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Der Antragsgegner wird verpflichtet,
1. an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt in Höhe von 3.098,77 Euro für die Zeit von April bis Juni 2019 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 00.00.0000 zu zahlen;
2. ab dem 1. Juli 2019 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.148,64 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
3. ab dem 1. Januar 2020 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 993,95 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
4. ab dem 1. November 2020 bis letztmalig zum 1. April 2024 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.272,02 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
45 F 192/19 |
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Amtsgericht J. Familiengericht Beschluss |
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In der Familiensache
3hat das Amtsgericht J.im schriftlichen Verfahren
4am 0.0.0000
5durch die Richterin am Amtsgericht C.
6beschlossen:
7Der Antragsgegner wird verpflichtet,
81. an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt in Höhe von 3.098,77 Euro für die Zeit von April bis Juni 2019 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 00.00.0000 zu zahlen;
92. ab dem 1. Juli 2019 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.148,64 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
103. ab dem 1. Januar 2020 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 993,95 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
114. ab dem 1. November 2020 bis letztmalig zum 1. April 2024 an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.272,02 Euro zum jeweils Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen;
12Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
13Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
14Gründe:
15I.
16Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und streiten um Ehegattenunterhalt.
17Sie hatten am 00.0.0000 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder V., geb. 0.00.0000 und A., geb. 00.0.0000 hervorgegangen.
18Mit Beschluss des Amtsgerichts F. vom 0.0.0000 ist die Ehe geschieden worden. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts F. vom 0.0.0000 wurde der Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt für V. und A. von je 110 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt wurde von Oktober 2017 bis Mai 2018 zuerkannt, darüber hinausgehend jedoch zurückgewiesen, da sich insbesondere wegen des Wohnvorteils in der Immobilie R.-straße in E., die im Alleineigentum des Antragsgegners steht, kein Trennungsunterhaltsanspruch ergab.
19Im Dezember 2018 verließ die Antragstellerin die Immobilie zusammen mit den Kindern und errechnete unter Zugrundelegung der im Verfahren vor dem Amtsgericht F. ermittelten Einkommen der Beteiligten einen monatlichen Trennungsunterhalt von 270,00 Euro, den der Antragsgegner außergerichtlich akzeptierte und ab Januar 2019 bis einschließlich März 2019 zahlte. Danach folgten keine Zahlungen des Antragsgegners mehr.
20Nachdem der Scheidungsbeschluss des Amtsgerichts J. am 0.0.0000 rechtskräftig wurde, forderte die Antragstellerin den Antragsgegner mit Schreiben vom 00.0.0000 zur Zahlung von Nachscheidungsunterhalt und insoweit zunächst zur Erteilung von Auskunft über sein Einkommen in den Jahren 2017 und 2018 auf. Für den Monat April 2019 errechnete die Antragstellerin sodann einen Unterhalt in Höhe von 633,74 Euro und ab Mai 2019 aufgrund der Vermietung der Immobilie R.-straße in E. einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.272,02 Euro.
21Rückstände für Mai bis Juni 2019 in Höhe von insgesamt 3.177,78 Euro macht die Antragstellerin mit dem Antrag zu 1) geltend. Mit dem Antrag zu 2) verlangt sie 1.272,02 Euro monatlichen Nachscheidungsunterhalt ab Juli 2019.
22Die Beteiligten streiten zudem um einen Betrag von Höhe von 38.880,98 Euro bezüglich dessen ein Herausgabeverfahren vor dem Amtsgericht F. anhängig war. Dem zugrunde lag die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Antragstellerin diesen Betrag, der sich zum Zeitpunkt der Trennung auf ihrem Konto befand, beanspruchen durfte. Auch hatte der Antragsgegner aus diesem Grund ein Strafverfahren gegen die Antragstellerin einleiten lassen, das im November 2019 nach § 170 II StPO eingestellt worden ist. Das Geld stammte aus dem Erbe des Antragsgegners nach seiner Großtante, die die Antragstellerin indes jahrelang gepflegt hatte. Der Herausgabeantrag des hiesigen Antragsgegners wurde schließlich vor dem OLG U. (Az. II-5 UF 117/20) rechtskräftig zurückgewiesen.
