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Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1. auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus dem Kletterunfall vom 12.04.2007 dem Grunde nach auf der Grundlage einer Mithaftung des Klägers in Höhe von 25 % gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die dem Kläger aus dem Kletterunfall vom 12.04.2007 noch entstehen werden, unter Berücksichtigung einer Mithaftung des Klägers von 25 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage betreffend den Schmerzensgeld- und den Feststellungsantrag abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund eines beim gemeinsamen Freiklettern am 12.04.2007 erlittenen Kletterunfalls.
3Die Beklagte hatte ca. ein Jahr vor dem Unfall Anfang 2006 die Sportart des Freikletterns begonnen. Sie war vorwiegend in der Halle geklettert sowie bei 4 Gelegenheiten mit Sichtkontakt im Freien, zuletzt 12 Tage vor dem Unfall mit dem Kläger im offiziellen Klettergebiet in Niedeggen in der F. Die Beklagte hatte in der Halle und draußen zunächst nur das Vorstiegklettern ausgeführt. Dabei steigt ein Kletterer von einem anderen gesichert hoch, hängt oben das Seil an der dafür vorgesehenen Befestigung ein und wird kontrolliert abgelassen, damit dann die anderen an dem als "Toprope" genutzten Seil nachklettern können. Die Beklagte kannte die insoweit einschlägigen Kletterkommandos und die Technik des Sicherns. Sie wusste, dass der Kletterer nicht aus der Sicherung genommen werden durfte und kannte auch die Bedeutung des im Klettersport einschlägigen Kommandos "Ab" für "Ablassen", wenn der Vorsteiger durch den am Karabiner befindlichen Mastwurf an dem von Hand fixierten Seil langsam abgelassen werden will. Das Kommando "Ab" für "Ablassen" hatte auch der Kläger beim gemeinsamen Klettern in der Halle ihr gegenüber schon benutzt. Sie hatte auch im Gelände schon Kletterpartner gesichert. Bei ihrer ersten gemeinsamen Klettertour draußen hatten die Parteien verschiedene Touren trainiert. Der Kläger als Vorsteiger hatte mit dem Kommando "Ab" sein Ablassen veranlasst und ihr erstmalig das von der Beklagten zuvor nicht trainierte Kommando "Stand" erklärt. Dabei gibt der Sichernde unten das Seil frei, da es nur erteilt wird, wenn sich der Vorkletterer einen sichern Stand verschafft hat. Die Beklagte wusste, dass sie die Sicherung nur dann lösen durfte, wenn der Vorsteiger das Kommando "Stand" gab. Der Kläger war dann als praktische Übung mit Sichtkontakt vorgeklettert und hatte das Kommando "Stand" gegeben.
4Am 12.04.2007 unternahmen der Kläger und der Zeuge H einen gemeinsamen Kletterausflug in das Klettergebiet M in der F, zu dem der Kläger die Beklagte einlud und mitnahm. Es sollte zum Einstieg die präparierte Route Nr. 11 mit dem Schwierigkeitsgrad 4 an einem 25 m hohen Kletterfelsen im Wege des Freikletterns bestiegen werden. Der Kläger kletterte als sogenannter Vorsteiger als Erster. Beide anderen Kletterer sollten nachsteigen. Die Beklagte übernahm seine Sicherung, indem an dem von ihr getragenen Hüftgurt das Sicherungsseil mittels Mastwurf an dem Karabinerhaken befestigt wurde. Der Zeuge H wollte fotographieren. Weitere Absprachen sind zwischen den Parteien streitig.
5Der Kläger legte beim Aufstieg eigene Zwischensicherungen, indem er das Seil mittels Expressschlingen in die am Felsen eingebohrten Bohrhaken hängte. Am Ende der Route hängte der Kläger, der sich außerhalb der Sichtweite der Beklagten befand, das Seil in die Umlenkung, rief der Beklagten das Kommando "Ab" zu und hing frei in der Luft. Zu dem Zeitpunkt hing das Seil nicht locker, jedoch bewirkte neben dem Gewicht des Klägers auch die von den diversen Zwischensicherungen verursachte Reibung Zug auf dem Seil.
