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Es wird festgestellt, dass das Vertragsverhältnis der Parteien in Gestalt des Energielieferungsvertrages mit der Vertragsnummer 02 08 75 76 durch die außerordentliche Kündigung des Klägers vom 18. März 2016 beendet wurde.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten von 492,52 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. September 2016 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger, der bei der Beklagten elektrische Energie (Strom) außerhalb der Grundversorgung bezog, nimmt die Beklagte auf Feststellung der Wirksamkeit einer von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung und Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.
3Die Beklagte betreibt ein bundesweit agierendes Energielieferungsunternehmen. Sie ist als sogenannter virtueller Energielieferant tätig, kauft also Energie am Markt ein und speist diese dann in die Netze der Verteilernetzbetreiber (VNB) ein. Sie vertreibt ihre Produkte u.a. unter den Marken „Priostrom“ und „Priogas“.
4Der Kläger schloss am 13. Februar 2014 mit der Beklagten einen Vertrag über den Bezug von „A“. Als Arbeitspreis vereinbarten die Parteien 0,2779 EUR/kWh. In den Vertrag wurden die als Bestandteil der Anlage K1 in Kopie vorgelegten AGB einbezogen, nach denen die Beklagte Vertragspartnerin des Klägers geworden ist (Nr. 1.1) und in denen es unter Gliederungsnummer 1.9 heißt:
5„Der Kunde ist damit einverstanden, über seine dem Lieferanten zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse rechtserhebliche Erklärungen zur Durchführung, Änderung oder Beendigung des Lieferverhältnisses (z.B. Mitteilungen über den Vertrags- oder Lieferbeginn, etwaige Preis- oder Vertragsanpassungen, etc.) von dem Lieferanten zu erhalten.“
6Die Regelungen in 6.17 der von der Beklagten gestellten AGB sehen ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten vor. Darüber hinaus heißt es dort am Ende unter anderem:
7„Preisanpassung werden nur wirksam, wenn der Lieferant dem Kunden die Änderungen spätestens 2 Monate vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilt. Der Lieferant wird den Kunden in gesonderter Mitteilung zur Preisanpassung auf sein Sonderkündigungsrecht hinweisen.“
8Am 26. November 2015 übersandte die Beklagte dem Kläger eine E-Mail, in deren Fließtext sie ihn auf eine Erhöhung des Arbeitspreises auf 32,79 ct/kWh ab dem 1. Februar 2016 hinwies. Die E-Mail wird nachfolgend als auszugsweise Wiedergabe der Anlage K2 eingeblendet:
9xxxxxxx
10Mit per Post übersandter Rechnung vom 8. März 2016 berechnete die Beklagte dem Kläger den Arbeitspreis von 0,3279 EUR/kWh. Mit E-Mail vom 18. März 2016 kündigte der Kläger daraufhin den in Rede stehenden Vertrag außerordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgrund der Tariferhöhung (vergleiche Anlage K3). Mit E-Mail vom 25.3.2016 widersprach die Beklagte der außerordentlichen Kündigung, weil diese nicht bis zum 30. Januar 2016 ausgesprochen worden sei. Sie teilte dem Kläger mit, seine Kündigung sei zum 31. Januar 2017 vorgemerkt (vergleiche Anlage K4). Der Kläger ließ die Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten vorprozessual vergeblich auffordern, seine fristlose Kündigung anzuerkennen.
11Der Versuch des Klägers, Anfang Juli 2016 einen neuen Energielieferungsvertrag mit einem an anderen Anbieter abzuschließen verlief erfolglos, weil dieser den Vertragsschluss unter Hinweis auf den mit der Beklagten bis zum 31. Januar 2017 bestehenden Vertrag ablehnte.
12Der Kläger behauptet, er habe die im Fließtext der vorstehend wiedergegebenen E-Mail enthaltene Ankündigung der Erhöhung des Arbeitspreises „überlesen“.
13Der Kläger hat beantragt,
141.
15festzustellen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien in Gestalt des Energielieferungsvertrages mit der Vertragsnummer 02 08 75 76 nach der außerordentlichen Kündigung des Klägers vom 18. März 2016 beendet ist;
162.
17die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten von 492,52 € inklusive Umsatzsteuer zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie rügt die Unzuständigkeit des Landgerichts, weil ein Fall des § 102 EnWG nicht vorliege und meint, unabhängig davon sei die Kammer für Handelssachen zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen.
21Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass – wenn die Rechtsauffassung des Klägers als zutreffend unterstellt werde – die Preiserhöhung unwirksam gewesen sei, weil diese dem Kläger nicht in der in Nummer 6.17 der AGB vorgesehenen Textform bis spätestens Ende November 2015 mitgeteilt worden sei. Da eine wirksame Änderung der Vertragsbedingungen nicht vorliege, sei auch die von dem Kläger ausgesprochene Sonderkündigung nicht wirksam. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Entscheidungen verschiedener Amtsgerichte und des Landgerichts Düsseldorf.