23Die Antragstellerin hat nach dem Schulabschluss bei der Firma H. gearbeitet und diese Tätigkeit nach der Geburt der Kinder eingestellt. Danach ist sie keiner Arbeitstätigkeit mehr nachgegangen. Derzeit ist sie nicht vollschichtig tätig, sondern als Betreuerin zu einem Stundenlohn von 10,87 Euro. Bei einer entsprechenden vollschichtigen Tätigkeit ergibt dies unstreitig ein Nettoeinkommen von monatlich 1.341,43 Euro.
24Der Antragsgegner ist Malermeister und mit einem eigenen Betrieb selbständig. Die Immobilie R.-straße in E. hat er zu einem Kaltmietzins von 1.350,00 Euro monatlich vermietet, wobei diese Mieteinnahmen nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten zumindest mit 40 % zu versteuern sind. Seit November 2020 bewohnt der die Immobilie D.-straße in E., die ebenfalls in seinem Alleineigentum steht.
25Die Antragstellerin behauptet, sie habe ehebedingte Nachteile erlitten, da sie ohne die Ehe bei einer durchgängigen Beschäftigung bei der Firma H. nun ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000,00 Euro erzielen würde. Sie behauptet zudem, ab November 2020 müsse sich der Antragsgegner einen Wohnvorteil von 2.000,00 Euro anrechnen lassen.
26Die Antragstellerin beantragt,
27den Antragsgegner zu verpflichten,
281. an sie einen rückständigen Nachscheidungsunterhalt für den
29Zeitraum April bis Juni 2019 in Höhe von 3.177,78 Euro zzgl. 5 %
30Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
312. an sie ab Juli 2019, jeweils zum 1. eines jeden Monats einen
32Nachscheidungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.272,02 Euro zu
33zahlen.
34Der Antragsgegner beantragt,
35die Anträge zurückzuweisen.
36Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Antragstellerin könne bei einer vollschichtigen Tätigkeit ein Einkommen von monatlich 2.000,00 bis 2.200,00 Euro erwirtschaften. Dies habe sie sich zurechnen zu lassen. Die Mieteinnahmen aus der Immobilie R.-straße seien auf Seiten des Antragsgegners nicht zu berücksichtigten, da er die Immobilie auch zu unterhalten habe.
37Soweit der Antragsgegner zunächst vorgetragen hat, die Antragstellerin habe einen Unterhaltsanspruch verwirkt, da sie die knapp 40.000,00 Euro einfach unberechtigt vom Konto des Antragsgegners abgebucht hätte, so hat er diesen Vortrag nach dem für ihn ungünstigen Ausgang des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht U. sowie des Strafverfahrens gegen die Antragstellerin nicht mehr aufrecht erhalten. Jedenfalls aber habe sich die Antragstellerin dieses Vermögen anrechnen zu lassen, so dass ihr Unterhaltsanspruch - soweit vorhanden - entsprechend zu kürzen sei. Ohnehin sei eine zeitliche Begrenzung auf 1/4 der Ehezeit vorzunehmen, damit bei 18 Jahren Ehe auf 4 Jahre 5 Monate.
38Das Gericht hat Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung eines Zeugen auf Antrag der Antragstellerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage der Firma Q. vom 00.0.0000 (Bl. 388 GA) verwiesen.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
40II.
41Die Anträge sind überwiegend begründet.
42Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Ehegattenunterhalts in Höhe von 3.098,77 Euro für die Zeit von April bis Juni 2019 und laufenden Ehegattenunterhalts im tenorierten Umfang aus §§ 1573 ff. BGB zu.
43Ab 2019 ist für die Frage des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Antragsgegners von seinen Einkünften in den Jahren 2016, 2017 und 2018 auszugehen. Diese belaufen sich unstreitig als Gesamtdreijahreseinkommen auf 178.909,45 Euro, damit durchschnittlich monatlich netto auf 4.969,71 Euro. Diesem Betrag sind ab Mai 2019 monatliche Nettomieteinnahmen von 810,00 Euro (60 % von 1.350,00) hinzuzurechnen. Mehr als 40 % für Steuern sind von der erwirtschafteten Miete nicht in Abzug zu bringen. Insbesondere kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf berufen, er müsse das Haus schließlich noch unterhalten. Insoweit hätte er explizit und unter Vorlage entsprechender Belege dartun müssen, welche Kosten hierfür im betreffenden Zeitraum genau angefallen sind. Hieran fehlt es jedoch.
