger Hilfe – den Verletzungsvorwurf zu prüfen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 385). Die Verletzungsanzeige dient dazu, dem hinsichtlich des Schutzbereichseingriffs ggf. noch gutgläubigen Benutzer die Gelegenheit zu geben, um die Erteilung einer aufgrund der FRAND-Erklärung jedem Interessenten zugesagten Benutzungserlaubnis nachzufragen (Kühnen, ebd., Rn. 387). Die Pflicht zur Selbstanzeige ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist deshalb dort entbehrlich, wo sie sich als nutzlose Förmelei darstellt, weil aufgrund der Gesamtumstände mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzungsbeklagte Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hat und sein Berufen darauf, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (LG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 33825, Rn. 160; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 387). An das Vorliegen eines solchen Tatbestandes sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (Kühnen, a.a.O.).
217Unbeschadet dessen, ob es danach für die für XXX bei Lizenzierungsverhandlungen handelnde Muttergesellschaft überhaupt noch eines Hinweises in dem dargestellten Sinne bedurfte – dies erscheint insbesondere aufgrund des von ihr im Jahre 2005 abgeschlossenen Poollizenzvertrags fragwürdig – enthält das Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) diejenigen Angaben, derer es bedurfte, um der Muttergesellschaft die Überprüfung des Verletzungsvorwurfes zu ermöglichen.
218In dem Schreiben sind die Produkte („Smartphones“ und „Tablets“), die nach Auffassung von XXX von den AAC-standardrelevanten Patenten Gebrauch machen und durch deren Herstellung oder Verkauf XXX Patentverletzungen begeht, bezeichnet. Neben einem pauschalen Verweis auf eine dem Schreiben (in Form des Vertragsentwurfs) beigefügte Liste der von XXX gehaltenen AAC-relevanten Schutzrechte („Appendix B“ des Vertragsentwurfs) sind dem Schreiben weiter auch Claim Charts zu sechs dieser Schutzrechte, unter anderem auch von dem Klagepatent, beigefügt.
219Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das Schreiben an die Muttergesellschaft gerichtet worden ist. Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass die auf die Lizenzierung des AAC-Standards gerichtete Kommunikation mit der genannten Gesellschaft innerhalb des XXX-Konzerns an die Gesellschaften weitergeleitet wird, die es – wie die Beklagten – betrifft. Denn die Muttergesellschaft ist in dem Konzern, dem die Beklagten angehören, für Lizenzierungsverhandlungen unter anderem im Bereich „Mobilfunk“ zuständig (vgl. auch E-Mail von XXX vom 17.08.2020, 1. Abs., Anlage VP Kart 5), und trat in dieser Funktion auch bereits gegenüber XXX in Erscheinung (zur Verletzungsanzeige an die Muttergesellschaft auch: OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 145 – Mobiles Kommunikationssystem; LG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 33825, Rn. 162 ff.; Kühnen, ebd., Rn. 386).
220bb)
221Eine Lizenzwilligkeit auf Seiten der Beklagten ist nicht erkennbar.
222Eine Gesamtbetrachtung ihres Verhaltens sowie desjenigen der Muttergesellschaft trägt vielmehr die Feststellung, dass diese zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen nicht bereit war und eine solche Bereitschaft auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entstanden ist.
223(1)
224Der BGH hat die Anforderungen an die nach der EuGH-Rechtsprechung erforderliche Lizenzwilligkeit des Nutzers in seiner jüngsten Rechtsprechung in den Urteilen FRAND-Einwand und FRAND-Einwand II dahingehend konkretisiert, dass sich der Nutzer seinerseits klar und eindeutig bereit erklären muss, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abzuschließen (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 57 – FRAND-Einwand II; ders., GRUR 2020, 961, Rn. 83 – FRAND-Einwand). Die fortdauernde Lizenzbereitschaft ist danach unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen Lizenzverhandlung und damit auch für den Vorwurf eines Missbrauchs von Marktmacht gegenüber dem Patentinhaber bei deren Scheitern (BGH, GRUR-RS 2020, 41776; Rn. 68 – FRAND-Einwand II). So kommt es auf die Lizenzbereitschaft auch dann an, wenn der Patentinhaber dem Nutzer bereits ein Lizenzangebot unterbreitet hat (BGH, ebd., Rn. 69), selbst wenn dieses im Wesentlichen vollständige Vertragsangebot noch nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des abzuschließenden Vertrags an faire, angemessene und nicht-diskriminierende Bedingungen der Nutzung der Vertragsschutzrechte entspricht (BGH, ebd., Rn. 72 f.). Der Nutzer muss sich, jedenfalls dann, wenn er bis dahin keine Lizenzbereitschaft hat erkennen lassen, mit diesem in einer Weise auseinandersetzen, die erkennen lässt, dass er das Ziel verfolgt, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen (a.a.O.).
225Ein Verletzer, der mehrere Monate (in den vom BGH entschiedenen Fällen lagen Zeiträume von fast einem Jahr bzw. von mehr als einem Jahr zwischen dem Verletzungshinweis und der Reaktion des Nutzers) auf den Verletzungshinweis schweigt, gibt damit regelmäßig zu erkennen, dass ihm an einer Lizenznahme nicht gelegen ist (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 88 – FRAND-Einwand II; ders., GRUR 2020, 961, Rn. 92 – FRAND-Einwand). Zwar ist auch einem zunächst lizenzunwilligen Nutzer bis zur Grenze der Verwirkung zuzugestehen, dass er lizenzbereit wird (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 84 – FRAND-Einwand II). Es gilt aber, je länger der Nutzer mit der Geltendmachung seines Lizenzierungsanspruchs zugewartet hat, desto höhere Anforderungen sind an seine Mitwirkung bei der Herbeiführung eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen zu stellen (BGH, ebd., Rn. 60, 84, 90, 107f.). Eine nach Klageerhebung erklärte Lizenzbereitschaft ist in besonderer Weise im Hinblick auf einen tatsächlichen Lizenzwillen zu prüfen, weil es sich bei ihr auch lediglich um Verhalten handeln kann, mit welchem der Nutzer dem gerichtlichen Vorwurf fehlender Lizenzbereitschaft zu entgehen versucht, ohne ernsthaft an einer Lizenz interessiert zu sein (ähnlich für die dort entschiedene Fallkonstellation, allerdings im Hinblick auf ein von den Beklagten unterbreitetes Gegenangebot: BGH, ebd., Rn. 127 a. E.). An dieses Verhalten des Nutzers knüpft die Besorgnis, dass dieser allein eine Verzögerung der Vertragsverhandlungen bis zum Ablauf des Schutzrechts anstrebt, in besonderer Weise an (BGH, ebd., Rn. 67).
226Orientiert an diesem Maßstab ist bei der Beurteilung der Lizenzwilligkeit nicht ausschließlich das Verhalten eines Nutzers im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in den Blick zu nehmen, sondern ist auch maßgeblich, wie sich dieser in der Vergangenheit gerierte. Vorzunehmen ist mithin eine Gesamtbetrachtung des Nutzerverhaltens.
227(2)
228Orientiert an dieser Rechtsprechung, die jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall in keinem Widerspruch zu der EuGH-Rechtsprechung (dazu unter lit. a), aa)) steht (dazu unter Pkt. B., I., 2.), stellt sich das Verhalten der Beklagten bzw. von XXX nicht als ein solches eines lizenzwilligen Nutzers dar.
229(a)
230XXX äußerte sich zu dem Verletzungshinweis vom 13.02.2017 und dem mit diesem verbundenen – in Ermangelung einer Lizenzbereitschaftserklärung in diesem Zeitpunkt jedenfalls überobligatorischem – Angebot auf Abschluss eines bilateralen Angebots (Anlage KA1c) weder in schriftlicher noch in mündlicher Form. Auch das auf den Verletzungshinweis folgende Schreiben von XXX vom 13.04.2017 (Anlage K-Kart 5), mit welchem ein Angebot zum Abschluss eines Standardlizenzvertrags übersandt wurde, sowie auf das Schreiben von XXX vom 11.10.2019 (Anlage KA1d), mit welchem XXX auf den Verletzungshinweis und das bilaterale Vertragsangebot aus dem Jahre 2017 Bezug nahm, blieb eine Reaktion aus. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es in dem Zeitraum von Februar 2017 bis Oktober 2019 zu persönlichen Treffen der Verhandlungsparteien kam, über deren genauen Inhalt ist jedoch nichts bekannt, weshalb die Kammer auch daraus für eine Lizenzwilligkeit nichts herzuleiten vermag. Die Beklagten selbst machen auch bezeichnenderweise im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Kommunikation keine Tatsachen fruchtbar, aus denen etwas für ihre Lizenzwilligkeit hergeleitet werden könnte.
231(b)
232Erst über drei Jahre nach dem Verletzungshinweis, nach Zustellung der hiesigen Klage verhielt XXX sich mit an XXX gerichtetem Schreiben vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) und mit einem an XXX adressierten Schreiben vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 5) erstmals zu dem Verletzungshinweis sowie zu dem bilateralen und dem Poollizenz-Vertragsangebot. Anknüpfungspunkte dafür, dass auf Seiten von XXX nach mehrjähriger Untätigkeit nunmehr tatsächlich eine Verhandlungsbereitschaft entstanden war, lassen sich den genannten Schreiben trotz der darin enthaltenen ausdrücklichen Lizenzbereitschaftserklärungen nicht entnehmen. Der weitergehende Inhalt der Schreiben bringt vielmehr ein Verhalten von XXX zum Ausdruck, das auf eine weitergehende Verzögerung der Vertragsverhandlungen gerichtet ist.
233Die Muttergesellschaft macht im Wesentlichen Informationsmängel geltend, ein konstruktiver Beitrag zu den Vertragsverhandlungen über das bilaterale Angebot bzw. dasjenige der Poollizenz lassen die in Rede stehenden Schreiben nicht erkennen. Bei den Aspekten, im Hinblick auf welche XXX Informationsdefizite beklagt, handelt es sich in großem Umfang um solche, zu denen sich XXX bereits verhalten hatte, die sich erstmals oder erneut nur deshalb auftaten, weil die Muttergesellschaft auf die Verletzungsanzeige aus dem Jahre 2017 bzw. die Vertragsangebote nicht reagiert hatte, oder zu denen die Muttergesellschaft bereits Wissen hatte bzw. sich dieses zumindest hätte verschaffen können.
234Zu den Schreiben im Einzelnen:
235(aa)
236In dem an XXX gerichteten Schreiben vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) beruft sich die Muttergesellschaft erstmals und pauschal auf einen Mangel sämtlicher für die Beurteilung der Angemessenheit erforderlichen Informationen. In diesem Zusammenhang kann bei der Bewertung des Verhaltens der Muttergesellschaft nicht unberücksichtigt bleiben, dass die XXX, die in dem XXX -Konzern für den Vertrieb von TV-Produkten zuständig ist, zu diesem Zeitpunkt bereits eine bilaterale Lizenz genommen hatte.
237Die näher bezeichnete Gesellschaft sah sich mithin zu einer Entscheidung über eine bilaterale Lizenznahme in der Lage. Für die Muttergesellschaft bestand dadurch grundsätzlich eine Möglichkeit zum Austausch über das XXX-Portfolio innerhalb des eigenen Konzerns. Dafür, dass ein solcher Austausch in dem hier vorliegenden Fall auch naheliegend – und vor dem Hintergrund des zögerlichen Verhaltens der Muttergesellschaft der Beklagten auch geboten – war, sind vorliegend auch konkrete Anhaltspunkte gegeben. Denn die Beklagten tragen vor, dass im Jahre 2020 Beschlüsse gefasst worden seien, die die Vereinigung der Geschäftsbereiche der XXX mit der XXX vorsehen würden, weil Überschneidungen mit den Produktkategorien „TV“ und „Mobilfunk“ feststellbar seien. Schließlich tragen die Beklagten auf den Einwand der Klägerin, dass sich der Vertrag in ihrem Zugriff befinde, auch keine dieser Annahme entgegenstehenden Geheimhaltungspflichten vor.
