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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen einer vorsätzlich verübten unerlaubten Handlung ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.782,30 € = 25.000,00 DM zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 27 % und der Beklagte zu 73 %.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.500,00 € vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch in Form einer schriftlichen, unwiderruflichen und selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht Schmerzensgeldansprüche wegen einer Vergewaltigung Ende August 1996 geltend.
3Der Beklagte ist der Adoptivbruder der Klägerin. Die Klägerin war seit Mitte 1996 mit dem Bruder des Beklagten, Herrn X, nach türkischem Recht verheiratet.
4Der Beklagte erteilte der Klägerin an einem nicht näher bestimmbaren Tag Ende August 1996 Nachhilfestunden in Mathematik in der Wohnung des Beklagten. Die Wohnung des Beklagten befand sich in der näheren Umgebung der Wohnung der Eltern der Klägerin, in der die Klägerin seinerzeit wohnte.
5Der Nachhilfeunterricht ging bis spät in die Nacht. Die weiteren Einzelheiten des Geschehens nach dem Nachhilfeunterricht am besagten Tag Ende August 1996 sind zwischen den Parteien streitig.
6Der Beklagte wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.10.1998 (Az.: IV- 14/98 412 Js 1175/97) wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 392 ff BA verwiesen.
7Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 07.07.1999, nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 07.07.1999 (Az.: 3 StR 179/99) die Revision des Beklagten einstimmig als unbegründet verworfen hatte, da die
8Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten ergeben hat.
9Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie Ende August 1996 vergewaltigt. Als sie vom Nachhilfeunterricht spät in der Nacht nach Hause gehen wollte, habe der Beklagte ihr angeboten, sie mit dem Auto, einem zweitürigen VW-Golf nach Hause zu bringen. Sie habe ihre Mathematiksachen auf die Rückbank hinter dem Beifahrersitz gelegt und anschließend auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Sie seien dann losgefahren und der Beklagte habe sich zunächst Zigaretten geholt. Danach sei der Beklagte mit dem Auto einen Umweg gefahren. Der Beklagte habe schließlich den Wagen gegenüber einer Garagenzeile parallel zur Bahnlinie an den Straßenrand des Laturweges in der Nähe des Bahnhofs in Dormagen-Dellrath abgestellt. Nachdem das Fahrzeug an dieser abgelegenen Stelle zum Stillstand gekommen sei, habe die Klägerin den Beklagten gefragt, weshalb er gerade dort anhalte, worauf der Beklagte geantwortet habe, man müsse miteinander sprechen. Es sei alles umgekehrt gelaufen, nicht X, sondern er hätte sie heiraten sollen. Er würde sie begehren und würde sie nicht bloß als Schwester sehen.
10Der Klägerin sei diese Situation unangenehm gewesen. Sie habe die Annäherung des Beklagten abgelehnt. Es sei dann zu einem Streit gekommen der dazu führte, dass die Klägerin schließlich ausgestiegen sei, um zu Fuß nach Hause zu gehen. Der Beklagte habe ebenfalls das Auto verlassen. Da sie ihre auf dem Rücksitz befindlichen Mathematiksachen noch aus dem Auto holen wollte, habe sie sich an der Fahrertür in das Fahrzeug gebeugt, nachdem sie zuvor den Fahrersitz nach vorne geklappt hatte. Nunmehr habe ihr der Beklagte einen Stoß von hinten versetzt, da er sich entschlossen hatte, unter Anwendung von Gewalt den Geschlechtsverkehr mit ihr durchzuführen. Als sie empört gerufen habe, was das sollte, habe der Beklagte geantwortet, wenn sie seinen werbenden
11Worten nicht folgen wolle, dann müsse sie es eben auf andere Art kappieren. Damit habe der Beklagte die Anwendung von Gewalt gemeint.
12Der Beklagte habe daraufhin ihr in die Haare gegriffen und ihren Kopf gegen die hintere seitliche Fensterscheibe auf der Beifahrerseite gedrückt und dabei versucht, sie zu küssen. In der Zwischenzeit habe sie sich gedreht und ihm zugewandt. Sie habe sich gegen die Küßversuche gewehrt, indem sie den Beklagten ins Gesicht geschlagen habe. Daraufhin habe der Beklagte ihre rechte Schlaghand festgehalten. Ihre linke Hand sei zwischen der Rückenlehne des Rücksitzes und ihrem Körper eingeklemmt gewesen. Die Klägerin habe nunmehr mit dem Gesäß und teilweise mit dem Rücken auf dem Rücksitz gelegen. Ihr Kopf sei an dem hinteren Seitenfenster angelehnt. Sie habe empört geschrien, was dem Beklagten einfalle und habe ihre Beine angewinkelt, um ihn wegzudrücken. Dies sei ihr jedoch nicht gelungen.
13Der Beklagte habe nunmehr die Knöpfe ihrer braunen, weiten Stoffhose aufgerissen und diese sowie ihre weiße Unterhose bis zur Mitte der Oberschenkel heruntergezogen. Dann habe sich der Beklagte mit seinem ganzen Gewicht gegen die über ihrem Oberkörper angewinkelten Knie geworfen, um sie niederzudrücken, während sie ihn angefleht habe, aufzuhören. Es sei dem Beklagten dann gelungen, sein erigiertes Glied aus seiner inzwischen geöffneten Hose zu nehmen und in ihre Scheide einzuführen, während sie sich gewehrt habe. Der Beklagte habe mir ihr den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß vollzogen, während sich die Klägerin dagegen gesträubt habe.
14Die Klägerin behauptet weiter, sie sei bei dieser Vergewaltigung defloriert worden, was für sie sehr schmerzhaft gewesen sei und von dem Beklagten als mögliche Folge einschließlich der sich daraus ergebenden seelischen Belastung für sie in Kauf genommen worden sei.
15Als der Beklagte nach seinem Samenerguß von ihr abgelassen habe, habe sie Blut und Sperma an der Innenseite ihrer Oberschenkel herunterlaufen gefühlt. Sie habe später auch Flecken in ihrer Unterhose festgestellt.