44Abzuziehen sind monatlich 771,33 Euro Krankenversicherung und die Unterhalts- und Mehrbedarfsbeträge für V. von 487,00 Euro und für A. von 567,00 Euro. Damit ergeben sich monatlich durchschnittlich 3.954,38 Euro, abzüglich des Anreizsiebtels von 564,91 Euro mithin 3.389,47 Euro.
45Bei der Antragstellerin sind die fiktiven 1.341,43 Euro abzüglich 5 % pauschaler berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 67,07 Euro somit 1.274,23 Euro zu berücksichtigen abzüglich des Anreizsiebtels von 182,03 Euro, mithin also 1.092,20 Euro.
46Ein höheres Einkommen ist bei der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zugrunde zu legen; insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin ein Einkommen von 2.000,00-2.500,00 Euro erwirtschaften könnte:
47Bereits vor der Eheschließung hat die Antragstellerin keine Ausbildung absolviert, sondern bei der Firma H. als Hilfsarbeiterin im Labor begonnen und später - ungelernt - in der Versandabteilung gearbeitet. Dies hat die Antragstellerin substantiiert vorgetragen. Das Bestreiten des Antragsgegners mit Nichtwissen dürfte im Übrigen angesichts der Tatsache, dass die Beteiligten über 18 Jahre lang eine Ehe miteinander geführt haben, unzulässig sein.
48Die von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen, aus denen sich aufgrund diverser Entgeltgruppen ein solcher Nettomonatslohn ergeben soll, betreffen gerade gelernte Facharbeiter und Laboranten. Um eine solche handelt es sich bei der Antragstellerin gerade nicht. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass die Antragstellerin als Ungelernte auf dem heutigen Arbeitsmarkt nach 20 Jahren als Hausfrau mehr als die von ihr angegebenen 1.341,43 Euro netto verdienen könnte.
49Entsprechend ist das Gesamteinkommen der Eheleute mit 4.481,67 Euro zu beziffern, hälftig demnach 2.240,84 Euro. Abzüglich des eigenen Einkommens von 1.092,20 Euro ergibt sich daraus ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von monatlich 1.148,64 Euro für die Zeit von Mai bis Dezember 2019.
50Lediglich für April 2019 sind die Zahlen ohne die Mieteinnahmen von 810,00 Euro zugrunde zu lagen , woraus sich für April 2019 folgende Rechnung darstellt: 3.144,38 Euro abzüglich Anreizsiebtel 449,20 Euro + 1.092,20 Euro = 3.787,38 Euro. Die Hälfte davon sind 1.893,69 Euro abzüglich 1.092,20 Euro ergibt 801,49 Euro als Unterhaltsanspruch für April 2019.
51Demzufolge besteht ein Rückstand für die Monate April, Mai und Juni 2019 in Höhe von insgesamt 3.098,77 Euro.
52Ab Januar 2020 ist mit den Zahlen für die Jahre 2017, 2018 und 2019 zu rechnen. Aus denen ergibt sich ein Gesamtdreijahreseinkommen von 165.915,77 Euro, damit durchschnittlich monatlich 4.608,77 Euro netto. Zuzüglich der Mieteinnahmen und der oben genannten Abzüge ergeben sich dann monatlich durchschnittlich 3.593,44 Euro, abzüglich des Anreizsiebtels von 513,35 Euro mithin 3.080,10 Euro.
53Entsprechend ist das Gesamteinkommen der Eheleute mit 4.172,30 Euro zu beziffern, hälftig demnach 2.086,15 Euro. Abzüglich des eigenen Einkommens von 1.092,20 Euro ergibt sich daraus ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von monatlich 993,95 Euro für die Zeit von Januar bis Oktober 2020.