238Die Auseinandersetzung von XXX mit der Angemessenheit des bilateralen Angebots konzentriert sich indes darauf, Angaben zu dem „inkrementellen Wert“ des Portfolios einzufordern, und deren Angemessenheit vor dem Hintergrund der Gebührenstruktur des AVC/H.264-Pools in Form einer gestaffelten Stücklizenzgebühr (USD XXX für bis zu XXX Einheiten pro Jahr, danach USD XXX und ab einer Absatzmenge von XXX USD XXX) in Frage zu stellen, wobei XXX auch im Hinblick auf die von ihnen selbst in Bezug genommenen Gebühren des genannten Vergleichspools Zweifel hinsichtlich der FRAND-Gemäßheit hat – wie im Rahmen des hiesigen Prozesses deutlich wird. Dieses Verhalten lässt jede inhaltliche Auseinandersetzung mit dem bilateralen Angebot vermissen. Eine solche folgt auch nicht in dem weiteren Schreiben der Muttergesellschaft an die Klägerin vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 4).
239Auch die Anfrage XXX nach Claim Charts für etwaige seit 2017 in das Portfolio neu aufgenommene Patente (Anlage VP Kart 2, S. 2, 5. Abs.), lässt sich nicht in Einklang mit dem Verhalten eines lizenzwilligen Nutzers bringen.
240Dem Schreiben von XXX aus April 2017 (Anlage K-Kart5) war eine Liste „AAC Licensing Program Essentiality Overview“ beigefügt, aus der eine Zuordnung von Patenten, auch solchen von XXX, zu einzelnen Passagen des Standards deutlich wurde. XXX hatte zudem bereits mit Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) sechs Claim Charts erhalten, die das XXX -Portfolio betreffen, darunter auch diejenigen für das hiesige Klagepatent sowie dasjenige aus dem Parallelverfahren 4b O 49/20. Jedenfalls die Benutzung der durch diese Patente geschützten Lehre ist im Rahmen der vor der hiesigen Kammer geführten Verfahren auch unstreitig. Wenn XXX dies zügig nach Erhalt der Claim Charts im Februar 2017 geprüft hat – die Muttergesellschaft hat in der Folgezeit eine Auseinandersetzung mit den überreichten Unterlagen nicht erkennen lassen –, trat dieses für XXX auch zu Tage, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt eine erste Einschätzung möglich war, dass XXX auf die Nutzung des Portfolios angewiesen war. Auch im Hinblick auf die Standardessentialität der Portfoliopatente konnte so bereits eine erste Bewertung vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb die Vorlage weiterer Claim Charts für XXX Relevanz erlangte. Es ist auch nicht branchenüblich, dass die Neuaufnahme von Patenten in ein Portfolio die Obliegenheit auch zur Vorlage von diese betreffenden Claim Charts auslöst. Vielmehr ist anerkannt, dass Claim Charts stets nur eine Auswahl aus dem Portfolio – im Sinne einer sog. „Proud List“ – repräsentieren, die dem Nutzer eine umfassende Bewertung des Portfolios ohnehin nicht ermöglichen (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 99 – FRAND-Einwand II, der a. a. O bereits einer „Pflicht“ zur Vorlage einer sog. Proud List entgegentritt). Schließlich sind auch das hiesige Klagepatent und das Patent aus dem Verfahren 4b O 49/20 noch nicht abgelaufen, weshalb sich ein Bedürfnis zur Neubewertung auf Seiten von XXX auch unter diesem Aspekt nicht ergab.
241Hinzukommt, dass ein etwaiges Bedürfnis für eine solche Vorlage allenfalls deshalb entstehen konnte, weil die Muttergesellschaft mit einer Reaktion auf das Lizenzangebot aus Februar 2017 solange zuwartete, bis dieses – ihrer Meinung nach – „überholt“ war. Mit diesem Argument aber kann vor allem der besonders zögerliche Nutzer stets die „Aktualisierung“ ihm angetragener Vertragsofferten fordern und den Patentinhaber so „beschäftigt halten“.
242(bb)
243Das zum Schreiben von XXX an XXX unter lit. (aa) Ausgeführte gilt in vergleichbarer Weise mit Blick auf das Schreiben an XXX vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 5).
244Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Muttergesellschaft bereits im August 2005 eine Poollizenz genommen hatte, sie hatte mithin bereits einmal eine Bewertung der Poollizenz vorgenommen, und war vor diesem Hintergrund jedenfalls zu einer detaillierteren Auseinandersetzung in der Lage als lediglich pauschal weitergehende Informationen zu fordern. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass seit dem Vertragsschluss mit der Muttergesellschaft im Jahre 2005 und dem Verletzungshinweis aus dem Jahre 2017 ein Zeitraum von knapp 12 Jahren verstrichen war und sich die Struktur des Pools in der Zwischenzeit verändert hat. Gleichwohl war es XXX durch das vorherige Vertragsverhältnis in besonderer Weise möglich, als Lizenzsucher, der sich nicht zum ersten Mal intensiv mit der Poollizenz und dem AAC-Standard befasste, an dem Verhandlungsprozess über das bloße Fordern von Angaben über den „inkrementellen“ Wert des Portfolios hinaus mitzuwirken. Dabei fällt weiter auf, dass die Lizenzgebühren in dem Vertrag aus dem Jahre 2005 höher lagen (Stücklizenzgebühr zwischen USD XXX und USD XXX abhängig von jährlicher Absatzmenge) als die mit dem Standardlizenzvertrag nunmehr angebotenen Gebühren, die Anzahl der lizenzierten Poolpatente indes deutlich geringer war (61 Patente). Weiter ist zu berücksichtigen, dass gerade die Mitwirkung des Nutzers bei der Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr eine besondere Bedeutung erlangt, insbesondere weil eine solche regelmäßig nicht objektiv feststeht, sondern nur als Ergebnis ausgehandelter Marktprozesse erfassbar ist (BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 81). Verschließt sich der Nutzer hinsichtlich dieses bedeutsamen Aspekts einer Diskussion, bringt dies die Verhandlungen mithin jedenfalls zum Erliegen. Schließlich ist der Nutzer selbst am besten in Kenntnis über seine wirtschaftlichen Verhältnisse und kann Angaben dazu machen, in welcher Größenordnung ihm eine Lizenznahme unter Berücksichtigung seiner Wettbewerbsfähigkeit möglich ist.
245Auch soweit XXX eine Aufstellung darüber verlangt, inwiefern die Poolpatente für den jeweiligen Standard relevant sind (Anlage VP Kart 5, S. 2, vorletzter Abs.), spricht diese Forderung vor dem Hintergrund, dass dem Schreiben vom 13.04.2017 (Anlage K-Kart5) eine solche Auflistung bereits beigefügt war, für eine Verzögerungsabsicht. Im Übrigen wurde XXX bereits in dem Schreiben vom 23.03.2016 darüber informiert, dass auch bei anderen Lizenzgebern genauere Informationen betreffend die Standardessentialität der Poolpatente angefragt werden können (Anlage K-Kart4, S. 2., 3. Abs.). Im Einklang mit dieser Ankündigung hatte XXX – wie bereits ausgeführt – XXX auch im Rahmen des bilateralen Angebots bereits mit Schreiben vom 13.02.2017 sechs Claim Charts überlassen, mit deren Hilfe eine weitergehende Prüfung von Poolpatenten möglich war. Dass XXX im Anschluss an das Schreiben von XXX aus März 2016 bei weiteren Lizenzgebern anfragte, ist nicht dargetan. Ausgehend von dem Verhalten eines tatsächlich lizenzwilligen Nutzers wäre weiter auch zu erwarten gewesen, dass XXX eine technische Auseinandersetzung mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen erkennen lässt, und deutlich macht, dass und weshalb es darüber hinaus weitergehender Informationen auch einige Jahre später noch bedurfte.
246Ähnlich verhält es sich im Hinblick darauf, dass XXX in dem hier in Rede stehenden Schreiben die Frage der Erschöpfung wegen einer Lizenzierung von Chipset-Herstellern zur Sprache bringt (Anlage VP Kart 5, S. 3, vorletzter Abs.). Diese Fragestellung war bereits Gegenstand eines persönlichen Treffens zwischen XXX und XXX im März 2016, in dessen Rahmen XXX die Lizenzierungen von XXX und XXX zur Sprache gebracht hatte. Mit Schreiben vom 23.03.2016 hatte XXX hierzu mitgeteilt, dass es entsprechende Lizenzierungen, auch solche an XXX, nicht gebe (Anlage K-Kart 4, S. 3). Eine Liste der Lizenznehmer, anhand derer XXX selbst eine Überprüfung eines etwaigen Erschöpfungssachverhalts möglich war, ist zudem über die Internetseite von XXX einsehbar. XXX wurde auch darüber, dass auf der Internetseite von XXX nähere Informationen abrufbar sind, mit Schreiben vom 13.04.2017 (Anlage K-Kart 5) in Kenntnis gesetzt.
247Schließlich fordert XXX mit dem eingangs genannten Schreiben auch eine aktualisierte Fassung des Vertragsentwurfs, obwohl XXX – wie ausgeführt – darüber in Kenntnis war, dass nähere Informationen zu dem AAC-Pool-Programm, wozu auch die erhobenen Lizenzgebühren sowie die Poolpatente zählen, auf der Internetseite von XXX bereitgehalten werden. Durch entsprechende Einsichtnahme hätte XXX sich – als williger Lizenznehmer – ohne weiteres selbst Kenntnis darüber verschaffen können, inwiefern sich Änderungen zu dem unterbreiteten Vertragsangebot ergeben haben. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Aktualisierungsfrage allein deshalb entstand, weil XXX mit der Reaktion auf das Vertragsangebot über drei Jahre zuwartete.
248(c)
249Einen in dem dargelegten Sinne konstruktiven Austausch haben die Beklagten auch im Rahmen des hiesigen Prozesses nicht herbeizuführen versucht. Vielmehr setzen sie ihr auf die Verzögerung der Verhandlung gerichtetes Verhalten fort, wie sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Sachverhalt zeigt, der die Vorlage bereits abgeschlossener Lizenzverträge und die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen betrifft.
250(aa)
251Nachdem die Muttergesellschaft mit Schreiben vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) über drei Jahre nach der Verletzungsanzeige erstmals die Vorlage der von der Klägerin und XXX mit Dritten abgeschlossenen Lizenzverträgen forderte, setzte die Klägerin ein Non-Disclosure-Agreement („NDA“) auf, welches die Vorlage der Verträge vorbereiten sollte (vgl. auch Schreiben von XXX vom 16.07.2020, S. 2, letzter Abs., Anlage K-Kart 3). Diesem trat die Muttergesellschaft im Hinblick darauf entgegen, dass darin eine Gerichtsstandsvereinbarung für amerikanische Gerichte und eine Rechtswahl für amerikanisches Recht vorgesehen waren (vgl. Schreiben v. 17.08.2020, S. 2, vorletzter Abs., Anlage VP Kart4). Die Muttergesellschaft verlangte, das NDA deutschem Recht und der deutschen Jurisdiktion (Düsseldorf) zu unterstellen (a.a.O.). Eigene Bemühungen der Muttergesellschaft, auf den Abschluss eines NDA hinzuwirken, sind nicht feststellbar. In der Klageerwiderung heißt es lediglich pauschal, es bestünde die Bereitschaft zum Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung „gemäß der einschlägigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf“ (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz v. 02.09.2020, S. 21, Rn. 79 a. E., Bl. 303 GA).