16Unmittelbar nach dem Vollzug des Geschlechtsaktes habe sich der Beklagte darüber hämisch geäußert, dass die Klägerin nun keine Jungfrau mehr sei und sich dabei eine Zigarette angezündet. Die Klägerin habe daraufhin in Wut auf ihn eingeschlagen und ihm wiederholt vorgehalten, dass er ihr dies angetan habe. Sie sei dann aus dem Auto ausgestiegen und zu Fuß nach Hause gelaufen. Die Vergewaltigung habe neben starken körperlichen Schmerzen einen übermäßigen seelischen Schmerz, welcher einen einschneidenden Wandel in ihrem Leben zur Folge hatte, verursacht.
17Der Beklagte habe bei der Vergewaltigung ein überaus hohes Maß an Gewalt hervorgebracht, was zur Folge hatte, dass die Klägerin blutete und ihr Unterleib und ihre Brüste schmerzten. Diese Beschwerden hätten noch einige Tage angehalten. Am Morgen nach der Tat habe sie erbrochen. Desweiteren habe sie schwere seelische Schmerzen davongetragen.
18Sie sei bis zum Tatzeitpunkt ein lebensfrohes mitteilsames Mädchen gewesen. Nach der Tat hätte sie sich Zusehens verändert. Sie sei nicht mehr ansprechbar, weine leicht und halte sich nur in ihrem Zimmer auf. Sie habe sich von ihren Freunden isoliert und sich gegenüber ihren Eltern verschlossen. Ferner sei sie appetitlos geworden und breche viel. Sie habe ihre Ausbildung an der Fachoberschule für Sozialpädagogik in Neuss abgebrochen. Ferner sei sie auch nicht bereit, sich einer Psychotherapie zu unterziehen.
19Durch die Tat sei sie durch den Beklagten defloriert worden. Die Jungfräulichkeit habe nach der von ihr übernommenen traditionellen Vorstellung eine entscheidende Bedeutung für ihre Rolle als Frau gehabt.
20Die Klägerin ist der Ansicht, ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM sei angemessen.
21Die Klägerin beantragt,
22den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Der Beklagte behauptet, er habe die Klägerin nicht vergewaltigt und sie auch sonst nicht sexuell bedrängt. Er bestreitet die Tat und behauptet, die Klägerin hätte die Geschichte der Vergewaltigung nur erfunden, um eine Begründung für ihre Ablehnung gegenüber ihrem Ehemann zu haben. Er könnte sich das Verhalten der Klägerin nur so erklären, dass sie wütend war, weil er sie vorher einmal mit einem anderen Mann erwischt habe, als sie schon mit ihrem Ehemann verheiratet war.
26Der Beklagte behauptet weiter, die Klägerin habe schon vor der behaupteten Tat mit X, ihrem Ehemann, sexuellen Kontakt gehabt, insbesondere hätten sie sogenannten „Schenkelverkehr,, gehabt. Er vermute auch, dass sie vorher bereits Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann hatte.
27Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin vorher Jungfrau gewesen sei.
28Der Beklagte bestreitet desweiteren mit Nichtwissen, dass bei ihr Unansprechbarkeit, leichtes Weinen, Isolation, Appetitlosigkeit, dauerndes
29Erbrechen und der Abbruch der Ausbildung als Folge der behaupteten Tat eingetreten seien.
30Die Vergewaltigung in der von der Klägerin behaupteten Art und Weise sei so gar nicht möglich gewesen. In der von der Klägerin geschilderten körperlichen Stellung sei es unmöglich, dass der Beklagte sein Glied in die Scheide habe einführen können. Die Größe der Klägerin sowie die Länge ihrer Beine bedingten, dass sie nicht in der Lage gewesen sei die Beine zu spreizen, wenn die Hose bis zur Mitte der Oberschenkel heruntergezogen wurde. Damit sei ein Eindringen nicht mehr möglich gewesen. Das Eindringen des Beklagten sei darüber hinaus aufgrund der gesamten körperlichen Stellung der Klägerin ebenfalls unmöglich. In der Enge eines VW-Golf (Baujahr 1992, 2-türig) sei es auf der Rückbank unmöglich, die Beine in eine Stellung zu bringen, bei der gleichzeitig die Knie gegen den Oberkörper stoßen und der Vergewaltiger sein Glied in die Scheide einführt.
31Jedenfalls treffe die Klägerin ein Mitverschulden dahingehend, dass sie keine Bereitschaft gezeigt habe, eine Psychotherapie durchzuführen und sich sonst in ärztliche Behandlung zu geben, was ihr aufgrund einer Schadensminderungspflicht obliege.
32Auch sei jegliche Genugtuungsfunktion wegen der strafrechtlichen Verurteilung entfallen.
33Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Strafakte Landgericht Düsseldorf (Az.: IV- 14/98 412 Js 1175/97), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Wegen der Einzelheiten der darin befindlichen Urkunden wird auf den Akteninhalt der Beiakte, insbesondere die zeugenschaftliche Vernehmung der Klägerin (Bl. 4 ff BA), der Brief der Klägerin an die Mutter (Bl. 14 ff BA), die richterliche Vernehmung der Klägerin (Bl. 21 ff BA), das Gutachten der Sachverständigen X (Bl. 69 ff BA), das Transkript der Sachverständigen X (Bl. 239 ff BA) und das
34Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Bl. 392 ff BA) sowie den Beschluß des Bundesgerichtshofes (Bl. 692 ff BA), verwiesen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
36Entscheidungsqründe:
37Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 DM = 12.782,30 € aus §§ 847, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit§ 177 Abs. 1 StGBa.F..
38Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Beklagte die Klägerin vorsätzlich unter Anwendung von Gewalt in der von der Klägerin geschilderten Art und Weise vergewaltigt hat.
