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I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen,
1.
die Bestellung eines Stromlieferungsvertrages durch einen Verbraucher davon abhängig zu machen, dass der Verbraucher eine Einzugsermächtigung erteilt;
2.
in Bezug auf Stromlieferungsverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgende oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
„[§ 7 Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und hoheitlichen Abgaben]
(1) [Der jeweilige vom Kunden für die Strombelieferung zu zahlende Preis beinhaltet neben anderen Preisfaktoren die Stromsteuer, die Umsatzsteuer, die Abgaben nach der Konzessionsabgabenverordnung sowie die EEG-Umlage, die KWK-Umlage, die Offshore-Umlage, die Umlage für abschaltbare Lasten und die § 19 StromNEV-Umlage. Bei der EEG-Umlage, der KWK-Umlage, der Offshore-Umlage, der Umlage für abschaltbare Lasten und der § 19 StromNEV-Umlage handelt es sich um hoheitlich veranlasste Belastungen, die vom Lieferanten nicht beeinflusst werden können („hoheitliche Belastungen“).] Abweichend von § 6 gelten für die Neueinführung, den Wegfall und/oder die Änderung von Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Abgaben im Sinne von Satz 1 ausschließlich die nachstehenden Regelungen der Absätze 2 bis 7.
(2) Fallen für die Belieferung oder die Verteilung des Stroms nach Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden zusätzliche Steuern, Abgaben oder hoheitliche Belastungen an, ist der Lieferant berechtigt, dem Kunden die hieraus entstehenden Mehrkosten nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 weiter zu belasten. Gleiches gilt, wenn die in Absatz 1 genannten Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Belastungen nach Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden erhöht werden.
[…]
(5) Die Weiterbelastung an den Kunden wird zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Belastungen neu eingeführt oder erhöht werden. Der Lieferant wird den Kunden über die Weitergabe der Mehrkosten informieren.“
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,-- €.
14d O 4/15 |
Verkündet am 22.10.2015 SchmitzJustizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Landgericht Düsseldorf IM NAMEN DES VOLKES Urteil |
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In dem Rechtsstreit
3pp
4hat die 14 d. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorfauf die mündliche Verhandlung vom 03.09.2015durch den pp
5für R e c h t erkannt:
6I.
7Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen,
81.
9die Bestellung eines Stromlieferungsvertrages durch einen Verbraucher davon abhängig zu machen, dass der Verbraucher eine Einzugsermächtigung erteilt;
102.
11in Bezug auf Stromlieferungsverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgende oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
12„[§ 7 Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und hoheitlichen Abgaben]
13(1) [Der jeweilige vom Kunden für die Strombelieferung zu zahlende Preis beinhaltet neben anderen Preisfaktoren die Stromsteuer, die Umsatzsteuer, die Abgaben nach der Konzessionsabgabenverordnung sowie die EEG-Umlage, die KWK-Umlage, die Offshore-Umlage, die Umlage für abschaltbare Lasten und die § 19 StromNEV-Umlage. Bei der EEG-Umlage, der KWK-Umlage, der Offshore-Umlage, der Umlage für abschaltbare Lasten und der § 19 StromNEV-Umlage handelt es sich um hoheitlich veranlasste Belastungen, die vom Lieferanten nicht beeinflusst werden können („hoheitliche Belastungen“).] Abweichend von § 6 gelten für die Neueinführung, den Wegfall und/oder die Änderung von Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Abgaben im Sinne von Satz 1 ausschließlich die nachstehenden Regelungen der Absätze 2 bis 7.
14(2) Fallen für die Belieferung oder die Verteilung des Stroms nach Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden zusätzliche Steuern, Abgaben oder hoheitliche Belastungen an, ist der Lieferant berechtigt, dem Kunden die hieraus entstehenden Mehrkosten nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 weiter zu belasten. Gleiches gilt, wenn die in Absatz 1 genannten Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Belastungen nach Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden erhöht werden.
