Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beklagte wird verurteilt,
an den Kläger 2.626,42 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 24.09. bis 07.10.2010 aus 5.114,60 €, für den Zeitraum 08.10. bis 11.11.2010 aus 318,02 €, seit dem 12.11.2010 aus 2.626,42 €.
den Kläger gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Zahlungsverbindlichkeit in Höhe von 126,47 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 54 % und die Beklagte zu 46 %.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger machte Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 27.08.2010 in A ereignet hat.
3Der Kläger ist Eigentümer und Halter des Fahrzeugs BMW mit dem amtlichen Kennzeichen B. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs, eine Taxe mit dem amtlichen Kennzeichen C.
4Der Kläger befuhr die Dstraße in nördlicher Richtung. Als er mit seinem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug in die Kreuzung Estraße einfuhr, kollidierte er mit dem von links kommenden, bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug, dessen Fahrer unter Mißachtung des für ihn geltenden Stopschildes in die Kreuzung eingefahren war. Dabei wurde die linke Frontseite des Klägerfahrzeugs beschädigt. Der Kläger ließ den Schaden durch den Kfz-Sachverständigen F begutachten. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 31.08.2010 Reparaturkosten in Höhe von 7.030,54 € netto sowie eine Wertminderung in Höhe von 800,00 €. Ausweislich des Gutachtens war das Fahrzeug in nicht verkehrssicherem Zustand.
5Der Kläger machte mit anwaltlichen Schreiben vom 31.08.2010 Schadensersatz geltend. Die Beklagte zahlte 968,54 € direkt an den Sachverständigen G. Mit Schreiben vom 05.01.2010 kündigte die Beklagte eine Teilzahlung in Höhe von 4.796,58 € an, die am Donnerstag, dem 07.10.2010 auf dem Konto des Klägers einging. Die Beklagte verwies den Kläger für die Reparatur auf die im beigefügten Prüfbericht der Fa. E benannten vier Fachwerkstätten, die einen kostenlosen Hol- und Bringservice bieten. Der Kläger reparierte daraufhin sein Fahrzeug in Eigenregie und legte der Beklagten eine gutachterliche Reparaturbestätigung vom 21.10.2010 vor. Die Beklagte zahlte weitere 590,00 € ( 10 Tage a 59,00 € ) auf den Nutzungsausfall sowie 603,93 € auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 6.355,12 €.
6Es ergibt sich folgende Abrechnung:
71. Reparaturkosten: 7.030,54 € 4.712,08 €
82. Wertminderung: 800,00 €
93. SV-Kosten: 968,54 € 968,54 €
1066,40 €
114. Achsvermessung: 59,50 € 59,50 €
125. 48 Tage Nutzungsausfall: 3.120,00 € 590,00 €
136. Schadenspauschale: 25,00 € 25,00 €
14insgesamt: 12.069,98 € 6.355,12 €
15Der Kläger macht mit der Klage eine Restforderung in Höhe von 5.714,86 € wie folgt geltend:
161. Reparaturkosten: 2.318,46 €
172. Wertminderung: 800,00 €
183. SV-Kosten: 66,40 €
194. Nutzungsausfall: 2.530,00 €
20Die Klägerin behauptet:
21Die im Sachverständigengutachten F geschätzten Reparaturkosten seien erforderlich, die merkantile Wertminderung eingetreten. Der Nutzungsausfall für den Zeitraum von 48 Tagen vom 27.08.2010 bis einschließlich 13.10.2010 sei in Höhe von 65,00 €/Tag nach der aktuellen T-Liste berechtigt, da der Kläger das unrepariert nicht verkehrssichere Fahrzeug nicht habe nutzen können.
