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l. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen,
DVD-ROM's mit komprimierten Videosignalen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
die für Vorrichtungen zum Empfang eines komprimierten Videosignals geeignet sind, das Informationen DT/DF enthält, die die Reihenfolge der Anzeige von dekomprimierten Halbbildern angeben,
wobei die Vorrichtung umfasst:
Mittel zum Empfang des komprimierten Videosignals,
Mittel, die auf das empfangene komprimierte Videosignal anspre-chen, um die Information DT/DF abzutrennen,
Mittel, die auf das empfangene komprimierte Videosignal anspre-chen, um das komprimierte Videosignal zu dekomprimieren und Ausgangs-Vollbilder des Videosignals zu erzeugen, und
Mittel, die auf die Information Dt/DF ansprechen, um die dekomprimierten Halbbilder in eine vorbestimmte Reihenfolge einzuordnen.
II Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Unterlas-sungsgebot wird den Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € - ersatzweise Ordnungshaft — oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist.
IIl. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer l. bezeichneten Handlungen seit dem 03.07.1998 begangen haben,
und zwar unter Angabe
aa) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer V or b e s i t zer,
bb) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
cc) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
dd) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, de¬ren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
ee) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Geste-hungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei
denn, diese könnten den unter Ziffer I. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden.
wobei
den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsemp¬fänger in der Rechnung enthalten ist.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. bezeichneten,seit dem 03.07.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
V. Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
VI. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagten zu 95 %.
VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 2.500.000,- € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 4.000,— €.
VIII. Der Streitwert wird auf 2.500.000,-€ festgesetzt.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 14.01.1993 am 10.01.1994 angemeldeten europäischen Patents X (im Folgenden: Klagepatent), dessen Erteilung am 03.06.1998 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt.
3Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent trägt die Bezeichnung "Vorrichtung zur Eliminierung von Halbbildern für ein Videokompressions-/Dekompressionssystem". Patentanspruch 5, der im Rechtsstreit vornehmlich interessiert, lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
4"Vorrichtung zum Empfang eines komprimierten Videosignals, das Informationen DT/DF enthält, die die Reihenfolge der Anzeige von dekomprimierten Halbbildern angeben, wobei die Vorrichtung umfasst:
5Mittel zum Empfang des komprimierten Videosignals;
6Mittel (60), die auf das empfangene komprimierte Videosignal ansprechen, um die Information DT/DF abzutrennen;
7Mittel (61, 62, 66), die auf das empfangene komprimierte Videosignal ansprechen, um das komprimierte Videosignal zu dekomprimieren und Ausgangs- Vollbilder des Videosignals zu erzeugen; und
8Mittel (63, 65, 66), die auf die Information DT/DF ansprechen, um die dekomprimierten Halbbilder in eine vorbestimmte Reihenfolge einzuordnen."
9Die nachfolgende Abbildung (Figur 6 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
10X
11Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, ist ein weltweit tätiges, auf die industrielle Fertigung optischer Speichermedien und ihren Vertrieb spezialisiertes Unternehmen. |n ihrem Presswerk, das zu den größten in Europa zählt, stellte sie im Jahre 2005 insgesamt 672.600.000 Discs, darunter 220.000.000 DVD* s, her.
12Zur Produktion benötigt und verwendet die Beklagte zu 1) eine Pressvorlage, die als "DLT-Tape", "DVD-R" oder "Master" bezeichnet wird. Angefertigt werden diese Vorlagen von sogenannten Authoring-Studios, die von den Kunden der Beklagten zu 1) - vielfach in analoger Form - Filmmaterial bzw. Videodaten sowie sonstige Daten, Designs und Software erhalten, die auf den zu pressenden DVD's enthalten sein sollen. Die X-Studios codieren die Rohdaten des aufgezeichneten Videofilms, formatieren die codierten Daten in ein DVD-Format und stellen damit die für die DVD-Serienproduktion notwendigen Pressvorlagen her. Nach Erhalt eines "DLT-Tapes", "DVD-RV oder "Masters" fertigt die Beklagte zu 1) zunächst einen "Glassmaster" an, aus dem anschließend ein "Stamper" (= Stempel) herstellt wird. Mit Hilfe dieses "Stampers", der ähnlich einer Matrize lediglich eine Negativabbildung der Dateninhalte der "DLT-Tapes", "DVD-RV oder "Master" ist, werden die Dateninhalte der ursprünglichen Vortage in einer automatischen Pressanlage unverändert in Kunststoffscheiben eingeprägt, die als DVD's aus dem Produktionsprozess hervorgehen und nach Auslieferung an die Kunden der Beklagten zu 1) z.B. in den Handel gelangen oder als Beilage in Zeitschriften ("X") verwendet werden. Die DVD's können auf handelsüblichen DVD-Playern abgespielt werden. Zu den X-Studios gehört die X, welche im Jahre 2001 von X, ihrem heutigen alleinigen geschäftsführenden Vorstand, gegründet wurde. Seit Mitte 2004 hält die Beklagte zu 1) insgesamt 51 % der Aktien; der Beklagte zu 2) ist ihr Aufsichtsratsvorsitzender. Die X bietet an und erbringt Leistungen des X und der Digitalisierung bis hin zur Herstellung eines "Masters", wobei sie u.a. den MPEG 2-Standard verwendet. Darüber hinaus vermittelt sie als unabhängiger Broker Aufträge zur Pressung optischer Speichermedien an verschiedene Presswerke.
13Die X ist Eigentümerin der Domain-Adressen www.X-deutschland.de und www.X.de. Die Beklagte zu 1) besitzt die Internet-Domain www.X.com. Wegen des genauen Inhalts der Intemetauftritte wird auf die zu den Akten gereichten Auszüge verwiesen. Am 19.07.2005 sandte die Firma X an die Adresse info@X-deutschland.de eine Anfrage zur Erstellung eines Angebots über die Herstellung einer DVD 5 bzw. DVD 9 in einer Stückzahl von 500, wobei sie angab, dass das DVD-Master von ihr auf DLT-Tape geliefert werden könne. Drei Tage später erhielt die X- ohne vorherige Mitteilung über eine Weiterleitung - von der X ein Angebot (Nr. 200507086). Nach dessen Annahme versandte die X am 29.07.2005 eine Auftragsbestätigung und am selben Tag sowie am 5.08.2005 Rechnungen. Die Auslieferung und die Ausstellung des Lieferscheins vom 31.08.2005 nahm die Beklagte zu 1) vor. Die Klägerin folgert aus der Internetgestaltung sowie dem Bestellvorgang der Firma X, dass zwischen der Beklagten zu 1) und der X eine mittäterschaftliche Arbeitsteilung bestehe.
14Da das Codierverfahren des Klagepatents zum MPEG 2-Standard gehöre, welcher nicht nur von der X, sondern ganz überwiegend auch von den anderen X-Studios angewandt werde, sei - so meint die Klägerin - nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei der Erstellung der Pressvorlagen, die die Beklagte zu 1) für ihre Geschäftstätigkeit benutze, eine Datenkompression vielfach auch in einer Weise angewandt worden sei, dass es zur Dekompression der codierten Daten beim Abspielen der anhand solcher Vorlagen gepressten PVD's einer Ausstattung des Players mit der patentgeschützten Vorrichtung bedürfe. Weil dem so sei, liege in dem Angebot und Vertrieb von DVD's, welche dem MPEG 2-Standard entsprechen, eine mittelbare Verletzung des Klagepatents.
15Vorliegend nimmt die Klägerin die Beklagten dementsprechend auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung in Anspruch.
16Die Klägerin beantragt - sinngemäß -, es zu unterlassen,
17DVD-ROM's mit komprimierten Videosignalen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, die zu einer Verwendung in Dekomprirnierungsvorrichtungen nach Anspruch 5 des Klagepatents bestimmt und geeignet sind.
18Darüber hinaus begehrt die Klägerin in Bezug auf die besagten Handlungen/Erzeugnisse für die Zeit seit dem 03.07.1998 Rechnungslegung und Schadenersatz sowie schließlich Vernichtung.
19Wegen der genauen Antragsfassung wird auf die Klageschrift vom 14.07.2005 (GA l 2-5) Bezug genommen.
20Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
21Sie bestreiten ihre Passivlegitimation. Das Authoring biete die Beklagte zu 1) weder an noch führe sie ein solches durch. Pressvorlagen stelle sie unstreitig nicht her. Sie verwende lediglich "DLT-Tapes", "DVD-RV und sonstige "Master" ihrer Kunden. Auf die Gestaltung und Anordnung der Dateien und insbesondere das dabei verwendete Codierverfahren habe sie keinerlei Einfluss; sie habe auch keine Kenntnisse von der jeweiligen "Entstehungsgeschichte" der ihr übergebenen "Master". Eine Einzelfallprüfung sei ihr angesichts der vielfältigen Codierverfahren nicht zumutbar. Soweit das Geschäftsfeld der X in Rede stehe, könnten deren Aktivitäten der Beklagten zu 1) weder aufgrund der gesellschafts- bzw. aktienrechtlichen Verknüpfungen noch aufgrund der Internetwerbung zugerechnet werden.
22Die Beklagten sind des weiteren der Ansicht, dass die angegriffenen DVD-ROM's keine tauglichen Objekte für eine mittelbare Verletzung des Vorrichtungsanspruchs 5 seien und die Voraussetzungen des § 10 PatG, insbesondere im Hinblick auf dessen
23subjektive Tatbestandsmerkmale, auch im Übrigen nicht gegeben seien. Unter Hinweis auf Art. 82 EG, §§ 19, 20 GWB berufen sie sich ferner auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Insoweit sind die Beklagten der Auffassung, dass weder der von der MPEG X (als zentraler Lizenzagentur für sämtliche Schutzrechte des MPEG 2-Standards) angebotene Standard-Lizenzvertrag noch das im Rechtsstreit abgegebene Einzellizenzangebot der Klägerin vom 19.10.2005 angemessen und diskriminierungsfrei sei. Statt dessen beziehen sich die Beklagten auf eigene Lizenzangebote, wegen deren genauen Inhalts auf die Schriftsätze vom 16.03.2006 (S. 42-43, GA l, 175-176) und 17.08;2006 (S. 82-84, GA II 375-377) Bezug genommen wird. Die Beklagten sehen etwaige Vertretungsrechte der Klägerin als erschöpft an, weil die Videodaten mit Hilfe von Encodern und Codierkarten bearbeitet würden, deren Hersteller Lizenznehmer der MPEG X seien und weil die auf dem Markt befindlichen Abspielgeräte sämtlich lizenziert seien. Schließlich erheben die Beklagten die Verjährungseinrede und machen geltend, dass in der abgestimmten Klageserie mehrerer Patentinhaber des MPEG 2-Pools, die insgesamt 15 in separaten Klagen verhandelte Patente zum Gegenstand habe, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liege.
24Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
25E n t s c he i d u n q s g r ü n d e:
26Die zulässige Klage hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
27Das Klagepatent betrifft ein System zur Beseitigung überzähliger Halbbilder eines Videosignals an einem Codierer und zur Wiederherstellung solcher (entfernter) Halbbilder an einem Decodierer.
28Sinn des Herausschneidens überzähliger Halbbilder ist es, den Komprimierungsgrad beim Codieren von Videosignalen zu optimieren. Die Klagepatentschrift erläutert insofern, dass z.B. bei der Film-in-Video-Umwandlung - wenn also ein Kinofilm Vorlage für die Videodaten ist - eine 3:2-Herabsetzung notwendig werden kann, bei der von 5 Video-Halbbildern, die aus zwei Film-Vollbildern gewonnen werden, eines überzählig ist. Die Entfernung solcher überzähligen Halbbilder führe - so heißt es - zu einer 20 %-igen Kompressionswirksamkeit. Aber auch dann, wenn Ausgangsmaterial kein Film, sondern die Aufzeichnung einer Videokamera sei, ergäben sich häufig überzählige "stehende" Bilder, die zum Zwecke der Datenkompression entfernt werden könnten.
29In seinem Patentanspruch 1 schlägt das Klagepatent dementsprechend eine Videosignal-Kompressionsvorrichtung vor, bei der Code-Worte DT/DF verwendet werden, um herausgeschnittene (überzählige) Halbbilder zu kennzeichnen. Patentanspruch 5 befasst sich alsdann mit einer Vorrichtung, die das Wiedereinfügen der beim Komprimieren entfernten Halbbilder im Zuge der Decodierung erlaubt. Er schützt in diesem Sinne eine
30(1) Vorrichtung zum Empfang eines komprimierten Videosignals.
31- (2) Das Videosignal enthält Informationen DT/DF, die die Reihenfolge der Anzeige von dekomprimierten Halbbildern angeben.
32(3) Die Vorrichtung umfasst:
33a.Mittel zum Empfang des komprimierten Videosignals,
34b. Mittel (60), die auf das empfangene komprimierte Videosignal ansprechen, um die Informationen DT/DF abzutrennen,
35c. Mittel (61, 62, 66), die auf das empfangene komprimierte Videosignal ansprechen, um das komprimierte Videosignal zu dekomprimieren
36d. und Ausgangs-Vollbilder des Videosignals zu erzeugen,
37e. Mittel (63, 65, 66), die auf die Information DT/DF ansprechen, um die dekomprimierten Halbbilder in eine vorbestimmte Reihenfolge einzuordnen.
38Entgegen der Ansicht der Beklagten beschränkt sich Merkmal (3a) nicht auf eine (antennenartige) Vorrichtung zum Empfang elektromagnetischer Wellen bei einer ter-restrischen Signalübertragung. Ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagten für ihr Verständnis keine einzige Textstelle der Patentschrift anführen können, ist es für einen Durchschnittsfachmann evident, dass sich das Klagepatent nicht auf eine bestimmte Art der Datenübertragung festlegt. Bereits in der Beschreibungseinleitung findet sich der ausdrückliche Hinweis nicht nur auf das Einsatzgebiet der Fernsehsignalübertragung, sondern gleichermaßen auf "Multimediazwecke, d.h. Computer-Verwendung". Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass die technischen Wirkungen der im Klagepatent unter Schutz gestellten Kompressions- und Dekompressionsein-richtungen sich nicht nur im Falle terrestrischer Übermittlung einstellen, sondern genauso dann, wenn die Videodaten auf einem Speichermedium (DVD) enthalten sind. Angesichts dessen fehlt nicht nur jeder Anlass für eine letztlich rein willkürliche Beschränkung des Patentschutzes; mit Rücksicht auf Aufgabe und Lösung verbietet sie sich sogar. Völlig zurecht steht die Klägerin vielmehr auf dem Standpunkt, dass die "Mittel zurrt Empfang des komprimierten Videosignals" jedes Vorrichtungsteil bezeichnen, das in der Lage ist, ein komprimiertes Videosignal - in welcher äußeren Form auch immer es vorliegt - in einer Weise aufzunehmen, dass es anschließend (nach Maßgabe der weiteren Anspruchsmerkmale des Klagepatents) weiterverarbeitet werden kann.
39II.
40Mit dem Angebot und Vertrieb von DVD-ROM's haben die Beklagten das Klagepatent mittelbar (§10 PatG) verletzt.
411.
42Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist zunächst davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) bei ihrer DVD-Herstellung auf "Master" zurückgegriffen hat, deren Videosignale in einer Weise codiert waren, dass es zur Wie-dergabe einer patentgemäßen Empfangseinrichtung im DVD-Player bedarf.