6Die Beklagte fragte den etwa 10 m von der ihr entfernten Zeugen H dann: "Ab?" Dieser antwortete mit: "Ja" und widmete sich wieder dem Fotographieren. Die Beklagte löste daraufhin das Sicherungsseil, indem sie den Karabiner öffnete, das Seil aus dem Karabiner herausnahm und es losließ. Der Kläger stürzte zunächst gebremst durch die Reibung zwischen dem Seil und den eingehängten Zwischensicherungen, dann aber aus einer Höhe von ca. 15 m ungebremst zu Boden. Er zog sich eine Fersenbeinfraktur links mit Beeinträchtigung des Sprunggelenks und eine geschlossene Fraktur der LWK 1, 2, 3 zu. Der Kläger wurde bis zum 27.4.2007 stationär behandelt. Das linke Sprunggelenk wurde mit 11 Titanschrauben rekonstruiert, die bislang nicht entfernt worden sind. Ausweislich des Arztbriefs der Uniklinik Köln musste der Kläger den linken Fuß 6 Wochen nach der Entlassung schonen und die rückengerechte Mobilisation fortsetzen. Ausweislich der vorgelegten Krankengeldbescheinigung war er bis zum 18.8.2007 arbeitsunfähig. Zwischenzeitlich übt der Kläger das Freiklettern wieder als Freizeitaktivität aus, allerdings nur noch Toprope und fährt auch Fahrrad. Er geht wie früher 3 bis 4 mal wöchentlich ins Fitnessstudio zum Muskeltraining.
7Der Kläger behauptet:
8Er habe der Beklagten bei dem Kletterausflug in der F 12 Tage vor dem Unfall alle Seilkommandos einschließlich des Kommandos "Ab" ausführlich erklärt. Er habe die Beklagte auch darauf hingewiesen, dass sie den Vorsteiger niemals aus der Sicherung nehmen dürfe, bis eindeutig das Kommando "Stand" erteilt werde. Er habe die Beklagte vor dem Unfall gefragt, ob sie sichern könne, was diese bejaht habe. Es seien dann ohne konkrete Festlegung des Ablaufs die verschiedenen möglichen Routen besprochen worden.
9Er sei vom 12.4.2007 bis zum 18.8.2007 arbeitsunfähig gewesen. Nach seiner Entlassung aus stationärer Behandlung sei er zunächst bettlägerig und vollkommen auf fremde Hilfe angewiesen gewesen.
10Im Bereich der Fußverletzung sei eine beginnende Arthrose festgestellt worden. Er könne Sport und körperliche Arbeiten nur unter Schmerzen ausführen und sei wetterfühlig. Er habe auch heute noch permanent Schmerzen im Rücken und im linken Fuß. Die zweite Operation zur Entfernung der Schrauben und Platten sei nicht durchgeführt worden, weil mehrere von ihm konsultierte Ärzte davon ausgingen, dass die verbliebenen Schmerzen durch die Arthrose hervorgerufen seien, so dass eine Entfernung der Metallteile keine Besserung bringe. Eventuell müsse bei weiterem Anhalten oder Stärkerwerden der Schmerzen der Fuß versteift werden. Er nehme ab und zu Schmerzmittel, beschränke aber den Schmerzmittelgebrauch auf das Allernötigste. Durch den mit dem Training im Fitnessstudio verbundenen Muskelaufbau versuche er, die Schmerzen zu reduzieren.
11Am Anfang habe er durch Albträume begleitete Schlafstörungen gehabt. Die derzeitigen Schlafstörungen rührten daher, dass er im Liegen Schmerzen im Rücken und im Fuß habe. Die psychologische Behandlung sei nach 2 bis 3 Monate abgeschlossen gewesen. Beschwerden nach seinem ersten Kletterunfall im Jahr 2001 habe er 3 Jahre nach dem Unfall nicht mehr gehabt.
12Der Kläger beantragt,
131.
14die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts zu stellen ist, jedoch einen Betrag in Höhe von 23.000,00 € nicht unterschreiten sollte und welches ab dem 12.04.2007 mit drei Punkten über dem Basiszins- satz zu verzinsen ist.
