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Der Beklagte wird verurteilt,
1. bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter des Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
seinen Mitgliedern die Verwendung der nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Verträge, die die Erbringung einer augenärztlichen Behandlung oder Untersuchung zum Gegenstand haben, zu empfehlen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):
a) „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“
und/oder
b) „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“
[…]
„□ Ich wünsche zur Zeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“
2. an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 EUR.
Tatbestand:
2Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein. Er ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG anerkannt und wird in der beim Bundesjustizamt geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG geführt.
3Der Beklagte stellt im geschlossenen Bereich seiner Internetseite den Mitgliedern eine Patienteninformation zur Verfügung, die die Früherkennung des grünen Star (Glaukom) betrifft (Anlage K 1, Blatt 11 GA). Auf der zweiten Seite finden sich unter der Überschrift „Vereinbarung über gewünschte Privatbehandlung“ und „Früherkennung des grünen Stars (Glaukom)“ die folgenden Klauseln:
4„Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“
5[…]
6„□ Ich wünsche zur Zeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“
7Im Oktober 2015 aktualisierte der Kläger die von ihm empfohlenen Patienteninformationen, die genannten Klauseln auf der zweiten Seite waren hiervon nicht betroffen (Anlage B 1, Blatt 38 f. GA).
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2015 (Anlage K2, Bl. 12 ff. GA) forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung einer Abmahnpauschale in Höhe von 260,00 EUR auf.
9Der Kläger trägt vor, die dem Antrag zugrundeliegende Klausel verstoße gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB, da durch die Klausel in unzulässiger Weise die Beweislast zu Lasten der Patienten abgeändert werde.
10Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
111. bei Meidung eines vom Gericht für jeden der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung der nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Verträge, die die Erbringung einer ärztlichen Behandlung oder Untersuchung zum Gegenstand haben, zu empfehlen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):
12a) „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchungen ärztlich geboten ist.“
13und/oder
14b) „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchungen ärztlich geboten ist.“
15[…]
16„□ Ich wünsche zur Zeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“
172. an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beklagte ist der Ansicht, dass die §§ 305 ff. BGB im Arzt-Patienten-Verhältnis keine Anwendung finden würden. Bei den streitgegenständlichen Klauseln handele es sich außerdem nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, da die Bestätigung des Patienten über die ärztliche Aufklärung keine Vertragsbedingung mit eigenständigem Regelungsgehalt aufweise. Im Übrigen seien die Klausel im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt, da die Patienten auch dem Wunsch des Arztes, das Patientenformular zu unterschreiben, entgegentreten könnten. Weiter stellt der Beklagte eine wirksame Einbeziehung der Klauseln in den ärztlichen Behandlungsvertrag in Abrede, da der ärztliche Behandlungsvertrag abgeschlossen werde, bevor über die Glaukom-Früherkennungsuntersuchung gesprochen werde. Schließlich liege eine unzulässige Abänderung der Beweislast durch die Klauseln nicht vor, da keine Umkehr der Beweislast erfolge. Das Einwilligungsformular begründe nur ein Indiz für die in der Klausel genannte Aufklärung.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist begründet.
24A.
25Der Kläger ist aktivlegitmiert gemäß §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; 4 Abs. 1 UKlaG.
26B.
27Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen sowie inhaltsgleicher Klauseln gemäß §§ 1, 3, 9 Nr. 3 UKlaG in Verbindung mit § 309 Nr. 12 lit. b BGB. Die angegriffenen Klauseln verstoßen gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB.
28I.
29Es handelt sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, die der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB unterliegen.
301.
31Die §§ 305 ff. BGB sind auch im Arzt-Patienten-Verhältnis auf Behandlungsverträge gemäß §§ 630a ff. BGB anwendbar (vgl. jurisPK-Lafontaine, BGB, 7. Aufl. 2014, § 630a Rn. 126). Auf die Art des Vertrages kommt es mit Ausnahme der in § 310 Abs. 4 BGB genannten Verträge für den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB nicht an (MüKo-Basedow, BGB, 7. Auflage 2016, § 305 Rn. 9). Mit der Regelung des § 310 Abs. 4 BGB hat der Gesetzgeber bestimmte Verträge vom Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen, sodass im Umkehrschluss davon auszugehen ist, dass die Vorschriften auf alle anderen Arten von Verträgen, also auch auf Behandlungsverträge, Anwendung finden.
322.
33Die Klausel über die Bestätigung der Aufklärung stellt eine Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Zwar beziehen sich die Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in erster Linie auf vertragliche Regelungen, die Rechte und Pflichten der Parteien festlegen sollen, erfasst sind nach dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB aber auch vom Verwender vorformulierte einseitige rechtserhebliche Erklärungen des Patienten (vgl. BeckOK-Becker, BGB, 40. Edition Stand: 01.05.2016, § 305 Rn. 13). Wenn der Vertragspartner für einseitige Erklärungen auf vorformulierte Erklärungen des Verwenders zurückgreifen muss, wird in seine Gestaltungsfreiheit genauso eingegriffen wie bei Verwendung klassischer Allgemeiner Geschäftsbedingungen.
343.
35Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ist auch nicht gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgeschlossen, da die Geschäftsbedingung nicht zwischen dem Arzt und dem Patienten ausgehandelt wird. Voraussetzung für ein „Aushandeln“ der Klauseln wäre, dass diese ernsthaft zur Disposition stehen und der Verhandlungspartner die Möglichkeit erhält, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (vgl. MüKo-Basedow, BGB, 7. Auflage 2016 Rn. 35). Der Patient hat für den Fall, dass der Arzt ihm das Patientenformular zu Unterschrift vorlegt, keinen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der Klauseln; sein Einverständnis durch die Unterschrift auf dem Patientenformular reicht für ein „Aushandeln“ nicht aus (vgl. MüKo-Basedow, a.a.O.).
364.
37Die Klauseln werden auch gemäß § 305 Abs. 2 BGB in den Behandlungsvertrag einbezogen. Unerheblich ist, ob bereits vorher ein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, denn Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch nachträglich durch Vertragsänderung Vertragsbestandteil werden (jurisPK-Lapp/Salamon, BGB, 8. Aufl. 2017, § 305 Rn. 116). Hierzu ist eine neue rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Parteien, einschließlich ausdrücklichen Hinweises auf die Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 2 BGB, erforderlich. Durch die Vorlage der Patienteninformation und das Unterschreiben der „Vereinbarung über gewünschte Privatbehandlung“ werden die darin enthaltenen Klauseln in den Behandlungsvertrag gemäß § 305 Abs. 2 BGB einbezogen.
38II.
39Die streitgegenständlichen Klauseln verstoßen gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB, da sie eine nachteilige Beweislastveränderung bewirken.
401.
41Der Patient trägt die Beweislast, wenn er Ansprüche wegen einer fehlerhaften therapeutische Aufklärung gegen den behandelten Arzt geltend macht, da es sich um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt; der Patient muss dann beweisen, dass er nicht in dem gebotenen Maße informiert worden ist (MüKo-Wagner, BGB, 7. Auflage 2016, § 630c Rn. 25). Die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten gemäß § 630h Abs. 2 S. 1 BGB findet keine Anwendung, da sie nur für die Selbstbestimmungsaufklärung gemäß § 630e BGB gilt, dass heißt in Fällen, in denen ein medizinischer Eingriff erfolgt. Im Fall der der Nichtvornahme einer Glaukomuntersuchung fehlt es gerade an einem medizinischen Eingriff, sodass sich die Aufklärungspflichten des Arztes nach § 630c Abs. 2 S. 1 BGB richten (MüKo-Wagner, BGB, 7. Auflage 2016, § 630e Rn. 25).
422.
43Für die Unzulässigkeit einer Klausel gemäß § 309 Nr. 12 lit. b BGB ist eine Umkehr der Beweislast nicht erforderlich; ausreichend ist, wenn die formularmäßige Klausel zur Folge haben kann, dass die Anforderungen an den Beweis zum Nachteil des beweispflichtigen Kunden erhöht werden (BGH, Urteil vom 09. November 1989 – IX ZR 269/87 –, juris Rn. 61). Die Vorschrift des § 309 Nr. 12 BGB will die Verwendergegenseite davor schützen, dass sie mit der Unterschrift unter einen Vertrag zugleich unbemerkt eine Tatsache bestätigt, die die Beweislast zu ihren Ungunsten abändert (BeckOK-Becker, BGB, 40. Edition Stand: 01.05.2016, § 309 Nr. 12 Rn. 8); dabei soll jeder Versuch unterbunden werden, die Beweisposition der Verwendergegenseite zu verschlechtern (Erman-Roloff, BGB, 14. Auflage 2014, § 309 Rn. 147).
44Durch die Bestätigung der von dem Beklagten empfohlenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen erlangt der behandelnde Arzt ein Beweismittel, das die Beweisposition des Patienten verschlechtert, sodass die Klausel gemäß § 309 Nr. 12 lit. b BGB unwirksam ist. Der Patient bestätigt, dass er die Patienteninformationen gelesen hat und von dem Arzt darüber aufgeklärt worden ist, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist. Für den Fall, dass der Patient gegen den behandelnden Arzt Ansprüche geltend machen will, weil eine entsprechende Aufklärung tatsächlich unterblieben ist, erhöhen sich die Anforderungen an den zu führenden Beweis zum Nachteil des beweispflichtigen Patienten, da die unterschriebene Bestätigung der Patienteninformation ein Indiz für die in der Klausel genannte Aufklärung begründet.
45III.
46Eine Wiederholungsgefahr liegt vor. Die Wiederholungsgefahr, also die ernstliche Gefahr einer Wiederholung desselben oder eines im Wesentlichen gleichartigen Verstoßes, ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1 UKlaG (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage 2016, § 1 UKlaG Rn. 10). Die Verwendung oder Empfehlung unwirksamer AGB begründet eine tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Köhler/Bornkamm, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass diese Vermutung hier widerlegt ist, bestehen nicht, insbesondere hat der Beklagte keine strafbewehrte Unterwerfungserklärung abgegeben (Köhler/Bornkamm, a.a.O.).
47B.
48Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung einer Abmahnpauschale gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Berechnung der Personal- und Sachkosten mit insgesamt 218,49 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer gibt zu Beanstandungen keinen Anlass.
49C.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
51Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.