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Die einstweilige Verfügung vom 29.05.2020 wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Basis.
3Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört.
4Zu den Mitgliedern des Antragstellers gehören unter anderem Unternehmen der Heilmittelbranche in den Bereichen Medizinprodukten, Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln und Unternehmen von Naturheilmitteln sowie Apotheken, Ärztekammern und Apothekervereine.
5Die Antragsgegnerin bietet Heilbehandlungen auf esoterischem Weg im Internet über die Webseite www.b.de. Für ihre Dienstleistungen rechnet sie ausweislich dieser Seite 80,00 EUR für eine Sitzung mit einer Dauer von regelmäßig 40 Minuten ab. Mit den angebotenen Dienstleistungen kann sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten, sondern ist von staatlichen Leistungen abhängig.
6Unter der URL www.b.html war am 06.05.2020 folgender Text abrufbar:
7„Ich verbinde mich mit der geistigen Welt, mit meinem Geistführer und der geistigen Ärzten. […] Es ist immer die geistige Welt, die heilt.
8Eine Sitzung kann sich bei allen körperlichen aber auch besonders bei psychischen oder emotionalen Beschwerden und Blockaden lohnen.
9[…]
10Symptome können sich auch im Sinne einer leichten Erstverschlimmerung etwas verstärken, um danach ganz abzuklingen. Manchmal braucht der Körper auch selbst etwas länger und Linderung kann sich dann erst 2, 3 oder 5 Tage nach einer Sitzung einstellen. Das geistige Heilen geht eben Wege, die wir Menschen nicht immer direkt verstehen und nachvollziehen können.“
11Es folgt der im Antrag wiedergegebene Text.
12In ihrem Impressum erklärt die Antragsgegnerin Folgendes:
13„Ich erstelle keine Diagnosen. Geistheilung aktiviert lediglich Ihre Selbstheilungskräfte. Aber kein Geistheiler kann Ihren Arzt oder Heilpraktiker ersetzen, eine unterstützend Zusammenarbeit mit diesen wäre wünschenswert.
14Durch die Energieübertragung können Medikamente intensiver wirken und die Einnahmezeiten sich verkürzen.
15Jeder Klient erkennt an, vollständig für sich selbst verantwortlich zu seinund entsprechend zu handeln.
16Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe, es ist kein Ersatz für eine medizinische oder psychiatrische Behandlung. Es werden keinerlei Versprechungen gegeben.“
17Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 06.05.2020 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 3.000,00 EUR für jede Zuwiderhandlung auf. Die Antragsgegnerin gab die Unterlassungserklärung ab, änderte das Vertragsstrafeversprechen jedoch auf einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR. Der Antragsteller nahm diese modifizierte Unterlassungserklärung nicht an.
18Mit Schriftsatz vom 27.05.2020 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die am 29.05.2020 mit folgendem Inhalt und unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel erlassen worden ist:
19Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der besonderen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, untersagt,
20im geschäftlichen Verkehr für eine „Fernbehandlung“ und/oder „Fernheilung“ zu werben, insbesondere zu werben:
21„Fernheilung
22Wenn Sie weiter weg wohnen oder nicht in meinen Raum kommen können oder wollen, biete ich für Sie gern Fernübertragungen an“,
23wenn dies geschieht wie im Internet unter www.b.de, abgerufen und ausgedruckt am 04. Mai 2020 – Anlage A3“
24Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 24.06.2020 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.
25Der Antragsteller beantragt,
26die einstweilige Verfügung vom 29. Mai 2020 zu bestätigen.
27Die Antragsgegnerin beantragt,
28die einstweilige Verfügung der Kammer vom 29. Mai 2020 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
29Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, zwischen den Mitgliedern des Antragstellers und der Antragsgegnerin bestehe kein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Der Antragsteller sei daher nicht aktiv legitimiert.
30Die beanstandete Äußerung sei unter Berücksichtigung des § 9 S. 2 HWG nicht zu beanstanden.
31Die Antragsgegnerin habe durch Abgabe der Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr ausgeräumt. Die Anpassung der Vertragsstrafe auf 1.000,00 EUR entspreche ihren wirtschaftlichen Verhältnissen.
32Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2020 die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gerügt. Der Antragstellervertreter hat innerhalb einer durch die Kammer gesetzten Frist eine unterzeichnete Originalvollmacht vorgelegt.
33Entscheidungsgründe:
34Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen. Zugunsten des Antragstellers sind ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund feststellbar.
35Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Antragstellervertreters bestehen nach Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht.
36I.
37Der Antragsteller hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus den §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. mit § 9 HWG.
381.
39Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
40Die Klagebefugnis eines Verbands nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG setzt voraus, dass dieser die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmern wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich der Anspruch richtet. Der Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest angrenzenden Branchen begründet. Dabei ist auf Seiten des in Anspruch Genommenen auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbshandlung zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 27/14 –, juris - Bohnengewächsextrakt).
41Der Antragsteller hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass zahlreiche seiner Mitglieder im Bereich des Arzneimittelvertriebes und im medizinischen Bereich tätig sind. Diese Leistungen grenzen an das Angebot der Antragsgegnerin jedenfalls an, was bereits aus dem Umstand hervorgeht, dass die Antragsgegnerin ausdrücklich die Behauptung aufstellt, ihre Behandlungen könnten Einnahmezeiten von Medikamenten verkürzen. Soweit die Antragsgegnerin einwendet, keines der Mitglieder des Antragstellers biete ebenfalls spirituelle Heilmethoden an, kann sie damit nicht gehört werden, denn ein so enges Verständnis von dem Begriff des Wettbewerbsverhältnisses wird von der Rechtsprechung, einschließlich der Kammer, nicht angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1998 – I ZR 173/95 –, juris – Neurotrat forte).
422.
43Die Werbung der Antragsgegnerin verstößt gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG in Form des § 9 HWG.
44Die Vorschriften des HWG sind auf die vorliegende Werbung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG anwendbar, da es sich um Werbeaussagen für eine Behandlung handelt, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier beziehen.
45Es ist dabei unerheblich, ob sich die Tätigkeit der Antragsgegnerin außerhalb der Grenzen traditioneller Medizin bewegt. Die Regelungen des HWG gelten auch hinsichtlich der werbenden Tätigkeit von "Geistheilern".
46Bei der vom Gesetzgeber verfolgten Schutzrichtung ist eine Differenzierung danach, ob die auf Heilung zielende Behandlung auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, traditionsgeleiteter Erfahrung oder behaupteter spiritueller Begabung des Heilenden beruht, nicht angezeigt. Anlass der gesetzlichen Regelung ist nämlich nicht die Sicherstellung der Befähigung und der fachlichen wie charakterlichen Geeignetheit des Heilenden, sondern die besondere Schutzbedürftigkeit erkrankter oder älterer Menschen vor unangemessen beeinflussender Werbung. Insbesondere der Schutz vor wirtschaftlicher Übervorteilung privater Verbraucher ist nicht etwa deswegen weniger einschlägig oder weniger dringend, weil der "Heiler" jenseits der Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Überprüfbarkeit arbeitet. Anders als bei Prüfung der Erforderlichkeit einer besonderen Zulassung zu "geistigem Heilen" zielt das Heilmittelwerbegesetz auf die besondere Schutzbedürftigkeit Kranker angesichts grob unsachlicher oder besonders suggestiver Werbemaßnahmen ab (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. März 2007 – 1 BvR 1226/06 –, juris).
47Die beanstandeten Äußerungen verstoßen auch gegen § 9 HWG. Danach ist unzulässig eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht, es sei denn, sie erfolgt unter Verwendung von Kommunikationsmedien, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.
48Die Ausnahme des § 9 S. 2 HWG ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn dieser stellt auf fachliche Standards ab, zu denen die Antragsgegnerin nicht in erheblicher Weise vorträgt. In der Gesetzesbegründung heißt es diesbezüglich:
49„Es dürfen dabei nur solche Fernbehandlungen bei Menschen beworben werden, bei denen die Einhaltung anerkannter fachlicher Standards gesichert ist. Dies ist dann der Fall, wenn nach dem anerkannten medizinischen Stand der Erkenntnisse eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist.“ (BT-Drs. 19/13438, S. 78)
50Es ist bereits fraglich, ob im Rahmen der von der Antragsgegnerin angebotenen Behandlung ein medizinischer Stand der Erkenntnisse vorhanden ist oder ob das Anbieten der Leistung in der vorliegenden Form überhaupt zulässig ist, sei es in Person oder im Wege der Fernbehandlung. Der Antragsteller hat jedoch in seiner Antragsbegründung ausdrücklich auf den Aspekt der Fernbehandlung abgestellt, so dass ein Abstellen auf die generelle Unzulässigkeit der Behandlungen der Antragsgegnerin, anders als es der Antragsteller in dem Schriftsatz vom 13.08.2020 andeutet, eine Klageänderung mit sich bringen würde und auch mit den Anträgen nicht übereinstimmt.