15[…]
16(5) Die Weiterbelastung an den Kunden wird zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Belastungen neu eingeführt oder erhöht werden. Der Lieferant wird den Kunden über die Weitergabe der Mehrkosten informieren.“
17II.
18Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
19III.
20Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,-- €.
21T a t b e s t a n d :
22Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Vereinszweck es ist, für Verbraucherinteressen einzutreten und insbesondere Rechte der Verbraucher/-innen durch Einleitung gerichtlicher Maßnahme wahrzunehmen. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen.
23Die Beklagte bietet unter anderem Verbrauchern die Belieferung mit Strom an. Bei Nutzung der Online-Bestellformulare für die Stromlieferungsverträge der Beklagten über die Internetseite der Beklagten stromio.de sowie die Internetportale verivox.de, check24.de und strom.preisvergleich.de ist die Angabe der Bankdaten, die mit der Erteilung einer entsprechenden Einzugsermächtigung verbunden ist, verpflichtender Zwischenschritt, ohne den das Fertigstellen des Bestellformulars nicht möglich ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagen K 1 und 3-5 vorgelegten Screenshots verwiesen. Darüber hinaus findet sich auch bei dem auf der Internetseite verivox.de ausdruckbaren Formular unter Nr. 3 ein Feld zur Angabe der Bankverbindung und der Erteilung der Einzugsermächtigung. Gleichzeitig ist in § 13 Abs. 6 der B (AGB) der Beklagten, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K 6 Bezug genommen wird, neben dem Lastschriftverfahren auch die Überweisung als Zahlungsmöglichkeit vorgesehen.
24Die Beklagte räumt des Weiteren in § 6 Abs. 4 ihrer AGB („Preisänderungen, eingeschränkte Preisgarantie“) für den Fall der Änderungen ihrer Preise das Recht ein, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 7 der AGB („Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und hoheitlichen Belastungen“), der im Tenor zu I. 2. auszugsweise wiedergegeben ist, nicht.
25Der Kläger mahnte die Beklagte wegen einer Verletzung verbraucherschützender Vorschriften bzw. der Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit Schreiben vom 09.12.2014 (Anlage K 8) ab. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 07.01.2015 (Anlage K 9), in dem sie hinsichtlich der Beschränkung der Zahlungsmittel eine auf die Internetseite www.stromio.de beschränkte Unterlassungserklärung abgab. Der Kläger machte daraufhin mit Schreiben vom 28.01.2015 (Anlage K 10) die Abgabe einer weitergehenden Unterlassungserklärung geltend, was die Beklagte mit Schreiben vom 10.02.2015 (Anlage K 11) ablehnte.
26Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte dadurch, dass sie den Abschluss von Stromlieferungsverträgen davon abhängig mache, dass die Verbraucher ihre Bankdaten angeben und eine Einzugsermächtigung erteilen, gegen § 41 Abs. 2 S. 1 EnWG verstoße. Dies gelte auch für die verpflichtende Angabe der Bankdaten und die Erteilung der Einzugsermächtigung allein im Bestellprozess unabhängig davon, ob die Beklagte – wie mit Nichtwissen bestritten – vor Vertragsschluss andere Bezahlmöglichkeiten anbiete.
27Der Kläger ist weiter der Ansicht, hinsichtlich der in § 7 der AGB vorgesehenen Möglichkeit der Belastung der Kunden mit zusätzlichen oder erhöhten hoheitlichen Belastungen sei ein Sonderkündigungsrecht nach dem Wortlaut der AGB entgegen § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG ausgeschlossen, was gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG verstoße. Dabei habe ein Sonderkündigungsrecht schon vor der Gesetzesänderung aufgrund der Richtlinie #####/####/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie #####/####/EG (Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie) in richtlinienkonformer Anwendung der schuldrechtlichen Vorschriften bestanden, das nunmehr auch habe gesetzlich normiert werden sollen, wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lasse. Für das Bestehen eines Sonderkündigungsrechts spreche auch die nunmehrige Regelung in § 5 a StromGVV. Er behauptet, ausweislich der Anlage K 7 und K 13 (letztere vorgelegt mit nachgelassenem Schriftsatz vom 24.09.2015) gäben Unternehmen ggfs. gestiegene hoheitliche Belastungen nicht einheitlich weiter, sondern zu unterschiedlichen Terminen.