43a)
44Zwar trifft es zu, dass DVD-Abspielgeräte rückwärts, d.h. MPEG 1-kompatibel sind. Aus der Tatsache, dass die von der Beklagten zu 1) produzierten DVD's unstreitig von auf dem Markt befindlichen DVD-Geräten abgespielt werden können, lässt sich deswegen nicht der Schluss ziehen, dass jede einzelne von der Beklagten zu 1) in der Vergangenheit gefertigte DVD dem MPEG 2-Standard genügt Auf eine solche Feststellung kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allerdings auch nicht an. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin stellt der MPEG 2-Stan-dard jedenfalls das in der Praxis dominierende Codierverfahren dar. Dass der MPEG 1-Standard nach der Installierung der MPEG 2 Technik eine zahlenmäßig nennenswerte Bedeutung behalten hat und/oder sogar heute noch besitzt, machen auch die Beklagten nicht - zumindest nicht substantiiert - geltend. In Anbetracht dessen ist mit Rücksicht auf die umfangreiche Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1), die unstreitig eines der größten Presswerke in Europa betreibt, die tatrichterliche Feststellung gerechtfertigt, dass die Beklagte zu 1) in einer unbestimmten Anzahl von Fällen "Master" verwendet hat, die nach den Vorgaben des (aktuellen) MPEG 2-Standards codiert waren
45Der von der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO) ausgearbeitete MPEG 2-Standard befasst sich u.a. mit der Kombination eines oder mehrerer Datenströme zum Zwecke der Speicherung oder Übertragung (ISO/IEC 13818-1 "Systems"). Speziell für die Verarbeitung von Videosignalen enthält er darüber hinaus technische Vorschriften für die Bildkomprimierung und -dekomprimierung (ISO/IEC 13818-2 "Video"). Die Vorgaben des MPEG 2-Standards sind zwar nicht in dem Sinne zwingend, dass sie lediglich eine einzige Vorgehensweise - unter Ausschluss aller anderen — tolerieren. Im Gegenteil enthält der Standard an verschiedenen Stellen Optionen, von denen im Einzelfall (d.h. bei der Codierung konkreter Videodaten) Gebrauch gemacht werden kann oder nicht bzw. die nur unter speziellen Anwendungsbedingungen' bedeutsam sind, unter anderen hingegen nicht. Das gilt auch für den Video-Standardteil, der sich mit der vorliegend streitbefangenen Komprimierungstechnik befasst Die Klägerin selbst macht geltend, dass es einer durch das Klagepatent geschützten Kompressions- und Dekompressionsvorrichtung nur bedarf, wenn im Zuge der Codierung der Videosignale eine 3:2-Herabsetzung erforderlich ist, bei der überzählige Halbbilder anfallen. Notwendigkeiten zu einer Herabsetzung ergeben sich mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Frequenzen von Kino- und Fernsehbildern namentlich dann, wenn als Vorlage für die Videosignale von einem Filmmaterial ausgegangen wird. Entsprechend seiner Funktion, das technische Handeln auf dem betreffenden Gebiet zu vereinheitlichen, ist grundsätzlich der gesamte, Standard (einschließlich seiner Optionen) geeignet, eine Aussage darüber zu treffen, in welcher Weise bei Einhaltung des MPEG 2-Standards verfahren wird. Steht - wie hier - fest, dass ein Benutzer den MPEG 2-Standard beachtet, und ist des weiteren gesichert, dass eine mögliche dem Standard entsprechende Vorgehensweise zur (wortsinngemäßen oder äquivalenten) Benutzung des Klagepatents führt, so ist deshalb von einer Patentverletzung auszugehen, wenn der Umfang der Geschäftstätigkeit des Beklagten (oder sonstige vom Kläger darzulegende Umstände) den sicheren Schluss zulassen, dass die Vorgaben des Standards bei Ausübung der Geschäftstätigkeit in ihrer gesamten Breite ausgeschöpft worden sind. Dem Beklagten obliegt unter solchen Umständen der konkrete Vortrag dazu, dass und weshalb er bei der Befolgung des Standards die zur Merkmalsverwirklichung führende Option keinesfalls angewandt hat.
46b)
47Die Beklagten und ihr Privatgutachter ziehen - mit Recht - nicht in Zweifel, dass der MPEG 2-Standard für den Bedarfsfall ein Heraustrennen und späteres Wiedereinfügen überzähliger Halbbilder vorsieht, wie dies Gegenstand des Klagepatents ist. Zu verweisen ist insoweit auf Ziffer 6.3.10 "Bildcodierungsextension" des Standards. AaO heißt es unter "progressive_frame" (2. Abs.), "top_field_firsf (4. Abs.) und "re-peat_first_field" (5. Abs.):
48"Wenn progressive_frame auf 1 eingestellt ist, zeigt es an, dass die beiden Halbbilder (des Vollbildes) tatsächlich vom selben zeitlichen Moment wie das andere sind...."
49"Bei einem Vollbild zeigt top_field_first, die auf 1 eingestellt jst, an, dass das obere Halbbild des rekonstruierten Vollbildes das erste Halbbild ist, das vom Decodierungsverfahren ausgegeben wird...."
50Wenn progressive_sequence gleich 0 ist und progressivejframe gleich 1 ist:
51Wenn es (repeat_first_field) auf 1 eingestellt ist, besteht die Ausgabe des Decodierungsverfahrens, die diesem rekonstruierten Vollbild entspricht, aus drei Halbbildern. Das erste Halbbild (oberes oder unteres Halbbild, wie durch top_field_first identifiziert) wird von dem anderen Halbbild gefolgt, daraufhin wird das erste Halbbild wiederholt."
52Unbehelflich ist die Einlassung der Beklagten, die im MPEG 2-Standard berücksichtigte Komprimierungstechnik des Klagepatents sei veraltet und werde seit ca. 10 Jahren (d.h. schon zum Zeitpunkt der Patenterteilung im Jahre 1998!) nicht mehr angewandt; vielmehr liege das Bildmaterial, auch soweit es von Kinofilmen stamme, in Form von Vollbildern, bestehend aus zwei Halbbildern, mit der gewünschten Frequenz vor. Die Behauptungen der Beklagten werden bereits durch die Untersuchungsergebnisse der Klägerin zu dem Bestellvorgang "X" in Frage gestellt, die bestätigen, dass auch in jüngster Vergangenheit nach den gerade erläuterten Vorgaben des MPEG 2-Standards verfahren wird. Wesentlicher aber ist, dass sich der eigene Privatgutachter der Beklagten lediglich darauf bezieht (GutA S. 2, 17), dass "heutzutage" die 3:2-Formatrohversion nicht mehr dem Stand der Technik entspreche, so dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass ein DVD-Hersteller "heutzutage" noch DVD's herstelle, die auf einer 3:2-Formatumwandlung basieren. Vielmehr - so heißt es weiter - benutzten die "heutigen" Formatumwandlungsverfahren eine sog. bewegungskompensierte Zwischenbildinterpolation ohne 3:2-Pull-Down. Damit 'stimmt überein, dass das von dem Privatgutachter angeführte "Alchemist-Formumwandlungssystem" des Marktführers X ausweislich des Anhangs II zum Gutachten im Jahr 2004 als sechste Gerätegeneration beworben wird. Soweit im weiteren Text davon die Rede ist, dass die erste Produktgeneration im Jahr 1992 eingeführt wurde, stützt nichts die Annahme, dass bereits diese (erste) Version zur bewegungskompensierten Zwischenbildinterpolation ohne 3:2 Pull-Down in der Lage war. Im Gegenteil lässt die Bezugnahme des Gutachters auf die sechste Produktgeneration den Schluss zu, dass offenbar erst mit ihr das besagte Konvertierungsverfahren möglich geworden ist. Selbst wenn daher die vorstehend zitierten Behauptungen zutreffen, besagen sie nicht mehr, als dass die Beklagten in jüngster Vergangenheit mutmaßlich Bildmaterial verarbeitet haben, welches außerhalb des Klagepatents codiert worden ist. Keineswegs ausgeräumt ist damit der Umstand, dass die Verhältnisse in weiter zurückliegender Zeit anders waren. Der Gutachter der Beklagten weist selber darauf hin, dass das 3:2-Umwandlungsverfahren (des Klagepatents) zur Zeit der Etablierung des MPEG 2-Standards dem technisch Machbaren - und damit ersichtlich auch dem technisch Üblichen - entsprochen hat. Dass es jedenfalls in der Vergangenheit zu einer Verarbeitung von "Mastern" gekommen ist, die unter Anwendung des Klagepatents erstellt worden sind, liegt unter den gegebenen Umständen auf der Hand. Daran ändert auch nichts die Bemerkung des Privatgutachters, bewegungskompensierte Formatumwandler (deren Einsatz eine Berücksichtigung des Klagepatents überflüssig machen) seien seit mehreren Jahren "verfügbar". Aussagekräftig ist nicht die - mit der eingeblendeten Bemerkung allein angesprochene - Existenz einer Alternativtechnik, sondern deren tatsächliche Verbreitung im Markt. Hierzu verhalten sich die Beklagten nicht. Zu ihren Gunsten kann deswegen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die bewegungskompensierte Formatumwandlung die Technik des Klagepatents bereits zu einem Zeitpunkt verdrängt hatte, als die Beklagte zu 1) ihre DVD-Pressung aufgenommen - und nach dem Erwerb der Mehrheitsanteile an der X- fortgeführt hat. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass es außerhalb des Klagepatents die Möglichkeit gegeben hat, Filmmaterial unter Beachtung des MPEG 2-Standards im 3:2-Format zu codieren, wie dies der Privatgutachter (GutA S. 13 ff.) darlegt. Seine Ausführungen ziehen nicht in Zweifel, dass die patentfreie Vorgehensweise etwa das Verfahren der Wahl gewesen und daneben die Lehre des Klagepatents praktisch bedeutungslos oder nahezu bedeutungslos gewesen sei.
53c)
54Da der MPEG 2-Standard somit das Klagepatent umfasst und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer umfangreichen Geschäftstätigkeit auch von den das Klagepatent betreffenden Optionen des Standards Gebrauch gemacht hat, ist es Sache der Beklagten darzutun, dass es trotz Befolgung des MPEG 2-Standards nicht zu einer patentgemäßen Verfahrensführung gekommen ist. Dieser Darlegungslast sind die Beklagten nicht nachgekommen.
55Erfolglos wenden sie ein, zu den geforderten Darlegungen außerstande zu sein. Eine Erklärung mit Nichtwissen, wie sie von den Beklagten vorgebracht wird, sieht § 138 Abs. 4 ZPO nur für solche Tatsachen vor, die nicht eigene Handlungen der Partei betreffen oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Im Streitfall mag dies mit Rücksicht darauf zu bejahen sein, dass die Beklagte zu 1) im Zuge ihrer DVD-Herstellung das patentgemäße Codierprozedere nicht selbst anwendet. Auch wenn die Einzelheiten der Verfahrensführung beim Gebrauch der Kompressions- bzw. De-kompressionsvorrichtung keine "eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen" der Beklagten zu 1) sein mögen, scheidet eine Anwendung des § 138 Abs. 4 ZPO dennoch aus, wenn die Unkenntnis der sich mit Nichtwissen erklärenden Partei darauf beruht, dass sie bestehende Erkundigungspflichten verletzt hat. Solche Erkundigungspflichten werden in ständiger Rechtsprechung des BGH (BB 2001, 2187; NJW 1999, 1965; vgl. auch OLG Köln, NZG 2002, 870).angenommen, wenn es sich bei dem entgegnungsbedürftigen Sachverhalt um Vorgänge im Bereich von Personen -nicht nur der eigenen, sondern auch einer fremden Firma - handelt, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung derjenigen Partei tätig geworden sind, die sich im Prozess zu den Behauptungen des Gegners zu erklären hat. Von einer solchen Sachlage ist jedenfalls für den Zeitraum ab Mitte 2004 auszugehen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1) seit dieser Zeit mit 51 % des Aktienbestandes Mehrheitsgesellschafterin der im Bereich des Authoring tätigen X AG ist. Gemäß §§ 17 Abs. 2,16 Abs. 1 AktG hat dies zur Folge, dass kraft Gesetzes ein Beherrschungsverhältnis vermutet wird, demzufolge die Beklagte zu 1) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die X AG ausübt (§17 Abs. 1 AktG). Die Vermutung ist im Streitfall unwiderlegt. Zwar machen die Beklagten - pauschal - geltend, dass die X AG den Weisungen der Beklagten zu 1) nicht unterstehe. Die Einlassung ist jedoch unzureichend, weil mit ihr auch lediglich das Fehlen eines Beherrschungsvertrages im Sinne von § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG gemeint sein kann, was einen beherrschenden Einfluss nach § 17 Abs. 1 AktG nicht ausräumen würde. Darüber hinaus kann der Vermutungstatbestand nicht mit der Behauptung beseitigt werden, ein beherrschender Einfluss werde tatsächlich nicht ausgeübt; vielmehr muss die Unabhängigkeit des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens rechtlich abgesichert sein (Bayer in MK zürn AktG, 2. Aufl., § 17 Rn. 93 f.). Zu letzterem verhält sich der Sachvortrag der Beklagten in keiner Weise. Steht infolgedessen für die rechtliche Beurteilung fest, dass die X AG seit Mitte 2004 von der Beklagten zu 1) beherrscht wird, so ist damit zugleich die Feststellung gerechtfertigt, dass die X AG - die zweifelsfrei Kenntnis über die Details der Datencodierung hat - im Sinne der besagten Rechtsprechung "unter der Verantwortung" der Beklagten zu 1) ihre Geschäftstätigkeit ausgeübt. Belanglos ist die - ohnehin nicht näher substantiierte - Einlassung der Beklagten, nur in geringem Umfang mit der X AG als Authoring-Studio zusammengearbeitet zu haben. In Anbetracht der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung verstrichenen Zeit von weit mehr als 2 Jahren und des erheblichen Ausmaßes der Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1) besagt das - pauschale - Vorbringen der Beklagten schon nicht, dass etwa nur ganz vereinzelt auf "DLT-Tapes", "DVD-RV und "Master" der X AG zurückgegriffen worden ist. Selbst wenn dem jedoch so gewesen sein sollte, wäre den Beklagten immer noch vorzuwerfen, dass sie sich zu den "Mastern" der Clusterwork AG nicht mit Nichtwissen erklären durften, sondern unter Beachtung der Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO konkret dazu hätten vortragen müssen, ob bei der Herstellung der "Master" von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht worden ist oder nicht.
562,
57Die von der Beklagten zu 1) angebotenen und gelieferten DVD-ROM's erfüllen die
58Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 PatG.
59a)
60Für die rechtliche Beurteilung ist von folgenden technischen Gegebenheiten auszugehen:
61Filmaufzeichnung
62Zunächst wird ein Spielfilm mittels einer Kamera aufgezeichnet. Entweder handelt es sich um einen auf Magnetband (analog) gespeicherten Film oder um einen mit einer digitalen Kamera aufgenommenen Videofilm, wobei die Bildpunkte 1:1 mit allen zugehörigen Informationen (wie z.B. Helligkeit, Farbe etc.) auf einem Band bzw. einer Kassette namens "X" abgespeichert sind.
63Codierung
64Im Anschluss erfolgt die Codierung des Videofilms, der sich ein Autho-ring-Studio widmet. Das Codierverfahren geschieht unabhängig von der ursprünglichen Aufzeichnungsart in einer in einem PC eingebrachten Codier- bzw. Encodersteckkarte. Dort werden das Ausgangsmaterial bzw. die primären Quelldaten komprimiert, nach dem MPEG 2-Stan-dard codierte Daten erzeugt und diese gespeichert. Die Codierung gemäß dem MPEG 2-Standard liefert unstreitig eine Datenmenge, die gegenüber der ursprünglichen Datenmenge um mehr als 90% reduziert ist.
65Speicherung der codierten Daten
66Die MPEG 2-codierten Daten werden nachfolgend auf der Festplatte gespeichert
67DVD-Formatierung
68und sodann in das DVD-Format formatiert. Diese Formatierung geschieht ohne Veränderung oder (weitere) Bearbeitung der codierten MPEG 2-Daten. Der Sinn der DVD-Formatierung liegt in der "verlustfreien" Speicherung der gemäß MPEG 2-Standard codierten Daten auf einer DVD und deren "verlustfreien" Wiedergabe auf einem DVD-Abspielgerät.
69Master
70Das Authoring-Studio fertigt nach der DVD-Formatierung ein "DLT-Tape", eine "DVD-R" oder ein "Master" an, auf dem die gemäß dem MPEG 2-Standard codierten Daten gespeichert sind. Die "Master" werden entweder an den Kunden oder direkt an ein Presswerk ausgeliefert.
71Glassmaster
72Das "DLT-Tape", die "DVD-R" oder der "Master" dienen als Pressvortage für die von der Beklagte zu 1) serienmäßig vorgenommene Pressung des Endproduktes, der DVD. Die Beklagte zu 1) verwendet die "Master" dabei zunächst, um einen "Glassmaster" zu erstellen.
73Stamper
74Der "Glassmaster" bildet sodann die Vortage für die Herstellung eines "Stamper" (= Stempel), bei dem es sich - ähnlich einer Matrize - lediglich um eine Negativabbildung der Dateninhalte der "DLT-Tapes", der "DVD-RV oder der "Master" handelt.