39I
40Das Gericht hatte bei der Überzeugungsbildung als Beweismittel gemäß §§ 415ff. ZPO insbesondere folgende Urkunden verwertet:
41- den handschriftlich geschriebenen Brief der Klägerin an ihre Mutter
42- das Protokoll der zeugenschaftlichen Vernehmung der Klägerin vor der Polizei vom 20.10.1997
43- das Protokoll der richterlichen Vernehmung der Klägerin vom 24.10.1997
44- das Gutachten der Sachverständigen X vom 13.03.1998
45- das dazugehörige Transkript der Sachverständigen X
46- das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.10.1998
47- den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 07.07.1997
48Das Gericht konnte diese Urkunden als Beweismittel verwerten.
49Die Klägerin hat sich zum Beweis ihres Tatsachenvorbringens auf die Beiziehung der Akten des Strafverfahrens Landgericht Düsseldorf (Az.: IV-14/98/412 Js 1195/97) berufen. In jenem Verfahren ist der Beklagte wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.
50Das in jenem Verfahren eingeholte Gutachten, die Zeugenprotokolle sowie das Urteil können im Wege des Urkundenbeweises im vorliegenden Verfahren verwertet werden (Zöller, ZPO, § 373 Rn. 9, § 402 Rn. 6 c jeweils m.w.N.). Im Zivilverfahren kann das Gericht nicht nur die Vernehmungsprotokolle und Gutachten des Strafverfahrens sondern auch das rechtskräftige Strafurteil selbst mit seinen Feststellungen als Beweisurkunde verwerten und darauf seine Überzeugung von der zu beweisenden Tatsache stützen (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1527 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 727; OLG Köln, VersR 1992, 252). Die protokollierten Zeugenaussagen können - vorbehaltlich verfahrensgerechter Beweiserhebung im anderen Verfahren - durch Bezugnahme hierauf als Urkundenbeweis in das Verfahren eingeführt werden (§ 418 Abs. 1 ZPO). Zwar sind der Beweiswürdigung dieses Urkundenbeweises Grenzen gesetzt, das Protokoll darf nicht wie ein Zeugenbeweis gewertet werden (BGH NJW 1995, 2856, 2857), denn es beweist nur, was der Zeuge im anderen Verfahren ausgesagt habe, nicht zwingend jedoch auch die Richtigkeit und Vollständigkeit in dieser Aussage. Die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist nicht möglich, sie verstieße auch gegen den Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit (BGH NJW 1995, 2856, 2857). Jedoch können Protokolle insoweit als Urkunde in den Prozeß eingeführt werden, als dass damit bewiesen wird, dass der Zeuge die entsprechende Aussage gemacht hat.
51Gutachten aus anderen Verfahren, auch aus Strafverfahren, dürfen, auch von Amts wegen und ohne Zustimmung der Parteien, beigezogen und verwertet werden (BGH NJW 1982, 2875, Zöller, ZPO, § 402 Rn. 6 c). Es handelt sich dann um Urkundenbeweis (BGH NJW 1983, 121, 122).
52Durch die Urkunden ist bewiesen, dass der Beklagte die von der Klägerin behauptete Vergewaltigung begangen hat.
53In dem Strafverfahren ist umfänglich und sorgfältig zu den erhobenen Vorwürfen Beweis erhoben worden. Die Strafkammer ist auf der Grundlage ihrer eingehenden Beweiserhebung, insbesondere auch durch Verwertung des wissenschaftlichen Gutachtens der Sachverständigen X und ihrer Anhörung in der Hauptverhandlung zur Glaubwürdigkeit der als Zeugin vernommenen Klägerin und zur Glaubhaftigkeit ihrer Aussage mit sorgfältiger, umfassender und gut nachvollziehbarer Begründung zur Feststellung der streitigen Vergewaltigung gelangt. Die Feststellungen des Strafurteils des Landgerichts Düsseldorf beruhen auf einer umfangreichen Beweisaufnahme der Strafkammer, in deren Rahmen auch Entlastungszeugen vernommen wurden. Die Strafkammer kam zu dem Ergebnis, dass die geschädigte Klägerin als Zeugin glaubwürdig ist und hat mit umfassender und gut nachvollziehbarer Begründung zahlreiche denkbare Motivationen für eine Falschbekundigung ausgeschlossen. Die Aussage der Klägerin ist vom Landgericht Düsseldorf zutreffend gewürdigt und als glaubhaft erachtet worden unter Berücksichtigung des im Strafverfahren eingeholten ausführlichen, nachvollziehbaren und deshalb überzeugenden Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsgutachten bezüglich der Klägerin. Auf die zutreffenden und sorgfältigen Gründe im Urteil der IV. Großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf (Bl. 392 ff BA) wird Bezug genommen.
54Die Sachverständige Dipl.-Psychologin X ist in ihrem Gutachten überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aussage der Klägerin
55mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ist. Dazu hat sie ausgeführt, dass die Phantasiebegabung der Klägerin angesichts der nur knapp durchschnittlichen interlektuellen Fähigkeit nicht ausreiche, um sich das Tat-und Rahmengeschehen in allen seinen Einzelheiten auszudenken. Ihre ausführliche, sehr detaillierte und logisch stimmige Schilderung könne aus begabungs- und gedächtnispsychologischen Gründen nur auf einem echten Erlebnisbezug beruhen. Ein ganz erheblicher Aspekt, der mit großer Evidenz für den Realitätsgehalt der Bekundung zeuge, sei die präzise Übereinstimmung zwischen den Angaben der Geschädigten bei der Polizei, bei ihren Explorationen und bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung in allen wesentlichen Punkten des Kern- und Rahmengeschehens. Es fänden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine mit einer anderen Person erlebte Vergewaltigung auf den Beklagten übertragen haben könnte. Ihre Kernaussagen seien derart eng mit der Person des Beklagten verflochten, dass eine fälschliche Transformation ausgeschlossen sei. Diese Verflechtung ergebe sich aus folgenden von ihr geschilderten Umständen: Der Mathematiknachhilfeunterricht und das anschließende Gespräch mit der Zeugin Küppers in der Wohnung des Beklagten, das Angebot des Beklagten, sie im Auto seines Cousins nach Hause zu fahren mit der Begründung noch Zigaretten an einem Automaten ziehen zu wollen, die Einleitung der sexuellen Annäherung durch das Gespräch über X und den Wunsch des Beklagten, an dessen Stelle zu treten, sowie seine Drohung, er werde sie abknallen bzw. ihren Schwestern etwas vergleichbares antun, wenn sie etwas von dem Vorfall erzählen würde.