252Die Beklagten beantragten dann mit ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 02.09.2020, die Vorlage der von XXX und der Klägerin jeweils mit Dritten abgeschlossenen Lizenzverträge per gerichtlichem Beschluss anzuordnen (dort S. 2 und S. 20f., Bl. 284 und Bl. 302f. GA). Das erkennende Gericht entschied daraufhin mit Beschluss vom 15.09.2020, dass eine Vorlageanordnung jedenfalls nach dem damaligen Verfahrensstand nicht in Betracht kam, und verwies auf die Möglichkeit zum Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens zwischen den Parteien (vgl. Beschluss, Bl. 305f. GA). Nach einem Zuwarten von drei Wochen – der Beschluss war dem Beklagtenvertreter am 16.09.2020 zugestellt worden (vgl. Empfangsbekenntnis des Rechtsanwalts XXX vom selben Tag, Bl. 310 GA) – trat dieser erst am 08.10.2020 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin heran. Beide Parteien verständigten sich darauf, dass die Klägerin ein NDA vorbreiten solle. Auf den durch die Klägerin am 12.10.2020 zur Verfügung gestellten Vorschlag übersandten die Beklagten zehn Tage später, am 22.10.2020, eine Änderungsversion. Hierauf reagierte die Klägerin eine Woche später am 29.10.2020. Dem durch die Beklagten daraufhin am 03.11.2020 vorgelegten Entwurf stimmte die Klägerin am 04.11.2020 zu. Die Beklagten stellten dann am 09.11.2020 eine von ihnen unterzeichnete Version bereit, die die Klägerin und XXX am 13.11.2020 gegenzeichneten.
253Im Zusammenhang mit dem Begehren der Beklagten, die Lizenzverträge gerichtlich anzuordnen, kann dahin stehen, ob und in welchem Umfang der Klägerin zu diesem Zeitpunkt die Vorlage der Pool- und der bilateralen Lizenzverträge oblag und inwiefern sie diese darüber hinaus zu erläutern hatte – auch etwaige Vorlage- und Erläuterungspflichten richten sich danach, was von dem Patentinhaber vor dem Hintergrund des Verhaltens des Nutzers nach den geschäftlichen Gepflogenheiten als nächster Verhandlungsschritt zu erwarten ist (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 58 – FRAND-Einwand II ; ders., GRUR 2020, 961, Rn. 76, Rn. 79 – FRAND-Einwand; zuvor bereits ähnlich: LG Düsseldorf, GRUR-RS 2020, 12599, Rn. 158, 165; ebd., GRUR-RS 2018, 33825, Rn. 210; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 426 und Rn. 527). Zum einen hat die Klägerin die Lizenzverträge jedenfalls vorgelegt und diese erläutert und zum anderen hätten sich die Beklagten ihrerseits auch ohne die bestehenden Lizenzverträge jedenfalls zu ihren Preisvorstellungen und dazu äußern können, in welcher Größenordnung ihnen eine Lizenznahme ohne wettbewerbliche Beeinträchtigung möglich ist. Dies war von ihnen aufgrund des zuvor zögerlichen Verhaltens – wie unter lit. (a) und (b) beschrieben – auch zu erwarten.
254Mit dieser Würdigung wird auch den Beklagten kein prozessrechtlich zulässiges Verhalten (in Form des Antrags auf Erlass einer Vorlageanordnung) vorgeworfen. Sofern damit in materiell-rechtlicher Hinsicht negative Folgen verbunden sind, weil die Kammer aufgrund dessen eine Lizenzwilligkeit der Beklagten (weiterhin) nicht zu erkennen vermag, ist dies nicht der Antragstellung als solcher geschuldet. Vielmehr hat dies seine Grundlage darin, dass sich die Beklagten bzw. ihre Muttergesellschaft bereits über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren extrem zögerlich bei den Vertragsverhandlungen gerierten. In diesen bereits dargestellten Gesamtkontext fügt sich das in Bezug genommene Verhalten der Beklagten mit ein. Es kann – sofern im Übrigen weitere Tatsachen diese Annahme rechtfertigen – gerade auch Ausdruck eines zögerlichen Verhaltens sein, wenn sich ein Nutzer prozessrechtlich zulässige Mittel zur weitergehenden Verzögerungen zu Nutze macht.
255(bb)
256Spätestens nach Vorlage der Poollizenzverträge ab dem 23.11.2020 und der bilateralen Lizenzverträge im Zeitraum vom 15.12. – 28.12.2020 war eine zügige inhaltliche Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Angeboten auch unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung für die Beklagten jedenfalls in weitergehendem Umfang möglich und angezeigt. Gleichwohl unterblieb eine solche wie nachfolgend ausgeführt wird.
257(aaa)
258Nach Vorlage der Verträge ließen die Beklagten zunächst einen erheblichen Zeitraum verstreichen, bis sie diese überhaupt inhaltlich prüften.
259(i)
260Die Kammer legt den Vortrag der Klägerin zugrunde, dass sie den Pool betreffende Lizenzverträge am 23.11.2020 zur Verfügbarkeit der Beklagten in einen Datenraum eingestellt habe. Die Beklagten haben zwar mit ihrem Fristverlängerungsantrag vom 30.12.2020 vorgebracht, dass diese erst ab Anfang Dezember abrufbar gewesen seien. Sie haben jedoch auf den dann folgenden Vortrag der Klägerin, die Verträge seien ab dem 23.11.2020 abrufbar gewesen und sie, die Beklagten, seien bereits am 23.11.2020 für einen Zeitraum von 40 Minuten in dem Datenraum eingeloggt gewesen, keine substantiierten Tatsachen mehr vorgetragen, die gegen die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin sprechen.
261(ii)
262Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nahmen – wie bereits festgestellt – erstmals am 23.11.2020 für lediglich 40 Minuten und ein weiteres Mal am 01.12.2020 für einen Zeitraum von 30 Minuten Einsicht in den Datentraum, in den die Verträge von der Klägerin eingestellt wurden. Bis zum 09.12.2020 wurden dann lediglich zwei Verträge, nämlich XXX, angesehen. Erst zweieinhalb Wochen nachdem die Klägerin die Verträge zur Verfügung gestellt hatte, nämlich am 10.12.2020, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begonnen, Daten aus dem Datenraum herunterzuladen.
263Die Tatsache, dass es sich bei den Verträgen um eine erhebliche Datenmenge handelte – allein die Anzahl der abgeschlossenen Poollizenzverträge beläuft sich auf mehr als 1.500 Dokumente –, taugt zur Begründung des langen Zuwartens der Beklagten nicht. Zum einen sollte gerade die große Anzahl der vorgelegten Verträge für einen nunmehr lizenzwilligen Nutzer, der sich über mehrere Jahre untätig gezeigt hat, Anlass sein, mit der Sichtung der Verträge alsbald zu beginnen, um die Verhandlungen nicht weiter zu verzögern. Zum anderen können die Beklagten ihr wettbewerbliches Umfeld am besten einschätzen und so eine Selektion der vorgelegten Verträge vornehmen, so dass nicht sämtliche der vorgelegten Dokumente die gleiche Relevanz für eine etwaige Diskriminierung aufweisen.
264(bbb)
265Nach Einsichtnahme in die Verträge haben sich die Beklagten in ihrem Duplikschriftsatz vom 11.01.2021 im Wesentlichen noch immer darauf zurückgezogen, dass die Klägerin ihren Vorlage- und Erläuterungspflichten nicht nachgekommen sei, ohne sich mit den vorgelegten Dokumenten inhaltlich konstruktiv und soweit wie ihnen möglich auseinanderzusetzen.
266(i)
267XXX
268Der Lizenzgeber ist jedoch nicht gehalten, sämtliche zur Einordnung XXX. Denn die Erläuterungspflichten des Patentinhabers können überhaupt nur soweit reichen, wie auf seiner Seite ein Informationsgefälle besteht, das er nicht mit zumutbarem Aufwand beseitigen kann. Auch ist der Lizenzgeber grundsätzlich nicht gehalten, die von ihm zur Erläuterung angeführten Tatsachen nachzuweisen. Diese Sichtweise ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bei Berücksichtigung dessen, was ein vernünftiger Vertragspartner von seinem Gegenüber im Rahmen von Vertragsverhandlungen erwarten kann. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aber auch bei einer Beurteilung des Verhaltens nach den zivilprozessualen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit einer Diskriminierung. Denn diese trifft für eine objektive Benachteiligung primär den beklagten Patentnutzer (BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 76 – FRAND-Einwand; OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 177 – Mobiles Kommunikationssystem). Dem Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei kann eine sekundäre Darlegungslast lediglich insoweit auferlegt werden, wie bei diesem nähere Erkenntnisse über den jeweiligen streitgegenständlichen Sachverhalt zu erwarten und ihm Angaben hierzu zumutbar sind, während die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat (allgemein: BGH, GRUR 2012, Rn. 23 – Vorschaubilder II; für FRAND-Konstellationen: OLG Düsseldorf, a.a.O.).
269Sowohl bei einer Betrachtung, die darauf abstellt, was dem Patentnutzer im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die sich wie bisher beschrieben darstellen, unter Berücksichtigung der geschäftlichen Gepflogenheiten obliegt, als auch ausgehend von den zivilprozessualen Regeln der Vortragslast begegnet das Verhalten der Beklagten mithin Bedenken.
270Es war den Beklagten insbesondere möglich, Informationen zu den tatsächlichen Absatzzahlen der Lizenznehmer, die durch die vereinbarten (XXX) Pauschalsummen abgedeckt worden sind, anhand von von Drittanbietern ermittelten Marktdaten zu erlangen. Als solche Drittanbieter nennt die Klägerin beispielsweise „IDC“, „Omnida“ und „Counter Point Reserach“. Ein Erwerb der erforderlichen Daten – sofern die Daten nicht ohnehin bereits bei den Beklagten vorlagen, zu dem dementsprechenden Vortrag der Klägerin haben sich die Beklagten nicht verhalten – ist den Beklagten auch zumutbar. Denn für diese haben die Verkaufszahlen zur Einordung des wettbewerblichen Umfeldes auch jenseits dieses Prozesses einen Wert. Anhand der aus den Verträgen hervorgehenden XXX wäre es den Beklagten bei Hinzunahme der Daten jedenfalls möglich gewesen, XXX mindestens einer ersten Bewertung zu unterziehen.
271Ergibt sich auf der Grundlage der ermittelbaren tatsächlichen Absatzzahlen schon keine objektive Schlechterstellung, besteht auch kein Interesse der Beklagten an prognostischen Erwägungen, die bei Vertragsschluss XXX getroffen worden sind. Diese können vielmehr – sofern eine objektive Schlechterstellung vorliegt – einen Anknüpfungspunkt für eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bieten.
272(ii)
273Ähnlich wie soeben unter Ziff. (i) dargestellt, ist das Verhalten im Zusammenhang mit solchen Tatsachen zu bewerten, die die Klägerin vorbringt, um die Besonderheiten der – von den Beklagten – zum Vergleich herangezogenen Vertragsverhältnisse zu beschreiben, und die (unter Diskriminierungsgesichtspunkten) eine Relevanz für die Frage der sachliche Rechtfertigung etwaiger sich ergebender objektiver Benachteiligungen entfalten können.
274Auch insoweit stellt es eine nur unzureichende inhaltliche Auseinandersetzung dar, wenn die Beklagten diese Tatsachen schlicht in Abrede stellen, ohne eigene Erkenntnismöglichkeiten – soweit wie möglich – fruchtbar zu machen und diese in die Vertragsverhandlungen einzubringen. Auch insoweit greift zudem zur Überzeugung der Kammer ein Gleichlauf zwischen den Verhandlungspflichten, wie sie sich nach den Geboten von Treu und Glauben ergeben, und den zivilprozessualen Grundsätzen. Das gilt ungeachtet dessen, dass die Klägerin – anders als bei der Frage der objektiven Benachteiligung unter lit. (i) – die primäre Darlegungs- und ggf. Beweislast für eine sachliche Rechtfertigung trägt (BGH, GRUR 2020, 961, Rn. 76 – FRAND-Einwand). Denn auch in diesem Fall können die Beklagten Tatsachen, über die sie selbst Wissen haben bzw. erlangen können, nach Maßgabe von § 138 Abs. 4 ZPO nicht mit Nichtwissen bestreiten.
275Das trifft insbesondere auf die von der Klägerin vorgebrachten Besonderheiten zu, die die Vertragsverhältnisse mit XXX betreffen.