75DVD
76Mit Hilfe des "Stampers" werden in der automatischen Pressanlage der Beklagten zu 1) die Dateninhalte der ursprünglichen Pressvorlage unverändert in Kunststoff- bzw. Polycarbonatscheiben eingeprägt, die als DVD's aus dem Produktionsprozess hervorgehen. Die DVDs werden sodann von der Beklagten zu 1) an die Kunden ausgeliefert und können auf handelsüblichen DVD-Playern abgespielt werden.
77b)
78Die DVD-ROM's der Beklagten zu 1) stellen "Mittel" dar, "die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung" des Klagepatents "beziehen". Auf die von den Beklagten aufgeworfene Unterscheidung - DVD-ROM, DVD-Audio und DVD-Video - kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist allein das Vorhandensein von codierten Videodaten.
79aa)
80Die Beklagten meinen, die mittelbare Patentverletzung setze voraus, dass das in Rede stehende Mittel (hier: die DVD) ein Anspruchsmerkmal des Klagepatents (hier: der durch Patentanspruch 5 geschützten Empfangs- und Dekompressionsvorrichtung) selbst verwirklicht.
81Dem ist zu widersprechen. Zwar sind typische und in der Rechtsprechung anerkannte Fälle mittelbarer Patentverletzung denkbar, bei denen das Mittel als solches eines (oder mehrere) der Anspruchsmerkmale des geltend gemachten Patentanspruchs benutzt. Derartiges ist z.B. bei einem Kombinationspatent gegeben, wenn ein Vorrichtungsteil angeboten oder geliefert wird, das mit weiteren Vorrichtungsteilen (die sich bereits im Besitz des Angebotsempfängers bzw. Abnehmers befinden oder diesem von dritter Seite zugeliefert werden sollen) zu der patentgeschützten Gesamtkombination zusammengefügt werden kann. Als mittelbare Patentverletzung werden - darüber hinaus - aber auch solche Sachverhaltsgestaltungen behandelt, bei denen sich in dem angebotenen oder gelieferten Mittel nicht notwendigerweise ein Anspruchsmerkmal unmittelbar verwirklicht. Exemplarisch ist auf die Lieferung einer Vorrichtung zu verweisen, mit der ein patentgeschütztes Verfahren ausgeübt werden kann, oder auf das Anbieten einer Maschine, mit der sich ein patentgeschützter Gegenstand herstellen lässt. Insbesondere im zuletzt genannten Fall wird sich an der Produktionsvorrichtung im Zweifel kein Anspruchsmerkmal des auf das Produktionsergebnis bezogenen Patentanspruchs feststellen lassen.
82Die Sicht der Beklagten verträgt sich auch nicht mit der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2004, 758 - Flügelradzähler; 2004, 845 - Drehzahlermittler), wonach die geforderte Beziehung des Mittels zu einem wesentlichen Erfindungselement bereits dann gegeben ist, wenn sich das Mittel dazu eignet, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. In den Urteilsgründen (Flügelradzähler, aaO zu II.2.b) ist dieser Gedanke dahin ausgeführt, dass §10 PatG einen Gefährdungstatbestand zum Inhalt hat, der darauf abzielt, den Schutzrechtsinhaber im Vorfeld einer unmittelbaren Patentverletzung (§ 9 PatG) vor einem drohenden Eingriff in sein Patent zu schützen. Das "Vorfeldverbot" - so heißt es - beziehe sich auf die Lieferung solcher Mittel (Gegenstände), die nach ihrer Wirkungsweise geeignet sind, einen (unmittelbaren) Eingriff in den Schutzgegenstand des Patents nach sich zu ziehen. Auch bei Berücksichtigung dieser Erwägungen kommt es nicht darauf an, ob das Mittel für sich ein Anspruchsmerkmal realisiert. Entscheidend ist allein, ob das Mittel imstande ist, in der Hand des Abnehmers zu einer unmittelbaren Benutzung des Patents beizutragen oder diese zu fördern (BGH - Flügelradzähler, aaO zu ll.2.b am Ende).
83Mit Blick auf die streitbefangenen DVD-ROM' ist solches zweifelsfrei der Fall. Entsprechen die DVD's den maßgeblichen Teilen des MPEG 2-Standards und werden sie in ein DVD-Gerät eingelegt, das - serienmäßig - mit einer erfindungsgetreuen Empfangs- und Dekompressionsvorrichtung ausgestattet ist, so kommt es unweigerlich dazu, dass die patentgeschützte Decodierungsvorrichtung in Funktion genommen wird. Patentrechtlich betrachtet liegt darin ein Gebrauchen des im Anspruch 5 des Klagepatents unter Schutz gestellten Gegenstandes - womit eine unmittelbare Benutzungshandlung im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG gegeben ist, die durch den Vertrieb der DVD's nicht nur irgendwie gefördert, sondern sogar entscheidend veranlasst wird.
84bb)
85Zu Unrecht bestreiten die Beklagten in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines "Mittels". Selbst wenn es insofern - wie die Beklagten meinen - eines körperlichen Gegenstandes bedürfen sollte (vgl. BGH, GRUR 2001, 228, 231 - Luftheizgerät; Kammer, InstGE 1, 26 - Cam-Carpet), lässt sich ein eben solcher im Streitfall nicht verneinen. Für die rechtliche Betrachtung ist nämlich nicht auf die Videosignale oder Daten im Sinne rein virtueller Gedanken ohne jegliche Materialisierung abzustellen. Schutz wird von der Klägerin vielmehr zu Recht für die mittels der klagepatentgemäßen Empfangsvorrichtung zu dekomprimierenden Informations- und Aufzeichnungsstrukturen reklamiert, die auf einem Aufzeichnungsträger - hier den DVD-ROM's -vorhanden und erst aufgrund dessen für die Dekompressionseinrichtung verarbeitbar sind.
86Anspruch 5 des Klagepatents betrifft eine Empfangsvorrichtung, die in der Lage ist, überzählige Halbbilder, die bei der Codierung des Videosignals entfernt worden sind, beim Dekomprimieren der Videodaten wieder einzufügen. Die patentgeschützte Einrichtung setzt damit - erst recht, soweit sie ihre Verwendung im Bereich der DVD-Technik findet - eine Aufzeichnungsstruktur mit physikalischen Eigenschaften voraus, welche die optische Auswertbarkeit der mittels der Aufzeichnungsstruktur gespeicherten Informationen verbessern (vgl. BGH, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger). Bei den erfindungsgemäßen Informations- bzw. Aufzeichnungsstrukturen han-. delt es sich um Speicherkapazitäten beanspruchende Informationseinheiten, die auf dem jeweiligen Speichermedium körperlich durch Speichereinheiten festgehalten werden und - nur- infolge des Speicherplatzes existieren. Die zu übertragenden, aufzunehmenden, zu speichernden und wiederzugebenden Videodaten sind Informationen in Folge von Zeichen, die auf einem Magnetband als Übergang zwischen zwei Zuständen von Magnetisierung oder auf einer optisch auslesbaren Platte als Übergang zwischen Orten optisch unterschiedlich aktiver Bereiche vorhanden sind. Die Aufzeichnungsträgerweisen eine durch verschiedene Magnetisierungszustände oder durch bestimmte Vertiefungen ("Pits") und Erhebungen ("Lands") in der Laufspur hervorgerufene räumlich-körperliche Struktur auf, weswegen die codierte bzw. komprimierte Informationsstruktur auf dem Aufzeichnungsträger gegenständlich vorhanden ist. Die Ausbildung dieser gegenständlichen Informations- und Aufzeichnungsstruktur ist Voraussetzung für das Wirken der erfindungsgemäßen Vorrichtung, welche die zunächst in patentgemäßer Weise codierten und komprimierten Daten auf Empfängerseite dekomprimieren soll. Um eine solche Dekompression fehlerfrei zu ermöglichen, bedarf es einer Materialisierung bzw. Perpetuierung der codierten sowie komprimierten Daten, Die Codierung darf - mit anderen Worten - nicht nur rein gedanklicher oder flüchtiger Art sein, da anderenfalls die Wiedergabe des Videofilms auf einem beliebigen Abspielgerät nicht möglich wäre. Wie die Informations- und Aufzeichnungsstruktur bzw. die magnetisch aktiven öder nicht aktiven bzw. optisch aktiven bzw. nicht aktiven Bereiche "zu lesen" sind, ergibt sich aus der technischen Konvention.
87c)
88Aus dem unter b) Ausgeführten ergibt sich zugleich, dass die angegriffenen DVDROM's objektiv dazu geeignet sind, für die unmittelbare Benutzung von Patentanspruch 5 des Klagepatents (in der Handlungsalternative des Gebrauchens der patentgeschützten Empfangsvorrichtung) verwendet zu werden.
89Es ist des weiteren unbestreitbar, dass die Beklagte zu 1) die DVD-ROM's - ohne Zustimmung der Klägerin - potentiellen Kunden (z.B. über ihren Internetauftritt) anbietet und - im Falle einer Auftragsvergabe - auch liefert.
90Wie der Bestellvorgang "X" beweist, richtet sich das Angebot der Beklagten zu 1) selbstverständlich auch an inländische Interessenten; auch die Beklagten selbst machen Gegenteiliges nicht geltend. Sie wenden lediglich ein, dass es außerhalb ihres Kenntnis- und Einflussbereiches liege, ob der von ihnen "belieferte" Auftraggeber die DVDxs an einen Kunden im In- oder Ausland aushändige. Richtig daran ist, dass eine mittelbare Patentverletzung nur vorliegt, wenn die vom Abnehmer des Mittels vorgesehene Benutzung im Inland stattfinden soll (BGH, GRUR 2005, 845 - Abgasreinigungsvorrichtung), weil ansonsten kein Gefährdungstatbestand für eine dem PatG unterfallende unmittelbare Patentverletzung gegeben ist, der mit § 10. PatG - im Vorfeld - begegnet werden soll (Kammer, InstGE 2, 82 - Lasthebemagnet). Für die mit der Klage verfolgten Ansprüche bedarf es jedoch nicht der Feststellung, dass jeder von der Beklagten zu 1) ausgeführte Auftrag den erforderlichen Inlandsbezug aufgewiesen hat. Vielmehr genügt ein einziger Angebots- oder Lieferfall, der den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 PatG genügt das es einen solchen gegeben hat, ist offensichtlich und wird auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt. Sie selbst machen nicht geltend, ausschließlich an Auftraggeber geliefert zu haben, deren Kunden die DVD-ROM's im Ausland verwendet haben. Soweit es solche Fälle gegeben haben sollte, ist es Aufgabe der späteren Rechnungslegung durch die Beklagten, den genauen Umfang der inlandsrelevanten (allein mittelbar patentverletzenden) Angebote und Lieferungen zu klären.
91d)
92Erfolglos bleibt der Einwand der Beklagten, deshalb "an einen zur Benutzung der Erfindung Berechtigten" geliefert zu haben, weil die DVD-Abspielgeräte mit Zustimmung der Klägerin durch Lizenznehmer des MPEG 2-Pools in Verkehr gelangt sind.
93Die Beklagten übersehen bei ihrer Argumentation, dass es nach der unzweideutigen Gesetzesformulierung auf die Benutzungsberechtigung ihres Angebotsempfängers bzw. Abnehmers ankommt - und nicht darauf, ob der letztliche Verwender der DVD s durch ein (z.B. aus Erschöpfungsgesichtspunkten herzuleitendes) Benutzungsrecht gedeckt ist. Da die Auftragsgeber der Beklagten zu 1) ersichtlich keinen Verwen-derstatus im genannten Sinne haben, sondern die DVD-ROM^s ihrerseits weitergeben, geht der Hinweis auf die lizenzierten Abspielgeräte von vornherein fehl. Er verhilft den Beklagten auch nicht im Hinblick darauf zum Erfolg, dass die Verwender der DVD* s vielfach Privatpersonen sein werden, gegen die sich die Vertretungsrechte aus einem Patent nicht richten (§11 Nr. 1 PatG). Wie die Klägerin zutreffend bemerkt, stellt § 10 Abs. 3 PatG klar, dass Personen, die durch § 11 Nr. 1 bis 3 PatG privilegiert sind, im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG nicht als Personen gelten, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind. § 10 Abs. 1 PatG greift nach dem Willen des Gesetzgebers - mit anderen Worten - auch dann ein, wenn feststeht, dass eine unmittelbare Patentverietzung nicht stattfinden wird, weil das gelieferte Mittel z.B. im nichtgewerblichen Bereich zu privaten Zwecken zum Einsatz kommen soll.
94e)
95Die Auftraggeber der Beklagten zu 1) bestimmen die ihnen gelieferten DVD-ROM's subjektiv zu einer - direkten oder (Vermittelt über weitere Handelsstufen) indirekten -Weitergabe an Personen, welche die DVD's - sei es im gewerblichen oder im privaten Bereich - bestimmungsgemäß abspielen. Sind die auf der betreffenden DVD gespeicherten Videosignale nach den Vorgaben des Klagepatents komprimiert, so werden sie in der erfindungsgemäßen Empfangsvorrichtung des DVD-Players unwillkürlich dekomprimiert. Weil der besagte Ursachenzusammenhang ein unausweichlicher ist, rechtfertigt sich bereits mit Bezug auf die Abnehmer der Beklagten zu 1) die Feststellung, dass ihr Benutzungswille für nach Maßgabe des Klagepatents hergerichtete DVD-ROM's dahin geht, die patentgemäße Dekompressionsvorrichtung — unmittelbar patentbenutzend - in Gebrauch zu setzen (vgl. Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 10 PatG Rn. 8; Scharen, GRUR 2001, 995).
96f)
97Ob diese Verwendungsabsicht den Beklagten bekannt ist, bedarf im Entscheidungs-fall keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls ist der auf einen unmittelbar patentbenutzenden Gebrauch der erfindungsgemäßen Dekompressionsvorrichtung bezogene Verwendungswille der von der Beklagten zu 1) belieferten Abnehmer aufgrund der Umstände offensichtlich. Die Offensichtlichkeit ergibt sich zum einen daraus, dass die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer umfangreichen Geschäftstätigkeit zweifellos DVD-ROM's gepresst hat, bei denen von dem patentgemäßen Kompressions- und Dekompressionsprozedere Gebrauch gemacht worden ist, und folgt zum anderen daraus, dass eine derartige DVD, wenn sie abgespielt wird, unvermeidlich zum Gebrauch der in jedem DVD-Player vorhandenen Empfangsvorrichtung nach Anspruch 5 des Klagepatents führt. Mit Rücksicht hierauf gilt im Streitfall die in der Rechtsprechung anerkannte Regel, dass die subjektive Bestimmung des Abnehmers zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung eines angebotenen oder gelieferten Mittels aufgrund der Umstände offensichtlich ist, wenn das Mittel ausschließlich patentverletzend verwendet werden kann und folgerichtig auch tatsächlich beim Abnehmer ausschließlich patentverletzend verwendet wird (BGH, GRUR 2005, 848 -Antriebsscheibenaufzug). Soweit die Kammer es in der Entscheidung "Unterstretch" (InstGE 5, 1) für maßgeblich gehalten hat, ob die Verwendungsbestimmung für den Anbietenden bzw. Lieferanten in seiner konkreten Angebots- bzw. Liefersituation erkennbar war, und - ausgehend davon - die Offensichtlichkeit in einem Fall verneint hat, in dem die gelieferte Vorrichtung, mit der das patentgeschützte Verfahren ausgeübt werden konnte, ein Zukaufteil war, das nie im Besitz des Anbietenden gewesen, sondern von dem Zulieferanten direkt an den Abnehmer ausgehändigt worden ist, rechtfertigt dies keine andere, den Beklagten günstige Beurteilung. Denn den Beklagten ist und war selbstverständlich der MPEG 2-Standard - und damit auch das zu ihm gehörende, für die Datenkomprimierung bedeutsame Klagepatent - bekannt. Es mag ihnen ggf. das Wissen gefehlt haben, welche konkrete von der Beklagten zu 1) gepresste DVD der technischen Lehre des Klagepatents folgt; angesichts der Bedeutung des MPEG 2-Standards 'steht aber außer Frage, dass den Beklagten be-wusst war, dass die Großzahl ihrer Pressaufträge den MPEG 2-Standard - und mithin auch das Klagepatent - berücksichtigen. Die Rechte aus dem Klagepatent sind - anders als die Beklagten meinen - nicht erschöpft - weder dadurch, dass die den DVD-ROM's zugrunde Hegenden "Master" in einem Codierer unter Einsatz von Codierkarten {im folgenden; Codiergeräte) hergestellt worden sind, für die die Anbieter der Codiergeräte (Philips, Pinnacle Systems, Sonic Solutions) eine Lizenzvereinbarung mit der MPEG X getroffen haben, noch dadurch, dass die DVD's in Geräten abgespielt werden, die aufgrund einer Lizenz der MPEG X in Verkehr gelangt sind.