56Wesentliches Beweiskriterium ist auch der mehrseitige Brief, den die Klägerin an die Mutter hat übergeben lassen.
57Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Mutter der Klägerin das veränderte Verhalten der Klägerin bemerkt. Sie spürte, dass die Klägerin ihr gegenüber etwas verheimlichte, was sie schwer bedrückte. Um ihr Geheimnis erfahren und ihr helfen zu können, habe die Mutter daher zu
58einer Notlüge gegriffen, indem sie der Klägerin mitteilte, dass sie an Krebs leide und nicht mehr lange zu leben habe. Wenn die Klägerin ein Problem habe, bestünde nicht mehr lange Zeit, ihr dieses mitzuteilen. Dies habe bei der Klägerin einen tiefen Eindruck hinterlassen und noch in der Nacht darauf habe sie einen 8-seitigen Brief an ihre Mutter geschrieben, in dem sie ihrer Mutter das Geschehene mitzuteilen versuchte. Der Brieftext lautet -auszugsweise - wie folgt:
59„Hallo Mama!
60Ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll, ...! Weißt Du, ich wollte niemals dass es so weit kommt und ich habe wirklich versucht mit meinen Problemen klar zu kommen, immer wieder habe ich es runtergespielt und mit Lügen bis jetzt gelebt, doch ich kann nicht mehr, ich habe keine Kraft mehr, denn die Wahrheit holt mich immer wieder ein, egal wie sehr ich versuche dagegen anzukämpfen, vor allem in letzter Zeit ist es sehr schwer für mich, denn ich habe Angst große Angst, Angst vor allem, vor der Wahrheit und dass ihr mich niemals verstehen werdet. Weiß Du, es tut mir wirklich leid, dass ich nicht so sein kann wie ihr es von mir verlangt, aber glaube mir ich habe es versucht, versucht damit ihr oder vielmehr Papa auf mich stolz ist. Ich wollte ihm eine ganz besondere Tochter sein, doch das kann ich ihm und Dir auch nicht erfüllen, weil man mein Leben kaputt gemacht hat. Mein Leben ist für mich irgendwie schon gelaufen, und das kann nichts in der Welt wieder gut machen, nichts. ... Der Grund warum ich Dir das alles schreibe ist, weil ich vor Dir kein Wort rauskriegen würde, ich würde dabei kaputtgehen. In letzter Zeit ist in meinem Leben viel schief gelaufen und irgendwie komme ich mit alldem nicht klar. Mir tut das sehr weh wenn ihr X Recht gebt und mich behandelt wie eine Schuldige, ihr müßt auch versuchen mich zu verstehen, ich kann mich ihm gegenüber nicht anders verhalten und wenn ich es versucht habe dann nur für euch und weil ich keinen anderen Ausweg wußte. Ich wollte versuchen das Beste daraus zu machen, damit ihr glücklich seid, aber ich kann nicht! O.k. Am Anfang wollte ich nie weil ich eigentlich nichts für ihn empfinde, dass waren dann die ganzen Jahre über doch letztes Jahr habe ich mich versucht zusammenzureißen und mit ihm auszukommen, doch da sind so viele Dinge passiert, wo ich mir so richtig bewußt wurde dass ich ihn nicht heiraten kann und dass ich mit ihm und seinem Bruder nichts mehr zu tun haben will. Weißt Du, wenn ich könnte würde ich die Zeit zurückdrehen und alles verhindern und euch diesen Kummer ersparen. Doch irgendwann wird die Wahrheit zum Vorschein kommen. Und wenn ich mit ihm Heiraten würde dann würde ich Tag für Tag durchmachen was mich kaputt macht. Schon alleine wenn ich ihn sehe oder mit ihm an einem Tisch sitze dann würde ich am liebsten weglaufen! Er kann eigentlich auch nicht so viel dafür, aber er trägt auch dazu bei. Und das Schlimmste an der Sache ist, er gibt mir die Schuld und er und sein Bruder tun sich zusammen, denn wenn er mich verstehen würde dann würde er niemals seinen Bruder besuchen ... Er will die Trennung unter einer Bedingung, wenn ich die ganze Schuld auf mich nehme, damit die Leute nicht über ihn reden! Eins sage ich Dir jetzt schon verlange niemals von mir ihn zu heiraten, denn dann gehe ich zugrunde. ...So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Mit meinen 20 Jahren, habe ich manchmal das Gefühl dass mein Leben irgendwo schon zu Ende ist, doch ich habe auch das Recht auf eine vernünftige Zukunft, auf Liebe, auf eine Familie, auf Kinder und auf jemanden der mich akzeptiert und respektiert so wie ich bin! Ich habe oft nach diesem Vorfall dumme Gedanken gehabt, aber ich lasse mir meine Zukunft und mein Leben nicht von solchen Leuten kaputt machen. Im Gegenteil ich muss die Kraft haben denen zu beweisen dass die es niemals schaffen mich kaputt zu machen. ... Für mein ganzes Verhalten gibt es Gründe, Dinge die mein ganzes Leben verändert haben „Dinge die Beziehung zwischen mir und euch zwischen anderen Menschen ebenfalls kaputt gemacht haben,, Du wolltest die Wahrheit: An dem Tag als X ausgerastet ist, ist er nicht ausgerastet weil er seine brüderlichen Pflichten erfüllen muss, sondern weil er es nicht ertragen konnte mich mit anderen Jungen reden zu sehen, weil ich ihm gedroht habe wenn er seine Finger nicht von mir läßt euch alles zu erzählen und deshalb hat er mir gedroht mich eines Tages abzuknallen, weil er ja nichts mehr zu verlieren hätte. Er sagte wenn er mich nicht ganz haben kann, dann soll es wenigstens sein Bruder!
