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Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.10.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf, Az. 231 C 232/15, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
2Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Rückzahlung von Zahnarzthonorar in Anspruch.
3Die Klägerin betreibt eine Krankenversicherung, die unter anderem Versicherungen für Zahnbehandlungen umfasst. Die Beklagte ist eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, in der im Rahmen von zahnärztlichen Behandlungsverträgen diverse Versichernehmer der Klägerin behandelt wurden.
4Im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlungsverträge aus einem Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 15.10.2014 rechnete die Beklagte gegenüber den Versicherten der Klägerin u.a. die Gebührenziffer 2197 GOZ für „Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)“ neben den zugleich angesetzten Gebühren für die Füllungen („präparieren einer Kavität und Restauration mit Kompositmaterial“) in Adhäsivtechnik nach den Gebührenziffern 2060 (einflächig), 2080 (zweiflächig), 2100 (dreiflächig) und 2120 (mehr als dreiflächig) GOZ ab.
5Die 89 streitgegenständlichen Rechnungen der Beklagten wurden jeweils in vollem Umfang von den Versicherten der Klägerin beglichen.
6Unter dem 11.12.2014 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht in Bezug auf die Gebührenziffer 2197 GOZ vereinnahmten Beträge in Höhe von insgesamt 2.673,30 EUR bis zum 30.01.2015 zurückzuzahlen (vgl. Anl. BLD 1, Anlagenband).
7Die Parteien streiten insbesondere über die Frage, ob die Ziffer 2197 GOZ neben den Füllleistungen aus den Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ gesondert abrechnet werden kann, oder es sich insoweit um eine unzulässige Doppelabrechnung einer unselbständigen (Teil-)Leistung handele. Das Amtsgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. C2 nebst dessen Anhörung vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 2.673,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2015 verurteilt. Seine Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die Klägerin sei zur Geltendmachung der Rückzahlungsansprüche aus den 89 Rechnungen nach §§ 194 Abs. 2, 86 VVG aktivlegitimiert, nachdem sie ihren Versicherten die Kosten in vollem tariflichen Umfang ausgeglichen habe. Die Zahlung der insgesamt 2.673,30 EUR auf die Gebührenziffer 2197 GOZ sei in jedem der 89 Fälle auch ohne Rechtsgrund erfolgt, da die jeweilige Berechnung der Ziffer 2197 GOZ neben einer der Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ eine unzulässige Doppeltberechnung im Sinne des § 4 Abs. 2 GOZ darstellen würde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei der adhäsiven Befestigung um eine zahnärztliche Leistung handelt, die inhaltlich bereits Bestandteil des Leistungsumfangs der Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ sei.
8Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Klage erreichen will. Im Berufungsverfahren beruft sich die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und wendet ergänzend ein, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einem Verfahrensverstoß und fehlerhafter Rechtsanwendung. Der Sachverständige habe in zahnmedizinisch-fachlicher und werkstoffkundlicher Hinsicht nicht den aktuellen Stand der Wissenschaft zur Adhäsivtechnik berücksichtigt. Fehlerhaft habe das Amtsgericht die Einholung eines weiteren „obergerichtlichen Gutachtens“ verweigert. Rechtsirrig habe das Amtsgericht zudem angenommen, dass der Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung in den Zielleistungen der Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ bereits vollständig abgebildet sei. Rechtsirrig habe das Amtsgericht auch einen gesetzlichen Forderungsübergang nach § 194 Abs. 2 VVG angenommen.
9Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
10II.
111.
12Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
13Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nach §§ 511, 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie nach § 520 Abs. 3 ZPO ordnungsgemäß begründet worden.
142.
15In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
16Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des an sie durch die Versicherten der Klägerin geleitesten Zahnarzthonorars in Höhe von insgesamt 2.673,80 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 VVG zusteht.
17Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nach § 529 ZPO sind dabei die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Voraussetzungen des § 513 ZPO sind vorliegende nicht erfüllt. An der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen keine Zweifel. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
18Im Einzelnen:
19a.)
20Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Klägerin in Hinblick auf einen Rückzahlungsanspruch wegen des seitens ihrer Versicherten zu viel gezahlten Zahnarzthonorars aktivlegitimiert ist. Das eingeklagte Recht steht ihr aus dem gesetzlichen Forderungsübergang gem. §§ 194 Abs. 2 i.V.m. 86 Abs. 1 VVG zu.
21Die xxxxxx des §§ 194 Abs. 2 i.V.m. 86 Abs. 1 VVG erfasst Bereicherungsansprüche, die dem Versicherungsnehmer gegen den Leistungserbringer zustehen, wenn der Versicherungsnehmer die Entgelte ohne rechtlichen Grund gezahlt hat. Der Forderungsübergang erfolgt nach dem Wortlaut der Vorschrift, wenn der Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrages Erstattungsleistungen erbracht hat. Der Regelungsinhalt des § 194 Abs. 2 VVG, insbesondere die Formulierung „aufgrund des Versicherungsvertrages“, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich hierbei um Erstattungsleistungen handeln muss, die der Versicherer nach Prüfung und Bejahung seiner vertraglich vereinbarten Leistungspflicht erbringt, nicht also um solche, die er als unberechtigt betrachtet. Die Vorschrift soll es dem Versicherer nach dem Willen des Gesetzgebers gerade ermöglichen, Behandlerentgelte, die ohne rechtlichen Grund geleistet wurden, zurückzufordern (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 111; xxxxx VVG, 6. Aufl. 2019, § 194 Rn. 12). Nach zutreffendem Verständnis der Norm hat der Versicherer die Erstattungsleistungen auch dann „auf Grund des Versicherungsvertrages“ erbracht, wenn keine korrespondierende Rechtspflicht zur Leistung bestand, solange der Versicherer mit der Liquidation unberechtigter Entgelte den Heilungserfolg des Versicherungsnehmers herbeiführen wollte (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 26. 6. 2012 − 4 U 62/11-18). Der Einwand der Beklagten, die Abrechnung wäre von der Klägerin gegenüber ihren Versicherungsnehmern als nicht erstattungsfähig abzulehnen gewesen, greift nicht durch. Einem Versicherer der in vorliegender Situation gleichwohl seinen Versicherungsnehmern gegenüber Erstattungsleistungen erbracht hat obwohl diese selbst rechtsgrundlos an den Leistungserbringer das Entgelt entrichtet haben steht auch der geltend gemachte Bereicherungsanspruch aus übergegangenem Recht zu. Es ist auch nicht ersichtlich oder dargetan, warum der Versicherung ein Nachteil entstehen sollte wenn sie sich dazu entschließt, den Streit über die Berechtigung des Leistungsentgeltes für ihre Versicherungsnehmer auszutragen und im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges die Bereicherungsansprüche im Umfang ihres tatsächlichen rechtlichen Bestands auf eine effektive Weise durchzusetzen versucht. Auch der Beklagten entstehen durch die einheitliche Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen verschiedener Versicherungsnehmer keine Nachteile und sie ist insoweit nicht schutzbedürftig. Ein schützenswertes Interesse der Beklagten die ohne rechtlichen Grund von den Patienten erlangten Entgelte zu behalten liegt schlichtweg nicht vor.
22Die Beklagte hat mit der Berufung auch nicht die Feststellung des Amtsgerichts angefochten, dass die Klägerin die Entgelte auch insoweit „auf Grund des Versicherungsvertrages“ an ihre Versicherten leistete, weil sie auch ohne korrespondierende Rechtspflicht in dem Bewusstsein gehandelt hat, den Heilungserfolg ihrer Versicherungsnehmer, dessen Gewährleistung und Herbeiführung Zweck des Krankenversicherungsvertrags ist, herbeizuführen. Soweit die Beklagte lediglich pauschal einwendet, der Klägerin sei es lediglich um die Begründung einer Aktivlegitimation gegangen, ist dies letztlich Folge des gesetzlichen Forderungsübergangs und Voraussetzung für die effektive Durchsetzung des Bereicherungsanspruchs.