981.
99Grundsätzlich werden die Vertretungsrechte aus einem Patent konsumiert, sobald
100der Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung ein Dritter (beispielsweise ein Lizenznehmer im Rahmen der ihm erteilten Benutzungsbefugnis) den geschützten Gegenstand in Verkehr gebracht hat. Besonderheiten gelten allerdings für Verfah-renspatente. Sie werden nicht dadurch verbraucht, dass die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens oder das aus der Verfahrensanwendung hervorgegangene Erzeugnis (§ 9 Satz 2 Nr. 3 PatG) in den Handelsverkehr gelangen (BGH, GRUR 1980, 38 - Fullplastverfahren; 2001, 223 - Bodenwaschanlage). Das dem Willen des Patentinhabers entsprechende Inverkehrbringen unmittelbarer Verfahrenserzeugnisse erschöpft ausschließlich die Vertretungsrechte an diesen Erzeugnissen selbst (Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 9 PatG Rn. 151; Benkard, aaO, § 9 PatG Rn. 25).
101.2.a)
102Vorliegend sind die "Master" - als unmittelbare Erzeugnisse des patentgeschützten Herstellungsverfahrens - nicht mit Zustimmung der Klägerin in Verkehr gelangt.
103Auszugehen ist insoweit von dem Sachvortrag der Klägerin, dass die Bedingungen der den Codiergeräteherstellern verliehenen Lizenz mit dem Inhalt des im Rechtsstreit überreichten Standard-Lizenzvertrages übereinstimmen. Die Beklagten ziehen dies zwar in Zweifel und verlangen von der Klägerin eine Vortage der mit den Codiergeräteherstellern abgeschlossenen Lizenzverträge. Eine Rechtsgrundlage für dieses Begehren besteht jedoch nicht. Selbst wenn mit Rücksicht auf die BGH-Entscheidung "Restschadstoffentfemung" (GRUR 2006, 962) angenommen wird, dass eine Anordnung nach § 142 ZPO bereits dann in Betracht kommt, wenn lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die behauptete und mittels der vorzulegenden Unterlage aufzuklärende Tatsache spricht, verbietet sich eine Vorlegungsanordnung im Streitfall, weil die Beklagten für einen von den Behauptungen der Klägerin abweichenden Vertragsinhalt nicht einmal auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutungen anstellen können. Ihr Ansinnen läuft vielmehr auf eine reine Ausforschung hinaus, die auch im Anwendungsbereich des § 142 ZPO unzulässig ist. Die Bedingungen des Standard-Lizenzvertrages berechtigen gemäß Ziffer 2.3 (lediglich) zur Herstellung, zum Verkauf, zum Angebot und zum sonstigen Vertrieb von Codierungsprodukten, Übertragungscodierungsprodukten, Codierungssoftware und gebündelter Codierungssoftware, wohingegen der Gebrauch der lizenzierten Produkte nur zu anderen Zwecken als der Codierung eines MPEG 2-Videoereignisses auf einem MPEG 2-gepackten Medium erlaubt ist. Ausdrücklich beinhaltet die Lizenz nicht die Erlaubnis zur Codierung eines oder mehrerer MPEG2-Videoereignisse zur Aufnahme auf einem MPEG 2-gepackten Medium durch gewerbliche Kunden der Codiergeräte-Lizenznehmer. Vor dem Hintergrund dieser Beschränkungsregelung geht der Einwand der Beklagten fehl, die den Codiergeräteherstellern eingeräumte Lizenz umfasse auch den Gebrauch der lizenzierten Geräte auf der Abnehmerstufe, weil der Verkauf eines Codiergerätes wirtschaftlich nur Sinn mache, wenn die veräußerte Vorrichtung auch in Betrieb genommen werden dürfe. Abgesehen davon, dass die Lizenzvertragsparteien vertraglich etwas anderes vereinbart haben, ist darauf zu verweisen, dass sich die Benutzungserlaubnis auf der Stufe der Codiergeräteabnehmer selbstverständlich aus einer eigenen Lizenznahme am Klagepatent (für eben den Gebrauch des erworbenen Codiergerätes) ergeben kann. Wie die Klägerin dargetan hat, entspricht es auch der Praxis, dass Authoring-Studios an den Schutzrechten des MPEG 2-Standards eine auf die Benutzung der Codiergeräte begrenzte Lizenz erteilt wird.
104b)
105Gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Vertraglichen Lizenzbeschränkung sind unter diesen Umständen rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Grundsätzlich steht es dem Patentinhaber als Ausfluss seiner alleinigen Verfügungsmacht über den Erfindungsgegenstand frei, den Inhalt der Lizenzgewährung nach seinem Ermessen zu bestimmen (vgl. Benkard, aaO, § 15 PatG Rn. 61). Die Erschöpfung reicht infolge dessen nur so weit wie die von der Lizenzerteilung erfassten Benutzungshandlungen (Benkard, aaO, Rn. 72). Erzeugnisse, die unter Missachtung der eingeräumten Lizenzbefugnisse in den Verkehr gelangt sind, verletzen das Patent. Sie werden nicht gemeinfrei, so dass auch der Abnehmer des Lizenznehmers durch das Gebrauchen solcher Gegenstände eine Patentverletzung begeht (vgl. Benkard, aaO, Rn. 73).
1063.
107Dieselbe Beurteilung gilt im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, die Rechte aus dem Klagepatent seien deshalb erschöpft, weil es sich bei den am Markt befindlichen DVD-PIayern sämtlich um lizenzierte Geräte handele. Ziffer 2.2 des Standard-Vertrages sieht ausdrücklich vor, dass die für "Dekodierungsprodukte" verliehene Lizenz (nur) "zur Herstellung, Auftragsherstellung, zum Benutzen, zum Verkauf, zum Anbieten oder zum anderweitigen Vertrieb des Dekodierungsproduktes berechtigt. Die dem Gerätehersteller eingeräumte Lizenz berechtigt mit diesem Inhalt offensichtlich nicht Dritte dazu, ohne eigene Lizenz patentgemäß zu verwendende DVD's zu pressen.IV.
108Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzein-wand,
1091.
110Allerdings gehen beide Parteien zurecht davon aus, dass der Kartellrechtseinwand
111im Prozess über die Verletzung eines Patents zu berücksichtigen ist.
112In seiner Entscheidung "Spundfass" (InstGE 2, 168) hat der Kartellsenat des OLG Düsseldorf zwar die - gegenteilige - Auffassung vertreten, dass derjenige, der das Patent eines anderen benutzt, auch dann, wenn er vom Patentinhaber nach kartellrechtlichen Vorschriften die Einräumung eines (entgeltlichen) Benutzungsrechtes (d.h, den Abschluss eines Lizenzvertrages) verlangen kann, den Ausschließlichkeitsrechten aus dem Patent ausgesetzt bleibt, wenn er die Benutzung aufnimmt, ohne den Schutzrechtsinhaber um die Erteilung einer Lizenz ersucht oder- im Falle einer Ablehnung - ein Verfahren vor einer Kartellbehörde oder einem Kartellgericht betrieben zu haben, in welchem die Einräumung einer Lizenz hätte angeordnet werden können. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich der Beklagte durch ein derartiges Verhalten zur Durchsetzung einer vermeintlichen oder wirklichen Rechtsposition (seil.: seines Anspruchs auf Lizenzierung) eine Selbsthilfe anmaßt, die (sofern nicht die besonderen Voraussetzungen des § 229 BGB vorliegen) von der Rechtsordnung missbilligt wird.
113Diesen Erwägungen - deren Berechtigung der BGH in seiner Revisionsentscheidung "Standard-Spundfass" (GRUR 2004, 966) ausdrücklich offen gelassen hat - vermag die Kammer nicht zu folgen. § 229 BGB regelt lediglich einen Rechtfertigungsgrund, der besagt, dass derjenige, der zur Durchsetzung eines ihm zustehenden Anspruchs eine Sache wegnimmt etc rechtmäßig handelt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die eine eigenmächtige Rechtsdurchsetzung ausnahmsweise als geboten erscheinen lassen, insbesondere staatliche Hilfe zur Rechtsverfolgung nicht erreichbar ist. Mit Blick auf die Benutzung eines Patents im Vorgriff auf einen dem Benutzer in Ansehung des Patents zustehenden Lizenzierungsanspruch aufgrund kartellrecht-licher Vorschriften bedeutet dies, dass der Benutzer, der die Benutzung des Patents unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 229 BGB aufnimmt, rechtmäßig agiert und folglich keine Patentverletzung begeht. Etwaige Vertretungsrechte des Patentinhabers scheitern in einem solchen Fall bereits daran, dass es - wegen des Platz greifenden Rechtfertigungsgrundes nach § 229 BGB - an einer rechtswidrigen Patentbenutzung fehlt, (.legen die Selbsthilfevoraussetzungen des § 229 BGB nicht vor, so folgt daraus zwar umgekehrt, dass die Benutzungshandlungen des Lizenzsuchers rechtswidrig sind.
114Mehr als ein Urteil über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Patentbenutzung ist mit der Antwort auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Selbsthilfevoraussetzungen allerdings nicht gefällt. Es ist insbesondere nichts darüber entschieden, ob der bestehende Anspruch auf Einräumung einer Lizenz an dem benutzten Patent den Verbietungsansprüchen des Schutzrechtsinhabers nicht auf einer anderen rechtlichen Ebene (als der der Rechtswidrigkeit) entgegengehalten werden kann. Im Gegenteil: Die Rechtsordnung kennt Derartiges in anderem Zusammenhang sehr wohl, wie beispielsweise § 1007 BGB für den Fall verdeutlicht, dass der hinsichtlich einer Sache materiell Berechtigte die Sache, die sich im Besitz eines anderen befindet, eigenmächtig an sich nimmt. Können die Selbsthilfevoraussetzungen des §229 BGB nicht dargetan werden, ist die Besitzverschaffung rechtswidrig. Dem auf § 1007 BGB gestützten Herausgabeverlangen des früheren Besitzers kann der Beklagte dennoch - obgleich die von ihm begangene Selbsthilfe unberechtigt war - sein materielles Recht zum Besitz einredeweise entgegensetzen (§ 1007 Abs. 3 BGB), was zur Folge hat, dass die gegen ihn gerichtete Herausgabeklage abgewiesen wird. Es entspricht darüber hinaus einem allgemein gültigen Rechtssatz, dass" niemand von einem anderen etwas soll verlangen können, was dieser sogleich wieder - wegen eines in der Person des in Anspruch Genommenen begründeten Gegenanspruchs - zurückverlangen könnte. Ein solches Begehren ist - unabhängig von der Art des im Einzelfall in Rede stehenden Anspruchsrechtsmissbräuchlich, weshalb sich der Beklagte stets mit dem Einwand verteidigen kann, dass der Kläger ihm das, was er klageweise verlangt, augenblicklich wieder zu belassen habe. Dieser allgemeine, aus den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitete Grundsatz findet auch im Patent-verletzungsprozess Anwendung. Voraussetzung für die dolo-petit-Einrede ist freilich, dass der Beklagte beim Patentinhaber um die Erteilung einer Lizenz zu angemessenen Bedingungen nachgesucht hat, was in der Regel beinhaltet, dass er Letzterem ein konkretes Vertragsangebot unterbreitet hat, welches sich sachlich als interessengerecht und damit für den Patentinhaber annehmbar erweist. Ist solches geschehen, was im Streitfall vom Beklagten darzulegen sein wird, so setzt sich der Patentinhaber dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus, wenn er das Lizenzangebot entweder kategorisch zurückweist oder aber den Vertragsschluss von Bedingungen abhängig macht, die ihrerseits (kartell-)rechtswidrig sind und auf die sich deshalb der Beklagte redlicherweise nicht einzulassen braucht.
1152.
116Führt der Verletzungsbeklagte zu seiner Rechtsverteidigung an, der Patentinhaber sei aufgrund kartellrechtlicher Vorschriften (z.B. Art 82 EG, §§19, 20 GWB) verpflichtet, ihm am Gegenstand des Klagepatents eine (Zwangs-)Lizenz zu erteilen, so sind zwei grundsätzliche Fallkonstellationen auseinander zu halten:
117a)
118Denkbar ist zunächst, dass sich der Patentinhaber unter Berufung auf sein Ausschließlichkeitsrecht generell weigert, Dritten eine Lizenz, egal zu welchen Bedingungen, zu erteilen. Unter solchen Umständen stellt sich die Frage, ob den Schutzrechtsinhaber aufgrund Wettbewerbsrechts eine Pflicht zur Lizenzerteilung trifft. Sie kann sich vordringlich aus europäischen Kartellvorschriften - und hier namentlich aus Art 82 EG - ergeben und setzt voraus, dass der Patentinhaber eine marktbeherrschende Stellung innehat und außergewöhnliche Umstände gegeben sind. Solche liegen nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2004, 524 - IMS Health) vor, wenn (kumulativ)
119die begehrte Patentbenutzung für die Ausübung der Tätigkeit des Benutzers dergestalt unentbehrlich ist, dass für sie auch bei gehöriger eigener Anstrengung des Patentbenutzers kein tatsächlicher oder realistischer potenzieller Ersatz vorhanden ist,
120das lizenzsuchende Unternehmen beabsichtigt, auf dem Markt neue Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die der Schutzrechtsinhaber nicht offeriert und für die eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht,
121die Lizenzverweigerung nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist und
122durch die Weigerung jeglicher Wettbewerb auf einem abgeleiteten (benachbarten) Markt ausgeschlossen wird.
123Ob auch das deutsche Kartellrecht eine Handhabe für eine Zwangslizenz in Fällen der Lizenzverweigerung bietet, ist streitig. Nach zutreffender und in der Literatur ganz herrschender Meinung (Constanze Kübel, Zwangslizenzen im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2004, S. 256 f.; Immenga/Mestmäcker, GWG, 3. Aufl., § 19 Rn. 218; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, 2006, § 19 Rn. 90; a.A.: v. Bechtolsheim/ Bruder, WRP 2002, 55, 59, 63) kommt § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, weil Immaterialgüterrechte nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers nicht als "wesentliche Einrichtung" angesehen werden können. Ob dieser Sachverhalt es verbietet, einen Kontrahierungszwang aus den Generalklauseln in § 19 Abs. 1 GWB und § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB herzuleiten, wird kontrovers beurteilt (verneinend z.B. Constanze Kübel, aaO, S 257 f.; Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 218 a.E.; bejahend: Loewen-heim/Meessen/Riesenkampff, aaO, § 19 Rn. 90).
124Vorliegend bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Tatbestand einer Lizenzverweigerung liegt schon im Tatsächlichen nicht vor. Die Klägerin ist - ganz im Gegenteil - zur Lizenzvergabe bereit, und zwar zu den Bedingungen des Standard-Lizenzvertrages, wie er von der MPEG X verwendet wird, oder zu den Konditionen ihres im Rechtsstreit unterbreiteten Einzel-Lizenzangebotes vom 19.10.2005.
125b)
126Ist der Schutzrechtsinhaber - wie hier - prinzipiell zur Lizenzierung gewillt, stellt sich unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten allein die Frage, ob seine Lizenzierungspraxis diskriminierend ist (weil Lizenzsucher ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden) oder ob unangemessene Lizenzgebühren verlangt werden (sog. Ausbeutungsmissbrauch). Einschlägig sind insoweit Art 82 EG (EuGH, Slg 1988, S. 6039, 6073 - Renault; Slg 1988, S. 6211, 6235 - Volvo/Veng) und § 19 Abs. 4 Nr. 2, 3 GWB, § 20 GWB (vgl. Constanze Kübel, aaO, S. 259 f.). Für die Lizenzierung durch Patentpools, d.h. Zusammenschlüsse mehrerer Schutzrechtsinhaber zur gemeinsamen Lizenzierung der von ihnen gehaltenen Patente, gilt im Grundsatz auch dann nichts anderes, wenn die Schutzrechte zusammen einen Industriestandard bilden und Dritten eine Lizenzierung nur im Paket zu festen Lizenzgebühren angeboten wird.