22Vergleichbare E-Mails, wie die an den Kläger übersandte waren bereits Gegenstand eines auf den Verstoß gegen Lauterkeitsrecht gestützten Verfahrens gegen die Beklagte.
23Mit Urteil vom 9. Dezember 2015 (12 O 177/14) hat das Landgericht Düsseldorf die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel wie folgt zur Unterlassung verurteilt:
24„1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Bezug auf Gaslieferverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung (Sonderkunden):
25a) bei beabsichtigten Gaspreiserhöhungen, wenn diese in Mitteilungen angekündigt werden, die auch andere Informationen enthalten - wie in der als Anlage K 3 und K 4 ersichtlichen oder in inhaltsgleichen E-Mails -, nicht gleichzeitig deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Gaspreises oder einzelner Gaspreisbestandteile des bestehenden Gasliefervertrags und auf das im Zusammenhang mit der Preisänderung bestehende Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers hinzuweisen
26und/ oder
27b) sich gegenüber Gaskunden auf Preiserhöhungen zu berufen, die in Mitteilungen - in denen auch andere Informationen enthalten sind, wie in den als Anlage K 3 und K 4 ersichtlichen oder inhaltsgleichen E-Mails - angekündigt wurden, ohne dass gleichzeitig deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Gaspreises oder einzelner Gaspreisbestandteile des bestehenden Gasliefervertrags und auf das im Zusammenhang mit der Preisänderung bestehende Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers hingewiesen war.
282. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Bezug auf Stromlieferverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung:
29a) bei beabsichtigten Strompreiserhöhungen, wenn diese in Mitteilungen angekündigt werden, die auch andere Informationen enthalten - wie in der als Anlage K 5 ersichtlichen oder in inhaltsgleichen E-Mails -, nicht gleichzeitig deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Strompreises oder einzelner Strompreisbestandteile des bestehenden Stromliefervertrages und auf das im Zusammenhang mit der Preisänderung bestehende Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers hinzuweisen
30und/ oder
31b) sich gegenüber Stromkunden auf Preiserhöhungen zu berufen, die in Mitteilungen - in denen auch andere Informationen enthalten sind, wie in der als Anlage K 5 ersichtlichen oder inhaltsgleichen E-Mails - angekündigt wurden, ohne dass gleichzeitig deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Stromliefervertrags und auf das im Zusammenhang mit der Preisänderung bestehende Sonderkündigungsrecht des Verbrauches hingewiesen war.“
32Der hiergegen zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegten Berufung ist der Erfolg versagt geblieben (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2017, 111).
33Kurz vor dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2017 auf den 7. April 2017 anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung, hat die Beklagte dem Kläger mit Telefax-Schriftsatz vom 5. April 2017 folgendes Angebot zum Abschluss eines Prozessvergleichs unterbreitet:
341. Die Beklagte erkennt die Klageanträge zu 1. und 2. an.
352. Die Beklagte zahlt dem Kläger 329,02 Euro, welche sich aus der Differenz zwischen dem erhöhten und dem ursprünglich vereinbarten Arbeitspreis ergeben.
363. Damit sind jegliche gegenseitige Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis (A 02087576) abgegolten und erledigt.
374. Die Beklagte übernimmt die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs.
38Dieses Angebot hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. April 2017 angenommen.
39Das Zustandekommen des Vergleichs hat die Kammer mit gesondertem Beschluss vom 10. April 2017 gemäß § 287 Abs. 6 ZPO festgestellt.
40Entscheidungsgründe
41I.
42Das Urteil ergeht auf Grund des von der Beklagten in dem mit dem Kläger geschlossenen Vergleich abgegebenen Anerkenntnisses gemäß § 307 S. 1 ZPO und nicht aufgrund der mündlichen Verhandlung, so dass der anberaumte Verkündungstermin aufzuheben war.
43Durch die Aufnahme in den geschlossenen Vergleich hat die Beklagte das Anerkenntnis (auch) gegenüber dem Gericht erklärt. Die in dem Vergleich enthaltene Ausgleichsklausel steht dem Erlass des Anerkenntnisurteils nicht entgegen, denn das Anerkenntnisurteil tituliert nur die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, die die Beklagte anerkannt hat und geht in der Sache nicht über den Inhalt des Vergleichs hinaus.
