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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,-
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DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1997 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.09.1997 noch entsteht, soweit diese Schadensersatzansprüche nicht auf einen Versicherungsträger übergegangen sind.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages.
Sicherheit kann auch durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen großen Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse geleistet werden.
Tatbestand
2Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld wegen Verletzungen, die sie bei einem Verkehrsunfall erlitten hat, der sich am 20.09.1997 auf der Reuschenberger T2 in Neuss-Holzheim in Höhe der Einmündung W-T2 auf dem vor dem dortigen Kiosk befindlichen H2 ereignet hat. An diesem Unfall waren beteiligt die zum Unfallzeitpunkt 6 jährige Klägerin als Fahrradfahrerin
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4und die Beklagte zu 1. als Fahrerin ihres PKW VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen NE-S 1111, der zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2. versichert war.
5Zur Unfallzeit befuhr die Klägerin mit ihrem Fahrrad den Bürgersteig der Reuschenberger T2 in Fahrtrichtung Reuschenberg. Die Klägerin war mit einer Gruppe von 4 weiteren minderjährigen Kindern, die auf dem Bürgersteig mit Inline-Skates fuhren, unterwegs. Hierbei handelte es sich um die Zeugen T, Tim und Nina Seiler sowie Florian Schneider. Die Beklagte zu 1 befuhr zunächst die Fahrbahn der Reuschenberger Staße in Fahrtrichtung Reuschenberg und beabsichtigte, auf dem linken Teil des H-Weg zu parken, was an dieser Stelle gestattet ist. In Höhe des Kiosk stürzte die Klägerin mit ihrem Fahrrad nach links, wobei sie sich mit ihrer linken Hand auf dem H2 abzustützen versuchte. Dabei wurde die linke Hand der Klägerin von dem rechten Vorderrad des nunmehr auf dem Bürgersteig befindlichen PKW VW der Beklagten zu 1. eingeklemmt. Erst als die Beklagte zu 1. ihr Fahrzeug zurücksetzte, wurde die Hand der Klägerin wieder frei.
6Die Klägerin erlitt durch den Unfall eine subtotale Amputation des Endgliedes des linken Zeigefingers. Sie befand sich drei Tage in stationärer Behandlung in der Unfallklinik Duisburg-Buchholz und wurde dort weiter bis zum 13.01.1998 ambulant behandelt
7Mit Schreiben vom 23.12.1997 lehnte die Beklagte zu 2. die Zahlung eines Schmerzensgeldes ab.
8Die Klägerin behauptet,
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10die Beklagte zu 1 sei auf dem Bürgersteig mit 10 km/h gefahren. Die Klägerin habe sich, als sie den hinter ihr fahrenden PKW bemerkt habe, umgedreht und sei dann wegen dieses Umdrehens oder durch den Schreck, plötzlich hinter sich einen PKW auftauchen zu sehen, gestürzt. Erst daraufhin habe die Beklagte zu 1. abgebremst, jedoch mit dem rechten Vorderrad des PKW Golf den linken Zeigefinger der Klägerin überrollt und eingeklemmt.
11Zu den Verletzungsfolgen behauptet die Klägerin, dass eine permanent fortschreitende Verplumpung des linken Zeigefingers eingetreten sei, die erst nach Abschluss des Alterswachstums ggf. operativ beseitigt werden könne. Die Klägerin leide noch heute psychisch unter dem Unfallereignis. Sie weine häufig im Schlaf. Sie sei Hänseleien von Spielgefährten und Mitschülern ausgesetzt. Sie schäme sich ihres Fingers und verstecke häufig ihre linke Hand.
12Die Klägerin beantragt,
131. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein in der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit dem 23.12.1997 zu zahlen,
142. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.09.1997 noch entsteht, soweit diese Schadensersatzansprüche nicht auf einen Versicherungsträger übergegangen sind.
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16Die Beklatgen beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagten behaupten,
19die Beklagte zu 1. habe die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs auf 10 km/h reduziert, als sie Kinder im Bereich des Kiosks gesehen habe. Sie sei dann mit Schrittgeschwindigkeit auf den H2 aufgefahren, um dort zu parken. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin mit ihrem Fahrrad rechtsseitig neben dem PKW VW der Beklagten zu 1. in einem Abstand von ca. 2m befunden. Als das Beklagtenfahrzeug schon fast zum Stillstand gekommen sei, sei die Klägerin plötzlich und unvorhersehbar gestürzt und dabei mit ihrer linken Hand unter den vorderen rechten Reifen des Beklagtenfahrzeugs geraten.
20Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen,durch Einholung eines unfallanalytischen
21Sachverständigengutachtens sowie durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß den Beweisbeschlüssen vom 15.03.1999, 15.07.1999 und vom 12.07.2000.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.04.1999 (Bl. 61 GA) sowie auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Villis vom 28.04.2000 ( Bl. 114 GA) und des Sachverständigen Dr. K vom 18.01.2001 (Bl. 180 GA) verwiesen.
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23Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24Entscheidunqsqründe
25I.
26Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig und begründet.
27Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,-- DM aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, 3 Nr. 1, 2 PflVG, denn sie ist durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 1., das auch der Beklagten zu 2. zuzurechnen ist, an Körper und Gesundheit geschädigt worden.
28Der Beklagten zu 1. ist ein Verstoß entweder gegen § 3 Abs. 1 StVO oder gegen § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen. Da sich auf dem Bürgersteig in unmittelbarer Nähe des Beklagtenfahrzeugs die Klägerin sowie weitere Kinder befanden, hätte die Beklagte zu 1. den Bürgersteig mit Schrittgeschwindigkeit (max. 5km/h) befahren, bereits im Vorfeld Bremsbereitschaft einnehmen und einen Teilbremsdruck aufbauen sowie eine Vollbremsung einleiten müssen, als sich der Sturz der Klägerin abgezeichnet hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin entgegen dieser von ihr verlangten Fahrweise entweder zu schnell gefahren ist oder nicht rechtzeitig reagiert hat. Dieses Ergebnis stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen Villis, denen das Gericht
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30folgt. Zwar konnte der Sachverständige mangels hinreichender objektiver Anknüpfungspunkte den Unfallhergang nicht rekonstruieren. Die von dem Sachverständigen durchgeführte Plausibilitätsbetrachtung hat jedoch zu dem Ergebnis geführt, dass die Beklagte bei Einhalten der oben beschriebenen Fahrweise es hätte vermeiden können, dass der linke Zeigefinger der Klägerin überrollt und eingeklemmt wurde. Der Umstand, dass der Finger der Klägerin überrollt worden ist, führt zu dem Rückschluss, dass die Beklagte zu 1. die gebotene äußerste Vorsicht nicht angewendet hat.
31Ein Mitverschulden der Klägerin kommt wegen ihres Alters zum Unfallzeitpunkt nicht in Betracht.
32Das der Klägerin in Höhe von 12.000,- DM zugesprochene Schmerzensgeld ist angemessen, aber auch ausreichend (§ 847 BGB).
33Das Schmerzensgeld hat rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich soll es auch dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten H schuldet. Allerdings steht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nach Verkehrsunfällen der Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes sind alle in Betracht kommenden Umstände des Falles, insbesondere Umfang, Heftigkeit und Dauer der unfallbedingten Schmerzen, Verletzungen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.
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35Die zur Unfallzeit 6 Jahre alte Klägerin erlitt eine subtotale Amputation des Zeigefingerendgliedes links. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes vom 20.09.-22.09.1997 konnte durch operative Maßnahmen der Erhalt erreicht werden. Die ambulante Nachsorge erfolgte bis zum 13.01.1998. Aufgrund des gerichtlich eingeholten, widerspruchsfreien und überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. K steht nunmehr ferner zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich noch heute Unfallfolgen bei der Klägerin finden und mit dem Eintritt weiter Folgen auch zukünftig zu rechnen ist. Der Sachverständige hat dazu festgestellt, dass sich bei der Klägerin heute als Unfallfolgen eine deutliche Verkürzung und Verplumpung des Zeigefingerendgliedes, eine Nagelwachstumsstörung, Narbenbildung, eine Kälte- und Stoßempfindlichkeit sowie deutliche Veränderungen mit Verschleißzeichen im Bereich des Endgelenks finden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist bei weiterem Wachstum mit einer noch stärkeren relativen Verkürzung des Zeigefingers zu rechnen. Ferner ist die Notwendigkeit korrigierender operativer Eingriffe nach Abschluß des Wachstum nicht auszuschließen.
36Im Hinblick auf die Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Gericht nach Anhörung der Klägerin im Termin vom 13.07.2001 auch berücksichtigt, dass der Unfall und seine Folgen für die Klägerin eine jedenfalls in der ersten Zeit nach dem Unfall nicht unerhebliche psychische Belastung dargestellt haben. Aus der Anhörung der Klägerin hat das Gericht jedoch den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin den Unfall und seine Folgen heute recht gut verarbeitet hat, wobei das Gericht die besondere Situation einer Anhörung vor Gericht nicht verkennt.
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38Schmerzensgelderhöhend hat sich schließlich ausgewirkt, dass die Beklagten seit nunmehr fast 4 Jahren an die Klägerin kein Schmerzensgeld bezahlt haben.
39II.
40Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Das Gericht legt den Antrag dahingehend aus, dass er sich sowohl auf weitere materielle als auch auf immaterielle Schäden bezieht. Das notwendige Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ergibt sich aus dem Umstand, dass sich bei der Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen unfallbedingte Dauerschäden realisieren, eine negative Weiterentwicklung (weitere relative Verkürzung des Fingers) zu erwarten ist und die Notwendigkeit weiterer operativer Maßnahmen nicht auszuschließen ist. Der Antrag ist aus den Gründen zu I. auch begründet.
41III.
42Der Zinsanspruch der Klägerin ist unter dem Gesichtspunkt des
43Verzugs aus §§ 284, 286, 288 a.F. BGB gerechtfertigt.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
45Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
46Streitwert: Antrag zu 1: 12.000,-- DM Antrag zu 2: 2000,-- DM.