127aa)
128Außer Frage steht zunächst, dass die Festlegung von Industriestandards auf bestimmten Technologiegebieten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit darstellt, deren äußeres Zeichen die verschiedenen Normungsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. DIN, CEN/CENELEC, ETSI, ISO/IEC) sind. Die Standards dienen beispielsweise der allgemeinen Sicherheit, dem Arbeits- oder Umweltschutz und kommen insofern staatlichen Vorgaben nach, oder sie schaffen Kompatibilitätsnormen, die unabdingbare Voraussetzung dafür sind, dass junge Technologiebereiche in angemessener Zeit einer breiten Öffentlichkeit zu akzeptablen Preisen erschlössen werden können. Ein Beispiel für den zuletzt erwähnten Anwendungsfall ist neben dem Bereich der Nachrichtentechnik mit seinem GSM-Standard auch der MPEG-Standard, ohne dessen technische Vereinheitlichungen die massenhafte Verbreitung der DVD-Technik undenkbar wäre. Die besagten - neuen - Technologiebereiche zeichnen sich regelmäßig durch eine hohe Innovationsrate und dementsprechend eine hohe Patentdichte aus, was zwangsläufig zur Konsequenz hat, dass für den Standard auf patentierte Technologien zurückgegriffen werden muss (Constanze Kübel, aaO, S. 64 f.).
129In einem gebündelten Lizenzangebot der am Standard beteiligten Schutzrechtsinhaber als solchem liegt nichts Kartellrechtswidriges. Im Gegenteil dient es dem wohlverstandenen Interesse etwaiger Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert wird, weil sie damit der Notwendigkeit (und Last) enthoben werden, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz für dessen Patent(e) nachsuchen zu müssen. In ihren "Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag auf Technologietransfer-Vereinbarungen" äußert dementsprechend auch die Europäische Kommission keine prinzipiellen Vorbehalte gegenüber Technologiepools, selbst wenn sie - de facto oder de jure - einen bestehenden Industriestandard unterstützen (Rn. 210-211). In Rn. 214 wird vielmehr ausdrücklich die den Wettbewerb stärkende Funktion von Technologiepools mit der Bemerkung hervorgehoben:
130"Technologiepools können aber auch wettbewerbsfördernde Wirkungen haben, insbesondere, indem sie Transaktionskosten senken und der Kumulierung von Lizenzgebühren Grenzen setzen, so dass eine doppelte Gewinnmaximierung vermieden wird. Sie ermöglichen eine zentrale Lizenzvergabe für die vom Pool gehaltenen Technologien. Dies ist vor allem in Sektoren wichtig, in denen Rechte an geistigem Eigentum von größter Bedeutung sind, und es für die Marktpräsenz erforderlich ist, von einer erheblichen Anzahl von Lizenzgebern Lizenzen zu erhalten."
131Soweit der Pool lediglich aus Technologien besteht, zu denen es kein Substitut gibt und die für die Herstellung der Produkte oder die Anwendung der Verfahren, auf die sich der Pool bezieht, unerlässlich sind, gelangt die Kommission (Rn. 216, 220) zu der abschließenden Erkenntnis, dass die Einrichtung eines solchen Pools unabhängig von der Marktstellung der beteiligten Parteien in der Regel nicht unter das Kartellverbot nach Art. 81 Abs. 1 EG fällt.
132Wettbewerbsrechtliche Bedenken können sich erst ergeben, wenn substituierbare Techniken in einem gewissen (dominierenden) Umfang Eingang in den Pool finden. Die Leitlinien führen hierzu in den Rn. 213 und 221 aus:
133"Technologiepools können den Wettbewerb beschränken, denn ihre Gründung impliziert zwangsläufig den gemeinsamen Absatz der verbundenen Technologien, was bei Pools, die ausschließlich oder vorwiegend aus substituierbaren Technologien bestehen, zu einem Preiskartell führen kann. Darüber hinaus können Technologiepools nicht nur den Wettbewerb zwischen den Vertragsparteien verringern, insbesondere, wenn sie einen Industriestandard unterstützen oder de facto begründen, sondern durch den Ausschluss alternativer Technologien auch den Innovationswettbewerb. Ein vorhandener Standard und ein entsprechender Technologiepool können den Marktzugang für neue und verbesserte Technologien erschweren."
134;
135"Werden nicht wesentliche, aber sich ergänzende Patente in den Pool einbezogen, besteht die Gefahr des Ausschlusses fremder Technologien. Denn sobald eine Technologie Bestandteil eines Pools ist und als Teil eines Pakets in Lizenz vergeben wird, dürfte es für die Lizenznehmer wenig Anreize geben, Lizenzen für konkurrierende Technologien zu erwerben, zumal dann, wenn die für das Paket gezahlten Lizenzgebühren bereits eine substituierbare Technologie umfassen. Darüber hinaus zwingt die Einbeziehung von Technologien, die für die Herstellung von Produkten oder die Anwendung von Verfahren, auf die sich der Technologiepool bezieht, nicht notwendig sind, die Lizenznehmer, auch für Technologien zu zahlen, die sie möglicherweise nicht benötigen...."
136bb)
137Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Ausgangslage bleibt die Einlassung der Beklagten, der MPEG 2-Ständard sei kartellrechtswidrig zustande gekommen, ohne Erfolg.
138(1)
139Die Beklagten machen geltend, bei Errichtung des Standards sei nicht - wie geboten
140- soweit als möglich auf patentierte Technologien verzichtet worden. Im Gegenteil sei es das - am Ende erfolgreiche - Bestreben der an der Standardsetzung beteiligten Industrieunternehmen gewesen, möglichst viele ihrer Schutzrechte zu etablieren. Dieser Zielsetzung folgend seien auch erst nach - und nicht schon vor - der Ausarbeitung des Standards Erkundigungen nach etwa bestehenden Schutzrechten im Bereich des Standards eingeholt worden.
141Unter dem Gesichtspunkt des Ausbeutungsmissbrauchs könnte das Vorbringen seine rechtliche Relevanz aus der Erwägung beziehen, dass, weil bei der Festlegung des Standards durch die Normungsorganisation IOS unnötigerweise patentierte Techniken berücksichtigt worden seien, die betreffenden Schutzrechte Eingang auch in den Standard-Lizenzvertrag der MPEG X gefunden und die den Lizenzsuchern abverlangten Gebühren unangemessen nach oben beeinflusst haben. Bei einer solchen Betrachtung bliebe allerdings unberücksichtigt, dass es sich bei den Normungsgremien - ungeachtet der Tatsache, dass in ihnen neben Anderen auch Vertreter der beteiligten Industrie mitwirken - um rechtlich und organisatorisch selbständige Institutionen mit eigenem Regelwerk zur Normsetzung handelt. Selbst wenn der klagende Patentinhaber an den Beratungen zur Standardsetzung beteiligt worden ist, bedeutet dies noch nicht, dass gerade er (ggf. im kollusiven Zusammenwirken mit anderen Schutzrechtsinhabern) die Arbeit des Normungsgremiums gelenkt und entscheidend veranlasst hat, dass statt einer zur Verfügung stehenden gleichwertigen patentfreien Lösung die zu seinen Gunsten patentierte Technik in den Standard aufgenommen worden ist. Für einen, derartigen, die Klägerin betreffenden Sachverhalt vermögen auch die Beklagten keinerlei Anhaltspunkte aufzuzeigen. Ob-ein Patentinhaber dem Vorwurf kartellrechtswidrigen Verhaltens schon dann und al-lein deswegen ausgesetzt ist, weil ihm der ohne seine Einflussnahme zustande gekommene Industriestandard objektiv zugute kommt, erscheint äußerst fraglich, weil unter solchen Umständen nicht ersichtlich ist, dass und inwiefern Marktmacht missbraucht wird. Einer abschließenden Stellungnahme hierzu bedarf es jedoch nicht. Zur Darlegung einer missbräuchlichen Normsetzung wäre es nämlich Sache der für ihren Verteidigungseinwand beweispflichtigen Beklagten gewesen, nicht nur - wie geschehen - bloß pauschale Anschuldigungen und Verdächtigungen zu erheben, sondern substantiiert darzutun, welche gleichwertige patentfreie anstelle welcher patentierten Technik in den Standard hätte aufgenommen werden können. Entsprechende Alternativen hätten namentlich für das Klagepatent aufgezeigt werden müssen, wobei selbstverständlich ein einzelner Fall noch keinen "Missbrauch" begründet. Erforderlich wäre vielmehr der Nachweis eines systematischen, im Zweifel mehrere Schutzrechte betreffenden Vorgehens gewesen, für die eine zur Verfügung stehende patentfreie Ausweichtechnik nicht übersehen werden konnte, aber bei der Standardsetzung Übergängen worden ist. Zu den insoweit erforderlichen Details, ohne die jedwede Missbrauchsprüfung bereits im Ansatz scheitern muss, verhält sich der Sachvortrag der Beklagten in keiner Weise. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang die Ankündigung der Beklagten im Schriftsatz vom 17.08.2006 (S. 21; GA II 389), erforderlichenfalls spezifizierter vortragen und Beweise anbieten zu können. Für die rechtlich beratenen Beklagten konnte schlechterdings kein Zweifel daran bestehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer missbräuchlichen Lizenzie-rungspraxis, da es sich um einen gegenüber den Vertretungsrechten aus dem Klagepatent erhobenen Einwand zur Rechtsverteidigung handelt, nach allgemeinen Grundsätzen zu ihrer Darlegungs- und Beweislast stehen. Angesichts der Eindeutigkeit der prozessualen Rechtslage bedurfte es auch eines gerichtlichen Hinweises hierzu nicht. Bei ordnungsgemäßer Prozessführung verstand es sich deswegen von selbst, dass der Vorwurf einer missbräuchlichen Einbeziehung gewerblicher Schutzrechte in den MPEG 2-Standard mit substanzlosen Behauptungen, wie sie in den Schriftsätzen vom 16.03.2006 und 17.08.2006 enthalten sind, nicht zu untermauern ist, sondern einer ins Einzelne gehenden, der Erwiderung durch die Klägerin und der Überprüfung durch das Gericht zugänglichen Substantiierung bedarf. Dieselbe Beurteilung gilt für den Einwand der Beklagten, in den MPEG 2-Standard seien ungültige Schutzrechte aufgenommen worden. Im Rahmen ihrer kartellrechtlichen Ausführungen verhalten sich die Beklagten nicht näher dazu, um welche Patente es sich hierbei handeln soll. Selbst wenn angenommen wird, dass die Beklagten diejenigen Schutzrechte im Blick haben, die sie in den vor der Kammer geführten Rechtsstreitigkeiten mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen haben, so bleibt festzustellen, dass es sich um 5 (von derzeit insgesamt 134 zum MPEG 2-Standard gehörenden Patentfamilien) handelt. Keine der Nichtigkeitsklagen bietet dabei eine Erfolgsaussicht, die eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits vertretbar erscheinen lässt. Selbst wenn sich diese Prognose in dem einen oder anderen Fall als unzutreffend erweisen und es tatsächlich zur Vernichtung eines (oder mehrerer) zum Standard zählender Schutzrechte kommen sollte, ist damit noch keinesfalls ein "Missbrauch" belegt. Von ihm könnte - wenn überhaupt - allenfalls dann gesprochen werden, wenn feststünde, dass nicht nur in einem einzelnen Fall versehentlich, sondern wiederholt systematisch schutzunfähige Patente in den MPEG 2-Standard aufgenommen worden sind, und zwar in Kenntnis und Billigung ihrer mangelnden Rechtsbeständigkeit. Allein der Erfolg einer Nichtigkeitsklage besagt deshalb noch nichts für einen Missbrauch, solange nicht festgestellt ist, dass die Vernichtungsentscheidung nicht auf einem erst nachträglich aufgefundenen Stand der Technik, sondern einer Entgegenhaltung beruht, die bereits bei der Standardsetzung positiv bekannt, zumindest aber ohne weiteres ermittelbar war, und angesichts derer .die Schutzunfähigkeit klar zutage lag. Für ein derartiges Szenario bietet das Vorbringen der Beklagten keine Grundlage.
142cc)
143Erfolglos bemängeln sie gleichfalls, dass vor Aufnahme der einzelnen Schutzrechte in den Standard-Lizenzvertrag der MPEG X keine unabhängige Begutachtung daraufhin durchgeführt worden sei, ob das fragliche Schutzrecht durch den MPEG 2-Standard gestützt sei. Dieses Versäumnis eröffne die Möglichkeit, dass der den Lizenzsuchern angebotene Vertrag in missbräuchlicher Weise Schutzrechte berücksichtige, deren Benutzung durch den Standard nicht vorgegeben sei, was sich in unangebracht hohen Lizenzgebühren niederschlage.
144Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass ein Ausbeutungstatbestand regelmäßig zu bejahen sein wird, wenn nicht bloß in einem einzelnen, ggf. selbst bei gewissenhafter Prüfung nicht zu vermeidenden Fall, sondern planmäßig für die Einhaltung des Standards nicht notwendige Schutzrechte Eingang in den Lizenzvertrag finden, so dass der Zweck erkennbar wird, ie Lizenzgebühren durch die Aufnahme möglichst
145vieler Patente ungerechtfertigt zu steigern. Die beweispflichtigen Beklagen (vgl. Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 1. Band, 10. Aufl., § 20-GWB Rn. 203) haben indessen schon nicht vorgetragen, welche Lizenzschutzrechte aus welchen Gründen über den MPEG 2-Standard hinausgehen sollen. Allein der Umstand, dass die von der MPEG X für die Prüfung von Aufnahmeanträgen in den Standard hinzugezogenen Patentanwälte (denen auch die Beklagten die fachliche Eignung für die Beurteilung der maßgeblichen technischen Fragen nicht absprechen) nicht völlig unabhängig sind, sondern in Verletzungsprozessen aus zum Standard gehörenden Patenten als Parteivertreter von Schutz-rechtsinhabern agieren, lässt für sich keinesfalls den Schluss auf eine missbräuchli-che Bestückung des Lizenzvertrages mit Schutzrechten zu. Dass der Gutachter "im Lager der Schutzrechtsinhaber steht", kann allenfalls die Gefahr mit sich bringen, dass bei der Begutachtung wirtschaftliche Interessen der dem Pool angehörenden Unternehmen - bewusst oder unbewusst — übermäßig berücksichtigt werden. In Übereinstimmung hiermit sehen auch die Leitlinien der Kommission in der Unabhängigkeit der Sachverständigen keine unverzichtbare Voraussetzung für eine kartellrechtsgemäße Poolbildung und Lizenzvertragsgestaltung, sondern lediglich einen indiziellen Faktor unter mehreren im Rahmen der Missbrauchsbeurteilung. Die Rn. 232, 233 führen in diesem Sinne aus:
146"Ferner ist von Bedeutung, in welchem Umfang unabhängige Sachverständige bei der Gründung und den Tätigkeiten des Pools herangezogen werden. Beispielsweise ist die Bewertung, ob eine Technologie für einen vom Pool geschützten Standard wesentlich ist oder nicht, häufig ein komplexer Vorgang, der besonderes Fachwissen erfordert. Die Einschaltung unabhängiger Sachverständiger bei der Auswahl der Technologien kann langwierig sein, bis gewährleistet ist, dass die Auflage, lediglich wesentliche Technologien aufzunehmen, in der Praxis erfüllt ist."
147"Die Kommission wird berücksichtigen, wie die Sachverständigen ausgewählt werden und welche Aufgaben sie genau haben. Die Sachverständigen sollten von den Unternehmen, die den Pool bilden, unabhängig sein. Falls sie mit den Lizenzgebern verbunden oder sonst wie von ihnen abhängig sind, wird ihrem Beitrag weniger Gewicht beigemessen. Die Sachverständigen müssen ferner über das notwendige Fachwissen verfügen,um die verschiedenen Aufgaben zu erfüllen, mit denen sie betraut werden.