276Die Klägerin trägt vor, dass beide der genannten Lizenznehmer (des Pools), XXX. Dabei handelt es sich grundsätzlich um Tatsachen, die eine Besserstellung des jeweiligen Lizenznehmers in gewissem Umfang zu rechtfertigen vermögen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 232 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, GRUR-RS 2020, 12599, Rn. 270, 272; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 351).
277Die Beklagten verhalten sich zu diesem Vorbringen derart, dass sie bestreiten, XXX. Als Marktteilnehmer kann sie eine Einschätzung im Hinblick auf den „Wert“ der genannten Leistungen für und deren Auswirkungen auf das Marktgeschehen vornehmen.
278Nur ergänzend sei erwähnt, dass dieses Verhalten der Beklagten, bei dem sie ihre Erkenntnismöglichkeiten zum Marktgeschehen außer Betracht lassen, auch in anderen Zusammenhängen feststellbar ist, beispielsweise dort, wo sie die von der Klägerin zum Vergleich herangezogenen Gebührenstrukturen anderer Pools („Access Advance Pool“ für „HEVC“; „Sisvel Pool“ für „DVB-S2“; „Mobile Communication Pool“ von Sisvel; „LTE-Pool“ von Via Licensing) mit Nichtwissen bestreiten, obwohl diese öffentlich zugänglich sind, XXX.
279(ccc)
280Soweit die Beklagten geltend machen, eine objektive Benachteiligung auf ihrer Seite ergebe sich unter anderem daraus, dass näher bezeichneten Lizenznehmern für vor Vertragsschluss liegende Benutzungshandlungen erhebliche Nachlässe gewährt worden seien, fällt weiter auf, dass die Beklagten in ihrer Stellungnahme zu den vorgelegten Lizenzverträgen Ausführungen zu ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation und einer etwaigen spürbaren Wettbewerbsbeeinträchtigung (vgl. zu diesem Erfordernis für eine kartellrechtlich relevante Diskriminierung auch unter lit. (e), (bb), (bbb), (i)) vermissen lassen. Auch dies wertet die Kammer als Ausdruck einer fortwährenden Lizenzunwilligkeit von XXX. Denn Informationen hierüber bedurfte es aus der Sicht ernsthaft verhandelnder Vertragsparteien spätestens im Zusammenhang mit der Diskussion der vorgelegten Verträge.
281Es stehen Benutzungshandlungen des XXX-Konzerns aus der Vergangenheit seit März 2007 (= Zeitpunkt der Kündigung des Poollizenzvertrags mit der Muttergesellschaft aus dem Jahre 2005) im Raum. Ohne Informationen darüber, in welcher Größenordnung sich die Absatzzahlen über diesen erheblichen Zeitraum bewegen, kann die Klägerin schon nicht ermessen, wie hoch ein etwaiger Nachlass bei der Abgeltung vor Vertragsschluss liegender Benutzungshandlungen aus ihrer Sicht sein kann. Dass die Klägerin insoweit einerseits gewillt war, den Interessen von XXX Rechnung zu tragen, sie andererseits aber hinsichtlich des Umfangs vergangener Benutzungshandlungen einem Informationsdefizit unterlag, wurde für die Muttergesellschaft auch bereits mit Zusendung des bilateralen Vertragsentwurfs im Februar 2017 deutlich. Dieser sieht nämlich unter Ziffer 3.2.2 (Anlage KA1c) die Möglichkeit einer Abgeltung für vor Vertragsschluss liegende Benutzungshandlungen XXX vor. An der Stelle, an der eigentlich eine konkrete Summe steht, befindet sich in dem Vertragsentwurf jedoch eine Auslassung, weil insoweit auf Seiten der Klägerin erkennbar Informationen zum Umfang der Benutzungshandlung fehlen. Auf die so beschriebene Situation trifft die Annahme des BGH, dass eine Berücksichtigung etwaiger Interessen des Nutzers – im Sinne fairer und diskriminierungsfreier Vertragsbedingungen – dem Patentinhaber erst mit deren Kenntnis möglich ist (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 70 a. E. – FRAND-Einwand II), die er wiederum nur im Rahmen ernsthaft geführter Verhandlungen erlangen kann (ebd., Rn. 71), in besonderer Weise zu.
282Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang meinen, es sei an der Klägerin gewesen, ein pauschales Lizenzmodell anzubieten und zu erläutern, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Es leuchtet insbesondere nicht ein, weshalb es geschäftlichen Gepflogenheiten entspricht, dass die Klägerin Zahlen, die die Sphäre von XXX betreffen, beibringt. Der Kammer scheint das Gegenteil der Fall. Für den hier vorliegenden Fall gilt das schon deshalb, weil sich XXX auf die Verletzungsanzeige bzw. die Vertragsofferten der Klägerin und XXX extrem zögerlich gezeigt hat (dazu unter lit. (a) und (b)).
283Es sei – gegen den Vorwurf der Beklagten, ihr würde insoweit prozessual zulässiges Verhalten vorgeworfen – ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass sich auch in dem hier dargestellten Zusammenhang ein Gleichlauf zu ihren prozessualen Vortragslasten ergibt. Denn meinen die Beklagten, ihnen müssten anderen Lizenznehmern (insbesondere XXX) im Zusammenhang mit der Abgeltung vor Vertragsschluss liegender Benutzungshandlungen gewährte Begünstigungen gleichermaßen zu Gute kommen, haben sie aufzuzeigen, inwiefern eine Vergleichbarkeit mit diesen Lizenznehmern gegeben ist, und inwiefern im Vergleich mit diesen überhaupt eine kartellrechtlich relevante objektive Benachteiligung besteht.
284(ddd)
285Auch im Übrigen ergeben sich für die Kammer nach Vorlage der Lizenzverträge keine Anknüpfungspunkte für ein ernsthaftes Hinwirken auf den Abschluss eines Lizenzvertrags durch XXX (vgl. zum Gegenangebot gesondert unter lit. (d)).
286Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass es jenseits des hiesigen Verfahrens zu außergerichtlichen Verhandlungen zwischen den Parteien gekommen ist, wie die Beklagten sie zur Begründung ihres Fristverlängerungsantrags vom 30.12.2020 angekündigt haben (Schriftsatz vom 30.12.2020, S. 2, letzter Abs., Bl. 408 GA).
287Die Muttergesellschaft hat auch bisher mit keinem anderen Poollizenzgeber eine bilaterale Vereinbarung getroffen. Die Beklagten haben auch auf einen entsprechenden Einwand der Klägerin nicht vorgebracht, inwieweit sich die Muttergesellschaft in konkreten Vertragsverhandlungen mit jedenfalls einigen der Poolpatentinhabern befindet, obwohl sie gerade auch aufgrund der „GMS-Zertifizierung“ (dazu unter Ziff. 1. lit. b), aa)) auf die gesamte AAC-Infrastruktur angewiesen ist. Etwas anderes ergibt sich für die Kammer auch nicht aufgrund des bilateralen Vertrags(gegen)angebots an den Poolpatentinhaber der XXX, von dem aufgrund des hier geführten parallelen Verfahrens (Az.: 4b O 83/19) Kenntnis besteht. Auch dieses ist nach der Würdigung der Kammer in dem dortigen Verfahren vielmehr vor dem Hintergrund des gerichtlichen Verfahrens zu sehen und nicht von einer tatsächlichen Lizenzbereitschaft der Muttergesellschaft getragen (vgl. Urt. der Kammer vom selben Tag, Az.: 4b O 83/19).
288Schließlich spricht auch – was die Beklagten geltend machen – die Lizenznahme der XXX nicht für eine Lizenzbereitschaft der Muttergesellschaft (der Beklagten). Die Lizenznahme hat in dem Umfang zu erfolgen, in dem ein Vertrieb lizenzierter Produkte stattfindet. Diese Kongruenz ist hier nicht gegeben, die Lizenznahme ist allein für die Gesellschaften erfolgt, die TV-Geräte vertreiben. Verhält sich die für den Vertrieb von Smartphones und Tablets zuständige Muttergesellschaft davon unabhängig, wie hier unter lit. (aaa) – (ccc)) beschrieben, kann daraus nur geschlussfolgert werden, dass es an einer weitergehenden Bereitschaft zur Lizenznahme gerade fehlt.
289(d)
290Ausgehend von dem bisher erörterten Verhalten der Muttergesellschaft kann bei der gebotenen Gesamtwürdigung auch das zehn Tage vor der mündlichen Verhandlung unterbreitete Gegenangebot der Muttergesellschaft vom 13.03.2021 (Anlage VP Kart 09) nicht als Ausdruck einer nunmehr vorhandenen Lizenzbereitschaft gewertet werden.
291Das gilt unabhängig von der Frage, ob sich dieses als in jeder Hinsicht FRAND-gemäß erweist. Die Muttergesellschaft konnte jedenfalls nicht annehmen, dass mit dem Gegenangebot das Zustandekommen eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen – eine entsprechende Bereitschaft des Patentinhabers vorausgesetzt – sachgerecht gefördert werden konnte (vgl. dazu allg. auch: BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 71 und ähnlich Rn. 116), es sich dabei mithin um eine geeignete Verhandlungsgrundlage handelte.
292(aa)
293Die Muttergesellschaft orientiert sich bei der Bemessung der von ihr zu entrichtenden Pauschallizenzsumme an dem Lizenzvertrag zwischen XXX. Diese beiden Zahlen sind – in sich widersprechender Art und Weise – auch in „Appendix A“ des Vertragsentwurfs, dort unter Ziff. 1 zu finden. Auf die sich daraus ergebende Unklarheit soll es aber aus Sicht der Kammer für die Würdigung des Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit dem Gegenangebot als Ausdruck von Lizenzunwilligkeit nicht ankommen (dazu vielmehr nachfolgend unter lit. (bb)).
294(bb)
295Das so beschriebene Gegenangebot ist als Verhandlungsgrundlage nicht geeignet.
296Das Vorgehen der Muttergesellschaft lässt die von der Klägerin vorgebrachten Gründe für eine berechtigte Ungleichbehandlung XXX im Vergleich zu XXX außer Betracht (dazu unter lit. (e), (cc)). Hierfür ist unbedeutend, ob die Beklagten die insoweit vorgebrachten Tatsachen in prozessual zulässiger Weise mit Nichtwissen bestreiten können. Aus der Sicht ernsthaft verhandelnder Vertragsparteien stellt sich nämlich das Verhalten der Muttergesellschaft derart dar, dass diese die von XXX als Verhandlungspartner vorgebrachten Gründe (= Interessen des Verhandlungspartners) vollständig ignoriert und unbesehen diesen einen für sie besonders günstigen Vertrag zur Anwendung bringt. Anders – in prozessrechtlichen Kategorien – formuliert: Eine Prozesspartei die einen Tatsachenvortrag zulässigerweise mit Nichtwissen bestreitet, muss für möglich halten, dass der Tatsachenvortrag zutreffend ist, mithin sein Nachweis gelingt. Beabsichtigt sie indes das Gegenteil des von dem Gegner Behaupteten für sich fruchtbar zu machen (hier: die Abwesenheit etwaiger eine Ungleichbehandlung rechtfertigender Gründe), ist grundsätzlich sie in der Darlegungs- und Beweislast. Das Vorgehen der Muttergesellschaft wiegt vorliegend umso schwerer, als sie – worauf bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen worden ist (unter lit. (c), (bb), (ccc)) – auch bei der Erläuterung ihres Gegenangebots jeden Vortrag zu den von ihr in der Vergangenheit erzielten Absatzmengen vermissen lässt, mithin der Klägerin jede Einschätzung nimmt, ob es sich jedenfalls insoweit zwischen XXX und XXX um vergleichbare Konstellationen handelt und XXX.
297Die soeben dargestellten Bedenken im Hinblick auf den Vertrag mit XXX als Referenz für ein Gegenangebot der Muttergesellschaft verstärken sich noch dadurch, dass es an belastbaren Absatzzahlen, auf deren Grundlage die Muttergesellschaft die von ihr zu entrichtende Pauschalsumme berechnet, fehlt. Das Gegenangebot geht – wie bereits erläutert – auf IDC-Zahlen zurück. Diese erweisen sich auf der Grundlage von bei der Klägerin vorliegenden Zahlen – ebenfalls von IDC – als zu gering; und zwar unabhängig davon, welche der von der Muttergesellschaft genannte Absatzmenge betrachtet wird. Denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung allein für Geräte der Marke „XXX“ und für das Jahr 2020 IDC-Zahlen von XXX Einheiten behauptet. Sofern die Beklagten dem Vorbringen in der Verhandlung die ihnen vorliegenden IDC-Zahlen entgegengehalten haben, ist zu beachten, dass die Muttergesellschaft – jenseits einer Auseinandersetzung über die IDC-Zahlen – die Richtigkeit derselben anhand ihrer tatsächlichen Verkaufszahlen ermessen kann. Eine Bezugnahme auf diese erfolgt indes nicht. Dabei verbleibt es auch nach dem Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 23.04.2021, wonach sich die IDC-Zahlen der Klägerin deshalb als überhöht darstellen, weil darin sog. „Feature Phones“ berücksichtigt worden seien.
298(e)
299Die hier gestellten hohen Anforderungen an die Lizenzwilligkeit der Muttergesellschaft sind schließlich auch nicht deshalb überhöht, weil sich die Klägerin ihrerseits zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen nicht bereit zeigte.
300Die Verhaltenspflichten des Nutzers im Rahmen des Verhandlungsprozederes hängen nach dem von dem BGH aufgestellten Maßstab davon ab, was nach den üblichen und anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und den Geboten von Treu und Glauben von diesem erwartet werden kann. Insbesondere im Falle eines offensichtlich FRAND-Bedingungen nicht entsprechenden Lizenzangebots des Patentinhabers, das sich bei objektiver Wertung als nicht ernst gemeint und damit als Weigerung darstellt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, kann als Reaktion eines ernsthaft um eine Lizenz nachsuchenden Nutzers der Erfindung die Darlegung genügen, aus welchem Grund das Angebot offensichtlich FRAND-Bedingungen nicht entspricht (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 71 – FRAND-Einwand II).
301Auch bei der danach gebotenen Berücksichtigung des Verhaltens der Klägerin ist es indes vorliegend gerechtfertigt, die Lizenzwilligkeit der Beklagten bzw. von XXX an dem Maßstab, wie unter lit. (a) – lit. (d) erörtert, zu messen. Denn die Klägerin hat sich im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht in dem soeben beschriebenen Sinne lizenzunwillig gezeigt.
302(aa)
303Die Klägerin hat auf das außergerichtliche Schreiben der Muttergesellschaft vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) ihrerseits mit Schreiben vom 16.07.2020 (Anlage VP Kart 3) reagiert. Dabei hat sie insbesondere ein weiteres Mal eine aktualisierte Liste der von XXX gehaltenen AAC-Patente vorgelegt (dort S. 2, 2. Abs.), sich zu einer etwaigen Erschöpfungsproblematik verhalten (dort S. 2, vorletzter Abs.) und den Vorschlag der Muttergesellschaft, zur Offenlegung etwaiger Verträge ein Geheimhaltungsabkommen abzuschließen (dort S. 2, letzter Abs.), befürwortet. Die Klägerin setzte in der Folgezeit dann auch ein NDA auf. Mit Schreiben vom 13.10.2020 (Anlage K-Kart7, S. 2, letzter Abs.) bekräftigte die Klägerin ihre Bereitschaft zur Vorlage der bilateralen Verträge bei Abschluss eines NDA (zum weiteren Ablauf der Verhandlungen bis zum Abschluss eines NDA unter lit. (c), (aa)).
304Ähnlich reagierte auch XXX in Beantwortung des Schreibens der Muttergesellschaft vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 5) mit Schreiben vom 26.08.2020 (Anlage K-Kart6). Mit dem Schreiben erhielt die Muttergesellschaft eine beispielhafte Liste standardessentieller Patente, denen Abschnitte des Standarddokuments zugeordnet waren (dort, S. 2. 1. Abs.). Des Weiteren stellte XXX die Offenlegung laufender Lizenzverträge nach Abschluss eines NDA in Aussicht (dort, S. 2. 1. Abs. a. E.) und gab Auskunft zu den angefragten Erschöpfungssachverhalten (dort, S. 2. letzter. Abs.).
305(bb)
306Die Klägerin hat die Vorlage der Lizenzverträge nach Abschluss des NDA am 13.11.2020 nicht verzögert. Auch ist nicht zu erkennen, dass sie die Verträge in einer Art und Weise unvollständig vorgelegt bzw. erläutert hat, der gegen ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Angebot eines FRAND-gemäßen Lizenzvertrags spricht.
307(aaa)
308Die Klägerin hat nach Abschluss des NDA mit der Muttergesellschaft bis Ende Dezember 2020 die für die Beurteilung einer Diskriminierung relevanten Verträge innerhalb eines vertretbaren Zeitraums vorgelegt. Die Kammer kann ein zögerliches Verhalten auf ihrer Seite nicht erkennen.
309In diesem Zusammenhang ist zunächst maßgeblich, dass eine gerichtliche Fristsetzung in dem Beschluss vom 15.09.2020 (Bl. 305f. GA), die Verträge bis zum Ablauf der Replikfrist (= 30.10.2020, vgl. gerichtliche Verfügung v. 15.09.2020, Bl. 312) vorzulegen, nicht erfolgt ist. Die Kammer hat in dem genannten Beschluss unter Ziffer 4 an beide Parteien adressiert, dass „entsprechende Vereinbarungen [gemeint sind die zur Geheimhaltung erforderlichen] innerhalb der nächsten fünf Wochen getroffen werden, damit die Klägerin in der Replikfrist dazu vortragen bzw. die erforderlichen prozessualen Maßnahmen ergreifen kann“ Die Anordnung diente der Verfahrensstrukturierung und -beschleunigung insgesamt. Zu einer Unterzeichnung eines Geheimhaltungsabkommens durch die Klägerin und XXX kam es dann gleichwohl „erst“ am 13.11.2020 (zu dem genauen Ablauf bis zur Vorlage der Lizenzverträge siehe auch unter lit.(c), (aa)).
310Zehn Tage nach Abschluss des NDA, am 23.11.2020, hat die Klägerin die von XXX abgeschlossenen und noch laufenden Lizenzverträge in den Datenraum eingestellt (dazu unter lit. (c), (bb), (aaa), (i)). Sofern die bilateralen Lizenzverträge den Beklagten erst drei Wochen später, nämlich am 15.12.2020 (bis zum 28.12.2020), zur Verfügung gestellt worden sind, hat die Klägerin dies nachvollziehbar damit begründet, dass die Lizenznehmer unter Vorlage des mit den Beklagten abgeschlossenen NDAs zunächst hätten informiert werden bzw. deren Zustimmung habe eingeholt werden müssen.
311Aus dem sich so ergebenden zeitlichen Ablauf wird eine Verzögerungsabsicht der Klägerin nicht ersichtlich. Gegen eine insoweit unangemessene Behandlung des Vertragspartners steht auch, dass die Beklagten erstmalig am 10.12.2020 überhaupt Verträge zum Zwecke einer inhaltlichen Prüfung aus dem Datenraum herunterluden, und dass sie in den Lizenzvertrag, der zuletzt am 28.12.2020 eingestellt wurde, am 05.01.2021 noch immer keine Einsicht genommen hatten. Das heißt, schon die Beklagten selbst dokumentieren kein Interesse an einer früheren Kenntnisnahmemöglichkeit.
312(bbb)
313Die Kammer nimmt auch nicht an, dass die Klägerin ihre Lizenzverträge bewusst unvollständig vorgelegt oder unzutreffend erläutert hat.
314(i)
315Die Klägerin hat Lizenzverträge im Dezember 2020 vorgelegt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass sich darunter sämtliche bilateralen und Pool-Lizenzverträge, unter denen jedenfalls auch Mobiltelefone und Tablets vertrieben werden, befinden würden.
316Unschädlich ist, dass die Klägerin Verträge zu Lizenznehmern, die andere Produkte als Smartphones und Tablets vertreiben – wie beispielsweise denjenigen mit der XXX – nicht vorgelegt hat. Aus einer etwaigen Besserstellung dieser kann eine im Sinne des Kartellrechts relevante Diskriminierung nicht erwachsen. Sie ist nicht geeignet, den Lizenzsucher in seiner Wettbewerbsstellung auf dem relevanten Produktmarkt – hier: Smartphones bzw. Tablets – zu beeinträchtigen (zu diesem Erfordernis grundsätzlich: EuGH, NZKart 2018, 225, Rn. 27 - MEO; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 381).
317Die Beklagten meinen ein besonderes Vorlagebedürfnis im Hinblick auf den mit der XXX abgeschlossenen Vertrag ergebe sich weiter auch daraus, dass bei Lizenzverträgen der Klägerin mit anderen Lizenznehmern, die sowohl Smartphones als auch Fernseher produzieren würden, „offensichtlich die Gesamtvolumina der jeweiligen Lizenznehmer berücksichtigt worden seien.“ Dies biete einen Anknüpfungspunkt für eine „abstrakte Diskriminierung“.
318Dem vermag die Kammer nicht zu folgen.
319Unbeschadet dessen, dass hinsichtlich des genannten Vertrags, der mit einem Unternehmen aus dem Konzern der Beklagten abgeschlossen worden ist, schon nicht erkennbar ist, inwiefern diese einem Informationsdefizit unterliegen (dazu auch unter lit. (b), (aa)), sieht die Kammer auch im Übrigen kein besonderes Vorlagebedürfnis.
320Es ist in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung des Nutzers, inwiefern einzelne Produktmärkte durch mehrere oder durch eine einzelne Gesellschaft bedient werden. Auch im Konzern der Beklagten ist eine Sparte für den Vertrieb von Fernsehgeräten angesiedelt, bei einer Zusammenlegung derselben würde auch die Absatzmenge dieser zusammen mit den Smartphone-Verkäufen der Beklagten betrachtet. Wenn sich aber XXX – aufgrund welcher wirtschaftlichen Erwägungen auch immer – dazu entschließt, dass die Vertriebstätigkeit auf unterschiedlichen Märkten durch unterschiedliche Gesellschaften ausgeübt werden, ist dies keine Konstellation, für die das Vertragsangebot der Klägerin – im Sinne einer Meistbegünstigung – eine Regelung vorsehen muss. Der Vertrag ist deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vorzulegen.
321(ii)
322Die Klägerin war auch orientiert an der bisherigen Rechtsprechung zur Vorlagepflicht des Patentinhabers nicht gehalten, solche Lizenzverträge vorzulegen, die bereits ausgelaufen waren. Denn diese sind für das Vorliegen einer im Sinne des Kartellrechts sachwidrigen Diskriminierung grundsätzlich ohne Bedeutung, weil sie keine Auswirkungen auf die Wettbewerbslage der Konkurrenten haben (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 123 – Improving Handovers). Das gilt auch dann, wenn das Vertragsangebot eine Regelung zur Abgeltung von vor Inkraftreten des Vertrags liegenden Benutzungshandlungen trifft.
323Das Ausgeführte trifft vorliegend insbesondere auf den Vertrag mit XXX zu, deren fehlende Vorlage die Beklagten bemängeln, der jedoch XXX. Sofern die Beklagten dies mit Nichtwissen bestreiten, bleibt dies prozessual ohne Auswirkungen. Der Patentinhaber ist grundsätzlich nicht gehalten, die von ihm vorgetragenen Erläuterungen auch nachzuweisen.
324(iii)
325Eine Unvollständigkeit der vorgelegten Lizenzverträge ergibt sich insoweit, als die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.04.2021 erklärt hat, dass das bilaterale Vertragsverhältnis mit XXX – entgegen ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung – im Zeitpunkt der Vorlage der Lizenzverträge im Dezember 2020 noch nicht beendet gewesen sei. Der Vertrag sei vielmehr erst am XXX ausgelaufen.