28Schließlich ist der Kläger der Ansicht, dass die fehlende Informationspflicht über die Preiserhöhung bei verbraucherfeindlichster Auslegung der AGB gegen § 41 Abs. 3 S. 1 EnWG verstoße. Eine Auslegung der AGB der Beklagten ergebe, dass bei der zusätzlichen Belastung mit Steuern etc. bzw. einer Erhöhung derselben eine Mitteilung nicht vorgesehen sei.
29Der Kläger beantragt,
30wie geschehen zu erkennen,
31wobei er mit dem Klageantrag zu 1. zunächst geltend gemacht hatte, der Beklagten zu untersagen, bei der Bestellung vor Vertragsschluss eines Stromlieferungsvertrages dem Verbraucher nicht verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten, insbesondere die Bestellung von der Bedingung abhängig zu machen, dass der Verbraucher eine Einzugsermächtigung erteilt.
32Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Die Beklagte ist der Ansicht, dass es bei Ausfüllen des Bestellformulars durch die Kunden noch nicht erforderlich sei, verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. Denn die Bestellformulare seien lediglich Angebote der Kunden auf Abschluss eines Vertrages und der Vertrag komme erst zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen des standardisierten Lieferanten-Wechselprozesses zustande.
35Die mit dem Klageantrag zu 2. angegriffenen Klauseln sind nach ihrer Ansicht wirksam. § 7 Abs. 2 der AGB beinhalte schon nicht den Ausschluss eines etwaigen gesetzlichen Sonderkündigungsrechts. Hiervon abgesehen macht die Beklagte zu ihrer Rechtsverteidigung geltend, dass dem Kunden im Falle einer Weiterbelastung mit nachträglich eingeführten oder erhöhten Steuern, Abgaben oder hoheitlichen Belastungen kein Sonderkündigungsrecht nach § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG zustehe. Dieser Fall stelle gerade keine Änderung der Vertragsbedingungen dar, sondern lediglich eine Anwendung der bestehenden Vertragsbedingungen. Die Regelung wolle nach der Gesetzesbegründung lediglich die bestehende Gesetzeslage deklaratorisch zum Ausdruck bringen. Nach dieser bestehe aber kein Kündigungsrecht bei einer Umlageklausel wie der vorliegenden, die notwendig sei und zu einer sachangemessenen Risikoverteilung führe. Die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung führe hingegen zu einer nachhaltigen Störung des Äquivalenzverhältnisses. Dass die Klausel keinen Automatismus für die Weiterbelastung vorsehe, wirke sich nur zugunsten der Verbraucher aus und könne für die rechtliche Beurteilung deshalb keinen Unterschied gegenüber der automatischen Weiterbelastung machen.
36Schließlich lasse sich der Regelung in § 7 AGB nicht entnehmen, dass die Beklagte sich das Recht ausbedinge, auf eine etwa gesetzlich geschuldete Mitteilung zu verzichten.
37Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
40I.
41Die Klage ist zulässig.
421. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gründet sich auf § 102 Abs. 1 S. 2, S. 1 EnWG. Nach § 102 Abs. 1 S. 2 EnWG reicht es für die Anwendung des § 102 EnWG aus, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem EnWG zu treffen ist. Vorliegend ist streitentscheidend unter anderem die Frage der Reichweite der in § 41 Abs. 3 EnWG geregelten Rechte und Pflichten und damit Vorfrage im vorgenannten Sinne (anders als noch vor der Neufassung des § 41 EnWG zum 04.08.2011, als sich die Wirksamkeit der AGB-Regelung in den Lieferbedingungen ausschließlich nach den §§ 307 ff. BGB beurteilte und damit das BGB Kern des Rechtsstreits war, vgl. Salje, Der S-Weg bei Streitigkeiten aus Energielieferung, NJW 2010, 2762).