148Generelle Verdächtigungen und Unterstellungen allein aufgrund der Nähe des Sachverständigen zu einzelnen Poolmitgliedern verbieten sich schon aus grundsätzlichen Erwägungen. Erst recht sind sie jedoch im Streitfall verfehlt, weil es sich bei den betroffenen Personen nicht um weisungsgebundene Angestellte, sondern um Patentanwälte handelt, die jedenfalls nach deutschem Verständnis einen freien Beruf ausüben (§ 2 PAO) und unabhängiges Organ der Rechtspflege sind (§ 1 PAO). Mit Rücksicht auf diese Stellung und Verantwortlichkeit ist der Grad einer etwaigen "Abhängigkeit" von vornherein begrenzt und die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung des Begutachtungsergebnisses eher fernliegend. Angesichts dessen hätte es greifbarer Anhaltspunkte dazu bedurft, dass das ständige Mandatsverhältnis der Sachverständigen zu am Pool beteiligten Schutzrechtsinhabern tatsächlich zu unangemessenen Entscheidungen bei der Aufnahme einzelner Schutzrechte in den Standard-Lizenzvertrag geführt hat. Solche Umstände zeigt der Sachvortrag der Beklag: ten jedoch nicht einmal ansatzweise auf.
149Hinzu kommt, dass dem Verletzer - wie vorliegend den Beklagten - ein etwaiger Kartellverstoß nur zugute kommen kann, wenn er von denjenigen Lizenzschutzrechten, die durch den Standard nicht gestützt werden, keinen Gebrauch macht. Benutzt er die betreffenden Schutzrechte nämlich gleichfalls, muss er hierfür auch eine Benutzungsgebühr zahlen* so dass das Fordern einer auch die für den Standard entbehrlichen Schutzrechte umfassenden Lizenzgebühr jedenfalls in Bezug auf ihn keinen Rechtsverstoß begründen kann. Zu einem rechtserheblichen Verteidigungsvorbringen gehört demgemäß nicht nur die Behauptung, bestimmte (konkret zu bezeichnende-) Lizenzvertragsschutzrechte lägen außerhalb des Standards; vorgetragen werden muss darüber hinaus, dass von ihnen kein Gebrauch gemacht werde. Gemessen hieran sind die Darlegungen der Beklagten unzureichend. Sie ergeben nämlich nicht die Behauptung, dass und welches für den MPEG 2-Standard verzichtbare Lizenzschutzrecht von ihnen nicht benutzt werden soll.
150dd)
151Dass der Standard-Lizenzvertrag der MPEG X als Vergütung eine feste Stücklizenzgebühr und keinen prozentualen Anteil am Fabrikabgabepreis vorsieht, ist (kar-tell-)rechtlich unbedenklich. In Lizenzverträgen wird als Bemessungsgründlage für die Vergütungsberechnung zwar vielfach der vom Lizenznehmer mit der lizenzierten Vorrichtung oder Sachgesamtheit erzielte Umsatz vereinbart. Dahinter steht die Erwägung, dass eine Umsatzlizenz auf einfache Weise eine angemessene Beteiligung des Patentinhabers an denjenigen Vorteilen gewährleistet, die der Lizenznehmer aus der Benutzung des Lizenzschutzrechtes tatsächlich gezogen hat. Die Gebräuchlichkeit einer Umsatzlizenz besagt jedoch' noch nicht, dass eine andere Art der Vergütungsberechnung (namentlich eine Stücklizenz) unangemessen wäre. Für den Streitfall trifft sogar das Gegenteil zu. Mit Recht verweist die Klägerin darauf, dass eine Stücklizenzgebühr in besonderem Maße die kartellrechtlich gebotene Gleichbehandlung aller Lizenznehmer sicherzustellen vermag, weil die feste Stücklizenz für jeden Wettbewerber den selben preisbildenden Kostenfaktor schafft. Eine Umsatzlizenz würde demgegenüber zur Folge haben, dass sich die Lizenzgebühr proportional mit sinkenden Abgabepreisen reduzieren würde, was vor allem umsatzstarke Lizenznehmer begünstigen und ihnen einen Preiskampf zu Lasten kleinerer Lizenznehmer ermöglichen würde. Im Übrigen müssten die Lizenznehmer bei Vereinbarung einer Umsatzlizenz das Risiko auf sich nehmen, nicht mehr angemessen für ihre Erfindungen entlohnt zu werden, wenn die prozentual vom Umsatz berechneten Lizenzgebühren im Falle eines Preisverfalls auf dem Markt für die Lizenzprodukte nachhaltig sinken. Derartiges ist unzumutbar, weil jeder Lizenzgeber - auch der marktbeherrschende - unbestritten Anspruch auf Lizenzgebühren hat, die seinen Investitionen und seiner Innovationsleistung gebührend Rechnung tragen (Constanze Kübel, aaO, S. 278). Eine Lizenzgebührenregelung, die -. wie die Vereinbarung einer Stücklizenz - diesem legitimen Anliegen dient, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
152ee)
153Die Einwände der Beklagten gegen die Lizenzhöhe greifen sämtlich nicht durch.Das Fordern einer unangemessen hohen Lizenzgebühr kann für sich den Vorwurf des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung rechtfertigen. Als "unangemessen" ist eine Lizenzforderung zu betrachten, wenn sie den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hatte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für diese Preisgestaltung (zu Art. 82 EG: EuGH, SIg 1978, S. 207, 305 - United Brands; zu § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 153, 159, 160). Zur Ermittlung des sich ohne Marktbeherrschung mutmaßlich ergebenden "als ob Wettbewerbspreises" ist das sog. Vergleichsmarktkonzept gebräuchlich, das aus einem räumlich, sachlich oder zeitlich vergleichbaren Markt mit intaktem Wettbewerb Rückschlüsse auf die hypothetische Lizenzgebührenbildung im beherrschten Markt zieht (zu Einzelheiten vgl. Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 161-167 und Constanze Kübel, aaO, S. 250 f.). "Sachlicher Vergleichsmarkt" meint in diesem Zusammenhang Märkte verwandter Waren oder Leistungen mit ähnlicher Produktionstechnik sowie ähnlicher Lieferanten- und Abnehmerstruktur. Die Vergleichsmärkte müssen nicht nur ohne Marktbeherrschung sein, sondern außerdem geeignetes und ausreichend sicheres Vergleichsmaterial liefern (BGH, WuW/E 2309, 2311 - Glockenheide). In geeigneten Fällen kann statt einer Vergleichsmarktbetrachtung' auch das Konzept der Gewinnbegrenzung herangezogen werden, das die Entwicklungskosten des lizenzbereiten Patentinhabers und eine ihm zugebilligte (übliche) Gewinnspanne mit den tatsächlich geforderten Lizenzgebühren in Beziehung setzt (vgl. dazu Loe-wenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO, § 19 Rn. 80; Constanze Kübel, aaO, S. 251 f.). Die Beweislast für die Voraussetzungen eines Ausbeutungsmissbrauchs liegt dabei nach allgemeinen Regeln beim Beklagten, der sich zu seiner Rechtsverteidigung darauf beruft. Lediglich im Rahmen des Gewinnbegrenzungskonzepts treffen den Patentinhaber sekundäre Darlegungslasten zu seinen Entwicklungskosten, die dem Beklagten naturgemäß unbekannt sind und zu denen der Patentinhaber unschwer vortragen kann.
154(1)
155Zu keinem der vorgenannten - im eigenen Privatgutachten der Beklagten angesprochenen - Konzepte verhält sich der Vortrag der Beklagten in ausreichender Weise. Dass für die Lizenzierung der den MPEG 2-Standard betreffenden Schutzrechte ein räumlich oder zeitlich selbständiger, zum Vergleich geeigneter Markt mit Wettbewerb existiert (hat), ist nicht zu erkennen. Nachdem die Lizenzschutzrechte von Hause aus territorial beschränkt sind, die durch einen Industriestandard gesicherte Möglichkeit ihrer Vergabe den maßgeblichen "Markt" für die Verleihung von Benutzungserlaubnissen begründet (BGH, GRUR 2004, 966, 967 f. - Standard-Spundfass) und die bei einer solchen Sachlage mit der Inhaberschaft der Lizenzschutzrechte verbundene Ausschließlichkeitsbefugnis die marktbeherrschende Position der Lizenzgeber hervorruft, wäre ein eben diese Schutzrechte und ihre Lizenzierung betreffender vergleichbarer Markt, der die Lizenzvergabe in einem anderen Territorium oder zu einer anderen (früheren) Zeit unter regulären Wettbewerbsbedingungen zum Gegenstand hat, von vornherein nur denkbar, wenn es zu einer Lizenzvergabe bereits vor der Etablierung des MPEG 2-Standards gekommen wäre. Dafür fehlen jedwede Anhaltspunkte. Auch zu einem sachlich vergleichbaren Markt, der nicht nur ein ähnliches technisches Gebiet voraussetzen, sondern außerdem einen funktionierenden Wettbewerb verlangen würde, haben die Beklagten nichts vorgetragen. Gänzlich pauschal ist ebenso ihre Einlassung, die Lizenzgebühren des Standard-Lizenzvertrages der MPEG X stünden zu den zu amortisierenden Entwicklungskosten der Lizenzgeber außer Verhältnis. Um plausibel zu machen, dass die verlangten Lizenzentgelte zu einem übermäßigen (unangemessenen) Gewinn auf Seiten der Poolmitglieder führen, hätte zumindest überschlägig dargetan werden müssen, welche Investitionen für die gesamten vom Standard gestützten Lizenzschutzrechte In Ansatz zu bringen sind, welche Einnahmen die Lizenzgeber in der Vergangenheit aus dem Standardvertrag erzielt haben und welche Einkünfte ihnen während der Restlaufzeit der Lizenzpatente voraussichtlich noch zufließen werden. Zu alledem verhalten sich die Beklagten nicht einmal andeutungsweise.
156(2)
157Substantiiert und einlassungsfähig ist allein ihr Vortrag zur Entwicklung der Fabrikabgabepreise für die den Markt dominierenden DVD 5 und DVD 9, deren Anteile im Jahr 2004 bei 44 % (DVD 5) und 54 % (DVD 9) gelegen hat. Für die rechtliche Beurteilung können insoweit die auf statistischen Erhebungen der Understanding & Solutions Ltd. gestützten Behauptungen der Beklagten unterstellt werden, dass die von einem Presswerk erzielten Fabrikabgabepreise für DVD 5 und DVD 9 von 1997 bis 2004 bzw. 2005 nach Maßgabe der nachfolgenden Übersichten um durchschnittlich etwa 80 % eingebrochen sind.
158Entwicklung der DVD-Abgabepreise (1997 bis 2005):
1997 | 2005 | Veränderung in % | |
DVD 5 | 2,65 US-Dollar | 0,51 US-Dollar | -80,7 |
DVD 9 | 4,50 US-Dollar | 0,70 US-Dollar | - 84,4 |
Preisverteilung in 2004:
DVD 5 | DVD 9 | |
Kleine Produktionsmenge (15 % Marktanteil) | 0,82 US-Dollar | 1,25 US-Dollar |
Große Produktionsmenge, Filmgesellschaften (70 % Marktanteil) | 0,47 - 0,65 US-Dollar | 0,62 - 0,82 US-Dollar |
Zeiten geringer Auslastung (10 % Marktanteil) | 0,26 - 0,43 US-Dollar | 0,45-0,62 US-Dollar |
Covermounts (5 % Marktanteil) | 0,25 US-Dollar | 0,31 US-Dollar |
Es mag des weiteren - wie die Beklagten geltend machen - sein,
163dass nach den - allerdings nicht weiter belegten - aktuellen Feststellungen der Future plc. aus Februar 2006 derzeit keine Angebote für DVD-Pressaufträge mit einem Stückpreis über 0,30 EUR (DVD 5 und DVD 9) mehr nachgefragt werden und
164dass Universal Pictures kürzlich eine Ausschreibung für seine gesamte den europäischen Markt betreffende DVD-Produktion mit einem Stückpreis von 0,195 EUR (DVD 5) und 0,20 EUR (DVD 9) ausgeschrieben hat.
165Sämtliche vorerwähnten Preise dürfen nicht ohne Rücksicht darauf bewertet werden, dass die DVD-Stückzahlen in demselben Zeitraum "explodiert" sind. Unter Berufung auf die Daten der Understanding & Solutions Ltd. nennen die Beklagten für den Bereich der Europäischen Union zuzüglich der Schweiz selbst die nachstehend eingeblendeten Werte:
1997 | 2004 |
55.000 DVD | 1. 800.000.000 DVD |
Es ist eine wirtschaftliche Selbstverständlichkeit, dass die seit 1997 rasant gestiegenen Stückzahlen eine Massenproduktion ermöglicht haben, die weitreichende Rationalisierungseffekte, Einsparungen beim Einkauf von Rohmaterialien und damit letztlich eine deutlich verbesserte Kostenstruktur erlaubt, als sie mit Blick auf die anfänglich nachgefragten Kleinserien gegeben war. Vor diesem Hintergrund stellt es eine natürliche und volks- wie betriebswirtschaftlich völlig berechtigte Erscheinung dar, dass die Fabrikabgabepreise mit steigender Nachfrage sinken. Das Nachgeben des Preisniveaus an sich kann deshalb keinesfalls rechtliche Folgerungen nach sich ziehen.
168In Betracht kämen sie allenfalls dann, wenn der eingetretene Preisverfall für DVD's ein Ausmaß erreicht hätte, bei dem die geforderten Lizenzgebühren einen außerverhältnismäßigen Anteil an dem unter Verwendung der Lizenzschutzrechte erzielbaren Umsatz ausmachen würden. Derartiges haben die Beklagten indessen nicht substantiiert vorgetragen. Es mag zutreffen, dass die von sämtlichen Patentpools (3C/4C, 6C, MPEG X, X-AC3) beanspruchten Stücklizenzgebühren in ihrer Summe - bei fallenden Fabrikabgabepreisen - einen stetig steigenden und mittlerweile durchaus beachtlichen Umsatzanteil ausmachen, wie dies aus der nachfolgenden Übersicht hervorgeht.
DVD5 | DVD 9 | |
1997 | 6% | 4% |
2004 | 23 % | 17 % |
Der Lizenzgebührenanteil von ca. 20 % mag prima facie auch hoch erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei den lizenzpflichtigen DVD's um Massenprodukte handelt, bei denen im Allgemeinen nur geringe Lizenzsätze vereinbart zu werden pflegen, weil sich hinreichende Lizenzsummen für den Schutzrechts-inhaber im Ergebnis über die erheblichen Stück- und Umsatzzahlen seines Lizenznehmers einstellen. Zu bedenken ist jedoch, dass der Lizenzanteil nicht nur eine einzelne Erfindung vergütet, sondern eine Vielzahl von Patenten verschiedener Inhaber abdeckt. Allein mit Blick auf den MPEG 2-Standard handelt es sich um ca. 700 Schutzrechte aus 134 Patentfamilien. Hinzuzurechnen sind die Schutzrechte (unbekannter Anzahl), welche vom 3C/4C-Pool, vom 6C-Pool und von X (AC3) verwaltet werden. Jeder der an einem der streitigen Technologiepools beteiligten Schutzrechtsinhaber hat - wie oben bereits angesprochen - für jede seiner in den Pool eingebrachten und benutzten Erfindungen Anspruch auf ein Entgelt, das nicht nur seine Entwicklungskosten amortisiert, sondern ihm darüber hinaus eine angemessene Belohnung für seine Innovationsleistung verschafft. Dass angesichts dieser zugunsten der Schutzrechtsinhaber einzustellender Bemessungsfaktoren die geforderte Stücklizenz - zumindest inzwischen - unangemessen wäre, gibt das Vorbringen der Beklagten nicht her.
171Es bietet ebenso wenig einen Anhalt dafür, dass die Lizenzgebühren aus den erzielbaren Umsätzen nicht mehr unter Wahrung eines ausreichenden Eigengewinns bestritten werden können. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die - allein mitgeteilte - Situation der Beklagten zu 1) an (bei der sich die Fertigungskosten für eine DVD 5 auf 0,1985 US-Dollar und für eine DVD 9 auf 0,2016 US-Dollar belaufen sollen), sondern darauf, wie sich die Herstellungskosten bei den Presswerken - unter Ausschöpfung möglicher und zumutbarer Einsparpotenziale - allgemein darstellen. Nur eine in diesem Sinne auf den Durchschnitt abstellende Betrachtung stellt sicher, dass der Vorwurf eines Ausbeutungsmissbrauchs nicht ungerechtfertigt an die betriebswirtschaftlichen Sonderbedingurigen eines einzelnen Wettbewerbers anknüpft, dessen Rationalisierungsgrad ggf. unzureichend oder dessen sonstige betriebliche Effizienz verbesserungsbedürftig ist, sondern an die für den beherrschten Markt typischen Produktions- und Vertriebsbedingungen. Zur allgemeinen Kostenlage bei den Presswerken fehlen hingegen jegliche Angaben der Beklagten, Darüber hinaus belegt die Tatsache, dass nach den unwiderlegten Angaben der Klägerin weltweit 114 Presswerke mit einem Marktanteil von 88 % Lizenznehmer der MPEG X sind (und somit Lizenzgebühren nach dem Standardvertrag entrichten), wobei es sich in 44 Fällen um in Europa ansässige Unternehmen handelt, dass eine erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb durch die geforderten Lizenzen offenbar nicht in Frage gestellt wird.