23Unstreitig erfolgten die Zahlungen von Zahnarzthonorar seitens der Versicherten der Klägerin an die Beklagte in vollständiger Höhe. Dass die Klägerin ihren Versicherungsnehmern jeweils auch das auf die Gebührenziffer 2197 GOZ entfallende Leistungsentgelt in dem tariflich vereinbarten Umfang ersetzt hat, wird mit der Berufung nicht angegriffen.
24b.)
25Das Amtsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte gemäß § 812 Abs.1 1. Alt. BGB zur Herausgabe des unberechtigt empfangenen Entgeltes in Höhe von 2.673,30 EUR verpflichtet ist. In der Sache erfolgte die Zahlung von Zahnarzthonorar seitens der Versicherten der Klägerin an die Beklagte insoweit ohne Rechtsgrund.
26Das Amtsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass durch die Berechnung der Ziffer 2197 GOZ neben den Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ gegen § 4 Abs. 2 GOZ verstoßen wurde, da die Leistung, die mit der Ziffer 2197 GOZ abgegolten werden soll, bereits in den anderen Ziffern enthalten ist, sodass eine Doppeltberechnung vorliegt. Die Feststellung des Amtsgerichts, dass eine gesonderte Abrechnung der Ziffer 2197 GOZ neben den Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 nicht möglich ist, da es sich bei der adhäsiven Befestigung um eine zahnärztliche Leistung handelt, die schon von den Ziffer 2060, 2080, 2100 und 2120 erschöpfend erfasst wird, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
27Grundsätzlich kommen alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen als selbstständige ärztliche Leistungen in Betracht (vgl. BGH Urteil v. 21.01.2010 - III ZR 147/09). Welche Leistungen von einer konkreten Leistungsumschreibung erfasst sind und wie sich diese zu anderen etwaig berechenbaren Leistungen verhält, ist durch Auslegung der Gebührenordnung für Zahnärzte nebst Anlage anhand der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln (BGH a.a.O.). Die für die vorliegenden Abrechnungen maßgebliche Gebührenordnung für Zahnärzte trat zum 01.01.2012 mit dem Ziel einer Neubeschreibung der Zahnheilkunde (BT Drucks. 566/11 S. 1) in Kraft. Zwar soll die GOZ den Stand der zahnmedizinischen Entwicklung widerspiegeln, aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts kann sie diesem Anspruch aber höchstens zum Zeitpunkt ihres Erscheinens gerecht werden. Sie darf daher in ihrem Stand nicht eingefroren werden. Zwar müssen sich die Abrechnungen weiterhin im Rahmen der von der GOZ gesetzten Grenzen bewegen, allerdings muss eine Flexibilität möglich sein, die es erlaubt, technische Neuerungen Berücksichtigung finden zu lassen. Die Tatsache allein, dass wissenschaftliche Änderungen oder Neuerungen auftreten, ändert jedoch an der Anwendbarkeit und der Lesart der Gebührenordnung grundsätzlich nichts. Nach dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung der Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 umfassen diese Füllungen „in Adhäsivtechnik“. Der Begriff Adhäsivtechnik wird dabei als Oberbegriff für die Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik und die Schmelz-Adhäsivtechnik verwendet (BR-Drs. 566/11 S. 54.). Im Grundsatz ist unter der Adhäsivtechnik der Vorgang zu verstehen, bei dem eine Füllung angefertigt und dabei auf einem vorbereiteten (kondtionierten) Substrat (Zahn) angebracht wird, wobei das Füllungsmedium und ein Adhäsiv als Verankerungsmedium genutzt werden. Es handelt sich also um Verankerungsmöglichkeiten von Kunststoff zum Zahn, bei denen der Zahn dergestalt vorbehandelt (konditioniert) wird, dass eine mechanische, mikroretentive oder auch chemische Verankerung an der Zahnsubstanz ermöglicht wird.
28Ziffer 2197 GOZ umfasst dem Leistungstext nach die adhäsive Befestigung eines Therapiegeräts bzw. Werkstücks, das seinerseits mit einem Klammerzusatz („plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.“) umschrieben wird.