54Ab November 2020 ist zusätzlich beim Antragsgegner ein Wohnvorteil zu berücksichtigen, da er die Immobilie D.-straße geerbt hat und dort selbst wohnt. Die Wohnfläche beträgt nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners 120 qm. Nach gerichtlicher Schätzung dürfte hierfür ein Wohnwert von 957,60 Euro angemessen sein: Ausgehend vom Mietspiegel für E. im Jahr 2021 war die durchschnittlich anzusetzende Nettokaltmiete von 7,98 Euro/qm zugrunde zu legen, da belastbare Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung nicht vorgetragen worden sind. Auch für eine niedrigere Bewertung bestand indes kein Anlass; der Antragsgegner hat nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass das Gebäude unterdurchschnittlich gelegen und/oder ausgestattet ist.
55Hieraus folgt ab November 2020 ein durchschnittliches Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 4.551,04 Euro abzüglich des Anreizsiebtels von 650,15 Euro damit 3.900,89 Euro. Entsprechend ist das Gesamteinkommen der Eheleute mit 4.993,09 Euro zu beziffern, hälftig demnach 2.496,55 Euro. Abzüglich des eigenen Einkommens von 1.092,20 Euro ergibt sich daraus ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von monatlich grundsätzlich 1.404,35 Euro für die Zeit ab November 2020. Dieser ist jedoch der Höhe nach begrenzt durch den Antrag der Antragstellerin, der sich auf 1.272,02 Euro monatlich beläuft.
56Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist dieser Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auch nicht verwirkt nach § 1579 Nr. 3, 5 oder 7 BGB. Es lässt sich weder feststellen, dass die Antragstellerin ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen gegen den Antragsgegner begangen, noch dass sie sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Antragsgegners mutwillig hinweggesetzt hat oder ihr ein offensichtliches, schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen ist.
57Letztlich ist fraglich, welche Umstände genau dazu geführt haben, dass die knapp 40.000,00 Euro aus dem Nachlass der Tante des Antragsgegners auf das Konto der Antragstellerin gelangt sind. Das Vorliegen einer Straftat oder einer ähnlich schwerwiegenden offensichtlichen Verfehlung lässt sich jedoch nicht feststellen.
58Der Antragsgegner ist mit seinem das Geld betreffenden Herausgabeantrag vor dem Amtsgericht F. und dem Oberlandesgericht U. gescheitert. Auch das Strafverfahren gegen die Antragstellerin ist eingestellt worden.
59In Anbetracht dessen kann auch im vorliegenden Verfahren nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin eine Straftat begangen oder sich durch diese Geldverschiebung eines offensichtlichen schweren Fehlverhaltens schuldig gemacht hat.
60Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist jedoch aus Billigkeitsgründen nach § 1578 b BGB zeitlich zu begrenzen. Hier ist von einer Ehedauer vom 00.0.0000 bis zum 00.0.0000 (Zustellung des Scheidungsantrags) und damit von 18 Jahren auszugehen.
61Eine Befristung des Anspruchs nach § 1578 b Abs. 1, Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener zeitlich unbegrenzt gewährter Unterhalt unbillig wäre. Bei der Billigkeitsabwägung ist gemäß § 1578 b Abs. 2, Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 S. 3 BGB). Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne sind etwa anzunehmen, wenn wegen der Ehe eine berufliche Ausbildung nicht fortgeführt worden ist und der Wiedereinstieg in den vor der Ehe ausgeübten Beruf ausgeschlossen oder erschwert ist. Das Vorliegen ehebedingter Nachteile ist dabei anhand eines Vergleichs des tatsächlich erzielten mit dem fiktiv bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit möglichen Einkommens zu beurteilen. Lassen sich ehebedingte Nachteile feststellen, so schränkt dies die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des Unterhalts regelmäßig ein, ohne sie aber generell auszuschließen . Vielmehr gilt, dass nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung in Betracht kommt, je geringer die ehebedingten Nachteile sind.
62Der Antragsgegner hat die Darlegungs– und Beweislast, dass ehebedingte Nachteile auf Seiten der Antragstellerin nicht mehr bestehen oder fortwirken. Diese Voraussetzungen sind nicht hinreichend dargelegt.