432. Die Antragsfassung begegnet keinen Bedenken, insbesondere ist sie nach Neufassung des Klageantrags zu 1. hinreichend bestimmt.
44II.
45Der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 41 Abs. 2 S. 1 EnWG.
46Der Kläger ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG klagebefugt und aktivlegitimiert.
47Die unstreitige Tatsache, dass die Beklagte die Eingabe der Bankdaten und die Erteilung einer Einzugsermächtigung zur Voraussetzung für die Abgabe einer Bestellung der Verbraucher über verschiedenen Online-Portale macht, stellt einen Verstoß gegen § 41 Abs. 2 S. 1 EnWG als verbraucherschützende Vorschrift dar.
48Nach § 41 Abs. 2 S. 1 EnWG sind dem Haushaltskunden vor Vertragsschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. Zwar stellt die Bestellung eines Stromlieferungsvertrags nicht bereits den Vertragsschluss dar und ist in § 13 Abs. 6 der AGB der Beklagten neben dem Lastschriftverfahren auch die Überweisung als eine Zahlungsmöglichkeit vorgesehen. Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, dem Verbraucher eine Wahlfreiheit zu gewähren, wird indes unterlaufen, wenn der Energieversorger ein standardisiertes Angebotsmuster mit einer einzigen, verpflichtend zu wählenden Zahlungsmöglichkeit vorgibt, dessen sich der Kunde bedienen muss, um eine Bestellung abzugeben, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte – wie von ihr auch gar nicht substantiiert geltend gemacht – tatsächlich vor dem eigentlichen Vertragsschluss faktisch noch eine darüber hinausgehende Wahlmöglichkeit anbietet. Denn der Kunde muss sich bei dem vorgegebenen Prozedere bei Angebotsabgabe bereits für eine Zahlungsmöglichkeit entscheiden, so dass er zu dem für ihn wesentlichen Zeitpunkt der Vertragsanbahnung gerade keine Wahlmöglichkeit hat. Der Kunde wird nicht erwarten, dass er nach Abgabe des Angebots auf Abschluss eines Energielieferungsvertrags noch weitere vertragsrelevante Erklärungen abgeben muss, sondern vielmehr die abgegebenen Erklärungen als – wie üblich - von seiner Seite für einen Vertragsschluss ausreichend ansehen. Eine Abänderung seiner Erklärung im Hinblick auf die Zahlungsmodalitäten macht demgegenüber eine erneute Willenserklärung zur Ausübung des Wahlrechts erforderlich, die für den Kunden jedenfalls unerwartet und mit Aufwand verbunden ist. Das Wahlrecht des Kunden ist in der hier angegriffenen Konstellation mithin faktisch eingeschränkt, so dass den gesetzlichen Anforderungen des § 41 Abs. 2 S. 1 EnWG nicht genügt wird.
49Aus den dargelegten Gründen ist der Unterlassungsantrag auch nicht zu weitgehend. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Regelung liegt nach Vorgesagtem unabhängig davon vor, ob dem Kunden vor dem eigentlichen Vertragsschluss noch eine andere Zahlungsmöglichkeit angeboten wird.
50III.
51Die angegriffene Regelung in § 7 der AGB der Beklagten verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG als verbraucherschützender Vorschrift, so dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 UKlaG zusteht.