44Die Kammer sieht von der uneingeschränkten Anwendung des § 313b Abs. 1 S. 1 ZPO ab. Ob bei dem Erlass eines Anerkenntnisurteils auf die Wiedergabe von Tatbestand und Entscheidungsgründen verzichtet wird, liegt im Ermessen des Gerichts (Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 313b, Rn. 3). Die Beklagte hat ihr Vergleichsangebot ohne vorherige Ankündigung gegenüber der Kammer erst unmittelbar vor dem Verkündungstermin abgegeben, so dass das zu verkündende Urteil bereits vollständig abgefasst vorlag.
45Auch wenn das Urteil aufgrund des Anerkenntnis der Beklagten ergeht und die Kammer daran gebunden ist, sieht sie sich nicht daran gehindert auszusprechen, dass der Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. auch ohne das Anerkenntnis der Beklagten entsprochen worden wäre. Die Kammer beschränkt ihre Ausführungen in teilweiser Anwendung des § 313b Abs. 1 S. 1 ZPO auf Ausführungen zur Begründetheit dieses Klageantrags, der den Kern des Rechtsstreits bildet(e).
46II.
47Der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 1.) war begründet. Denn die von dem Kläger im März 2016 ausgesprochene außerordentliche Kündigung war gem. § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG wirksam.
481. Das Verlangen des erhöhten Arbeitspreises durch die Beklagte stellte eine die Sonderkündigung rechtfertigende einseitige Änderung der Vertragsbedingungen dar.
49Auch eine einseitig vorgenommene Preisänderung stellt nach der Rechtsprechung des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (vgl. Urteil vom 5. Juli 2016 – I-20 U 11/16) und der Kammer (Urteil vom 22. Oktober 2015 – 14d O 4/15) eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen dar.
50Die Wirksamkeit der Kündigung setzt nicht die Wirksamkeit der Preiserhöhung (oder einer sonstigen Änderung der Vertragsbedingungen) voraus.
51Die Regelung des § 41 Abs. 3 EnWG dient jedenfalls auch dem Verbraucherschutz (vgl. nur Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 41, Rn. 2). Dem verbraucherschützenden Sinn der Vorschrift wird nur dann Rechnung getragen, wenn sie so ausgelegt wird, dass ein Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers unabhängig davon besteht, ob die von dem Versorger angekündigte Änderung als solche rechtlich wirksam ist oder nicht. Nur dann ist es dem Verbraucher möglich, seine Rechte effektiv wahrzunehmen, weil andernfalls die Frage der Wirksamkeit der Kündigung u.U. von der Prüfung von Fragen abhinge, die der – typischerweise rechtsunkundige – Verbraucher nicht ohne weiteres selbst vornehmen und deren Klärung je nach Lage des Falles erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an die Fälle zu denken, in denen streitig ist, ob eine Preiserhöhung des Versorgers „billigem Ermessen“ (§ 315 BGB) entspricht (vgl. Nr. 6.17 der AGB der Beklagten). Würde man das Sonderkündigungsrecht des Kunden von der an sich gegebenen Wirksamkeit der Anpassung durch den Versorger abhängig machen, wäre der Kunde gezwungen, zunächst die Wirksamkeit der einseitigen Vertragsanpassung klären zu lassen, bevor er sein Kündigungsrecht durchsetzen könnte. Es liegt auf der Hand, dass § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG dem Verbraucher dies gerade ersparen und ihm ersichtlich ermöglichen will, in solchen Fällen kurzfristig zu einem anderen Versorger zu wechseln.
52Im Übrigen war es der Beklagten auch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, sich auf die Unwirksamkeit ihrer Vertragsanpassung zu berufen. Es ist – die Unwirksamkeit der Anpassung unterstellt – grob treuwidrig, gegenüber dem Vertragspartner zunächst eine Forderung geltend zu machen, die auf eine Vertragsanpassung gestützt wird und dem sich hiergegen mit dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zur Wehr setzenden Kunden anschließend entgegen zu halten, die Anpassung sei unwirksam, um ihn am Vertrag festzuhalten.
532. Die in der E-Mail der Beklagten versteckte Ankündigung der Preiserhöhung war nicht geeignet, die Kenntnis des Klägers von der beabsichtigten Preiserhöhung zu begründen. Denn sie genügte nicht den Anforderungen des § 41 Abs. 3 S. 1 EnWG, weil sie ersichtlich keine transparente und verständliche Unterrichtung über die Erhöhung enthielt. Insoweit wird auf die im Tatbestand genannten Entscheidungen des OLG und das LG Düsseldorf verwiesen, deren Begründung sich die Kammer anschließt.
54Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger die Preiserhöhung erstmals durch die Rechnung vom 8. März 2016 in rechtlich beachtlicher Weise zur Kenntnis nehmen konnte. Seine am 18. März 2016 ausgesprochene Kündigung ist nach alledem in angemessener Frist erfolgt.
55III.
56Einer Kostengrundentscheidung bedarf es nicht, weil sie bereits Bestandteils des geschlossenen Vergleichs ist.
57Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 1 ZPO.