22Der Kläger sei arbeitssuchend und verfüge lediglich über monatliche Einkünfte aus Zahlungen des Arbeitslosengelds II.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen,
25an ihn 5.714,86 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 16.09. bis 07.10.2010 aus 8.883,58 €, für den Zeitraum 08.10. bis 11.11.2010 aus 3.118,46 €, seit dem 12.11.2010 aus 5.714,86 €;
26den Kläger gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Zahlungsverbindlichkeit in Höhe von 831,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beklagte behauptet:
30Die von der empfohlenen Referenzwerkstätte durchgeführten Reparaturen entsprächen dem Qualitätsstandard einer markengebundenen Fachwerkstatt. Bei den zugrunde gelegten Stundensätzen handle es sich um die allgemeinen Aushanglöhne.
31Für die ordnungsgemäße Beseitigung der Unfallschäden am Fahrzeug sei ein Betrag in Höhe von 4.712,08 € netto ausreichend.
32Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.06.2011 (Bl. 84 GA) durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 20.07.2011 (Bl. 129 GA) verwiesen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Klage ist teilweise begründet.
36Der Kläger hat gemäß §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 StVG einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von weiteren 2.626,42 €.
37Zwar haftet die Beklagte als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs grundsätzlich für den Gesamtschäden des Klägers aus dem Unfallereignis vom 27.08.2010 gemäß §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG 7, 17 StVG in voller Höhe. Denn zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den Unfall durch eine schwere Vorfahrtsverletzung allein verschuldet und deshalb den Schaden des Klägers in voller Höhe auszugleichen hat. Jedoch steht dem Kläger ein über den bereits zum Schadensausgleich gezahlten Betrag hinausgehender Schadensersatzanspruch nur in Höhe von weiteren 2.626,42 € zu.
38Der Betrag setzt sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:
391. Reparaturkosten: 2.318,46 €
40Die Beklagte hat die vom Sachverständigen G kalkulierten Reparaturkosten in Höhe von 7.030,54 € netto auf 4.712,08 € gekürzt. Der geltend gemachte Differenzbetrag in Höhe von 2.318,46 € steht dem Kläger nur in Höhe von 318,02 € zu. Denn die Nettoreparaturkosten sind nur in Höhe von 5.030,10 € netto ersatzfähig, so dass nach Abzug des von der Beklagten gezahlten Betrags in Höhe von 4.712,08 € eine berechtigte Restforderung in Höhe von 318,02 € verbleibt.
41Die Beklagte hat zum einen Einzelpositionen des Gutachtens H gekürzt. Einen vom Sachverständigen I gemachten Abzug in Höhe von 75,00 € hatte der Kläger bereits berücksichtigt. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. J sind jedoch auch die im Gutachten K aufgeführten Reparaturpositionen für die Prüfung des Lenkgetriebes sowie für die Beilackierung der Fahrertür für eine sachgemäße Reparatur erforderlich. Daraus folgt zur Überzeugung der Kammer, dass die Beklagte grundsätzlich auch diese gekürzten Positionen zu ersetzen hat.
42Die Beklagte hat zum andern für die Reparaturkostenkalkulation den Stundensatz der von ihr als Fachwerkstatt benannten Firma Karosserie L GmbH angesetzt. Auf der Basis dieser Stundenverrechnungssätze ergeben sich Nettoreparaturkosten in Höhe von insgesamt 5.030,10 € netto. Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Kürzung der Stundenverrechnungssätze auch berechtigt. Denn er kann seiner fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis im vorliegenden Fall nicht die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zugrundelegen.
43Zwar kann der Geschädigte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt in Ansatz bringen, vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2010, VI ZR 259/09; NJW 2010, 2941. Jedoch kann ihn der Schädiger unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und nicht unzumutbar ist, vgl. OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 2011, 186.
44Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Qualitätsstandard einer durch die Fa. Karosserie M GmbH ausgeführten Kfz-Reparatur der einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Für die Beurteilung der technischen Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO. Es handelt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, um einen Karosserie- und Lackierfachbetrieb, der die vorliegend erforderlichen Reparaturarbeiten personell und ausrüstungsmäßig gleichwertig ausführen kann. Im Betrieb sind in den Bereichen Karosseriebau, Mechanik und Lackiererei insgesamt fünf Kfz-Meister tätig. Er verfügt über Richtbank, Richtbühne, Schweißgeräte, Messbühne, Motordiagnosegerät, elektronische Lackmischaufbereitung sowie Lackier- und Trocknerkabine. Das es für die Reparatur des Klägerfahrzeugs spezieller Werkzeuge bzw. Erfahrung mit der Automarke bedurft hätte, hat der Sachverständige verneint. Dies folgt auch daraus, dass der Kläger in der Lage war, die Reparatur in Eigenregie ordnungsgemäß durchzuführen.
45Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger vorprozessual konkrete, die Gleichwertigkeit der freien Werkstatt betreffende Angaben zukommen lassen, so dass dem Kläger die Beurteilung der Gleichwertigkeit ohne eigene erhebliche Recherche möglich war. Es kann im übrigen dahinstehen, ob im vorprozessualen Bereich der Hinweis auf eine konkrete freie Reparaturwerkstatt zur Überprüfung der fachlichen Gleichwertigkeit durch den Geschädigten ausreichte oder ob der Ersatzpflichtige dem Geschädigten weitere die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lassen musste, um das Kriterium der ohne Weiteres mühelosen Zugänglichkeit als gleichwertige Reparaturmöglichkeit zu erfüllen, vgl. OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2008, 340 unter Bezugnahme auf BGH, NJW 2003, 2086 in einem Fall, in dem vorgerichtlich lediglich vier Firmenbezeichnungen mit Ortsangaben ohne Bekanntgabe vollständiger Anschriften und Telefonnummern benannt wurden. Zum einen ist für den Geschädigten die Richtigkeit der aufgeführten Gleichwertigkeitskriterien ohne konkrete Nachforschungen nicht überprüfbar. Zum andern führt das OLG Braunschweig zum Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung über eine alternative Reparaturmöglichkeit informiert werden muss, richtigerweise aus, dass der Geschädigte, der sein Fahrzeug gar nicht, selbst oder anderweitig günstiger reparieren lässt, durch eine „späten Hinweis“ keinen Nachteil erleide. Die Information müsse nur dann vor der Dispositionsentscheidung erfolgen, wenn der Geschädigte das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren ließe, vgl. OLG Braunschweig, VRR 2010, 466. Die von der Beklagten dargestellte räumliche Zugänglichkeit der Werkstatt für den Kläger wird nicht bestritten, insbesondere ist nicht dargetan, dass sich der Betrieb in deutlich weiterer Entfernung als eine Markenwerkstatt befände.
46Konkrete Umstände, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Regelfall, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Vorliegend war das Klägerfahrzeug im Unfallzeitpunkt ca. achteinhalb Jahre alt. Aber auch bei Kraftfahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, kann es dem Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, insbesondere, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Vorliegend behauptet der Kläger dies nicht, er hat vielmehr das Fahrzeug in Eigenleistung repariert. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten auch dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-) üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern vertraglichen Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugrunde liegen, vgl. BGH, NJW 2010, 2941. Vorliegend steht jedoch aufgrund der Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. N zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kalkulation der Beklagten die von der O ausgehängten allgemein gültigen Stundensätze zugrunde gelegt worden sind. Der Kläger ist diesen Ausführungen nicht mehr entgegengetreten und hat insbesondere die vom Sachverständigen allgemein bejahte Marktüblichkeit der Stundensätze nicht bestritten.
472. Wertminderung: 800,00 €
48Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der vom Sachverständigen P ausgeworfenen merkantilen Wertminderung.