61Es fing alles schon vor vielen Jahren an, da hat X immer Andeutungen gemacht die ich nie ernst genommen habe! ... Denn letztes Jahr in der Türkei habe ich versucht mich mit X zu versehen, das war einer meiner größten Fehler, denn eine Nacht wollte er mehr als wie ich ihm geben konnte.
62Er hat es versucht und ich dachte wirklich es wäre passiert, meine Jungfräulichkeit wäre weg. Doch so war es nicht. Das wußte ich erst als ich in Deutschland war! Aber er hat mich in dem Glauben gelassen und mich wie Dreck behandelt warum ich denn nicht geblutet hätte. Heute weiß ich dass er es nicht richtig geschafft hat er hat es gedacht! Am Morgen darauf habe ich gebrochen und mich so geschämt und geekelt. Zwei Tage danach hat er es wieder versucht, obwohl ich ihm aus dem Weg gegangen bin, aber er meinte dass wir so und so heiraten werden und ich soll mich nicht so anstellen! Meine Rettung war Gott sei Dank meine Tage!
63X wollte dass ich mit X zum Arzt gehe um kontrollieren zu lassen, ob er angeblich der Erste war! Das heißt X wußte von allem Bescheid! Und X bestand darauf! Ich hatte keine Probleme mit zum Arzt zu gehen denn ich wußte ja, dass ich vorher nie was hatte.
64Ich wollte zum Arzt, doch X hat das immer gesagt weil sein Bruder wollte, hat es aber nie getan! Anstatt das zu tun hat er die Situation ausgenutzt und mir mehrmals weg getan und ich konnte nichts dagegen tun, das war alles kurz vor dieser Prügelei am Bahnhof und deswegen ist er ausgerastet. Er ist mir ständig hinterher gelaufen, hat mich abends nach der Schule oder Arbeit abgefangen und als ich die ständige Belästigung nicht aushalten konnte, habe ich ihm gedroht, wenn er mich nicht in Ruhe läßt sage ich es Mama und Papa, da ist er komplett ausgerastet. Er hat mir sehr weg getan, er hat mir meinen ganzes Leben ruiniert meinen ganzen Stolz geklaut! Nach diesem Vorfall habe ich die ganze Nacht drei Tage lang unten geblutet. Nicht X sondern er hat mir das Wichtigste einfach genommen! Und er weiß das ganz genau er war sogar Stolz darauf und meinte; mein Bruder wird das eh nie raffen, weil er denkt er hätte es geschafft, er sagte; nein nicht er sondern ich und ich bin Stolz! Ich habe versucht dagegen anzukämpfen. Wie soll man sich denn fühlen wenn dir etwas brutal mit Gewalt angetan wird. Ich hasse so sehr. Er sagte, mir würde so und so keiner Glauben, weil alle erfahren werden das mit X! Ich wollte dass das nicht passiert, er hat mir ständig gedroht wegen X, er sagte es wäre kein Problem! Er hat sogar versucht mir Drogen zu geben. Und ich hatte Angst um X, ich wollte nicht dass sie das durchmacht was mit mir passierte. Und da hat er sich mit X auf einmal so gut verstanden und ich hatte Angst! Auch X hat es getan meinen Mund zugehalten mich verletzt! Ich muss sogar einen Schwangerschaftstest machen! Beide sollen dafür bezahlen! Und deshalb habe ich ganz plötzlich den Kontakt abgebrochen und bin am Bahnhof ausgerastet deshalb habe ich ihn vor Papa Hurensohn Bastard genannt und ihn geschlagen! Ich habe ihn noch mehr als zuvor gehasst, ich wollte ihn mit eigenen Händen umbringen! Deshalb kann ich nicht mit ihm heiraten erstens weil er genau so ist wie sein Bruder zweitens ich könnte nie mit ihm Zusammensein, denn nochmal lasse ich das nicht mehr zu, dann beende ich lieber mein Leben. Es tut mir wirklich leid, aber du wolltest die Wahrheit, ich habe große Angst! Angst was auf mich zukommt Angst von meinen Eltern abgelehnt zu werden.
65Dadurch musste ich viele Dinge die mir sehr viel bedeuten aufgeben! (Freunde) Du weist schon! Du kannst Dir gar nicht vorstellen wie froh ich war als er im Knast war und plötzlich ist der andere hier! Ich hasse beide, ja beide. Jedes Mal wenn X versucht hat mich anzufassen habe ich in Sekundenschnelle alles immer und immer wieder durchgemacht! Mit der Angst zu leben, vielleicht euch zu verlieren halte ich nicht mehr aus! Aber wenn er ihm immer noch Recht gebt, dann ist kein Platz mehr für mich hier, dann gehe ich lieber damit ihr glücklich sein könnt! Weißt Du ich will dass X ein besseres Leben hat als wir, denn kein Mensch hat so etwas verdient. Ich will nur meine Ruhe denn ich habe auch Rechte oder nicht? Vielleicht verstehst Du jetzt. Die meiste Kraft hatte ich wenn ich X angeguckt habe! Sie soll glücklich aufwachsen und leben denn die kriegt doch jetzt schon alles mit. Ich schäme mich so sehr obwohl ich gar keine Schuld habe. Ich will nur eine Trennung und er auch. Reicht nicht der Grund für die anderen dass wir uns nicht verstehen! Er muss in die Türkei oder ich muss weg sonst passiert nachher noch ein Unglück wenn Asian rauskommt! Ich ekele mich oft vor mir selber aber ich liebe euch und deshalb habe ich die Kraft. Ich werde um 20.30 Uhr nach Hause kommen vorher rufe ich Dich an!