172(3)
173Soweit die Beklagten darauf aufmerksam machen, dass ein besonders krasser Preisverfall im Bereich der Pressung von Covermounts eingetreten sei, welche etwa 45-50 % ihres gesamten Auftragsvolumens ausmachten, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung. Es mag sein, dass die über alle Marktsegmente (kleine Produktionsmengen, Aufträge von Filmgesellschaften, Bestellungen zu Zeiten geringer Auslastung, Covermounts) hinweg einheitliche Lizenzgebührenbelastung die Beklagten aufgrund der weit überdurchschnittlichen Bearbeitung von Covermounts in besonderem Maße unter Kostendruck setzt. Der Vorwurf eines Ausbeutungsmissbrauchs lässt sich daraus schon deshalb nicht ableiten, weil es nicht Aufgabe des Kartellrechts ist, jedem Wettbewerber unabhängig von seiner konkreten Ausrichtung im fraglichen Markt eine gewinnbringende Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Gerade weil die Poolmitglieder - worauf die Beklagten in anderem Zusammenhang selbst abheben - gehalten sind, alle Lizenzsucher gleich zu behandeln, ist es gerechtfertigt, dass sich die Lizenzbedingungen an den durchschnittlichen Verhältnissen auf dem beherrschten Markt orientieren. Die Fabrikabgabepreise speziell auf dem Marktsegment der Pressung von Covermounts können von daher bei der Festsetzung angemessener Lizenzgebühren allein deswegen nicht den Ausschlag geben (oder auch nur einen irgendwie nennenswerten Einfluss ausüben), weil ihr Marktanteil mit etwa 5 % vernachlässigbar gering ist.
174ff)
175Einen Kartellverstoß unter Diskriminierungsgesichtspunkten haben die Beklagten
176ebenso wenig nachgewiesen.
1770)
178Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend stehen die Beklagten auf dem Standpunkt, dass eine Diskriminierung insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Zugang zu einem nachgelagerten Markt aufgrund einer Norm oder normähnlichen Rahmenbedingung von der Einhaltung der patentgemäßen Lehre abhängig ist und der Patentinhaber diesen Umstand dazu ausnutzt, den Marktzutritt nach Kriterien zu beschränken, die der Zielsetzung des GWB (die Freiheit des Wettbewerbs zu gewährleisten) widersprechen (BGH, GRUR 2004, 960 - Standard-Spundfass). Will der Patentinhaber Lizenzinteressenten unterschiedlich behandeln, indem er einzelne von ihnen entweder vollständig von einer Lizenzerteilung ausschließt oder Lizenzen zu schlechteren Konditionen anbietet als anderen Lizenznehmern, muss er hierfür sachliche Gründe anführen können. An sie dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, wenn die technische Lehre des Lizenzpatents zu einer Industrienorm erhoben worden ist, so dass der Schutzrechtsinhaber seine marktbeherrschende Stellung nicht allein dem in der patentierten Erfindung liegenden technischen Fortschritt verdankt, sondern im wesentlichen auch der Tatsache, dass sich aufgrund des bestehenden Industriestandards von vornherein keine Nachfrage nach anderen konkurrierenden technischen Lösungen entwickeln kann (BGH, GRUR 2004, 966, 968 Standard-Spundfass). Ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, richtet sich danach, ob die relative Schlechterbehandlung der betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder aber auf Willkür bzw. wirtschaftlich/unternehmerisch unvernünftigem Handeln beruht (BGH, GRUR 2004, 966, 969 - Standard-Spundfass). Die Beweislast für die Ungleichbehandlung hat der Beklagte, der sich auf den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beruft; sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung sind vom marktbeherrschenden Patentinhaber nachzuweisen.
179Dies vorausgeschickt, ist der Vortrag der Beklagten grundsätzlich beachtlich, freie Presswerke würden dadurch diskriminiert, dass die Mitglieder des 4C- und des 6C-Pools sowie die Firma X sich kostenlose Kreuzlizenzen eingeräumt hätten, wovon die konzernzugehörigen Presswerke – X AG, X und X - im Wettbewerb profitierten. Rechtlich erheblich ist genauso die weitere Behauptung der Beklagten, der Firma X seien von der MPEG X insgeheim Vorzugsbedingungen eingeräumt worden, wonach als Jahreslizenz ein maximaler (der X angesichts ihrer ganz erheblichen Stückzahlen vorhersehbar zugute kommender) Betrag von 2.000.000 US-Dollar geschuldet werde. Dass die Verteidigung der Beklagten dennoch erfolglos ist, findet seinen Grund darin, dass die Diskriminierungsbehauptungen von der Klägerin zulässig bestritten und seitens der darlegungspflichtigen Beklagten beweislos geblieben sind.
180(a) .
181Für die angeblichen Kreuzlizenzen beziehen sie sich ausschließlich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches offensichtlich keine Aufklärung bringen kann. Nachdem es um vertragliche Absprachen zwischen verschiedenen Unternehmen geht, kommt von vornherein lediglich ein Zeugenbeweis in Betracht, der von den Beklagten indessen nicht .angeboten wird. Die Beklagten beziehen sich auch nicht auf schriftliche Vertragsunterlagen über die Kreuzlizenzierungen, für deren Vorhandensein auch sonst jegliche Anhaltspunkte fehlen. Ein Urkundenbeweis kommt von daher ebenso wenig in Betracht wie eine - von Amts wegen mögliche -Vorlageanordnung nach §§ 142, 144 ZPO. Sie liefe überdies auf eine unzulässige Ausforschung hinaus, nachdem nicht vorgetragen ist, aufgrund welcher tragfähigen Erkenntnisse die Beklagten zu der Annahme gekommen sind, die Poolmitglieder hätten sich wechselseitig Freilizenzen eingeräumt. Der gleiche Einwand ist gegenüber
182dem Verlangen der Beklagten zu erheben, die Klägerin möge sämtliche Lizenzverträge über zum MPEG 2-Standard gehörende Patente einschließlich der dazugehörenden Lizenzabrechnungen vorlegen, die mit einem in der Europäischen Union ansässigen Presswerk abgeschlossen worden sind. Es steht nicht zur Darlegungs- und Beweislast der Klägerin, dass Presswerke von der MPEG X gleich behandelt werden; vielmehr ist es umgekehrt Sache der Beklagten, eine Ungleichbehandlung in wenigstens einem Fall darzutun. Insofern genügen keine bloßen Verdächtigungen, sondern belastbare Tatsachen, die eine Nichtzahlung von Lizenzgebühren mindestens wahrscheinlich machen. Solche Umstände werden von den Beklagten nicht auf-
183gezeigt, und zwar schon deshalb nicht, weil substantiiert lediglich zur eigenen Kos-tenstruktur der Beklagten zu 1) vorgetragen wird, die nicht ohne weiteres aussagekräftig für die gesamte Branche ist. Selbst wenn die Kosten- und Gewinnsituation der Beklagten zu 1) Lizenzzahlungen in der dem Standard-Lizenzvertrag entsprechenden Höhe nicht zulassen sollte, bedeutet dies deshalb noch keineswegs, dass die Verhältnisse bei den übrigen Presswerken gleichgelagert sind, so dass die Annahme in Betracht zu ziehen wäre, dass solche Lizenzzahlungen - wie behauptet - auch tatsächlich nicht geleistet werden.
184(b)
185Was den DVD-Hersteller X betrifft, ist der Kammer aus einem parallelen Verletzungsverfahren bekannt, dass dieser zwischenzeitlich im Vergleichswege eine Lizenz zu den Bedingungen des Standard-Vertrages genommen hat.
186(c)
187Für die behaupteten Vorzugskonditionen der Firma X hat die in dem Verfahren 4b O 508/05 durchgeführte Beweisaufnahme keinen stichhaltigen Beleg erbracht. Eigenem Bekunden zufolge hat der Zeuge Küstner keine Vertragsurkunde eingesehen, mit der der Firma X- abweichend vom Inhalt der seitens der Klägerin vorgelegten Vertragsurkunden - von der MPEG X eine Maximallizenz der behaupteten Art eingeräumt worden ist. Er gibt lediglich an, am 16.11.2004 bei der X in London ein an diese gerichtetes Schreiben der Firma X gesehen zu haben. In dem Brief, dessen genauer Wortlaut dem Zeugen nicht erinnerlich war, sei von einer Vereinbarung die Rede gewesen, derzufolge für die europäische DVD-Produktion eine Jahres-MPEG-Lizenzgebühr von 2.000.000 US-Dollar "zu kalkulieren" sei. Dass die besagte Summe als maximaler Betrag ausgewiesen gewesen sei, hat der Zeuge auf Nachfrage nicht bestätigt. Mit dem geschilderten Inhalt vermag die Aussage den Beweis für eine Vorzugsbehandlung der Firma X nicht zu erbringen. Eine erste Unwägbarkeit ergibt sich bereits daraus, dass der Zeuge lediglich von einer Mitteilung über den Vertragsinhalt berichtet. Insofern ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass die Mitteilung auf einem unzutreffenden Verständnis des tatsächlich Vereinbarten beruht. Selbst wenn dieses Bedenken jedoch zurückgestellt wird, kann die von dem Zeugen bekundete Aussage, für die MPEG-Lizenzgebühren seien pro Jahr 2.000.000 US-Dollar "zu kalkulieren", zwanglos und sogar naheliegend als bloße Voraussage darüber verstanden werden, auf welchen Betrag sich die Vertragslizenzgebühren bei Berücksichtigung der für den europäischen Raum in Aussicht genommenen Stückzahlen wahrscheinlich summieren werden - und deshalb in die Finanzplanung von X einzustellen sind. Ein dahingehendes Verständnis könnte sich allenfalls dann verbieten, wenn das europäische Produktionsvolumen von X bei Anwendung der Vertragsstücklizenz einen über 2.000.000 US-Dollar hinausgehenden Betrag sicher hätte erwarten lassen. Dafür fehlen indessen zureichende Anhaltspunkte. Sie ergeben sich auch nicht aus den von der Klägerin für die X/X-Gruppe mitgeteilten Lizenzzahlungen von mehr als 100.000.000 US-Dollar seit 1.01.2003. Zum einen betrifft der Lizenzbetrag die weltweite DVD-Produktion und nicht nur den europäischen Raum; zum anderen schließt sie sämtliche Konzerngesellschaften ein, während sich das von dem Zeugen erwähnte Schreiben wahrscheinlich nur auf die britische X und deren Produktion bezieht. Für etwas anderes fehlen jedenfalls Anhaltspunkte.
188Sichere Rückschlüsse auf die Einräumung einer Maximallizenz lässt ebenso wenig die Bemerkung des Zeugen zu, bei der Bewerbung um Pressaufträge der Firma X (welche diese aus Kapazitätsgründen nicht selbst habe ausführen und deshalb an dritte Firmen vergeben habe) seien die Angebotspreise ohne Berücksichtigung einer 3C-, 4C-, MPEG- und DVA-Lizenz auszuweisen gewesen. Hintergrund für diese Vorgehensweise kann ohne weiteres gewesen sein, dass X die Lizenzgebühren in Fällen der Drittvergabe von Pressaufträgen selbst wie für von in eigenen Fertigungsstätten hergestellte DVD's abführt und deswegen - zurecht — nicht bereit ist, die betreffenden Lizenzgebühren als Teil der Vergütung für die ausgelagerte Produktion nochmals (mithin doppelt) zu zahlen. Voreilige gegenteilige Schlüsse verbieten sich vorliegend um so mehr, als es die Beklagten durch Benennung der Verantwortlichen von X oder X als Zeugen in der Hand gehabt hätten, den Sachverhalt einer weiteren Aufklärung zuzuführen.
189(d)
190Soweit die Beklagten - pauschal - behaupten, die polnische Firma X, sofern sie Lizenznehmerin der MPEG X sei, jedenfalls nicht die Stücklizenzgebühr von 0,03 US-Dollar, und hierzu Zeugenbeweis anbieten, ist dem nicht weiter nachzugehen. Die Beklagten tragen nicht vor, welche Lizenzbedingungen der Firma X statt dessen eingeräumt worden sein sollen. Dies ist jedoch rechtlich erheblich, weil eine Diskriminierung beispielsweise zu verneinen wäre, wenn zwar ein verringerter Lizenzsatz ab einer bestimmten Stückzahl vereinbart worden wäre, die tatsächliche Produktionskapazität des Lizenznehmers es jedoch ausschließen würde, in den Ge-nuss dieser Vergütungsregelung zu kommen. Nachdem die Beklagten sich zu der Art der angeblichen Vorzugsbehandlung nicht weiter verhalten, liefe eine Vernehmung der benannten Zeugen darauf hinaus, rechtserheblichen Tatsachenvortrag, der von den Beklagten zu leisten wäre, im Wege der Beweisaufnahme erst zu Tage zu fördern. Solches ist prozessual unzulässig,
191(e)
192Fehl geht der Hinweis der Beklagten auf ein Schreiben der MPEG X vom 15.11.2004 an die X Inc. Soweit das Dokument unter Ziffer (7) Regelungen zur Lizenzzahlung in Fällen von Kunden-Retouren enthält, ergibt sich hieraus schon deshalb keine Bevorzugung eines einzelnen Lizenznehmers am MPEG 2-Standard, weil die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass das besagte Schriftstück allen Lizenznehmern nach Abschluss des MPEG 2-Standard-Lizenzvertrages übermittelt wird. Bestätigt wird diese Behauptung durch die Eingangsbemerkung des Schreibens, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass dem Lizenznehmer im Hinblick auf die Vollziehung der vertraglichen Lizenz Hinweise zum Verständnis und zur Handhabung verschiedener Vertragsklauseln durch die MPEG X gegeben werden. Da das Erläuterungsschreiben - wie dessen Text belegt und die Klägerin im Übrigen unwidersprochen vorgetragen hat - erst nach dem Abschluss des Lizenzvertrages (und nicht im Vorfeld) versandt wird, können die Beklagten nichts daraus herleiten, dass ihnen im Zuge der - ergebnislosen - Lizenzverhandlungen mit der MPEG X ein derartiges Schreiben nicht vorgelegt worden ist.(f)Zugunsten der Beklagten kann schließlich unterstellt werden, dass die X - was die Beklagten allein konkret vorgetragen haben - am 10.10.2005 der X ein Angebot für die Pressung von Covermounts zu einem Betrag von 0,19 EUR (DVD 5) und 0,20 EUR (DVD 9) unterbreitet hat Aus dieser Preisgestaltung allein lässt sich nicht die tatrichterliche Feststellung (im Sinne eines jeden anderen Geschehensablauf vernünftigerweise ausschließenden Sachverhaltes) ableiten, dass die X von einer Lizenzzahlungspflicht freigestellt sein muss. Vielmehr ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass die X nur aufgrund einer überdurchschnittlich günstigen und auch den Verhältnissen bei der Beklagten zu 1) überlegenen betrieblichen Kostenstruktur zu dem besagten Angebot in der Lage war. Des weiteren ist denkbar, dass es sich bei dem Angebot um eine vereinzelte Aktion zu Zwecken des Preisdumpings ohne eigenen nennenswerten Gewinnaufschlag gehandelt hat. Zumindest bietet das Vorbringen der Beklagten keine Grundlage dafür, eine derartige Sachverhaltsgestaltung von vornherein auszuschließen.