521. Aufgrund des Zusammenspiels des Vorschriften §§ 6, 7 der AGB ist davon auszugehen, dass die Beklagte für die in § 7 geregelte Fallkonstellation ein Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen hat. Sie hat ein solches in § 6 vorgesehen und die Anwendung dieser Regelung in § 7 Abs. 1 ausdrücklich ausgeschlossen. Danach liegt nahe, dass sie nicht nur kein vertragliches Sonderkündigungsrecht einräumen, sondern ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht (zu dessen Bestehen siehe nachstehend unter 2.) sogar ausschließen wollte. Jedenfalls ist die Klausel insoweit mehrdeutig, so dass nach § 305 c Abs. 2 BGB auf die Auslegungsalternative zurückzugreifen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt, d.h. die vermeintlich „kundenfeindlichste“ Auslegung (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 305 c Rz. 18 m.w.N.).
532. Die Auslegung von § 41 Abs. 2 S. 2 EnWG ergibt weiterhin, dass die hier streitgegenständlichen Preisanpassungen aufgrund hoheitlicher Belastungen Vertragsänderungen im Sinne dieser Vorschrift sind und deshalb ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht besteht, das durch die angegriffene Regelung umgangen wird.
54Dies lässt sich zwar dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht zweifelsfrei entnehmen. Vertragsänderungen sind (nachträgliche) Änderungen der Vertragsbedingungen. Hierunter können bei einem weiten Verständnis des Wortes „Vertragsänderung“ auch Änderungen des zu zahlenden Preises fallen, die bereits bei Vertragsschluss vereinbart, aber noch nicht erfolgt sind, wie etwa durch die Einräumung des Rechts, für die Preiskalkulation relevante Veränderungen einzelner Kostenpositionen optional oder verpflichtend weiterzugeben. Die Preisänderung erfolgt in einem solchen Fall dann auch einseitig, und zwar unabhängig davon, ob eine Partei die Veränderung in einer von ihr gestellten AGB bereits fest vorsieht oder sich – wie vorliegend die Beklagte - diesbezüglich lediglich das Recht zur Anpassung des Preises vorbehält, da die Vertragsänderung in beiden Fällen von einer Partei vorgegeben wird. Die Auslegung, dass eine Preisanpassung keine Änderung einer zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingung, sondern ausschließlich die Ausübung des vertraglich von Anfang an vereinbarten Rechts auf Preisanpassung sein soll (d.h. ein enger Begriff der Vertragsbedingung, so Kment-Rasbach, Energiewirtschaftsgesetz, 1. Aufl. 2015, § 42 Rz. 11), ist demgegenüber nicht zwingend durch den Wortlaut vorgegeben.
55Für das Verständnis der einseitigen Vertragsänderung im Sinne des § 41 Abs. 2 S. 2 EnWG kommt es, da eine systematische Auslegung keine weiterführenden Erkenntnisse bringt, entscheidend auf den historischen Regelungskontext und Sinn und Zweck der Regelung an. Danach ist davon auszugehen, dass jede Preiserhöhung, d.h. auch solche aufgrund geänderter hoheitlicher Belastungen, unter § 41 Abs. 2 S. 2 EnWG fällt. Im Hinblick auf den historischen Regelungskontext ergibt sich dies aus der Gesetzesbegründung zu § 41 EnWG (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/6072, S. 85). Dort heißt es:
56„Der neue Absatz 3 hat lediglich klarstellenden Charakter. Bereits nach geltendem Recht müssen die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und ihre Rücktrittsrechte informiert werden. Auch müssen die Dienstleister ihre Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung in angemessener Frist mitteilen, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der Abrechnungsperiode. Mit Satz 2 wird klargestellt, dass es den Kunden frei steht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren.“
57Die Gesetzesbegründung lehnt sich dabei ersichtlich an Abs. 1 lit b) des Anhangs 1 zur Richtlinie #####/####/EG an, der wie folgt lautet:
58„(….) soll mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmen sichergestellt werden soll, dass die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Elektrizitätsdienstleister mitgeteilt hat.“
59Sowohl der europäische als auch der deutsche Gesetzgeber hat mithin ersichtlich keinen Anlass gesehen, zwischen Preisänderungen gemäß einer „klassischen“ Preisanpassungsklausel und der gemäß einer sog. Steuer- und Abgabenklausel zu differenzieren, sondern jede Gebührenänderung als zur Kündigung berechtigende Vertragsänderung im Sinne der jeweiligen Vorschrift angesehen, ohne dass es vorliegend darauf ankommt, ob Abs. 1 lit. b) des Anhangs 1 der Richtlinie #####/####/EG bereits ein eigenes Widerrufsrecht begründet. Denn jedenfalls in § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG ist ein solches normiert. Soweit der deutsche Gesetzgeber fälschlicherweise diese Regelung als rein klarstellend angesehen haben sollte, so hat er jedenfalls seinen unmissverständlichen Willen zum Ausdruck gebracht, eine entsprechende Regelung nunmehr zu treffen.