66Es tut mir leid, ich habe Dich lieb. Ich schwöre beide werden leiden, denn man hätte mir ein Messer stecken können das wäre vielleicht besser!,,
67Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Klägerin diesen Brief ihrer Schwester X gegeben mit der Bitte, ihn der Mutter auszuhändigen. Nachdem die Mutter den Brief gelesen und sofort verstanden hat, dass dort über eine Vergewaltigung durch den Beklagten berichtet wurde, informierte sie sofort ihren Ehemann. Die Mutter riet daraufhin der Klägerin, Anzeige zu erstatten, was diese im Oktober 1997 dann auch getan hat.
68Unter Berücksichtigung der gesamten Feststellungen der Strafkammer und des Gutachtens der Sachverständigen sowie des Briefes der Klägerin steht auch für das hier erkennende Gericht ebenso wie für die Strafkammer fest, dass der Angeklagte die von der Klägerin behauptete Vergewaltigung begangen hat.
69Das erkennende Gericht konnte davon abgesehen, die Klägerin als Partei zu vernehmen.
70Eine Parteivernehmung der Klägerin zu den streitgegenständlichen Handlungen des Beklagten ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht erforderlich. Der Beklagte hat schon keine konkreten erheblichen Einwendungen gegen die Gründe des Strafurteils erhoben. Der Beklagte verteidigt sich nämlich im vorliegenden Prozeß lediglich damit, dass er die Vergewaltigung bestreitet, erfolgsversprechende Beweismittel für seine Behauptung des Gegenteils bietet der Beklagte nicht an. Insbesondere bietet er keine Zeugen für solche Motivationslagen der Klägerin an, die sie zu einer Falschbeschuldigung veranlassen oder ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen könnten. Darüber hinaus beantragt der Beklagte noch nicht einmal die Vernehmung der Zeugen, aufgrund deren Aussage das Landgericht seinerzeit diese Verurteilung gestützt hat.
71Der Beklagte hätte hinsichtlich des Gutachtens der Sachverständigen X gemäß § 411 Abs. 3 ZPO die mündliche Anhörung oder die Einholung eines neuen Gutachtens unter der Voraussetzung des § 412 ZPO beantragen können. Der Beklagte hätte desweiteren Bedenken gegen die Überzeugungskraft des urkundlich eingeführten Beweisergebnisses des Strafverfahrens erheben können und hätte die unmittelbare Anhörung der Zeugen beantragen können. Dies hat der Beklagte aber nicht getan. Auch hat der Beklagte sonst keinen substantiierten Vortrag gebracht, sondern sich nur darauf berufen, dass er die Tat nicht begangen habe. Der Beklagte beschränkt sich also auf das Bestreiten der Tat. Auch hat der Beklagte die Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt.
72Soweit der Beklagte desweiteren behauptet, die von der Klägerin geschilderte Vergewaltigung sei auf dem Rücksitz des 2-türigen PKW VW-Golf in der von der Klägerin geschilderten Vorgehensweise nicht möglich, so bedarf es diesbezüglich keiner Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Soweit der Beklagte im hiesigen Verfahren für seine Behauptung, dass unter den von der Klägerin geschilderten Umständen eine Vergewaltigung nicht möglich gewesen sein soll, den bereits im Strafverfahren mit Beschluß vom 10.02.1998 abgelehnten Beweis durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens anbietet, sieht das Gericht auch weiterhin keine Notwendigkeit, diesem Beweisantritt nachzugehen. Das Gericht verfügt aufgrund seiner Kenntnisse vom Inneren eines VW-Golf, von der menschlichen Anatomie und den Möglichkeiten heterogener Sexualität selbst über die erforderliche Sachkunde, um zumindest für den Fall einer Normalausstattung der Geschlechtsteile von Mann und Frau zu einer Kenntnis darüber zu gelangen, ob die Ausführung des Geschlechtsverkehrs im Wege einer Vergewaltigung durch den Beklagten mit der Klägerin möglich war. Der Beklagte, dem diese Begründung für die Zurückweisung eines entsprechenden Beweisantrages im Strafverfahren bekannt ist, hat hier keine Gründe vorgetragen, die eine andere Beurteilung im Zivilverfahren geböten.
73Für das Gericht steht auch fest, dass die Klägerin aufgrund der Vergewaltigung folgenschwere psychische und seelische Beeinträchtigungen davongetragen hat. Zum einen ergibt sich dies daraus, dass die Mutter der Klägerin bei ihren Vernehmungen die Veränderungen bekundet hat. Deutlich wird auch die massive seelische Veränderung in dem von der Klägerin verfassten Brief an ihre Mutter. Hier wird insbesondere deutlich, in welcher seelischen Zerrissenheit sich die Klägerin befunden hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Klägerin bis zum Tatzeitpunkt ein lebensfrohes und mitteilsames Mädchen, die sich jedoch nach der Tat Zusehens veränderte. Sie aß nur noch wenig und magerte ab. Ihr war im Bewußtsein der Tat häufig so übel, dass sie sich erbrechen musste. Sie dusche drei- bis fünfmal am Tag in dem Bestreben, sich reinzuwaschen. Sie weinte oft, verschloß sich gegenüber ihren Eltern und brach den Kontakt zu Freunden ab, denen sie schlecht gelaunt, blaß und krank erschien. Sie blieb des öfteren dem Unterricht in der Fachoberschule für Sozialpädagogik in Neuss fern und brach diese Ausbildung, die sie nach dem Realschulabschluß begonnen hatte, schließlich ab. Insbesondere die Mutter merkte diese Veränderungen. Auf ihre Frage, was mir ihr los sei, erwiderte die Klägerin stets, sie fühle sich dreckig. Sie habe ein Problem, mit dem sie allein fertig werden müsse und mit dem sie die Mutter nicht belasten wolle.
