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Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.04.2021 - Az. 95 XVII 345/20 E - wird zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 24.03.2021 wurde für die Betroffene eine Betreuung für die Aufgabenkreise Widerruf erteilter Vollmachten, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten eingerichtet und zugleich die Betreuungsstelle D. zum Betreuer bestellt. Das Gericht hat weiter bestimmt, dass die Betroffene zur Wirksamkeit von Willenserklärungen im Bereich der Vermögensangelegenheiten der Einwilligung des Betreuers bedarf (Einwilligungsvorbehalt).
4Gegen diesen Beschluss hat Herr Rechtsanwalt E. als Verfahrensbevollmächtigter der Betroffenen mit Schreiben vom 12.04.2021 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 13.07.2021 nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Das Verfahren ist unter dem Az. 25 T 280/21 anhängig.
5Durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.04.2021 wurde auf Antrag des Betreuers vom 19.03.2021 für die Betroffene die geschlossene Unterbringung in dem Krankenhaus F. oder in einer anderen geschlossenen Einrichtung bis zum 01.04.2023 angeordnet.
6Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen mit Schreiben vom 12.04.2021 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 21.04.2021 nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (Az. 25 T 185/21).
7Am 26.07.2021 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Sohns der Betroffenen, G. , für diesen einen Antrag auf Beteiligung an dem Beschwerdeverfahren betreffend die Unterbringung und die Betreuungseinrichtung gestellt. Mit Beschluss der Kammer vom 27.10.2021 wurde der Antrag des Sohns der Betroffenen auf Beteiligung am Verfahren abgelehnt (Az. 25 T 185/21).
8II.
9Die zulässige Beschwerde (§§ 58, 59, 63, 64 FamFG) hat in der Sache keinen Erfolg.
10Die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach §§ 312 Nr. 1, 323 FamFG und § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen vor.
111.
12Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil zur Abwendung eines drohenden erheblichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
13Nach dem Gutachten des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie H. vom 05.02.2021 leidet die Betroffene seit vielen Jahren unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit schwergradigen Episoden sowie einer leicht- bis mittelgradig ausgeprägten Demenz vom Mischtyp, mit vaskulären Anteilen sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch vorliegender hirnorganischer Schädigung durch die aus der Vorgeschichte bekannte Polytoxikomanie. Die zusätzlich bestehende Mischdemenz wird deutlich verkompliziert durch eine hirnorganisch induzierte wahnhafte Störung sowie eine organische Halluzinose.
14Die Betroffene war in der Vergangenheit nur begrenzt dazu in der Lage, ihr Leben eigenständig zu führen. Sie zeigt sich seit langem nicht krankheitseinsichtig, ist nur begrenzt willens, sich einer notwendigen Behandlung zu unterziehen.
15Auch war die Betroffene des Öfteren stationär - u.a. wegen einer Störung durch multiplen Substanzgebrauch - untergebracht. Währenddessen traten der Sohn der Betroffenen, G. , sowie dessen Lebensgefährtin, Frau I. , gegenüber medizinischem Personal, Ärzten sowie Sozialarbeitern stets beleidigend und fordernd auf, wobei sie zum Ausdruck brachten, dass die Betroffene insbesondere nicht suchtmittelabhängig sei.
16Die Leistungen des ambulanten Pflegedienstes der Betroffenen wurden im September 2020 eingestellt, da offene Forderungen in Höhe von 12.110,83 € von der Betroffenen nicht bezahlt wurden (vgl. Schreiben vom 20.01.2021, Bl. 102 ff. GA).
17Insgesamt hat die Betroffene keinen Überblick über ihre finanzielle Situation und hat derzeit Schulden in fünfstelliger Höhe.
18Die für die Betroffene notwendige Unterstützung sowohl in finanzieller Hinsicht als auch insbesondere die allgemeine Versorgung der Betroffenen betreffend wurden ihr - trotz Bevollmächtigung des Sohns - bislang von diesem vorenthalten.