152.
16Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Kletterunfall von 12.04.2007 noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte behauptet:
20Beim Klettern in der Halle und bei vier Klettertouren im Freien sei für das Ablassen kein feststehendes Kommando gegeben worden. Die Verständigung mit dem Sichernden über das Abseilen sei vom Kletterer auch durch Handzeichen und hin und wieder das Kommando "Herunterlassen" erfolgt. Auch bei dem Freiklettern im Freien mit dem Kläger habe immer Sichtkontakt bestanden.
21Am Unfalltag, dem 12.4.2007, sei sie als Kletteranfängerin sehr unsicher gewesen. Deshalb habe der Kläger die von ihm zu nehmende Kletterroute und die Aufgabe der Beklagten detailliert mit ihr besprochen. Der Kläger habe auf dieser Route mit Sichtkontakt vorklettern, sich sicheren Stand verschaffen und das Kommando "Stand" geben sollen. Der Kläger habe jedoch eine andere Route genommen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie im Falle einer Planänderung von den Mitkletterern informiert worden wäre. Das Kommando "Ab" sei ihr zwar bekannt gewesen, sie habe jedoch aufgrund der Absprache das Kommando "Stand" erwartet. Gegenüber dem Zeugen H habe sie mit einer Geste angedeutet, ob sie das Sicherungsseil lösen solle. Dieser habe genickt.
22Die Beklagte bestreitet die vom Kläger behaupteten Folgebeschwerden bzw. die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden, die vielmehr auf dem unstreitig vorangegangenen Unfall beruhten.
23Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17.06.2009 ( Bl. 142 GA) durch Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009 ( Bl. 162 GA) verwiesen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26Vorliegend war ein Teil- und Grundurteil zulässig. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der streitigen gesundheitlichen Dauerfolgen des Kletterunfalls für den Kläger noch nicht entscheidungsreif. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nach § 301 ZPO nur erlassen werden, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht ausgeschlossen ist, vgl. BGH, NJW 2004, 1452. Diese Gefahr besteht nicht bei gleichzeitiger Entscheidung des Leistungsantrags wie des Feststellungsantrags.
27Die Klage ist dem Grunde nach überwiegend begründet. Den Kläger trifft gemäß § 254 BGB ein sowohl bei der Bestimmung eines angemessenen Schmerzensgeldes als auch bei der Geltendmachung zukünftiger Schäden zu berücksichtigender Mitverschuldensanteil in Höhe von 25 %.
28Die Beklagte haftet grundsätzlich gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 BGB auf Schmerzensgeld für die von ihr rechtswidrig und schuldhaft verursachte Körperverletzung des Klägers. Unstreitig hatte sie die Sicherung des vorsteigenden Klägers übernommen und diesen entgegen des ihr nach eigenem Bekunden bei ihrer Anhörung bekannten Kletterkommandos "Ab" für "Ablassen" aus der Sicherung genommen, so dass dieser abgestürzt ist.
29Der Kläger ist durch den von der Beklagten durch Lösung der Sicherung verursachten Absturz unstreitig am linken Fußgelenk und der Lendenwirbelsäule verletzt worden. Eine anhaltende Traumatisierung hat der Kläger bei seiner Anhörung verneint. Die darüber hinaus vom Kläger behaupteten und für die Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes relevanten anhaltenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere dauernde Schmerzen und Bewegungseinschränkungen nebst schmerzbedingten Schlafstörungen sind streitig und bedürfen der gutachterlichen Abklärung.
30Die Beklagte hat die Körperverletzung durch ihr Fehlverhalten grob fahrlässig herbeigeführt. Nach ihren eigenen Angaben bei ihrer Anhörung kannte sie die Bedeutung der einschlägigen Kletterkommandos, insbesondere "Ab" für "Ablassen" und wusste, dass man den Vorsteiger nicht ohne sein ausdrückliches Kommando "Stand" aus der Sicherung entlassen darf. Einer Vernehmung der Zeugin Unger bedarf es nicht, da der Ablauf der früheren Klettertouren der Beklagten bereits durch die Aussagen der Zeugen C und X erwiesen ist und die Beklagte bei ihrer Anhörung zudem zugestanden hat, das Kletterkommando "Ab" und seine Bedeutung gekannt zu haben.