74Der Höhe nach hält das Gericht daher ein Schmerzensgeld von 25.000,00 DM unter Berücksichtigung aller Umstände für angemessen. Zum einen entspricht das hier zuerkannte Schmerzensgeld der Rechtsprechung mehrerer Landgericht in vergleichbaren Fällen. So hat das Landgericht Wuppertal für die Vergewaltigung einer psychisch labilen Frau ein Schmerzensgeld von nicht unter 30.000,00 DM für angemessen erachtet (Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11.10.1999, 2 O 66/99, Streit 2000, 125 f). In einem weiteren vergleichbaren Fall hat das Landgericht Stuttgart ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM für angemessen erachtet (Urteil vom 13.01.1999, 10 0 282/98, Streit 2000, 124 f). In einem weiteren Fall hat das Oberlandesgericht Koblenz bei einer Vergewaltigung -wobei die dort entschiedene Fallkonstellation von schwererem Grad war- für das stundenlange Matyrium einer äußerst brutalen Vergewaltigung einer 17-jährigen ein Schmerzensgeld von 40.000,00 DM zugesprochen (Urteil vom 02.10.1998, 8 U 1682/97, NJW 1999, 1639 f.). Das Landgericht Osnabrück hat in einem Urteil für eine Vergewaltigung bei mittelschwerer Tatausführung ein Schmerzensgeld von 30.000,00 DM für angemessen erachtet (Urteil vom 21.10.1997, 7 0 137/97, nicht veröffentlicht).
75Im vorliegenden Fall liegt eine mittelschwere Vergewaltigung vor, für die ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM angemessen ist.
76Während in den 80er Jahren für mittelschwere Vergewaltigungen Schmerzensgeldbeträge zwischen 6.000,00 und 8.000,00 DM üblich waren, hat sich in den 90er Jahren die Rechtsprechung entscheidend geändert. Der Bundesgerichtshof hat 1991 ausgeführt, dass aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte als materielle Entschädigungen wegen Vergewaltigung Beträge zwischen 6.000,00 DM und - in einem Fall bei gleichzeitigem Mordversuch - 30.000,00 DM bekannt sind. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass diese Beträge angesichts der schwerwiegenden seelischen Belastungen, wie sie mit einer Vergewaltigung einhergeht, zu gering erscheinen (BGH NJW 1991, 1046, 1047). Spätestens nach der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes sind Schmerzensgeldbeträge für Vergewaltigungen angestiegen, so dass in den Schmerzensgeldtabellen für Vergewaltigungen kaum noch Schmerzensgeldbeträge unter 10.000,00 DM zu finden sind. Diese Rechtsprechungsänderung dürfte auf der Veränderung der gesellschaftlichen Anschauung beruhen, wonach ganz allgemein die Gesellschaft sensibler für die Unterdrückung und Mißachtung der Frauen geworden ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf die höhere Schmerzensgeldbewertung bei Verstößen gegen das Persönlichkeitsrecht (OLG Hamburg, NJW 1996, 2870) hinzuweisen.
77Andererseits verkennt das Gericht auch nicht, dass in den 90er Jahren für Vergewaltigungen eher zurückhaltend Beträge von 30.000,00 DM oder darüber zu verzeichnen sind. Die Rechtsprechung hat sich jedoch durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.01.1996 (NJW 1996, 1591) nochmals geändert. Im Zuge dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof dann schließlich sogar für eine Schwerstform eines Martyriums der Vergewaltigung ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 100.000,00 DM für begründet erachtet.
78Insgesamt ist daher für eine Vergewaltigung bei mittelschwerer Tatausführung ein Schmerzensgeld von 25.000,00 DM angemessen. Im vorliegenden Fall ist die Tatausführung als mittelschwer untere Grenze zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist daher ein Schmerzensgeld von 25.000,00 DM angemessen.
79Die schon prinzipiell schwierige Umrechnung immaterieller Schäden in einen materiellen Schmerzensgeldbetrag ist in Vergewaltigungsfällen besonders schwierig, weil nicht so sehr die rein körperlichen Schäden der Handlung als solche, sondern die seelischen Schäden durch den Angriff auf die Würde der Frau im Vordergrund stehen. Diese seelischen Schäden sind besonders schwer einer objektiven Bewertung zugänglich, weil sich die Vergewaltigung gegen die intimsten seelischen Bereiche der Frau richtet. Während die eine Frau seelisch mehr robuster sein mag und demzufolge die Verletzung ihrer Intimsphäre weniger folgenreich ist, mag eine seelisch mehr empfindsame Frau ihr Leben lang in ihrem seelischen Empfinden bei geschlechtlichen Beziehungen gestört sein, ohne dass ihr dies äußerlich anzumerken ist.
80Trotz dieser prinzipiellen Schwierigkeiten, die vorwiegend seelischen Schäden in Geld ausgleichen zu können, muss die Zivilrechtsprechung sich
81bei der Schmerzensgeldbestimmung an vergleichbaren Fällen orientieren, um den Schädiger nicht ein willkürlich hohes Schmerzensgeld aufzuerlegen oder die Geschädigte nicht mit einem willkürlich niedrigeren Schmerzensgeld abzuspeisen. Gerade weil die Schmerzensgeldklägerin für seelische Schäden, bei denen kaum ein Fall mit dem anderen vergleichbar ist, Geld als unpersönlichsten Wertmesser verlangt, muss sich die Zivilrechtsprechung an Fällen vergleichbarer Vergewaltigungen halten. Auch die Hinzuziehung von Psychologen und Psychiatern könnten die individuellen seelischen Schäden einer Vergewaltigung nur bis zu einem gewissen Maß objektiv nachvollziehbar machen.
82Die generelle Einschaltung von psychologischen und psychiatrischen Sachverständigen in Vergewaltigungsfällen würde letztlich den wahren Interessen geschädigter Vergewaltigungsopfer widersprechen, weil dann im Zivilrecht jeder Vergewaltigungstäterden behaupteten seelischen Schaden mit Nichtwissen bestreiten würde - wie hier - und in einem psychologischen oder psychiatrischen Gutachten die oftmals intimsten Bereiche für die Parteiöffentlichkeit aufgedeckt werden müßten und eine objektive seelische Schädigung eines Vergewaltigungsopfers sich oftmals nicht wissenschaftlich nachweisen lassen würde, obwohl eine Vergewaltigung typischerweise schwere seelische Schäden nach sich zieht. Deshalb muss die Feststellung seelischer Schäden nach einer Vergewaltigung durch psychologische oder psychiatrische Sachverständige auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Dies bedeutet zugleich auch umgekehrt, dass es Regelfälle leichter, mittlerer und schwerer Vergewaltigung gibt, an denen sich die durchschnittliche Schmerzensgeldzumessung auszurichten hat.