193(2)
194Eine Ungleichbehandlung liegt tatbestandlich nicht nur vor, wenn der marktbeherrschende Patentinhaber einzelnen Lizenzsuchern vertragliche Vorzugskonditionen einräumt, die er anderen verweigert sondern gleichermaßen dann, wenn er seine Vertretungsrechte aus dem Patent selektiv durchsetzt, indem er gegen einzelne Wettbewerber Verletzungsklage erhebt, um sie in den Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung seines Schutzrechts gewähren lässt. In ihren faktischen Auswirkungen bedeutet eine solche Prozessstrategie nichts anderes, als dass einem Teil der Wettbewerber unentgeltliche, einem anderen Teil der Wettbewerber hingegen nur entgeltliche Lizenzen eingeräumt werden. Nicht jede über einen gewissen Zeitraum objektiv unterlassene Verletzungsklage rechtfertigt allerdings den Vorwurf der Diskriminierung. Ein "Missbrauch" setzt vielmehr voraus, dass es sich bei dem verschonten Konkurrenten um einen dem Schutzrechtsinhaber bekannten oder lediglich infolge Verletzung der Marktbeobachtungspflicht unbekannten Verletzer handelt, gegen den vorzugehen dem Patentinhaber nach den gesamten Umständen - zu denen beispielsweise der Umfang der Benutzungshandlungen und die Rechtsschutzmöglichkeiten im Verfolgungsland zählen - zuzumuten ist. Im Interesse der kartellrechtlich gebotenen Gleichbehandlung ist die Zumutbarkeits-schwelle freilich nicht allzu hoch anzusetzen.
195Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen ist das Vorbringen der Beklagten nicht geeignet, einen Diskriminierungstatbestand auszufüllen. Die Klägerin hat eine na-mentliche Liste von weltweit insgesamt 1063 Lizenznehmern der MPEG X vorgelegt und erläuternd ausgeführt, dass sich unter den Lizenznehmern 114 Presswerke mit einem Marktanteil von 88 % befinden, wobei es sich in 44 Fällen um in Europa beheimatete Unternehmen handelt. Die Beklagten machen demgegenüber zwar geltend, dass in Europa mehr als 100 Presswerke aktiv seien, ohne diese Behauptung jedoch näher zu konkretisieren. Abgesehen von der polnischen Firma X, die jedoch ausweislich Ziffer 911 der vorliegenden Liste Lizenznehmerin der MPEG X ist, und der ebenfalls in Polen ansässigen X, die unstreitig nicht zu den Lizenznehmern der MPEG X gehört, haben die Beklagten kein einziges Presswerk namhaft gemacht, das, ohne im Besitz einer Lizenz zu sein, unbeanstandet vom MPEG 2-Standard Gebrauch macht. Nur mit entsprechend spezifizierten, für die Klägerin einlassungsfähigen Angaben hätten die Beklagten indessen ihrer Darlegungslast dafür genügen können, dass die Mitglieder des MPEG 2-Pools Benutzer des Standards ungleich behandeln, indem sie Patentverletzungen des von ihnen in die Verwaltung der MPEG X gegebenen Technologiepools missbräuchlich dulden. Nur soweit sich die Beklagten auf die Aktivitäten der lizenzfreien X beziehen, hat ihr Vortrag hinreichende Substanz. Mit der Bezugnahme auf das von den Beklagten überreichte Angebotsschreiben ergibt jedoch das eigene Vorbringen der Beklagten, dass die X- Gegenteiliges wird zumindest nicht konkret vorgetragen - erst seit Februar 2006 auf dem europäischen Markt tätig ist, wobei die betreffenden Angebotsunterlagen weder (z,B, im Internet) öffentlich zugänglich waren noch an die MPEG X oder eines der Poolmitglieder adressiert sind, sondern an die X in X versandt wurden. Bei dieser Sachlage ist die Einlassung der Klägerin glaubhaft und zur Ausräumung des Diskriminierungsvorwurfs ausreichend, dass sie von den Geschäftsaktivitäten der X erst im Mai 2006 erfahren und daraufhin die zur Rechtsverfolgung gegen die X notwendigen Schritte eingeleitet hat. Nach dem unwidersprochenen gebliebenen Vorbringen der Klägerin im Verhandlungstermin vom 31.10.2006 (4b 0 508/05) sind in der vorgerichtlichen Korrespondenz zwischenzeitlich etwa zehn Schreiben ausgetauscht. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen hat die Klägerin angekündigt, selbstverständlich auch ein gerichtliches Vorgehen in Erwägung zu ziehen. Dass diese Ankündigung ernsthaft ist, wird nicht nur durch die bei der Kammer gegen ein anderes deutsches Presswerk anhängigen Verletzungsklagen gestützt, die zwischenzeitlich durch Vergleich beendet sind, sondern findet seine Bestätigung zusätzlich in den darüber hinaus auch in der Vergangenheit vor dem Landgericht Düsseldorf gegen verschiedene europäische Presswerke geführten Patentverletzungsstreitigkeiten.3.
196Bei dem gefundenen Resultat geht der Einwand der Beklagten, es sei kartellrechtswidrig, dass in den bei dem Landgericht Düsseldorf zeitgleich eingereichten Klagen insgesamt 15 Patente aus dem MPEG 2-Technologiepool gegen sie - die Beklagten -geltend gemacht würden, bereits im Ansatz fehl. Wie dargelegt, weigern sich die Beklagten, den Standard-Lizenzvertrag abzuschließen. Nachdem rechtliche Bedenken gegen die Lizenzbedingungen - wie dargelegt - nicht aufgezeigt worden sind, so dass den Beklagten eine Lizenznahme zu den ihnen angebotenen Bedingungen zumutbar war, ist es das gesetzlich verbriefte Recht eines jeden Patentinhabers, Ansprüche wegen der widerrechtlichen Verletzung seines Patents notfalls auch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Dass dies vorliegend abgestimmt in einer Prozessserie geschieht, ist weder unter kartellrechtlichen noch unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden; die Klageerhebungen sind insbesondere nicht rechtsmiss-bräuchlich. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Die Argumentation der Beklagten läuft darauf hinaus, dass die Schutzrechtsinhaber die fortgesetzt patentverletzenden Handlungen der Beklagten hinnehmen sollen, obwohl die Beklagten eine Lizenz zu angemessenen und gleichen Bedingungen nicht nehmen wollen. Eine derartige Konsequenz - welche die Beklagten in anderem Zusammenhang selbst als kartellrechtswidrig brandmarken - ist schlechterdings unhaltbar.
197V.
198Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Klageansprüche im zuerkannten Umfang begründet.
199Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen DVD-ROM's hat die Beklagten zu 1) das Klagepatent mittelbar verletzt. Die Beklagten zu 2) und zu 3) haften aufgrund ihrer Geschäftsführerstellung als Mittäter (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR2006,182-Miss 17) gemäß § 831 BGB persönlich in demselben Umfang wie die Beklagte zu 1).
200Da die Beklagten widerrechtlich gehandelt haben, sind sie der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zunächst zur Unterlassung verpflichtet. Nachdem die patentverletzenden DVD-ROJvTs ausschließlich patentgemäß - und nicht auch pa-tentfrei - verwendet werden können, ist gegen die Beklagten ein Schlechthin-Verbot auszusprechen (BGH, GRUR 2006, 839, 841 f. - Deckenheizung; OLG Düsseldorf, Mitt 2003, 264, 268 - Antriebsscheibenaufzug; Kammer, InstGE 5, 173 - Wandverkleidung). Abweichend von der Formulierung des Klageantrages hat dabei allerdings eine Bezugnahme auf die Verwendungsbestimmung zu unterbleiben, weil sie dem Urteilsausspruch seine Vollstreckbarkeit nehmen würde (BGH - Deckenheizung, aaO, S. 841).
201Da die Patentverletzungen bei Beachtung der von den Beklagten als Fachunterneh-mer im Geschäftsverkehr zu verlangenden Sorgfalt erkennbar und vermeidbar gewesen wären, trifft die Beklagten ein zumindest fahrlässiges Verschulden, das ihre Schadenersatzhaftung begründet (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG). Der Schuldvorwurf ergibt sich daraus, dass die Beklagten ihnen mögliche und zumutbare eigene Erkundigungen und Untersuchungen nach einer etwaigen Benutzung des Klagepatents unterlassen haben und sie auch kein Vertrauen dahingehend für sich in Anspruch nehmen können, dass die patentrechtliche Situation bereits auf der Stufe der Authoring-Studios verlässlich geprüft worden ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 575 - Mela-nie). Den Beklagten war selbstverständlich die Existenz des MPEG 2-Standards bekannt. Für sie konnte ebenso wenig ein Zweifel darüber bestehen, dass die technischen Anweisungen dieses Standards beim Codieren von Videosignalen zu beachten sind (und von den Authoring Studios in der Praxis auch beachtet werden) und dass der Standard eine Vielzahl von Patenten abdeckt. Bei dieser Sachlage lag es unmittelbar auf der Hand, dass die von der Beklagten zu 1) für ihre Geschäftstätigkeiten verwendeten "Master" von zum MPEG 2-Standard gehörenden Schutzrechten Dritter Gebrauch machen. Den Beklagten hätte deswegen die Pflicht oblegen, sich dahingehend zu vergewissern, was (soweit möglich) mit Hilfe eines geeigneten Analyseprogramms oder durch einfache Rückfrage bei dem verantwortlichen Authoring-Studio zu bewerkstelligen gewesen wäre. Es ist nach der Lebenserfahrung auch hinreichend wahrscheinlich, dass es unter Verwendung patentgemäßer DVD-ROM's in mindestens einem Fall zu einem unmittelbare patentbenutzenden Gebrauch einer erfindungsgemäßen Empfangsvorrichtung gekommen ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 839 - Deckenheizung). Mangels näherer Kenntnis der Klägerin über das genaue Ausmaß der Verletzungshandlungen besteht ein rechtliches Interesse der Klägerin daran, dass die Schadenersatzpflicht der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird .(§ 256 ZPO).
202Außerdem haben die Beklagten der Klägerin - wie zuerkannt- Rechnung zu legen, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).
203Die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz bedürfen keiner zeitlichen Einschränkung. Zwar haben die Beklagten erstmals im Verhandlungstermin vom 9.11.2006 behauptet, mit der DVD-Produktion im Jahr 2002 begonnen zu haben. Der diesbezügliche Sachvortrag, den die Klägerin bestritten hat, ist jedoch verspätet und hat, weil seine Berücksichtigung den Rechtsstreit verzögern würde, außer Betracht zu bleiben {§§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO). Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Nachdem die Klägerin von Beginn an Rechnungslegung und Schadenersatz für Benutzungshandlungen in der Zeit vor 2002 beansprucht hatte, hätte es den Grundregeln einer ordnungsgemäßen Prozessführung entsprochen, die angeblich späte Benutzungsaufnahme so rechtzeitig vor dem Haupttermin vorzubringen, dass die Klägerin hierauf hätte erwidern und das Gericht die ggf. notwendigen vorbereitenden Maßnahmen zur Sachaufklärung treffen können.
204Ein Vernichtungsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2006, 570 - extracoronales Geschiebe) findet § 140a PatG auf Fälle mittelbarer Patentverletzung keine Anwendung.
205VI.
206Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.
207Gemäß § 141 Satz 1 PatG, § 199 BGB setzt die Verjährung eines Anspruchs wegen Patentverletzung voraus, dass der Inhaber in rechtsverjährter Zeit - vorliegend also vordem 01.01.2002 (§§195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 147 Abs. 1 PatG, Art. 229 § 6 EGBGB) - positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (d.h. dem Verletzungstatbestand) sowie der Person des Schuldners erlangt hat oder eine solche Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen! Derartiges lässt sich nach dem Sachvortrag der Beklagten nicht feststellen.
2081.
209Dass die Klägerin selbst innerhalb einer zur Verjährung führenden Zeit von den Verletzungshandlungen erfahren hat, machen die Beklagten selbst nicht geltend.
210Unter Verweis auf vorgerichtlichen Schriftwechsel vom 17.09.2002 und 30.12.2003 berufen sie sich allein auf eine Kenntnis der MPEG X, die der Klägerin jedoch nicht zugerechnet werden kann. Es entspricht der- auch im Rahmen von § 141 PatG zu beachtenden - Rechtsprechung des BGH zu § 852 BGB, dass die Kenntnis eines rechtsgeschäftlichen Vertreters grundsätzlich unbeachtlich und nur die Kenntnis des verletzten Rechtsinhabers selbst geeignet ist, den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen (vgl. BGH, GRUR 1998, 133, 137- Kunststoffaufbereitung). Nur wenn und soweit der Verletzte einen Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut hat, darf dem Rechtsinhaber ausnahmsweise dasjenige Wissen zugerechnet werden, welches der andere in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich erlangt hat (BGH, NJW 1989, 2323 mwN; NJW 1968, 988). Bei Patentverletzungen kommt eine Wissenszurechnung nach diesen Regeln nur in Betracht, wenn der Patentinhaber den Dritten mit der Geltendmachung von Rechten aus dem Patent beauftragt hat (BGH, aaO - Kunststoffaufbereitung).
211Dafür bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Die MPEG X hat den Beklagten zu 2) zwar - ersichtlich im Rahmen der ihr von den Poolmitgliedern zugedachten Obliegenheiten bei der Verwaltung des Technologiepools - wiederholt dazu angehalten, den (auch das Klagepatent umfassenden) Standard-Lizenzvertrag abzuschließen. Die Aufforderung zur Lizenznahme stellt jedoch noch keine Geltendmachung von Verbietungsrechten aus dem Patent dar. Bei der MPEG X handelt es sich unstreitig um eine bloße Agentur zur Vergabe von Lizenzen, der als solcher keine weitergehenden Befugnisse im Hinblick auf die zwangsweise Durchsetzung der Lizenzschutzrechte zukommen. Unstreitig haben die Pool-Mitglieder der MPEG X auch lediglich eine nicht ausschließliche Lizenz eingeräumt und sich vorbehalten, selbst Lizenzen an ihren Patenten zu vergeben. Mit Rücksicht auf ihre Stellung als einfacher Lizenznehmerin wäre die MPEG X nur bei einer Ermächtigung durch den jeweiligen Patentinhaber des Pools zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch wegen Patentverletzung befugt; für die Geltendmachung der übrigen Ansprüche (insbesondere auf Schadenersatz) bedürfte es sogar einer materiellrechtlichen Abtretung. Für beides zeigen die Beklagten nichts auf. Im Gegenteil beweist die tatsächliche Verfolgung der Rechte aus Pool-Patenten (in diesem Verfahren, den Parallelverfahren und früheren bzw. weiteren Verfahren vor der Kammer), dass es stets die Patentinhaber selbst sind, die Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Vertretungsrechte ergreifen.
2122.
213Der Klägerin ist auch nicht zum Vorwurf zu machen, dass ihr Verletzungshandlungen der Beklagten infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben sind. Zwar ist der Klägerin bekannt, dass die Beklagte zu 1) eines der größten Presswerke in Europa betreibt, und macht die Klägerin selbst geltend, dass das Klagepatent zum MPEG 2-Standard gehört, der von jedem Presswerk eingehalten werden muss, damit die dort hergestellten Erzeugnisse in einem handelsüblichen DVD-Gerät ordnungsgemäß abgespielt werden können. Unter diesen Umständen lag es für die Klägerin unmittelbar auf der Hand, dass sich die Beklagte zu 1) des MPEG 2-Standards bedienen muss und bedienen wird. Nicht durch Sachvortrag belegt ist indessen sowohl der Zeitpunkt, zu dem die Beklagte zu 1) tatsächlich die DVD-Pressung, insbesondere nach dem MPEG 2-Standard, in einem für die Klägerin unübersehbaren Umfang aufgenommen hat, sowie der Zeitpunkt, zu dem sich der MPEG 2-Standard so weit durchgesetzt hat, dass mit hinreichender Gewissheit davon ausgegangen werden konnte, dass die Presswerke sich dieses Standards bedienen. In anderem rechtlichen Zusammenhang ist zwar vorgetragen worden, dass die DVD-Stückzahlen von 55.0000 im Jahr 1997 auf 1.800.000.000 im Jahr 2004 gestiegen sind. Welche Werte für die Zeit vor 2002 zugrunde zu legen sind, ist jedoch unklar. Gleichermaßen offen ist, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte zu. 1) vor 2002 bereits mit der Pressung von DVD befasst war. Eigenem (verspäteten) Vorbringen der Beklagten zufolge hat es solche (frühen) Benutzungshandlungen nicht gegeben. Nach allem mangelt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass vor dem 01.01.2002 solche Gesamtverhältnisse vorhanden waren, dass die Klägerin vernünftigerweise davon ausgehen musste, dass die Beklagte zu 1) nach dem MPEG 2-Standard arbeitet.
214VII.
215Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Sie berücksichtigt, inwieweit die Klägerin - bei wirtschaftlicher Betrachtung - mit ihrem Klageangriff durchgedrungen und in welchem Umfang sie den Beklagten unterlegen ist.
216Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§709, 108 ZPO.