63Die Antragsstellerin trifft hier ein sekundäre Darlegungslast. Ihre Behauptung, ohne die Eheschließung würde sie bei der Firma H., bei der sie wegen der Ehe und der Kinder aufgehört hat, mittlerweile ein Nettoeinkommen von monatlich mindestens 3.000,00 Euro erwirtschaften, hat sich nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts bestätigt.
64Eine Mitarbeiterin der Firma H. hat auf die dementsprechende schriftliche Frage nicht bestätigen können, dass bei einer ununterbrochenen Vollzeitbeschäftigung der Antragstellerin seit 2003 ein solches Nettoeinkommen zu erzielen wäre. Höchstens seien bei besten Voraussetzungen - höchste Stufe in der höchsten Entgeltgruppe - 4.074,00 Euro brutto monatlich anzunehmen.
65Hieraus ergibt sich ein monatliches Nettogehalt von höchstens 2.500,00 Euro und dies auch nur bei einem unterstellten optimalen Karriereverlauf, den die Antragstellerin indes nicht substantiiert vorgetragen hat.
66Die pauschale - und von der Firma H. auch nicht bestätigte - Behauptung der Antragstellerin genügt damit schon nicht den Anforderungen, die an die die Antragstellerin treffende sekundäre Darlegungslast zu stellen sind. Sie hätte explizit vortragen müssen, wie ihr Erwerbsleben ohne die Ehe und die darin gelebte Rollenverteilung verlaufen wäre, beispielsweise, dass sie ohne die Ehe eine Berufsausbildung absolviert hätte und deswegen nun deutlich bessere Erwerbsmöglichkeiten hätte. Daran fehlt es vorliegend. Tatsächlich übt die Antragstellerin nun nach der Ehe eine ungelernte Tätigkeit aus, ebenso ist es jedoch schon vor der Ehe gewesen. Ein fortwirkender, gravierender ehebedingter Nachteil kann darin nicht erkannt werden.
67Allerdings muss auch die lange Ehedauer in die Gesamtabwägung einfließen.
68Bei der Billigkeitsabwägung kommt auch dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität eine nicht unerhebliche Bedeutung zu (vgl. BGH NJW 2009, 2450)
69Eine Befristung auf ein Drittel der Ehezeit und damit auf sechs Jahre erscheint unter Abwägung aller Umstände angemessen.
70Die Zeit der Zahlung des Trennungsunterhalts ab Oktober 2017 bis Mai 2018 sowie von Januar bis März 2019 und damit für elf Monate hat sich die Antragstellerin dabei anrechnen zu lassen, so dass sich ein Unterhaltsanspruch für weitere 5 Jahre und 1 Monat ab April 2019, also bis einschließlich April 2024 ergibt.
71Diesem Anspruch steht entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht § 1577 BGB entgegen mit der Folge, dass die Antragstellerin die erlangten knapp 40.000,00 Euro zur Sicherung ihres Unterhalts einsetzen müsste. Ob die Klägerin ihren Unterhaltsbedarf - ganz oder teilweise - unter Einsatz dieses Geldes zu decken gehalten ist, bestimmt sich nach § 1577 Abs. 1 und 3 BGB.
72Nach § 1577 Abs. 1 BGB kann ein geschiedener Ehegatte Unterhalt u.a. nach § 1570 BGB nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann. Daraus ergibt sich grundsätzlich seine Obliegenheit, vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich anzulegen, weil auch solche Einkünfte die Bedürftigkeit mindern, die zwar tatsächlich nicht gezogen werden, aber in zumutbarer Weise gezogen werden könnten (vgl. BGH, FamRZ 1986, 560, 561). Die Annahme einer solchen Obliegenheit setzt allerdings jeweils eine Zumutbarkeitsprüfung voraus, bei der die Belange des Unterhaltsberechtigten und des -verpflichteten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angemessen gegeneinander abzuwägen sind. Nach diesen Grundsätzen kommt eine Obliegenheit der Antragstellerin, das Geld zur Sicherung ihres Unterhalts einzusetzen, nicht in Betracht. