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Die Schuldnerin wird durch ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 3.000,-, ersatzweise 1 Tag Zwangshaft für je EUR 1.000,-, wobei die Zwangshaft an dem Geschäftsführer der Schuldnerin, Herrn A, zu vollziehen ist, zum Rückruf gem. Ziffer I. 3. des Tenors des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 16.06.2020, Az. 4a O 21/19, angehalten.
II. Das festgesetzte Zwangsmittel darf nicht vor Ablauf von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses an die Schuldnerin vollstreckt werden.
III. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens.
IV. Der Gegenstandswert des Zwangsvollstreckungsverfahrens wird auf EUR 45.000,- festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin ein Urteil wegen einer Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP B (im Folgenden: Klagepatent). Nach Ziffer I. 3. des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 16.06.2020, Az. 4a O 21/19, wurde die Schuldnerin verurteilt:
4die unter I.1. bezeichneten, seit dem 30.01.2019 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des ... vom ...) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
5Das Urteil enthält weder eine Verurteilung zur Auskunft noch zur Rechnungslegung, nachdem die Gläubigerin diese Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2020 zurück genommen hat.
6Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sieht Ziffer III des Urteils vor:
7Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,00; daneben ist der Anspruch auf Unterlassung (Ziff. I.1. des Tenors) gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 630.000,00; weiter sind die Ansprüche auf Vernichtung (Ziff. I.2. des Tenors) und Rückruf (Ziff. I.3. des Tenors) jeweils gesondert vorläufig vollstreckbar zusammen mit dem Unterlassungsanspruch gegen eine zusätzliche Sicherheitsleistung von jeweils EUR 45.000,00 (zusätzlich zur Sicherheitsleistung für die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs); im Kostenpunkt ist das Urteil für beide Parteien (für die Klägerin: gesondert) vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
8Unter dem 30.06.2020 erklärte die C zur Sicherung etwaiger Schadenersatzansprüche der Beklagten, die aus der vorläufigen Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 16.06.2020 (Aktenzeichen 4a O 21/19) im Umfang des Tenors zu Ziffern I 1, I 2 und I 3 herrühren, die selbstschuldnerische, unwiderrufliche unbedingte und unbefristete Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage bis zum Betrag von 750.000,00 Euro (Ast 2).
9Mit Schreiben vom 09.09.2020 erklärte die Schuldnerin gegenüber der Gläubigerin, Rückrufschreiben entsprechend einem beigefügten Muster (Ast 4) an ihre gewerblichen Abnehmer versandt zu haben (Ast 4).
10Mit Schreiben vom 16.09.2020 forderte die Gläubigerin die Schuldnerin unter Fristsetzung bis zum 23.09.2020 dazu auf, Nachweise des behaupteten Versands der Rückrufschreiben an die gewerblichen Abnehmer der Schuldnerin zu erbringen (Ast 5).
11Mit Schreiben vom 23.09.2020 an die Gläubigerin legte die Schuldnerin zwei geschwärzte E-Mails vor und erklärte insoweit, dass mit diesen Rückrufschreiben gemäß den vorgelegten Musters an die Kunden D und E versandt worden seien (Ast 5).
12Die Gläubigerin beantragt mit am 20.11.2020 bei Gericht eingehendem Antrag,
13gegen die Schuldnerin zur Erzwingung des gemäß Ziffer I.3. des Urteils des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4a O 21/19) geschuldeten Rückrufs ein angemessenes Zwangsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft, deren Dauer ebenfalls in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und die an dem Geschäftsführer A zu vollziehen ist oder Zwangshaft, deren Dauer ebenfalls in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer A, festzusetzen
14Die Schuldnerin beantragt,
15den Zwangsmittelantrag der Gläubigerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
16Die Schuldnerin ist der Ansicht, sie habe ihrer Verpflichtung aus Ziffer I 3 des Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az 4a O 21/19, genüge getan. Insbesondere sei sie zum Nachweis dieser Verpflichtung nicht zur Vorlage einer Namensliste der Rückrufadressaten oder von Kopien aller Rückrufschreiben verpflichtet, nachdem die Klägerin den Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung zurück genommen habe.
17Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
201.
21Der Antrag ist zulässig, insbesondere hat die Gläubigerin, vor dem Hintergrund, dass sie vorträgt, dass außergerichtliche Bemühungen, die Schuldnerin zu einem Rückruf entsprechend Ziff. I. 3. des Urteils des Landgerichts Düsseldorf zu bewegen, keinen Erfolg hatten, ein Rechtschutzbedürfnis an der Festsetzung eines Zwangsgeldes durch das Gericht.
222.
23Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
24a)
25Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
26Ein Zwangsvollstreckungstitel besteht in Form des hier gegenständlichen Urteils des Landgerichts Düsseldorf (dort insbesondere Ziff. I. 3.), welches der Schuldnerin am 07.07.2020 zugestellt wurde. Dieses ist auch vorläufig vollstreckbar (vgl. Ziff. III. des Tenors des Urteils des Landgerichts Düsseldorf). Die Gläubigerin hat Sicherheit in Höhe von 750.000,00 Euro in Form einer Bankbürgschaft geleistet.
27Die Kopie einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils liegt der Akte bei.
28b)
29Die Festsetzung des Zwangsgeldes hat ihre Grundlage in § 888 ZPO.
30Nach dieser Vorschrift kann das Prozessgericht auf Antrag ein Zwangsmittel festsetzen, um den Schuldner zur Vornahme der Handlung, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, anzuhalten.
31Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
32aa)
33Bei der vorliegend zur Vollstreckung stehenden Rückrufverpflichtung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung.
34Es ist umstritten, ob die Vollstreckung der Ansprüche auf Rückruf und endgültiges Entfernen nach § 887 ZPO oder § 888 ZPO vorzunehmen ist (zum Meinungsstand Grabinski/ Zülch, in: PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 140a, Rn. 22). Zu folgen ist der Auffassung, wonach der Rückruf eine von dem Willen des Schuldners getragene, mithin eine unvertretbare Handlung, darstellt. Dies zum einen deshalb, weil allein der Schuldner Kenntnis von den Vertriebswegen der schutzrechtsverletzenden Ware hat, und zum anderen deshalb, weil mit der Rückforderung der Ware eine Zusage der Erstattung des Kaufpreises einhergeht (Kühnen, Hdb. der Patentverletzungen, 13. Auflage, 2021, Kap. D., Rdn. 913, vgl. Rinken BeckOK PatR, 19 Ed. 2021, § 1400 Rdn. 57 der für hiesige Fallkonstellation auch von § 888 ausgeht).
35bb)
36Die Schuldnerin hat den ihr auferlegten Rückruf nicht erfüllt, § 362 Abs. 2 BGB.
37Rückruf aus den Vertriebswegen bedeutet die ernsthafte Aufforderung an den gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses, entweder dieses zur Verfügung zu halten und nicht weiter zu vertreiben oder, sofern der Störungszustand dadurch nicht hinreichend beseitigt würde, das Erzeugnis freiwillig zurückzugeben. Das setzt voraus, dass der Rückruf dem Verletzer möglich ist, er also den gegenwärtigen Verbleib des Erzeugnisses kennt oder zumindest mit ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen wie Geschäftsunterlagen und Rückfragen beim Abnehmer, der seinerseits weiter geliefert hat, feststellen kann. Unbekannte Besitzer zu ermitteln ist der Verletzer nicht verpflichtet. Der Rückruf darf ferner nicht als bloße nicht weiter begründete Bitte formuliert werden, sondern er muss den Grund der Rückrufaktion erläutern und die rechtlichen Folgen deutlich machen, die ein etwaiger Weitervertrieb der zurückgerufenen Ware nach sich zieht. Erläuternde Bemerkungen etwa des Inhalts, die gegen das Verletzungsurteil eingelegte Berufung werde sicher Erfolg haben oder das Patent werde sicher vernichtet werden, nehmen der Rückrufaufforderung ihre Ernsthaftigkeit. Außerdem müssen eine Erstattung des Kaufpreises oder ein sonstiges Äquivalent für die zurückgerufene Ware, etwa eine patentfreie Ersatzlieferung, und eine Übernahme der Transport- bzw. Verwendungskosten einschließlich etwaiger mit dem Rücktransport verbundener Lager- und Zollkosten angeboten werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Mai 2015 – I-2 W 9/15 –, Rn. 4, juris)
38Das seitens der Schuldnerin vorgelegte Musterschreiben, welches nach ihren Angaben an die gewerblichen Abnehmer versandt worden sei, erfüllt zwar diese inhaltlichen Anforderungen.
39Indes hat die hinsichtlich der Erfüllung der Rückrufverpflichtung darlegungs- und beweisbelastete Schuldnerin nicht hinreichend dargelegt, dass sie sämtliche gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses ein entsprechendes Aufforderungsschreiben im obigen Sinne hat zukommen lassen.
40Soweit die Schuldnerin behauptet, sie habe zwischenzeitlich an sämtliche gewerblichen Abnehmer ein entsprechendes Schreiben versandt, so ist dieses Vorbringen pauschal und nicht nachprüfbar. Insoweit reicht es nicht aus, wenn die Schuldnerin einige wenige Kunden, an welche das Schreiben versandt worden sei, offenlegt und darüber hinaus keine nachprüfbaren Angaben macht. Zum Nachweis der Erfüllung der Rückrufverpflichtung ist es erforderlich, die Erfüllung in Bezug auf jeden einzelnen Kunden darzulegen (OLG Düsseldorf Urt. v. 6.5.2010 – I-2 U 98/09, BeckRS 2010, 15888, beck-online). Dies kann entweder durch Vorlage von Kopien sämtlicher Rückrufschreiben erfolgen, wobei aus diesen erkennbar sein muss, an wen, wann und auf welche Weise diese versandt wurden oder durch Vorlage eines Musterschreibens verbunden mit einer Auflistung sämtlicher Kunden, die ein solches Schreiben erhalten haben. Wobei es auch in der zweiten Variante dem Schuldner obliegt, näher darzulegen, wann die Schreiben versandt wurden und auf welchem Weg.
41Diese Darlegungsanforderungen gelten unabhängig davon, ob zusammen mit dem Rückrufanspruch zugleich ein Auskunft und/oder Rechnungslegungsanspruch mit austenoriert wurde. Dies folgt daraus, dass es sich jeweils um unabhängige Ansprüche handelt. Entscheidend ist, dass der Gläubiger in die Lage versetzt werden muss, die Erfüllung des Rückrufanspruchs hinsichtlich jedes einzelnen Kunden nachzuprüfen. Gerade in den Fällen, in denen weder eine Pflicht zur Auskunft noch zur Rechnungslegung besteht, ist die Auflistung sämtlicher gewerblicher Abnehmer für den Gläubiger zum Zwecke der Prüfung unverzichtbar. Die damit verbundene Konsequenz, dass hierdurch dem Gläubiger zugleich Informationen zur Verfügung gestellt werden, die er primär im Rahmen des Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsanspruchs erhalten hätte, ist vom Schuldner insoweit hinzunehmen.
42Bislang ist die Schuldnerin lediglich hinsichtlich der Kunden „D“ und „E“ den genannten Darlegungserfordernissen nachgekommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Erklärungen der Schuldnerin dahin versteht, dass die jeweiligen Rückrufschreiben an die Entscheidungsträger des Unternehmens versandt wurden (vgl. Kühnen, Hdb der Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Abschn. D Rdn. 913). Indes sind die insoweit vorgelegten Emails nicht zum Beweis eines entsprechenden Versands der Rückrufschreiben geeignet. So lässt sich diesen insbesondere nicht entnehmen, dass die in Bezug genommenen Rückrufschreiben den Emails tatsächlich angehängt wurden. Hinzu kommt, dass aufgrund der vorgenommenen Schwärzungen nicht erkennbar ist, ob die verwandten E-Mail Adressen überhaupt existent sind und ob die Schreiben an den zuständigen Entscheidungsleiter im Unternehmen gerichtet waren.
43cc)
44Die Kammer hält die Festsetzung eines Zwangsgeldes in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe für erforderlich, aber auch ausreichend, um die Schuldnerin zum Rückruf der Erzeugnisse anzuhalten. Ersatzweise war die gesetzlich vorgesehene Zwangshaft gegen ihre gesetzlichen Vertreter anzuordnen.
45Maßgeblich für die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht das Erfüllungsinteresse des Gläubigers, sondern allein die Frage, welcher Betrag erforderlich ist, um den der Pflichterfüllung entgegenstehenden Willen des Schuldners zu überwinden (Gruber, in: Müko, ZPO, Kommentar, 6. Auflage, 2020, § 888, Rn. 29).
46Hinsichtlich des zur Erfüllung der Rückrufverpflichtung in Höhe von EUR 3.000,- festgesetzten Zwangsgeldes war zu beachten, dass die Schuldnerin Bemühungen zur Erfüllung der Auskunftspflichten zwar im Grundsatz hat erkennen lassen, die erforderlichen Nachweise jedoch nur sehr kleinschrittig jeweils auf Druck der Gläubigerseite erfolgt sind und eine – auch noch im Zwangsvollstreckungsverfahren mögliche – Nachbesserung hinsichtlich des Versandnachweises trotz eindeutigen Hinweises der Gläubigerseite nicht erfolgt ist.
47Der Schuldnerin war jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Frist einzuräumen, innerhalb derer sie ihre Rückrufverpflichtung unter Abwendung des jeweiligen Zwangsgeldes nachkommen kann.
48III.
49Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.