31Die Beklagte wird auch nicht durch ein durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände ausgelöstes Augenblicksversagen entlastet. Danach kann grobe Fahrlässigkeit ausscheiden, wenn ein ansonsten höchst konzentriert agierender Mensch für eine sehr kurze Zeitspanne die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unwillentlich außer Acht lässt, es sei denn diese Fehlleistung beruht auf grober Nachlässigkeit. Vorliegend hatte jedoch die Beklagte das im Rahmen ihrer Sicherungsaufgabe gegebene Kommando zwar richtig verstanden, jedoch infolge einer Kurzschlussreaktion falsch ausgeführt. Ein stillschweigender Haftungsausschluss wie er teilweise bei Gefälligkeitsfahrten und unentgeltlichen Hilfeleistungen für den Fall leichter Fahrlässigkeit angenommen wird, kommt gleichfalls nicht in Betracht.
32Vielmehr haftet ein Kletterer, der einen befreundeten Kletterer beim Freiklettern und Abseilen von einem Kletterfelsen unzureichend gesichert und dadurch seinen Absturz fahrlässig verursacht hat, grundsätzlich vollumfänglich für den Schaden. Die Haftung der Beklagten ist jedoch aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers gemäß § 254 BGB dem Grunde nach um eine Haftungsquote von 25 % reduziert.
33Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten sind die Grundsätze über die Haftungsbegrenzung gemäß § 254 BGB bei Wettkampfsportarten auf sogenannte "Parallelsportarten" mit strikter Aufgabenteilung zwischen den Sportlern nicht ohne weiteres anwendbar und finden auf den Streitfall keine Anwendung. Denn es handelte sich bei der gemeinsamen Klettertour nicht um eine schwere Bergtour im Sinne einer besonders waghalsigen und gefährlichen Unternehmung in schwierigem Gelände.
34Die höchstrichterliche Rechtsprechung bejaht ein "Handeln auf eigene Gefahr" im Sport bei besonders gefährlichen Sportveranstaltungen, insbesondere bei Wettkampfsportarten, vgl. BGHZ 39, 156, weil sich die Sportler bewusst in die Situation drohender Eigengefährdung begeben. Bei sportlichen Kampfspielen erkennt sie einen Haftungsausschluss für Verletzungen, soweit der Schädiger die Regeln der Sportart nicht verletzt hat, mit der Begründung an, dass der Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel grundsätzlich Verletzungen in Kauf nehme, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden seien, vgl. BGH, NJW 2003, 2018.
35Das Freiklettern gehört als sogenannte Parallelsportart nicht in den Bereich derartiger sportlicher Kampfspiele, da die Gruppenmitglieder nicht gegeneinander antreten, sondern mit verteilten Aufgaben gemeinsam klettern. Es ist nicht wie Ballspiele durch körperliche Berührungen und kämpferische Elemente beim "Kampf um den Ball" geprägt und hat keine für jeden Teilnehmer verbindlichen Spielregeln, die insbesondere durch das Verbot des so genannten "Fouls" auch auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler selbst ausgerichtet sind, vgl. BGH, NJW-RR 1995, 857, 858.