49Eine merkantile Wertminderung kommt vorliegend nicht in Betracht. Grundlage der diesbezüglichen Schadensschätzung der Kammer gemäß § 287 ZPO sind die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Q. Dieser hat ausgeführt, dass zwar ein offenbarungspflichtiger Unfallschaden vorlag, ausschlaggebend für eine merkantile Wertminderung aufgrund eigener sachverständiger Erfahrung ebenso wie unter Zugrundelegung der meisten gängigen Berechnungsmethoden jedoch das Fahrzeugalter und der Kilometerstand seien. Im geschäftlichen Verkehr komme ein merkantiler Minderwert bei einem Fahrzeugalter von über fünf Jahren und einer Kilometerleistung oberhalb 100.000 km nur in Ausnahmefällen in Betracht. Bei dem Klägerfahrzeug sieht die Kammer unter Berücksichtigung der Fallumstände keine Veranlassung von einer sich im Verkaufsfall realisierenden, messbaren wirtschaftlichen Wertminderung auszugehen. Es handelte sich um ein ca. achteinhalb Jahre altes, in Serie produziertes Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse in durchschnittlichem Zustand mit einem Kilometerstand von 156.682 km. Der Unfallschaden durch einen Anstoß gegen die vordere linke Ecke war nicht sonderlich gravierend. Das Fahrzeug war nach dem Unfall fahrfähig, jedoch infolge deformierter Teile nicht verkehrssicher. Die fachgerechte Reparatur des Unfallschadens ist durch Vorlage einer Sachverständigenbescheinigung nachweisbar. Auch das Schreiben des Sachverständigen R vom 20.05.2011 ( Anlage 25 ) enthält keine konkreten Ausführungen, die im vorliegenden Fall eine Wertminderung als plausibel erscheinen lassen. Soweit er angibt, eine Marktrecherche habe aufgrund der Höhe der Reparaturkosten eine merkantile Minderwert ergeben, ist dies angesichts des konkreten Schadensumfangs nicht aussagekräftig.
503. SV-Kosten: 66,40 €
51Die Forderung ist berechtigt. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung setzt grundsätzlich den Nachweis der Reparatur des Fahrzeugs voraus, da er davon abhängig ist, dass dem Geschädigten der Gebrauch durch unfallbedingte Reparatur tatsächlich entzogen wurde, vgl. OLG München, Urteil vom 12.03.2010, 10 U 5108/09. Da der Kläger das Fahrzeug unstreitig in Eigenregie repariert hat, konnte er zur Geltendmachung des Nutzungsausfalls nicht auf die entsprechende Reparaturkostenrechnung zurückgreifen. Es war daher nach Abschluß der Reparatur erforderlich, deren ordnungsgemäße Durchführung zu dokumentieren.
52Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger nicht gehalten, zunächst bei der Beklagten nachzufragen, ob es eines Nachweises bedurfte. Vielmehr ist die Einholung einer Reparaturbescheinigung bereits dann erforderlich, wenn ein Bestreiten – wie vorliegend angesichts des hohen Nutzungsausfalls - zu erwarten ist.
534. Nutzungsausfall: 2.530,00 €
54Unstreitig war das Fahrzeug des Klägers nach dem Unfall am 27.08.2010 bis zur Durchführung der Reparatur nicht mehr verkehrssicher und damit nicht nutzbar. Soweit die Beklagte die unterlassene Nutzung dennoch bestreitet, erfolgt ihr Vorbringen ins Blaue hinein und ist daher unerheblich. Die Beklagte hat im Übrigen einen Nutzungsausfall von 10 Tagen anstelle der geltend gemachten 48 Tage ( 27.08.2010 – 13.10.2010 ) anerkannt und mit 590,00 € ( 59,00 €/Tag ) ausgeglichen.
55Dem Kläger steht jedoch eine darüberhinausgehende Nutzungsausfallentschädigung zu. Was die eigentliche Reparaturdauer angeht, hat der Kläger mit der SV-Bescheinigung vom 21. 10.2010 belegt, dass ihm der Gebrauch durch eine unfallbedingte Reparatur tatsächlich entzogen war. Ausweislich des Schadengutachtens vom 31.08.2010 betrug die Reparaturdauer für die festgestellten Unfallschäden 5 Arbeitstage, so dass die vom Kläger angesetzte Ausfalldauer von 7 Tagen ( 07.10.2010 bis 13.10.2010 ) unter Berücksichtigung des Wochenendes gemäß § 287 ZPO nicht zu beanstanden ist.