326Auch übersieht die Kammer nicht, dass die Klägerin in ihrem Replikschriftsatz vom 10.11.2020 (dort S. 28, 2. Abs. und S. 29, vorletzter Abs., Bl. 392f. GA) zunächst vorgetragen hat, dass alle Standardlizenznehmer die gleichen laufenden Lizenzgebühren, die auch den Beklagten angeboten wurden, zahlen würden und sich dieser Vortrag nach dem nunmehr unstreitigen Parteivorbringen als unzutreffend erweist.
327Das Verhalten kann grundsätzlich Anhaltspunkte für eine Lizenzunwilligkeit auf Seiten des Lizenzgebers begründen. Denn unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Erläuterungspflichten bestehen, ist der Patentinhaber, der sich entschließt, Informationen offenzulegen, jedenfalls gehalten, diese zutreffend und ohne Auslassungen wiederzugeben. Gleichwohl geht die Kammer in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht von einer Lizenzunwilligkeit der Klägerin aus. Dagegen steht die Gesamtbetrachtung mit ihrem übrigen Verhalten (dazu bereits unter lit. (aa); hier unter lit. (aaa) und den vorherigen Ziff. (i), (ii) sowie nachfolgend unter lit. (cc) – (ee)). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach Vorlage der Lizenzverträge auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten sechs konkrete Poollizenzverträge genannt hat, die abweichende Regelungen enthalten.
328Die Klägerin hat die in den vorgelegten Lizenzverträgen vereinbarten XXX in ihrem Triplikschriftsatz vom 15.02.2021 anhand von IDC-Zahlen erläutert und Tatsachen angeführt, die grundsätzlich geeignet sind, Ungleichbehandlungen in einem gewissen Umfang sachlich zu rechtfertigen. XXX.
329Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagten dies – teilweise auch zulässigerweise – mit Nichtwissen bestritten haben. Darauf, ob die vorgetragenen Tatsachen vorliegend zutreffen, kommt es jedoch nicht an. Mangels Lizenzwilligkeit der Beklagten hat das ihnen unterbreitete Angebot nicht in jeder Hinsicht FRAND-gemäß zu sein (dazu allgemein unter Ziff. (1)). Maßgeblich ist hier, dass sich das Verhalten der Klägerin nicht als offensichtlich FRAND-widrig darstellt. Hiergegen stehen jedenfalls auch die von ihr angeführten Tatsachen, die zur Rechtfertigung einer etwaigen objektiven Besserstellung der genannten Lizenznehmer jedenfalls in gewissem Umfang geeignet sind.
330(dd)
331Mit dem Poollizenzvertrag liegt der Muttergesellschaft zudem ein Vertragsangebot vor, das in dieser Form von anderen Marktteilnehmern akzeptiert worden ist. Diese Tatsache entfaltet jedenfalls eine gewisse Indizwirkung für die Angemessenheit der darin festgelegten Vertragsbedingungen (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018, Az.: 4a O 17/17, Rn. 269, zitiert nach BeckRS 2018, 35570; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 262, 521). Damit ist jedenfalls eine Möglichkeit eröffnet, Zugang zu der Technik zu erlangen, die eine marktbeherrschende Stellung vermittelt. Der Vortrag der Beklagten, dass primär unbedeutende Anbieter eine Poollizenz genommen hätten, während für sie, die Beklagten, relevante Wettbewerber eine bilaterale Lizenz abschließen würden, steht der Annahme, dass der Poollizenzvertrag dem Lizenznehmer grundsätzlich ein wettbewerbsfähiges Angebot ermöglicht, nicht entgegen.
332(ee)
333Soweit die Beklagten das Angebot von XXX sowie das bilaterale Angebot der Klägerin unter Diskriminierungsgesichtspunkten als offensichtlich FRAND-widrig im Vergleich zu den mit den abgeschlossenen Lizenzverträgen, XXX, erachten, ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in unterschiedlichen Zusammenhängen die Bereitschaft hat erkennen lassen, Vertragsbedingungen auf die Beklagte anzupassen.
334Das betrifft zum einen den Aspekt der Abgeltung von vor Vertragsschluss liegenden Benutzungshandlungen. XXX. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass auch im Zusammenhang mit dem Gegenangebot entsprechende Informationen durch die Muttergesellschaft nicht vorgelegt worden sind, weshalb es die Kammer auch der Klägerin nicht unter Missbrauchsgesichtspunkten vorzuwerfen vermag, dass diese auf das Gegenangebot der Beklagten nicht wenigstens derart eingegangen ist, dass sie eine Anpassung ihres Angebots vorgenommen hat. Das Gegenangebot stellt eine insoweit brauchbare Verhandlungsgrundlage nicht dar (dazu unter lit. (d)).
335Zum anderen hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Kritik der Beklagten, dass an bilaterale Lizenznehmer vergebene Lizenzen einen sachlich weiteren Anwendungsbereich hätten, diese grundsätzlich für jeden lizenzwilligen Nutzer in Aussicht gestellt. XXX. Auch hier hat die Klägerin eine Lizenznahme auch für die Beklagten in ihrem Triplikschriftsatz vom 15.02.2012 für grundsätzlich möglich erachtet (dort S. 74, 1. Abs., Bl. 557 GA), wobei die Muttergesellschaft auch insoweit ein Lizenzierungsinteresse nicht kundgetan hat.
336(f)
337In der Gesamtschau zeigt sich mithin vorliegend ein Nutzerverhalten, das zunächst dadurch geprägt ist, Versuche zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen schlicht zu ignorieren. Eine Reaktion erfolgte überhaupt erst nach Erhebung der hiesigen Klage, wobei es auch insoweit in der Folgezeit an konstruktiven Mitwirkungshandlungen, die auf das Zustandekommen eines Lizenzvertrags gerichtet sind, fehlt. Dies berücksichtigend bedurfte es – entsprechend der Anforderungen des BGH – auf Nutzerseite besonderer Anstrengungen, den Abschluss eines Lizenzvertrags zu fördern, und so zum Ausdruck zu bringen, dass – was einem Nutzer grundsätzlich zugestanden sein muss – eine Lizenzbereitschaft nunmehr entstanden ist. Solche Anstrengungen kommen indes hier in dem Gegenangebot vom 13.03.2021 nicht zum Ausdruck, weshalb XXX auch im Schluss der mündlichen Verhandlung noch als lizenzunwillig erachtet werden muss. Der Klägerin kann demgegenüber ein Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung derart, dass sie sich nicht hinreichend bemüht hat, einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzter den Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen möglich zu machen, nicht vorgeworfen werden (zu diesem Maßstab allgemein: BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 53 – FRAND-Einwand II).
338B.
339Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht weder bei Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses der ebenfalls mit Patentverletzungsverfahren befassten 4c. Zivilkammer des hiesigen Gerichts (Beschl. v. 26.11.2020, Az.: 4c O 17/19, zitiert nach juris) (dazu unter Ziff. I.) noch vor dem Hintergrund des laufenden Rechtsbestandsverfahrens (dazu unter Ziff. II.) eine Veranlassung.
340I.
341Die Kammer sieht von einer Aussetzung der Verhandlung analog § 148 ZPO ab.
342Erwägungen zu einer Aussetzung der Verhandlung sind vorliegend deshalb geboten, weil die Frage, wie die Lizenzwilligkeit in dem Fall zu beurteilen ist, in dem der Nutzer auf einen Verletzungshinweis hin für längere Zeit schweigt, auch Gegenstand einer an den EuGH gerichteten Vorlagefrage ist (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2020, Az.: 4c O 17/19, Vorlagefrage unter Pkt. B., Ziff. 2., lit. a), zitiert nach juris). In einem Fall, in dem – wie hier – die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer in einem anderen Verfahren dem EuGH vorgelegten Rechtsfrage abhängig ist, kommt eine Aussetzung der Verhandlung analog § 148 ZPO in Betracht (BGH, BeckRS 2012, 4329, Rn. 8f.).
343Die Kammer übt das ihr zustehende Ermessen derart aus, dass sie von einer Aussetzung, die auch von den Parteien nicht angeregt worden ist, absieht.
3441.
345Im Ausgangspunkt orientiert sich die Kammer dabei an der aus Art. 267 Abs. 2 AEUV hervorgehenden Wertung.
346Eine Orientierung an dieser Vorschrift ist sachgerecht, weil die Kammer ohne das genannte Vorabentscheidungsgesuch der Schwesterkammer in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 4c O 17/19 selbst die Entscheidung zu treffen hätte, ob sie eine Vorlage an den EuGH veranlasst.
347Nach der genannten Vorschrift trifft das erstinstanzliche Gericht grundsätzlich keine Vorlagepflicht. Etwas anderes gilt nur in dem – hier nicht einschlägigen Fall – in dem das nationale Gericht eine Vorschrift des Unionsrechts oder eine sonstige Handlung eines Unionsorgans für ungültig erachtet und außer Anwendung lassen will (Wegener, in: Callies/ Ruffert, EUV/ AEUV, Kommentar, 5. Auflage, 2016, Art. 267 AEUV, Rn. 29).
3482.
349Die Kammer kann nicht erkennen, dass – was für eine Aussetzung sprechen könnte – der in der höchstrichterlichen nationalen Rechtsprechung entwickelte Maßstab für die Beurteilung der Lizenzwilligkeit vorliegend zwingend zu einem anderen Ergebnis führt, als nach den Anforderungen, die in der oberlandes- und landgerichtlichen Rechtsprechung bisher an die Lizenzwilligkeit gestellt worden sind.
350Auch nach der bisherigen Rechtsprechung ist es für die Annahme der Lizenzwilligkeit auf Seiten des Nutzers nicht als ausreichend erachtet worden, dass dieser seine grundsätzliche Lizenzwilligkeit zu Beginn der Vertragsverhandlungen einmalig erklärt, diese jedoch in den sich dann anschließenden Vertragsverhandlungen keinen Niederschlag in seinem tatsächlichen Verhalten findet. Die Bereitschaft zur Lizenznahme muss die Vertragsverhandlungen vielmehr stetig begleiten und darin einen Ausdruck finden, dass der Nutzer, auch wenn er nach den Anforderungen des EuGH zunächst nicht in der Pflicht zur Unterbreitung eines FRAND-gemäßen Angebots steht, an dem Zustandekommen eines Lizenzvertrags konstruktiv mitwirkt (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 161 – Mobiles Kommunikationssystem; LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2020, Az.: 4c O 17/19, Rn. 34, zitiert nach juris; ebd., GRUR-RS 2020, 12599, Rn. 309f.; ebd., Urt. v. 12.12.2018, Az.: 4b O 5/17, Rn. 143 ff., zitiert nach BeckRS 2018, 38605).
351Ein Unterschied zu dem unter Punkt A., Ziffer V., 2., b), bb), (1) dargestellten Verständnis, das der BGH in den Entscheidungen FRAND-Einwand und FRAND-Einwand II hat erkennen lassen, zu der bisherigen Rechtsprechung ist insoweit festzustellen, als an die Lizenzierungsbitte keine hohen inhaltlichen Anforderungen gestellt worden sind. Der Nutzer muss danach lediglich eine grundsätzliche (allgemeine) Bereitschaft zur Lizenznahme in Form einer eindeutigen, jedoch ergebnisoffenen Verhandlungsbereitschaft, ggf. auch konkludent, erkennen lassen (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 152, Rn. 160, Rn. 165 und Rn. 171 ff. – Mobiles Kommunikationssystem; zuletzt: LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2020, Az.: 4c O 17/19, Rn. 34, zitiert nach juris).
352Aber auch ausgehend von einem Verständnis der Lizenzwilligkeit in dem beschriebenen allgemeineren Sinn sind bei dem hier vorliegenden Sachverhalt Zweifel an der Bereitschaft der Beklagten bzw. von XXX zum Abschluss eines Lizenzvertrags begründet.
353Denn auch nach einer „weniger strengen“ Auffassung ist nicht allein an dem – vermeintlich eindeutigen Wortlaut – einer ausdrücklichen Lizenzierungsbitte zu haften, die hier überhaupt erstmals mit den Schreiben vom 17.06.2020 (Anlage VP Kart 2) und vom 17.08.2020 (Anlage VP Kart 4) geäußert worden ist. Vielmehr muss auch eine solche Erklärung bei Berücksichtigung der diese begleitenden Umstände als ernsthafte Bekundung eines – wenn auch zunächst allgemeineren – Lizenzwillens verstanden werden können (zuletzt: LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2020, Az.: 4c O 17/19, Rn. 35 a. E., zitiert nach juris). Das unter Pkt. A., Ziff. V., 2., lit. b), bb), (2), (a) – (d) dargestellte Verhalten der Beklagten und der Muttergesellschaft ist indes auch geeignet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer solchen allgemeinen Lizenzbereitschaftserklärung zu begründen.
3543.
355Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Kammer weiter berücksichtigt, dass die Laufzeit der Schutzdauer für das hiesige Klagepatent im Juli 2022 endet, und dass der BGH die Notwendigkeit einer erneuten Vorlage mit Blick auf die von ihm an die Lizenzwilligkeit gestellten Anforderung selbst geprüft und insoweit von einer Vorlage abgesehen hat (BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 63 – 68 und Rn. 77 – FRAND-Einwand II).
356II.
357Eine Aussetzung der Verhandlung auf Grund der am 2. September 2020 gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage gem. § 148 ZPO ist nicht geboten.
3581.
359Es ist nicht davon auszugehen, dass das Klagepatent infolge einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands der geänderten Klagepatentansprüche 33 und 20 vernichtet wird.
360a)
361Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu vergleichen. Der Gegenstand des Patents wird durch die technische Lehre des jeweiligen Patentanspruchs bestimmt, wobei Beschreibung und Zeichnungen lediglich zur Auslegung heranzuziehen sind. Demgegenüber ist der Inhalt der ursprünglichen Anmeldung dem Gesamtinhalt der Anmeldungsunterlagen zu entnehmen, ohne ihn auf die angemeldeten Ansprüche zu beschränken. Demnach gehört zum Inhalt der ursprünglichen Anmeldung das, was der Fachmann als zur angemeldeten Erfindung gehörig entnehmen kann (vgl. zu Vorstehendem Benkard/Rogge, PatG 11. Aufl.: § 21 PatG Rn 30 m.w.N.).
362Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss in den Anmeldeunterlagen identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln (BGH, GRUR 2004, 135 – Elektronische Funktionseinheit). Dabei ist die Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, GRUR 2004, 133 (135) – Elektronische Funktionseinheit). Danach ist es erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen „unmittelbar und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, GRUR 2002, 49 (51) – Drehmomentübertragungseinrichtung; BGH GRUR 2010, 599 Rn. 22 – Formteil m.w.N.). Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zu Grunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Stands der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands (BGH, GRUR 2014, 542 – Rn. 23. – Kommunikationskanal).
363Demnach sind bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Danach ist ein „breit“ formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (BGH, GRUR 2014, 542, Rn 24 – Kommunikationskanal m.w.Nw.).
364b)
365Nach diesen Grundsätzen liegt eine unzulässige Erweiterung nicht darin, dass das Merkmal b1 mit der Beschreibung des Stereobreitenparameters als Repräsentant für einen Grad an Ähnlichkeit zwischen einem ersten und einem zweiten Kanal eines Originalsignals in die Klagepatentansprüche aufgenommen wurde.
366Der Grad an Ähnlichkeit in Merkmal b1 ist die Stereobreite oder „Stereoperspektive“ (Abs. [0008]) des Stereosignals. Dieses Merkmal zeigt auf, inwieweit sich das linke und das rechte Kanalsignal unterscheiden. Unterscheiden sich diese nicht oder nur gering, ist die Stereobreite klein. Unterscheiden sich diese sehr stark, ist die Stereobreite groß. Das Klagepatent beschreibt diese Unterschiede in Absatz [0004] zusätzlich mit dem Merkmal der Redundanz; ist diese groß, bestehen zwischen beiden Kanalsignalen nur geringe oder keine Unterschiede und dies führt in der Folge auch zu einer geringeren Informationsübermittlung. Bestehen hingegen große Unterschieden zwischen beiden Kanalsignalen, ist die Redundanz klein. Das Klagepatent bezeichnet dies in Absatz [0004] als „gegenphasige Signale“.
367Diese Stereobreite benennt die Patentanmeldung (Anlage NK IV) in den eingereichten Ansprüchen zunächst allgemein und offenbart in der Beschreibung eine Konkretisierung dieser Stereobreite über das Differenzsignal (S. 5 Z. 2 der NK IV). Die Eignung zur Parametrisierung der Stereobreite wird damit begründet, dass durch das Differenzsignal D der Grad an Ähnlichkeit zwischen den beiden Ausgangssignalen angegeben werden kann. Anschließend nennt die Patentanmeldung beispielhaft die Methode der Kreuzkorrelation zur Bestimmung der Stereobreite. Dem Fachmann ist bekannt, dass die Kreuzkorrelationsfunktion gerade dazu dient, die Ähnlichkeit zweier Signale zu bestimmen. Stellen sich die beiden Funktionen aber als Beispiele ein und desselben allgemeinen Prinzips – nämlich der Bestimmung des Grads der Ähnlichkeit zweier Signale – dar, das dem Fachmann in der Patentanmeldung als solches auch benannt wird, ist es zulässig, den Gegenstand des Klagepatents in dieser Weise zu verallgemeinern.
3682.
369Die Lehre der Ansprüche 33 und 20 des Klagepatents wird weder durch die EP 0 237 567 A 1 (Anlage NK 1), noch durch die US 5,434,948 (Anlage NK 2) oder die EP 1 107 232 A 2 (Anlage NK 3) neuheitsschädlich vorweggenommen.
370a)
371Die NK 1 beschreibt ein Stereo-Codierungssystem. Das der Offenbarung zugrundeliegende Verfahren wird in der Figur 2 der Entgegenhaltung offenbart wie folgt:
372Aus dem linken und rechten Eingangssignal, die in den Transmitter 3 geleitet werden, werden die Summe L + R und die Differenz L – R erzeugt. Diese Signale werden anschließend unter anderem gefiltert und digitalisiert und letztlich mittels digitalem Codierer 15 und 16 codiert und einem Multiplexer 17 zugeleitet. Schließlich werden die Signale einem Empfänger zugeleitet (Sp. 3, Z. 12 bis 43 der NK 1).
374Um den dadurch erzeugten Verlust an Stereoinformationen im oberen Frequenzbereich zu verringern, schlägt die NK 1 in der Figur 5 vor, einen Pseudostereo-Effekt durch Anpassung der Energiedifferenz zwischen dem linken und dem rechten Ausgangssignal zu erzielen (Sp. 5 Z. 48 – 56 der NK 1), wobei die Information betreffend die anzuwendende Energiedifferenz als Datensignal an den Decodierer übermittelt werden kann (Sp. 6 Z. 3 bis 9 der NK 1). Die Entgegenhaltung zeigt damit bereits keinen parametrischen Stereodecodierer und offenbart zudem nicht die Merkmalsgruppe b.
375Das Klagepatent offenbart einen parametrischen Stereodecodierer 119 zum Erzeugen des synthetisierten Stereo-Ausgangssignals aus dem Monosignal. Diese Stereodecodierung beschreibt das Klagepatent als „parametrisch“. Somit erfolgt die Synthetisierung der beiden Ausgangskanäle aus einem Monosignal unter Verwendung weiterer, mit dem Monosignal übermittelter Parameter. Konkret erfordern die Klagepatentansprüche die in den Merkmalen e2 bzw. b, b1 und b2 sowie e3 bzw. c benannten Parameter, nämlich Stereobreitenparameter und Symmetrieparameter. Weitere Parameter werden in Absatz [0005] genannt.
376Mit dieser parametrischen Stereodecodierung grenzt sich das Klagepatent von bekannten Decodiersystemen wie der Summe/Differenzcodierung ab (Abs. [0004]), bei der zwei Signale (Summe und Differenz) übertragen und decodiert werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Klagepatent in einem Ausführungsbeispiel die Bildung des Differenzsignals als erste Näherung der Stereobreite beschreibt (Abs. [0021]). Von einem Stereobreitenparameter ist in dieser Hinsicht jedoch noch keine Rede. Das Ausführungsbeispiel ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass aus dem Differenzsignal und dem Grad der Ähnlichkeit ein Stereobreitenparameter abgeleitet werden muss.
377An den Decodierer der NK 1 werden hingegen das Differenz- und das Summensignal übermittelt. Damit offenbart die NK 1 gerade keine parametrische Stereo(de)codierung. Das Differenzsignal kann nicht als Stereobreitenparameter angesehen werden.
378Soweit die NK 1 zudem die (De-)Codierung höherer Frequenzen des Originalsignals beschreibt, wird lediglich die Übermittlung eines Monosignals und eines Symmetrieparameters offenbart (Fig. 5 und Spalte 5, Zeilen 48 – 56).
379b)
380Die NK 2 betrifft das polyphone Codieren bei polyphonen Audiokonferenzsystemen. Das linke und das rechte Eingangssignal werden durch Summen- und Differenzbildung in ein Summen- bzw. Differenzsignal umgewandelt und nach Codierung übermittelt. Offenbart wird weiterhin ein Decodierer gemäß Figur 2:
381Der Decodierer decodiert das Summensignal xS. Das Differenzsignal rekonstruiert der Decodierer mittels des adaptiven Prädiktionsfilters 5, der anhand der vom Codierer erhaltenen Filterparameter konfiguriert wird. Wird zusätzlich das Restsignal übermittelt, kann das Differenzsignal durch Zuaddieren zum vom Prädiktionsfilter ermittelten Signal exakt wiederhergestellt werden. Ohne dieses Restsignal kann die Wiederherstellung nur näherungsweise erfolgen. Aus beiden Signalen wird dann durch Summen- und Differenzbildung der linke und der rechte Ausgangskanal ermittelt.
383Die Entgegenhaltung offenbart bereits keinen parametrischen Stereodecodierer im Sinne des Merkmals e1. Auch die NK 2 verwendet – ähnlich der NK 1 – eine herkömmliche Summe-/Differenz-Codierung. Dabei wird das Differenzsignal in Form von Prädiktionskoeffizienten für den Prädiktionsfilter (und dem Restsignal) codiert, mit dem aus dem Summensignal das Differenzsignal hergeleitet werden soll. Damit handelt es sich bei den Prädiktionskoeffizienten auch nicht um Stereobreitenparameter im Sinne der Merkmalsgruppe b). Denn die Koeffizienten beziehen sich allein auf das Summensignal und geben nicht den Grad der Ähnlichkeit zwischen dem ersten und zweiten Kanal des Originalsignals an.
384c)
385Die NK 3 ist im Erteilungsverfahren geprüfter Stand der Technik und offenbart keinen Stereobreitenparameter im Sinne der Merkmalsgruppe b.
386Die NK 3 offenbart eine parametrische Stereocodierung („joint stereo coding of audio signals“). Dabei wird für die Kanäle eines Stereosignals ein Übertragungssignal erzeugt, das dem linken Kanal L entspricht oder eine Kombination beider Kanäle enthält (L*). Zusätzlich werden parametrische Informationen (param-R) übertragen, die es ermöglichen, aus dem linken Kanal L bzw. dem Kombinationssignal L* den rechten Kanal zu rekonstruieren. Die Herleitung der parametrischen Informationen (param-R) beschreibt die Entgegenhaltung in Absatz [0011] wie folgt:
387„A stereo audio signal can be characterized using localisation cues, which define the localisation or tilt of the underlying stereo sounds in an auditory space. […] In any event, the localisation cues include (a) low frequency phase cues, (b) intensity cues, and (c) group delay or envelope cues. The low frequency phase cues may be derived from the relative phase of L and R at low frequencies of the signal.”