36Auch für parallel ausgeübten Sportarten wird ein konkludenter Haftungsausschluss der Teilnehmer untereinander bejaht, soweit es sich wie bei Autorennen um Veranstaltungen mit erkennbar erheblichem Gefahrenpotential handelt, weil typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, vgl. BGH, NJW 2003,2018,2020. Zwar besteht auch beim Klettersport ein Gefahrenpotential, da ein Kletterer bei Sicherungsfehlern abstürzen kann. Die Mitgliedern einer Klettergruppe müssen sich jedoch willentlich außergewöhnlichen Risiken ausgesetzt haben, um einen Haftungsausschluss anzunehmen, vgl. OLG München, NJWE-VHR 1996, 114. Vorliegend fehlen Anhaltspunkte für die Eingehung besonderer, nicht durch Sicherungsmittel sicher beherrschbarer Risiken. Im Gegensatz zu riskanten Gebirgsklettertouren birgt das Freiklettern in der von den Parteien als Freizeitsport betriebenen Form kein erhöhtes Gefahrenpotential. Die Kletterpartner wollten nacheinander bestimmte, in einem Kletterpark ausgewiesene Kletterpartien absolvieren. Zwar war das Gefahrenpotential gegenüber dem Toprope-Freiklettern in der Halle erhöht, weil größere Höhen erreicht wurden und nicht immer Sichtkontakt bestand. Die in Angriff genommene präparierte Route Nr. 11 hatte jedoch auf einer Skala von 1 bis 10 den Schwierigkeitsgrad 4 und war für einen ordnungsgemäß gesicherten Kletterer ohne besondere Gefährdung zu meistern.
37Aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten bei ihrer Anhörung ist ihr unfallursächliches Verhalten zudem nicht als nur geringfügig, sondern grob regelwidrig zu werten. Der Zeuge H hat in Übereinstimmung mit den Angaben der Parteien bei ihrer Anhörung bekundet, dass der Kläger ein eindeutiges, der Beklagten bekanntes Kommando gegeben hatte. Die Beklagte hat in Übereinstimmung damit bekundet, dass sie das Kommando "Ab" akustisch richtig verstanden hatte. Ihre Reaktion darauf war nach eigenen Angaben nicht regelgerecht. Die Aufgabe der Sicherung ohne entsprechendes Kommando war eine grobe, nicht sporttypische Fehlreaktion. Bei dieser Beurteilung spielt es eine wesentliche Rolle, dass die Beklagte ihre Entscheidung nicht in Sekundenbruchteilen treffen musste. Der Kläger hatte das Ende der Kletterstrecke erreicht und befand sich nicht in Gefahr. Er hatte ein eindeutiges Kommando gegeben, das ihr bekannt war und ein Lösen der Sicherung ausschloss. Zudem befand sich der Zeuge H, ein erfahrener Kletterer, in Rufweite und hätte die angesichts des fehlenden Sichtkontakts bestehende Unsicherheit der Beklagten bezüglich ihres weiteren Vorgehens auf Nachfrage jederzeit klären können.
38Dennoch ist dem Kläger als Geschädigtem ein mit schadensursächliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Denn er hat die Primärursache für die fatale Fehlentscheidung der Beklagten dadurch gesetzt, dass er bei fehlendem Sichtkontakt von dem gemeinsam gefassten Plan abgewichen ist, sich sicheren Stand zu verschaffen und die anderen nachklettern lassen.
39Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Aussage des Zeugen H fest, der in Übereinstimmung mit den Angaben der Beklagten bekundet hat, dass abgesprochen war, dass sich der Kläger oben sicheren Stand verschaffen und dann das Kommando "Stand" bzw. "Stand, Seil frei" geben sollte. Seine Planänderung beruhte auf der Tatsache, dass sich am Routenende eine zunächst übersehene Befestigungsmöglichkeit befand, die ein Abseilen ermöglichte. Insoweit bestehen angesichts der eindeutigen Kletterkommandos grundsätzlich keine Bedenken dagegen, dass der Vorsteiger aufgrund der vorgefundenen Situation vor Ort spontane Planänderungen vornimmt, da die insoweit eindeutigen Kletterkommandos dem Sichernden auch ohne Sichtkontakt eine Anpassung an die neuen Umstände ermöglichen.
40Dennoch führt die konkrete Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorliegend zu einer Haftungsquote von 25 % zulasten des Klägers von 25 %.
41Der bereits erörterte Verantwortungsanteil der Beklagten am Gesundheitsschaden des Klägers überwiegend den nachstehend erörterten Anteil des Klägers erheblich. Dem Kläger ist keine leichtfertige Selbstgefährdung vorzuwerfen. Denn er hat sich nicht leichtsinnig in eine Situation begeben, in der ein solcher Unfall typischerweise vorhersehbar war.