19Abgesehen davon kam es im Oktober 2020 zu diversen Polizeieinsätzen, ausgelöst von der Betroffenen, wobei diese angab, dass sie sich von ihrem Sohn bedroht fühle und Angst vor ihm habe.
20Im Vorfeld der gerichtlichen Anordnung der langfristigen Unterbringung zeigte sich die Betroffene ausweislich des Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie H. vom 05.02.2021 insbesondere aufgrund ihres Krankheitsbildes massiv kognitiv sowie mnestisch in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, wies formale sowie inhaltliche Denkstörungen mit dominierendem Bedrohungserleben auf, litt unter wahnhafter Realitätsverkennung, psychotisch induzierten Ängsten, akustischen Halluzinationen und einer aus der affektiven Störung resultierenden massiven Antriebslosigkeit, die nach den fachärztlichen Ausführungen im Rahmen des Gutachtens vom 05.02.2021 zu der Unfähigkeit der Betroffenen geführt haben sollen, alltägliche Angelegenheiten zu regeln sowie die eigene Zukunftsplanung und die materielle Existenzgrundlage aufrecht zu erhalten. Die Beeinträchtigungen durch die psychischen Erkrankungen der Betroffenen waren so schwer, dass die Alltagsbewältigung in allen relevanten Bereichen selbständig nicht mehr möglich gewesen ist.
21Bei vollständiger Krankheitsuneinsichtigkeit und kaum vorhandener Behandlungseinsichtigkeit ist eine Versorgung der Betroffenen, die aufgrund des zum Untersuchungszeitpunkt vorliegenden umfassenden Krankheitsbildes als hilflose Person einzustufen ist, außerhalb der geschlossenen Station nicht sichergestellt.
22Insoweit hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, dass aufgrund des aus der Vorgeschichte ersichtlichen negativen Einflusses des Sohnes der Betroffenen, Herrn G. , sowie dessen Lebensgefährtin, Frau I. , mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nach einer Entlassung in den häuslichen Bereich davon auszugehen sei, dass jene erneut der Betroffenen die notwendigen Unterstützungen vorenthalten würden. Angesichts des bisherigen Verlaufs seien die Sicherung der materiellen Existenzgrundlagen und eine adäquate medizinische Versorgung zur Vermeidung etwaiger Komplikationen aus gutachterlicher Sicht daher nur im Rahmen einer poststationären Heimunterbringung möglich. Da die Betroffene aber auf freiwilliger Basis nicht bereit sei, in ein offen geführtes Pflegeheim zu ziehen und dort – aufgrund ihrer Mobilität – von einer unmittelbaren Fluchtgefahr auszugehen sei, bestehe die dringende Notwendigkeit der Unterstützung dieser Maßnahme durch richterliche Anordnung einer langfristigen, geschlossen-stationären Unterbringung in einem geschlossenen Pflegeheimbereich für einen Zeitraum von längstens 2 Jahren.
23Während des stationären Aufenthaltes konnte eine ausreichende Stabilisierung noch nicht erreicht werden.
24Im Rahmen der Anhörung durch die Kammer am 26.10.2021 wurde deutlich, dass die Betroffene zu dem Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts keine Angaben machen konnte. Sie gab an nur noch zu wissen, dass sie im Krankenhaus F. gewesen sei und sodann in der Psychiatrie. Es sei dann ein Taxi gekommen und habe sie in die hiesige Einrichtung gebracht. Damals habe sie noch in der Situation gedacht, es gehe jetzt nach Hause. Insgesamt sei ihr nicht bekannt, dass ein Beschluss des Amtsgerichts vorliege. Auch auf weiteres Befragen war es der Kammer nicht möglich, eine eindeutige Stellungnahme der Betroffenen dazu zu erlangen, ob sie gegen den Unterbringungsbeschluss unter Zuhilfenahme eines Verfahrensbevollmächtigten, vorgehen möchte. Aus Sicht der Kammer war insoweit zu erkennen, dass die Betroffene mit der Fragestellung insoweit überfordert gewesen ist.