83In dem vorgenannten Sinne ist vorliegend schon von der Tatausführung her - und unter Berücksichtigung der im Prozeß erhobenen Begutachtung - ein Fall mittelschwerer Vergewaltigung gegeben:
84Die Klägerin hat vor der Tat dem Beklagten keinerlei Anlaß gegeben, wonach dieser etwa glauben könnte, die Klägerin sei mit einer sexuellen Handlung einverstanden. Der Beklagte hat die Klägerin in erniedrigender Weise in einem PKW auf der Rücksitzbank vergewaltigt. Bei der Klägerin handelt es sich um die Adoptivschwester des Beklagten. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Tatausführung gerade 18 Jahre alt.
85Die erheblichen seelischen Schäden werden deutlich bei Verwertung der in den Prozeß eingeführten Urkunden, insbesondere dem Urteil und dem von der Klägerin verfaßte Brief.
86Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes entfällt auch nicht bereits deshalb, weil der Beklagte bereits zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde. Die bereits erfolgte strafrechtliche Ahndung der Tat mindert zwar das Bedürfnis zu einer Genugtuung. Indessen kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1996, 1591) für die Bemessung des Schmerzensgeldes entscheidend auf das Integritätsinteresse der Vergewaltigten und nicht auf die primär im Interesse der Allgemeinheit erfolgten Bestrafung an. Hierbei berücksichtigt die Rechtsprechung mit Recht, dass in Vergewaltigungsfällen das Strafverfahren nur unzureichend eine Genugtuung für das Opfer bringt, weil im Strafverfahren das Vergewaltigungsopfer durch die Gegenüberstellung mit dem Täter und eine harte Befragung regelmäßig neue schwere Belastungen erleiden muss (OLG Hamm, NJW-RR 1994, 94 m.w.N.; LG Osnabrück, 7 0 137/97).
87Im Hinblick auf die zugefügten Schmerzen und die Folgeschäden ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM angemessen. Es ist dabei auch berücksichtigt worden, dass der Beklagte von einer Wiedergutmachung offensichtlich nicht interessiert ist.
88Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Beklagte seine Haft mittlerweile verbüßt hat und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten offensichtlich eher gering ist. Unter Berücksichtigung der Tatfolgen war es gleichwohl zwingend geboten, ein Schmerzensgeld in der tenorierten Höhe auszusprechen.
89Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs kann auch die Tatsache, dass die Klägerin keine Therapie gemacht hat und sich auch sonst nicht in ärztliche oder psychologische bzw. psychiatrische Behandlung begeben hatte, nicht den Anspruch auf Schmerzensgeld mindern. Zum einen ist dies jedenfalls nicht ausschlaggebend im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen und zum anderen schon gar nicht im Rahmen eines Mitverschuldens gemäß § 254 BGB.
90Ein Vergewaltigungsopfer kann nicht dazu gezwungen werden, sich in psychiatrische oder sonstige ärztliche Behandlung zu begeben. Jedenfalls kann insofern auch ein Mitverschulden oder die Minderung des Schmerzensgeldanspruches nicht damit begründet werden, dass sich das Opfer nicht behandeln läßt. Denn insofern liegt keinesfalls ein Verschulden der Klägerin vor. Wenn sich die Klägerin einer Behandlung verweigert, so beruht dies offensichtlich ausschließlich auf den psychischen Folgen der Tat, so dass sie nicht in der Lage ist, sich von sich aus einem Arzt zu offenbaren. Denn der Klägerin ist es schon äußerst schwer gefallen, sich engsten Freunden und den Angehörigen zu offenbaren. Dies folgt insbesondere aus der Tatsache, dass die Klägerin das Vergewaltigungsgeschehen ihrer Mutter erst dann mitteilte, als ihre Mutter im Wege einer Notlüge ihr vermittelte, sie hätte nicht mehr lange zu leben, weil sie an Krebs leide. Die Klägerin hat daher erhebliche Schwierigkeiten, sich mit ihrem Leiden einer dritten Person zu offenbaren.
91Das Gericht kann daher jedenfalls kein Verschulden der Klägerin erkennen, dass sie sich nicht hat behandeln lassen. Insofern liegt kein Mitverschulden vor.
92Die Klägerin hat zwar Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 29.11.1999, da jedenfalls spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zustellung der Klage erfolgt war. Das genaue Datum der Zustellung läßt sich angesichts der Tatsache, dass die Originalakte verlustig gegangen ist, nicht feststellen, so dass der späteste Zeitpunkt der Zustellung der 29.11.1999 gewesen ist. Das Gericht sieht sich aber gehindert, die Zinsen zuzusprechen, da diese nicht beantragt worden sind. Das Gericht ist hieran gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehindert.
93Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Klägerin 27 % der Kosten und der Beklagte 73 % der Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hatte zunächst mit Klageerhebung ein angemessenes Schmerzensgeld beantragt, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens einen Betrag von 50.000,00 DM verlangt hat. Zwar kann das Gericht einer Partei gemäß § 92 Abs. 2 die gesamten Prozeßkosten auferlegen, wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen abhängig war. Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor, da die Klägerin ein Mindestschmerzensgeld von 50.000,00 DM beantragt hat und ihre Forderung erst nach Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch des Beklagten reduziert hat. Angesichts dessen waren daher die Kosten des Rechtsstreits entsprechend im Verhältnis zu teilen, wobei die Teilung unter Berücksichtigung unterschiedlich hoher Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühren erfolgt ist.
94Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.
95Streitwert: 50.000,00 DM = 25.564,59 €
96(bis 19.02.2002: 50.000,00 DM = 25.564,59 €
97ab 20.02.2002: 25.000,00 DM = 12.782,30 €.