42Entgegen der zunächst aufgestellten Behauptung der Beklagten, war diese zwar Kletteranfängerin, hatte sich aber bereits theoretische und praktische Kenntnisse angeeignet. Sie kannte die einschlägigen Kletterkommandos und die Technik des Sicherns und war theoretisch auch im Gelände in der Lage, einen Kletterpartner ordnungsgemäß zu sichern. Mangels ausreichender Klettererfahrung im Freien war sie jedoch noch unsicher und im Sichern bei fehlendem Sichtkontakt ungeübt.
43Durch die spontane Planänderung entstand erkennbar die Gefahr einer Fehlreaktion im Sinne einer Kurzschlussreaktion der durch die Situation als Anfängerin überforderten Beklagten. Vorliegend hat sich das mit der aufgrund der Planänderung fehlenden Abstimmung der Beteiligten insbesondere bei Anfängern verbundene Risiko einer Fehlreaktion realisiert. Dem Kläger war bekannt, dass der Beklagten als Anfängerin noch die nötige Erfahrung fehlte, denn er hatte sich kurz zuvor beim gemeinsamen Klettern im Gelände einen eigenen Eindruck vom Kenntnisstand der Beklagten verschafft. Bei diesem Training im Freien hatte bei dem für sie neuen Kommando "Stand" Sichtkontakt bestanden. Die Beklagte hatte mangels Sichtkontakt schon beim Klettern Seil nach Gefühl nachgeben müssen, was aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung schwierig für sie war. Die Belastung des Seils durch den Kläger war für sie als unerfahrene Kletterin wegen der durch die diversen Zwischensicherungen verursachten Reibung nicht eindeutig spürbar. Mangels Sichtkontakt konnte sie die geänderte Situation nicht erkennen und mangels Mitteilung der Planänderung ging sie aufgrund der Absprache davon aus, der Kläger habe sich Stand verschafft und erwartete ein auf ein Lösen der Sicherung gerichtetes Kletterkommando. Sie hat bei ihrer Anhörung ausgeführt, dass sie davon überzeugt war, dass sie im Fall einer Planänderung in jedem Fall informiert worden wäre, weshalb sie eine solche ausschloss.
44Die Gefahr einer Fehlreaktion war aus Sicht des Klägers andererseits durch die Anwesenheit des Zeugen H verringert. Der Kläger konnte grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beklagte den Zeugen H als erfahrenen Kletterer im ZwFsfall zu Rate ziehen werde. Auch wenn die Beklagte aufgrund ihrer fehlenden praktische Erfahrung durch den Verlust des Sichtkontakts und das unerwartete Kommando "Ab" unsicher war, hätte sie die Sicherung keinesfalls vor eindeutiger Abklärung der Situation lösen dürfen. Denn sie wusste, dass das ihr unstreitig bekannte Kommando "Stand" nicht gegeben worden war und der durch sie gesicherte Kläger ohne ihre Sicherung abstürzen konnte. Sie musste sich deshalb vergewissern, ob ihre Interpretation des gegebenen Kommandos "Ab" zutraf und durfte sich nicht auf ein nicht eindeutiges Handzeichen anstelle einer konkreten Frage beschränken.
45Es kann dahinstehen, ob den Zeuge H eine Mitschuld an der Verletzung des Klägers trifft, da insoweit gemäß § 840 BGB vom Bestehen einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen wäre. Im übrigen bestand nach der insoweit mit den Angaben der Parteien übereinstimmenden Aussage des Zeugen H für diesen keine Veranlassung zu der Annahme, dass die Beklagte das Kommando "Ab" nicht befolgen, sondern den Kläger entgegen dem eindeutigen Kletterkommando aus der Sicherung nehmen würde.
46Der Feststellungsantrag ist begründet, da neue zukünftige Gesundheitsschäden für den Kläger aufgrund der Schwere der Verletzungen nicht auszuschließen sind. Auch hinsichtlich des Feststellungsantrags ist der Mitverschuldenseinwand relevant, so dass sich die Haftungsquote der Beklagten für zukünftige Schäden auf 75 % verringert.
47Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.