25In Übereinstimmung mit den fachärztlichen Ausführungen im Rahmen des Gutachtens vom 05.02.2021, den Angaben der Leiterin der Einrichtung J., im Rahmen der Anhörung durch die Kammer am 26.10.2021 sowie der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 29.03.2021 hält die Kammer eine geschlossene Unterbringung zum Wohle der Betroffenen - insbesondere zur Abwendung eines erheblichen gesundheitlichen Schadens sowie Sicherung der materiellen Existenzgrundlage - derzeit weiterhin für erforderlich. In einer längerfristigen geschlossenen stationären Behandlung wird derzeit die einzige Möglichkeit gesehen, die Existenzgrundlage der Betroffenen insgesamt zu sichern sowie eine kontinuierliche Therapie zu gewährleisten und damit eine deutliche Besserung des psychischen und physischen Gesundheitszustands zu erreichen.
26Demgegenüber wird eine Unterbringung der Betroffenen auf einer offenen Station nicht als ausreichend erachtet. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Betroffene in den Abend- und Nachtstunden abgängig wird und sodann im Freien herumirrt. Zwar gab die Betroffene im Rahmen der Anhörung am 26.10.2021 gegenüber der Kammer zu erkennen, dass sie grundsätzlich mit der Wohnsituation im Heim einverstanden ist, erklärte aber zugleich, gerne die Station wechseln und sodann am liebsten wieder in D. wohnen zu wollen. Auch wurde im Rahmen der Anhörung der Betroffenen das schwierige Verhältnis zu ihrem Sohn deutlich und dass diese seit längerem keinen Kontakt zu ihm habe, sich aber dennoch frage, wie es ihm gehe. Insbesondere die fehlenden Möglichkeiten der Betroffenen zur Kontaktaufnahme (keine Telefonnummer oder Wohnanschrift des Sohns vorhanden) lassen befürchten, dass die Betroffene möglicherweise zu ihrer alten Wohnanschrift - als einzigen Anhaltspunkt für die Suche nach ihrem Sohn - zurückkehren könnte.
27Die Betroffene hat auch im Rahmen ihrer Beschwerdeschrift keine Angaben zu einer etwaigen Zustandsverbesserung gemacht, sondern lediglich den medizinischen Einschätzungen der behandelnden Ärzte sowie der geschlossenen Unterbringung pauschal widersprochen.
28Dass die geschlossene Unterbringung eine negative Veränderung der Lebenssituation der Betroffenen und Gefahr für ihr Leib und Leben darstelle, wird bereits durch den von der Betroffenen durch die Kammer gewonnen persönlichen Eindruck widerlegt. So brachte diese im Rahmen der Anhörung vom 26.10.2021 grundsätzlich zum Ausdruck mit ihrer Wohnsituation im Heim einverstanden zu sein und lediglich den Wunsch zu haben, auf eine andere Station zu gelangen.
29Auch der Einwand der Betroffenen, dass ihrer derzeitigen Unterbringung das Votum und die medizinische Einschätzung der sie behandelnden Ärzte im Krankenhaus F. entgegenstünden, verfängt nicht. Bereits aus der Zusammenfassung der fremdanamnestischen Angaben im Rahmen des Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie H. vom 05.02.2021, ergibt sich, dass der psychopathologische und körperliche Zustand der Betroffenen in dem Krankenhaus F. im Wesentlichen dem von dem Sachverständigen beschriebenen Zustand entsprochen hat. (vgl. Bl. 15 ff. des fachärztlichen Gutachtens; Bl. 160 ff. GA).
30Die Kammer hat davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da solches zeitnah durch das Amtsgericht Düsseldorf erfolgt ist und von der erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 FamFG).
31Rechtsmittelbelehrung:
32Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der Zustellung des Beschlusses bei dem Bundesgerichtshof durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet und die Erklärung, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
33Dr. A. |
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