56Darüber hinaus hat die Beklagte den durch die Zahlungsverzögerung entstandenen Nutzungsausfall auszugleichen. Nach Maßgabe des § 271 Abs. 1 BGB darf der Gläubiger einer Schadensersatzleistung die Leistung sofort verlangen. Ein irgendwie geartetes schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Entstehung des Unfallereignisses, dass zu einer Verzögerung geführt hätte, behauptet auch die Beklagte nicht.
57Ursächlich für die Verlängerung des Nutzungsausfallzeitraums war, dass die Reparatur unstreitig erst nach Zahlungseingang durchgeführt worden ist. Eine frühere provisorische Reparatur des nicht verkehrssicheren Fahrzeugs kam ausweislich des Gutachtens S nicht in Betracht, da umfangreiche Erneuerungsarbeiten erforderlich waren. Eine für die Verzögerung kausale Verletzung der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt. Ihre im Rechtsstreit aufgestellte, unsubstantierte Behauptung, der Kläger hätte aus eigener Kraft - gegebenenfalls mittels einer Darlehensaufnahme - die Kosten für die Instandsetzung des Unfallfahrzeuges bestreiten können, ist unbeachtlich.
58Nachdem der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 31.08.2010 unter ausdrücklichem Hinweis auf seine finanziellen Verhältnisse zu einer Vorschußleistung aufgefordert hatte, lag es in der Hand der Beklagten, diese zur Abwendung eines größeren Nutzungsausfallschadens an den Kläger zu erbringen. Läßt die Haftpflichtversicherung – wie vorliegend - die Vorschußanforderung eines finanziell nicht leistungsfähigen Geschädigten unbeachtet, hat sie auch für die Zeit Nutzungsausfall zu leisten, in der er außer Stande ist, die Reparaturkosten zu bestreiten. Die Beklagte hat dem Kläger die Reparatur unstreitig erst am 07.10.2010 durch Zahlung ermöglicht. Die Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, besteht grundsätzlich nicht, da es Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2007, 1 U 151/06 m.w.N.
59Dem Kläger ist für das im Unfallzeitpunkt ca. achteinhalb Jahre alte Fahrzeug für die Ausfallzeit von 48 Tagen ein Tagessatz in Höhe des von der Beklagten angesetzten Betrags von 59,00 € zuzubilligen. Der Anspruch ist daher in Höhe von 2.242,00 € berechtigt.
60Die Ermittlung der Schadenshöhe liegt gemäß § 287 Abs.1 ZPO im freien tatrichterlichen Ermessen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist auch bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile bei älteren Fahrzeugen keine aufwendige Berechnung im Einzelfall erforderlich. Vielmehr können aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung die in der Praxis anerkannten Tabellen genutzt werden, vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2004, VI ZR 357/03. Die Kammer legt der Schätzung die Sätze der sog. T-Liste zugrunde, wie es auch die Parteien getan haben. Dem hohen Alter des Fahrzeugs ist durch eine Herabstufung um eine Gruppe Rechnung zu tragen, da es im Fahrkomfort, der Betriebssicherheit und der Pannenanfälligkeit einem Neuwagen nicht gleichzusetzen ist. Wesentliche Bemessungsfaktoren, die eine andere Bewertung des Klägerfahrzeugs rechtfertigen würden, hat der Kläger nicht dargelegt. Die Dauer des Nutzungsausfalls gibt keinen Anlaß, den Tagessatz weiter zu ermäßigen, da Anhaltspunkte dafür nicht ersichtlich sind, dass sich die dem Kläger entgangen Gebrauchsvorteile während der Zeit des Nutzungsausfalls vermindert hätten. Der Gesamtbetrag für 48 Tage in Höhe von 2.832,00 € ermäßigt sich um die unstreitig erbrachte Zahlung in Höhe von 590,00 € auf 2.242,00 €.