51Jedenfalls ist daher festzustellen, dass es seitens der Antragsgegnerin an der Darlegung anerkannter fachlicher Standards für ihren Behandlungsbereich fehlt, die auf die Entbehrlichkeit der persönlichen Behandlung hindeuten.
523.
53Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die Rechtsverletzung indiziert. Die Antragsgegnerin hat sie durch Abgabe einer modifizieren Unterlassungserklärung nicht ausgeräumt, denn damit hat sie die mangelnde Ernsthaftigkeit der Erklärung zu erkennen gegeben.
54Erklärt der Verletzer gegenüber dem Verletzten uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich und unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, weitere Verletzungshandlungen zu unterlassen, so ist die Vermutung der Wiederholungsgefahr widerlegt, vorausgesetzt, dass an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung kein Zweifel besteht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 38. Aufl. 2020, UWG § 12 Rn. 1.138). Das Vertragsstrafeversprechen muss einen drohenden Nachteil für den Fall einer Zuwiderhandlung darstellen, der so schwer wiegt, dass er den Schuldner vernünftigerweise von Wiederholungen abhält (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 38. Aufl. 2020, UWG § 12 Rn. 1.139). Welcher Betrag angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, grundsätzlich vor allem von der Art, der Schwere und dem Ausmaß des Verstoßes, vom Verschulden des Verletzers und von der Gefährlichkeit des Verstoßes für den Gläubiger, wobei das letztgenannte Kriterium in Streitigkeiten, an denen ein Verband beteiligt ist, nicht berücksichtigt werden kann (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, 4. Aufl. 2016, UWG § 12 Rn. 199). Während auch die wirtschaftliche Bedeutung des Verletzers bei der Beurteilung von Bedeutung sein kann (vgl. Brünung a.a.O.), lässt dies das von der Antragsgegnerin modifizierte Vertragsstrafeversprechen nicht als angemessen erscheinen.
55Die von dem Antragsteller vorgeschlagene Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR ist gegenüber einem wirtschaftlich schwachen Verletzer bereits maßvoll bemessen. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, dass jedwede Kosten aus der Durchsetzung einer Unterlassungsvereinbarung ohnehin nicht pfändbar sein werden, stellt sich die Frage, weshalb eine Modifikation des Versprechens überhaupt von ihr vorgenommen wurde. Der Hinweis ist im Übrigen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit des Versprechens zu belegen.
56Der modifizierte Betrag trägt im Übrigen nicht hinreichend dem Umstand Rechnung, dass Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz unter Berücksichtigung der hohen Schutzgüter dieses Gesetzes regelmäßig eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung darstellen. Es handelt sich bei dem Verstoß der Antragsgegnerin nicht um einen einfach gelagerten Verstoß, der die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt, bei dem gegebenenfalls auch nach dem nunmehr geäußerten Willen des Gesetzgebers ein Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 1.000,00 EUR hinreichend wäre (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucksache 19/12084, S.10). Unzulässige Werbeaussagen, die sich auf gesundheitliche Sachverhalte beziehen, beeinflussen regelmäßig besonders anfällige und schützenswerte Verbraucherkreise, so dass es sich verbietet, derartige Verstöße zu bagatellisieren.
57Hätte die Antragsgegnerin zudem die Ernsthaftigkeit ihres Unterlassungsversprechens zeigen wollen, ohne sich zu einer – ihres Erachtens überhöhten und wirtschaftlich untragbaren – Vertragsstrafe zu verpflichten, hätte es ihr freigestanden, die Erklärung nach Maßgabe der neuen Hamburger Formel abzugeben.
58II.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
60Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.