29Letztlich scheidet die Abrechenbarkeit der Ziffer 2197 GOZ neben den Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 nach den Feststellungen des Amtsgerichts bereits deshalb aus, weil der Inhalt der dort beschriebenen Leistungen so zu verstehen ist, dass die Anwendung der Adhäsivtechnik bereits eine unselbstständige Teilleistung der in den Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 beschriebenen Leistungen ist. Unabhängig von der Reichweite der Regelung in § 4 Abs. 2 GOZ ist es eine abrechnungsrechtliche Selbstverständlichkeit, dass eine Leistung, die bereits auf normativer Ebene im Sinne einer unselbstständigen Teilleistung als Inhalt einer anderen Leistung bezeichnet ist, nicht ein zweites Mal berechnet werden darf. Da der Verordnungsgeber unmittelbar deutlich gemacht hat, dass mit der Füllungstherapie nach Maßgabe der Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 nur eine solche in Adhäsivtechnik gemeint ist, kommt der Ansatz einer weiteren Gebühr, die insoweit dasselbe umfasst, von vorneherein nicht in Betracht. Es handelte sich dann bereits mit Blick auf die Leistungsbeschreibung um eine Doppelleistung wegen einer insoweit vollständigen Identität des Leistungstatbestandes.
30Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Amtsgericht nachvollziehbar und zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass unter dem Begriff Adhäsivtechnik „Konditionieren“ nicht nur der erste Schritt zur Vorbereitung der Adhäsionsmaßnahme, d.h. die Vorbereitung der Oberfläche (Schmelz/Dentin) zu fassen ist, sondern auch die weiteren Schritte des „Primens“, d.h. des Vorbereitens der Dentinoberfläche mit einem Primer, und des „Bondens“, d.h. die Apllikation des Adhäsivs. Der Sachverständige Dr. C2 hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung anschaulich und nachvollziehbar den Prozess der Befestigung einer Kunststofffüllung beschrieben und die erforderlichen drei Schritte als Bestandteil der Adhäsivtechnik bezeichnet. Erst die Ausführung der drei Schritte führt zu einer fachgerechten Füllung in Adhäsivtechnik. Soweit in dem Klammerzusatz der Leistungsbeschreibung lediglich der Begriff des Konditionierens ausdrücklich aufgeführt ist, hält es die Kammer vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen für fernliegend, dass der Verordnungsgeber in Anbetracht des wissenschaftlichen Fortschritts damit zum Ausdruck bringen wollte, dass lediglich die vorbereitende Adhäsionsmaßnahme (das Ätzen) Bestandteil der Gebührenziffern Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 seien soll. Dr. C2 hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.07.2019 herausgestellt, dass dem Konditionieren einer Zahnoberfläche in Hinsicht auf eine lege artis verankerte Kompositfüllung die weiteren Behandlungsschritte des Primen und Bonden als integrale Bestandteil der Adhäsivtechnik in der Regel zu folgen haben. Dabei konnten die in den Gebührenziffern beschriebenen Zielleistungen im Jahr 2014 ohne die beschriebenen Arbeitsschritte nicht entsprechend dem zahnärztlichen Behandlungsstandard erreicht werden. Im Termin zur Beweisaufnahme am 11.09.2020 hat der Sachverständige herausgestellt, dass bei Abrechnung reiner Füllungspositionen nach den Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ immer auch die Adhäsivtechnik in beschriebener Ausführung enthalten ist. Soweit die Beklagte auf eine heute gängige Unterscheidung zwischen multiadhäsiv, volladhäsiv, selbstadhäsiv und semiadhäsiv verweist, zeigt sie nur verschiedene Unterarten der Adhäsivtechnik auf. Der Sachverständige hat insoweit klargestellt, dass die Adhäsivtechnik trotz technischer Änderungen und neu entwickelter Methoden weiterhin durch die Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ abgebildet wird. Ob die Erbringung der Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ – wie von der Beklagten mit der Berufung eingewandt – zwingend alle methodischen Einzelschritte einer adhäsiven Befestigung nach Ziffer 2197 GOZ erfordert, wurde so weder vom Amtsgericht festgestellt noch ergibt sich dies aus den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. C2. Vielmehr kommt es auf diese Überlegung auch nicht entscheidend an, da im Hinblick auf die Adhäsivtechnik eine vollständige Identität des Leistungstatbestandes besteht und nach den Feststellungen des Sachverständigen die Leistungsbeschreibung der Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ sowohl die Durchführung aller Einzelschritte der Adhäsivtechnik, als auch die Kombination von Arbeitsschritten oder auch nur das Konditionieren im Sinne der Vorbereitung erfasst.
31Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass mit der Gebührenziffer 2197 GOZ die Fälle erfasst werden, in denen eine indirekte Versorgung mittels Adhäsivtechnik eingegliedert wird.
32Entgegen der Auffassung der Beklagten entspricht es auch nicht dem Sinn und Zweck der im Jahr 2011 eingeführten Ziffer 2197 GOZ, sie neben den Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 für berechnungsfähig zu halten. Insoweit ist zwar – wie die Beklagte zutreffend ausführt - zu berücksichtigten, dass die Ziffer 2197 GOZ nach dem Willen des Verordnungsgebers den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung abgelten soll (BR-Drs. 566/11, 54). Sie beinhaltet ihrer Struktur nach zunächst keine Vergütung für ein bestimmtes Behandlungsziel oder eine Behandlungsmethode, sondern allenfalls einen Teilaspekt davon, nämlich die Verwendung einer bestimmten Befestigungstechnik. Der Mehraufwand, der dem Verordnungsgeber erkennbar insoweit vor Augen stand, ist der Mehraufwand, der bei der Erbringung der (anderen) zahnärztlichen Leistung in Bezug auf die Befestigung mit Adhäsivtechnik im Vergleich zu einer alternativen Leistung, nämlich einer Erbringung ohne Befestigung in Adhäsivtechnik entsteht. Er differenziert dabei auch nicht zwischen der Dentin-Adhäsivtechnik einerseits und der Schmelz-Adhäsivtechnik andererseits (vgl. BR-Drs. 566/11, 54). Die adhäsive Befestigung, die Gegenstand der Ziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ ist, schlägt sich entsprechend in der Bewertung der Gebührenziffern nieder. Die Ziffern 2060, 2080, 2100, 2120 sollen gerade im Vergleich zu den Ziffern 2050, 2070, 2090 und 2110 (Füllungen ohne Verwendung von Kompositmaterial in Adhäsivtechnik) die adhäsive Befestigung abgelten, was mit einer doppelt so hohen Punktzahl gewährleistet wurde.
33Auch der Einwand der Beklagten, es sei ein Obergutachten einzuholen, verfängt nicht. Das Amtsgericht hat insbesondere nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen. Die Frage, ob die Gebührenziffer 2197 neben den Gebührenziffern 2060, 2080, 2100, 2120 abgerechnet werden kann, ist eine Rechtsfrage, die der Begutachtung durch einen Sachverständigen entzogen ist und vielmehr durch das angerufene Gericht zu klären ist. Soweit erforderlich hat sich das Amtsgericht hinsichtlich der fachlichen Einordung und Darlegung der Behandlungsabläufe mithilfe des bestellten Sachverständigen hinreichend sachkundig gemacht.
34c.)
35Die Beklagte kann sich wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat auch nicht auf § 814 BGB berufen, da die bei der Klägerin versicherten von der fehlenden Berechtigung die Ziffer 2197 GOZ zusätzlich abzurechnen, keine Kenntnis hatten. Die Anwendung des § 814 BGB setzt voraus, dass der Leistende im Zeitpunkt der Leistung davon Kenntnis hatte, dass er nicht zur Leistung verpflichtet war. Die Leistung an den Zahnarzt erfolgte nach Abrechnung seitens der Beklagten unstreitig durch die Versicherten. Es ist damit auf im Rahmen des § 814 BGB auf die Kenntnis des Versicherten abzustellen und nicht auf die der Versicherung, die erst im Wege der §§ 194 Abs. 2, 86 VVG Inhaber der etwaiger Ansprüche wird. Dafür, dass die Versicherungsnehmer der Klägerin vorliegend in Kenntnis der fehlenden Berechtigung der Ziffer 2197 GOZ ihre Rechnungen bezahlten, bestehen keine Anhaltspunkte.
363.
37Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
38Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
39Streitwert: 2.673,30 EUR
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