61Insgesamt ergibt sich demnach eine berechtigte Schadensersatzforderung in Höhe von 2.626,42 €.
62Der Kläger kann daneben Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 126,47 € geltend machen.
63Der Kläger hatte die Rechtsverfolgungskosten mit 1.435,36 € beziffert. Die Beklagte hat bereits vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € aus einem Gegenstandswert von 6.355,12 € erstattet, so dass eine Restforderung in Höhe von 831,43 € verbleibt.
64Im Einzelnen gilt folgendes:
651.
66Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: 1.150,49 €
67Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 718,40 € brutto. Insoweit ist eine 1,3 Geschäftsgebühr nebst Postpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Gegenstandswert von 8.981,54 € ( 6.355,12 + 2.626,42 ) anzusetzen. Da die Beklagte auf diese Position bereits einen Betrag in Höhe von 603,93 € gezahlt hat, verbleiben 114,47 €. Der Kläger kann die Geschäftsgebühr nicht mit 1,8 ansetzen. Bei der Abwicklung eines „normalen“ Verkehrsunfalls handelt es sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit, so dass eine 1,3 Geschäftsgebühr angemessen ist, vgl. OLG München, Beschluss vom 19.07.2006 - 10 U 2476/06 - ; BGH, VersR 2007, 265; OLG Düsseldorf NJW 2008, 1964.
68Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb vorliegend eine 1,8 Geschäftsgebühr gerechtfertigt sein soll. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt bei der Geschäftsgebühr der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Vorliegend handelt es sich um die Abwicklung eines durchschnittlich schwierigen Verkehrsunfalls, der die Geltendmachung einer 1,3 Geschäftsgebühr als Regelgebühr rechtfertigt. Eine Geschäftsgebühr über 1,3 kann nach Nr. 2300 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig gewesen ist, vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Nr. 2300, 2301 VV, Rn. 28. Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Vorliegend waren der Unfallhergang und die Schuldfrage nicht im Streit. Dem Kläger war ausschließlich ein durch Einholung eines Sachverständigengutachten dokumentierter Sachschaden im vierstelligen Bereich entstanden, was bei einem Autounfall nicht außergewöhnlich hoch ist und zu einem höheren Gegenstandswert, nicht jedoch ohne weiteres zu einem höheren Gebührensatz führt. Bereits am 07.10.2010 beglich die Beklagte die in Höhe von 8.981,54 € berechtigte Forderung in Höhe eines Teilbetrags von 6.355,12 €, woraufhin der Kläger die Fahrzeugreparatur durchführte. Bis zu diesem Zeitpunkt kann von einem besonders zögerlichen Regulierungsverhalten der Beklagten keine Rede sein. Die abweichende Auffassungen der Parteien beschränkten sich auf wenige Rechtsfragen zum Restschaden, deren Schwierigkeitsgrad angesichts der dazu vorhandenen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung als durchschnittlich anzusehen ist. Besonderheiten hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit oder den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sind nicht dargetan. Die Einholung der Deckungszusage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ebenso wie sein umfangreiches Tätigwerden im Prozess gesondert abgerechnet. Der Einholung eines Gutachtens der Anwaltskammer von Amts wegen gemäß § 14 Abs.2 RVG bedurfte es nicht. Diese Regelung betrifft nur den Rechtsstreit zwischen Anwalt und Mandanten, nicht den Streit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung, vgl. Hartmann, Kostengesetze, RVG, § 14, Rn 28 f.
69Die für die Einholung der Deckungszusage durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachten weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 € hat die Beklagte nicht zu ersetzen.
70Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit mietrechtlichen Forderungen entschieden hat, sind derartige Rechtsverfolgungskosten bei Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe als Verzugsschaden nur ersatzfähig, soweit sie erforderlich und zweckmäßig sind, was bei einer bloßen Deckungsanfrage bei der eigenen Rechtschutzversicherung der konkreten Darlegung bedarf, vgl. BGH, NJW 2011, 1222. Die Kammer schließt sich der in der Rechtsprechung im Bereich der Verkehrsunfallsachen vertretenen Ansicht an, dass es dem Geschädigten bei einem einfach gelagerten Sachverhalt in der Regel zugemutet werden kann, seiner Rechtsschutzversicherung den Sachverhalt unter Beifügung des ersten Forderungsschreibens seines Rechtsanwalts anzuzeigen und die Gewährung einer Deckungszusage selbst anzufordern, vgl. OLG Celle, Urt. v. 12.01.2011 - 14 U 78/10 -; LG Erfurt, ZfSch 2010, 345; LG Münster, JurBüro 2010, 652. Vorliegend war die Schuldfrage geklärt, ein Sachverständigengutachtens nebst Kontrollgutachten zum Fahrzeugschaden vorhanden und bereits ein Großteil des Schadenersatzes durch die Beklagte geleistet worden, was dem Kläger die Fahrzeugreparatur ermöglichte. Streitig war nur die Ersatzfähigkeit der restlichen Schadenspositionen. Es ist daher nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb dem Kläger persönlich die Anforderung der Deckungszusage seiner Rechtschutzversicherung unter Vorlage der mehrfachen ausführlichen Stellungnahmen seines Rechtsanwalts zu den Kürzungen nicht möglich gewesen sein soll. Der Kläger hat auch keinerlei konkrete Angaben zu gemacht, weshalb die Einschaltung seines Rechtsanwalts zur Einholung der Deckungszusage erforderlich gewesen sein soll, wie dies z.B. bei einem komplizierten Sachverhalt, umfangreicher Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung oder Defiziten im subjektiven Leistungsvermögen des Klägers denkbar wäre.
71Der Kläger kann die Gebühr für die Einsichtnahme in die amtliche Ermittlungsakte in Höhe von 12,00 € von der Beklagten ersetzt verlangen. Es ergibt sich hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten eine Gesamtforderung in Höhe von 126,47 €.
72Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB aus 5.114,60 € vom 24.09.2010 bis zum 07.10.2010, aus 318,02 € vom 08.10.2010 bis zum 11.11.2010 und aus 2.626,42 € seit dem 12.11.2010.
73Das anwaltliche Anspruchsschreiben des Klägers mit Zahlungsfristsetzung zum 15.09.2010 ging am Freitag, dem 03.09.2010 bei der Beklagten ein. Diese geriet nicht bereits mit Ablauf der in der Mahnung gesetzten Frist in Verzug, sondern erst am 24.09.2010. Zwar muss ein Versicherer die Schadensprüfung beschleunigen, dennoch ist ihm bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Ersatzpflicht zuzubilligen, vor deren Ablauf gemäß § 286 Abs. 4 BGB kein Verzug eintritt. Obwohl das Unfallgeschehen keine komplexe Prüfung erforderte, war im Hinblick auf die erforderliche sachverständige Überprüfung der Reparaturkosten eine Prüfungsfrist von 3 Wochen von der erstmaligen Kenntnisnahme vom Unfallgeschehen und den geltend gemachten Schadenspositionen angemessen. Hinsichtlich der später geltend gemachten Ansprüche trat Verzug mit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist ein.
74Im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist die Entstehung eines Anspruch auf Verzugszinsen nicht dargetan. Ein solcher Anspruch könnte mangels Ausgleichung der Anwaltskosten höchstens in der Person des Prozessbevollmächtigten entstanden sein. Dieser konnte jedoch seine Kosten gegenüber der Rechtsschutzversicherung des Klägers geltend machen bzw. dem Kläger dies empfehlen. Wenn er dies nicht getan, sondern den Kläger in Verzug gesetzt hat, kann ihm der Kläger insoweit seinerseits einen Schadensersatzanspruch aus Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag entgegenhalten. Ein Zinsanspruch hinsichtlich der unmittelbar an den SV gezahlten 968,54 € ist nicht dargelegt.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
76Streitwert: 5.714,86 €