388Die parametrischen Informationen (param-R) werden demnach aus Lokalisierungsparametern abgeleitet, die Niederfrequenz-Phasenparameter, Intensitätsparameter und Gruppenverzögerungs- bzw. Hüllkurvenparameter umfassen. Letztere werden aus der relativen Phase der Einhüllenden der Signale des linken und rechten Kanals abgeleitet. Es handelt sich um nichts anderes als die Phasendifferenz zwischen den Kanälen.
389Es fehlt somit an einer Offenbarung des Stereobreitenparameters. Der Stereobreitenparameter ist ein Maß für den Grad der Ähnlichkeit zweier Signale. Dies ergibt sich aus dem Merkmal b1. Die Phasendifferenz fällt nach der Lehre des Klagepatents nicht unter den Begriff der Stereobreite. Das Klagepatent selbst differenziert zwischen Informationen zum Grad der Stereobreite und denjenigen zu einer Position in der Stereoklangstufe (Abs. [0003]), mithin zwischen einem Stereobreitenparameter und Lokalisierungsparametern. Damit ist die Stereobreite – als Grad der Ähnlichkeit zweier Signale – qualitativ etwas anderes als Unterschiede zwischen zwei Signalen, die die Position der Schallquelle im Raum wiedergeben. Die Phasendifferenz ist als Lokalisierungsparameter anzusehen. So wird sie von der NK 3 selbst eingeordnet („localization cues“) und auch das Klagepatent, das selbst die NK 3 würdigt, übernimmt die Qualifizierung der Gruppenverzögerungs- und Hüllkurvenparameter als Lokalisierungsparameter und unterscheidet sie so von einem Stereobreitenparameter.
3903.
391Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Lehre des Klagepatents wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit aufgrund der Entgegenhaltung NK 2 in Verbindung mit der NK 3 sowie der NK 2 in Verbindung mit der NK 4 nahegelegt ist. Denn ein Stereobreitenparameter wird in keiner der Entgegenhaltungen offenbart.
392C.
393Die von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2021 mit dort überreichtem Schriftsatz vom selben Tag erhobene Zwischenfeststellungswiderklage ist unzulässig.
394Gem. § 256 Abs. 2, 2. Alt. ZPO kann der Beklagte bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird.
395Hier steht der Anwendbarkeit der genannten Vorschrift zum einen entgegen, dass es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehlt (dazu unter Ziff. I.), zum anderen dass die Vorgreiflichkeit nicht gegeben ist (dazu unter Ziff. II.).
396I.
397Die Frage, ob das in dem Widerklageantrag näher bezeichnete Angebot der Klägerin FRAND-widrig ist, stellt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.
398Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung) feststellbares subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Greger, in: Zöller, ZPO, Kommentar, 33. Auflage, 2020, § 256, Rn. 3). Der Streit über Vorfragen oder – wie vorliegend – Elemente dieses Rechtsverhältnisses genügt – auch im Rahmen einer Zwischenfeststellungs(wider)klage nicht (ebd., § 256, Rn. 24).
399Die FRAND-Gemäßheit eines bestimmten Angebots ist lediglich ein Element der Frage, ob dem Nutzer ein Anspruch darauf zusteht, dass ihm der Patentinhaber die Benutzung der geschützten technischen Lehre zu FRAND-Bedingungen vertraglich gestattet (zu diesem Anspruch grundsätzlich: BGH, GRUR-RS 2020, 41776, Rn. 54ff. – FRAND-Einwand II). Ist ein solcher Anspruch entstanden, kann der Patentinhaber einem solchen den Erfüllungseinwand in der Form, dass er ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Angebot bereits abgegeben habe, entgegenhalten. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt mithin insoweit vor, wie ein Anspruch des Nutzers auf Gestattung der Benutzung der geschützten Lehre in Rede steht. Ein solcher Anspruch aber ist nicht Gegenstand des von den Beklagten formulierten Feststellungsantrags.
400Eine auf einen solchen Anspruch gerichtete Feststellung ist aber auch – unabhängig von der Frage weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen – im vorliegenden Fall nicht geeignet, dem Begehren der Beklagten nachzukommen. Dieses ist nämlich bei Auslegung ihres Prozessvorbringens in dem Schriftsatz vom 23.03.2021 (Bl. 639 – Bl. 641 GA) analog §§ 133, 157 BGB und unter Berücksichtigung ihrer in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23.03.2021, S. 3, 1. Abs., Bl. 644 GA) derart zu verstehen, dass sie in jedem Fall eine Entscheidung über die FRAND-Gemäßheit des Angebots der Klägerin vom 13.02.2017 wünschen. Für den Fall aber, dass der Nutzer schon nicht lizenzwillig ist, fehlt es an einer Verpflichtung des Patentinhabers zur Unterbreitung eines konkreten Angebots, das bereits in jeder Hinsicht FRAND-Grundsätzen entspricht (dazu auch BGH, ebd., Rn. 72), wäre mithin eine auf eine entsprechende Feststellung gerichtete Klage jedenfalls unbegründet, ohne dass die FRAND-Gemäßheit eines unterbreiteten Angebots als Erfüllungseinwand zu prüfen wäre.
401Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 23.04.2021, in welchem diese darum bitten, ihren Feststellungsantrag, sofern diesem „nach dem Wortlaut kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis entnommen werden kann, dahingehend zu verstehen, dass ihr sich aus den kartellrechtlichen FRAND-Grundsätzen ergebender Anspruch, ein die Klagepatente mit umfassendes FRAND-konformes Angebot zu erhalten, durch das Angebot vom 13.02.2017 nicht erloschen ist, insbesondere da dieses unangemessen ist und die Beklagten gegenüber dritten Lizenznehmern diskriminiert“ (ebd., S. 10, Rn. 36, Bl. 662 GA). Unbeschadet dessen, dass auch eine so verstandene Feststellung lediglich eine Teilfrage des Anspruchs auf Nutzungsgestattung (nämlich dessen Erlöschen) betreffen, geben die Beklagten damit abermals zu erkennen, dass sie allein eine Feststellung über die Frage der FRAND-Gemäßheit des genannten Angebots, nicht über den Anspruch insgesamt, begehren. Die Kammer sieht deshalb keinen Raum für eine dahingehende Auslegung des Antrags der Beklagten bzw. eine Notwendigkeit auf eine Antragstellung hinzuwirken, die ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, wie beschrieben, betrifft.
402II.
403Die Frage der FRAND-Gemäßheit des Angebots der Klägerin vom 13.02.2017 (Anlage KA1c) ist auch nicht vorgreiflich für einen der klageweise geltend gemachten Hauptansprüche.
404Die Vorgreiflichkeit, die tatsächlich bestehen, nicht nur behauptet sein muss, fehlt, wo die Hauptklage aus formellen oder sonstigen vom Bestehen des streitigen Rechtsverhältnisses unabhängigen Gründen abweisungsreif ist (Greger, ebd., § 256, Rn. 25).
405So ist es vorliegend.
406Der unter Ziffer I. erwähnte Anspruch des Nutzers auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen ist im Rahmen des hiesigen Patentverletzungsprozesses in den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand eingebunden. Auf die Frage, ob das näher bezeichnete Angebot der Klägerin in jeder Hinsicht FRAND-Grundsätzen entspricht, kommt es vorliegend im Rahmen dieses Einwandes nicht an, weil es an der Lizenzwilligkeit der Beklagten fehlt. Aus diesem Grund greift der Einwand vorliegend nicht durch und ist die Klage erfolgreich (dazu unter Pkt. A., Ziff. V., 2., lit. b), bb), (2)).
407Das Fehlen der Vorgreiflichkeit kann auch nicht mit dem Argument überwunden werden, dass sich die Vorgreiflichkeit auch aus Einwendungen gegen den klageweise geltend gemachten Anspruch ergeben kann. Dies ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine Konstellation anerkannt worden, bei der sich der Auftraggeber gegenüber einer Werklohnforderung des Auftragnehmers damit verteidigt hat, dass er die Abnahme wegen verschiedener Mängel verweigert (BGH, Urt. v. 25.10.2007, Az.: VII ZR 27/06, Rn. 11f.). In dieser Konstellation hat der BGH eine auf die Feststellung, dass der Auftragnehmer zur Beseitigung aller Mängel verpflichtet ist, gerichtete Zwischenfeststellungswiderklage als zulässig erachtet (a.a.O.). Zur Begründung hat der dort entscheidende Senat ausgeführt:
408„Würde man die Vorgreiflichkeit in einem solchen Fall anders beurteilen, hinge die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungswiderklage von der für die Parteien nicht vorhersehbaren Begründung ab, die das Gericht in seiner Hauptentscheidung zur Frage wählt, wegen welcher Mängel die Abnahmeverweigerung berechtigt ist.“ (a.a.O.)
409Eine mit dieser Konstellation vergleichbare Fallgestaltung ist hier nicht gegeben.
410Die Lizenzunwilligkeit der Beklagten stellt sich gegenüber der FRAND-widrigkeit des Angebots nicht als alternative Begründung im Sinne der in Bezug genommenen Rechtsprechung dar. Die Lizenzunwilligkeit der Beklagten führt vorliegend dazu, dass der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand ins Leere geht, und die Klage Erfolg hat. Die FRAND-Widrigkeit des Angebots könnte hingegen dazu führen, dass die Durchsetzung der klageweise geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (jedenfalls derzeit) nicht durchsetzbar sind, mithin die Klage keinen Erfolg hat. Auf diese Frage aber kommt es mangels Lizenzwilligkeit der Beklagten nicht an. Die Lizenzwilligkeit ist der Frage der FRAND-Gemäßheit des Angebots mithin vorgelagert. Die Zwischenfeststellungswiderklage aber dient dem Beklagten nicht als prozessuales Instrument dafür, klären zu lassen, ob ein Verteidigungsargument Erfolg gehabt hätte, wenn der Klage nicht – aus außerhalb dieses Verteidigungsarguments liegenden Gründen – stattgegeben worden wäre.
411Aus denselben Gründen trifft auch ein Vergleich mit der von den Beklagten in Bezug genommenen Konstellation, wie von Kühnen (Handbuch der Patentverletzung, 13. Auflage, Kap. E., Rn. 305) beschrieben, nicht zu. Dort wird für einen Patentverletzungsprozess, in dem der Beklagte, der nach der „Orange-Book-Standard Rechtsprechung“ (dazu auch unter Pkt. A., Ziff. V., 2., a), bb)) dazu verpflichtet ist, ein FRAND-gemäßes Angebot zu unterbreiten, eine Zwischenfeststellungswiderklage für sachdienlich erachtet, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletzt. Hintergrund einer solchen Widerklage sei, dass der Beklagte nicht absehen könne, mit welchem Verteidigungsargument die Klage abgewiesen werde: wegen eines hinreichenden Angebots oder wegen Nichtverletzung des Klagepatents. Auch hier werden mithin zwei die Klageabweisung herbeiführende Begründungsalternativen gegenübergestellt.
412D.
413Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
414E.
415Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
416Den Beklagten war Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO nicht zu gewähren. Sie haben nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihnen durch die Vollstreckung des Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von § 712 ZPO entsteht.
417F.
418Die Kammer sieht von einer Wiedereröffnung der Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO aufgrund des Inhalts des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 15.04.2021 und desjenigen der Beklagten vom 23.04.2021 ab.
419Soweit diese nicht ohnehin Rechtsausführungen betreffen, ist bereits im Zusammenhang mit den Gesichtspunkten, zu denen das darin enthaltene Vorbringen einen inhaltlichen Bezug aufweist, dargestellt worden, dass der nach der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Tatsachenstoff eine andere Entscheidung der Kammer nicht trägt (dazu unter Pkt. C., Ziff. I. sowie unter Pkt. A., Ziff. V., 2., b), bb), (2), (d), (bb) und unter Pkt. A., Ziff. V., 2., b), bb), (e), (bb), (bbb), (iii)).
420G.
421Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 1.000.000,00 Euro festgesetzt, wovon 100.000 Euro auf den Antrag auf Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung zum Schadensersatz entfallen.