60Angesichts dessen und auch aufgrund des klaren Wortlautes von Abs. 1 lit. b) des Anhangs 1 der Richtlinie #####/####/EG sieht die Kammer keine Veranlassung, die hier streitgegenständliche Rechtsfrage der Auslegung des Begriffs der einseitigen Vertragsänderung dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorzulegen, wie von der Beklagten angeregt.
61In teleologischer Hinsicht spricht für die Annahme eines Sonderkündigungsrechts bei einer Preisanpassung aufgrund hoheitlicher Steuern und Abgaben als gewichtiges Argument, dass im Bereich der Stromgrundversorgung nach §§ 5 Abs. 3 S. 1, 5 a StromGVV ein Sonderkündigungsrecht des Kunden bei Änderung der Allgemeinen Preise besteht, zu denen auch die in § 2 Abs. 3 Nr. 5 StromGVV genannten hoheitlichen Belastungen als deren Kalkulationsbestandteile zählen.
62Eine Störung des Äquivalenzverhältnisses durch die Gewährung eines Sonderkündigungsrechts bei einer Preisanpassung aufgrund hoheitlicher Steuern und Abgaben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, vermag die Kammer demgegenüber nicht festzustellen. Denn dem Äquivalenzverhältnis ist bereits durch das gesetzlich verankerte Preisanpassungsrecht der Stromanbieter Rechnung getragen. Da die Preisanpassung aber nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, mithin die
63Ausübung des Preisanpassungsrechts letztlich im Ermessen der Stromanbieter steht, sieht die Kammer vielmehr ein anerkennenswertes Interesse der Stromkunden an einer vorzeitigen Vertragsbeendigung bei Ausübung dieses Ermessens zulasten des Kunden unabhängig davon, ob das Ermessen, wie vom Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 24.09.2015 geltend gemacht, von den einzelnen Stromanbietern tatsächlich in unterschiedlicher Weise, nämlich durch unterschiedliche Zeitpunkte der Preisanpassung, ausgeübt wird. Soweit schließlich der Stromanbieter durch die vorzeitige Vertragskündigung verlorene Akquisitionskosten zu beklagen hat, so ist dies hinzunehmen. Denn dies gehört wie auch im Fall einer durch andere Kostenfaktoren bedingten Preisanpassung mit daraus resultierendem Kündigungsrecht des Kunden zum wirtschaftlichen Risiko der Stromanbieter und trifft diese darüber hinaus in gleicher Weise.
643. Nach alledem kann dahinstehen, ob die in § 7 Abs. 5 vorgesehene Informationspflicht („Der Lieferant wird den Kunden über die Weitergabe der Mehrkosten informieren“) auch gegen § 41 Abs. 3 S. 1 EnWG verstößt.
65IV.
66Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 S. 1 ZPO.
67Streitwert: 10.000,00 €,
68wobei auf den Klageantrag zu 1. 7.500,-- € und auf den Klageantrag zu 2. 2.500,-- € entfallen.
69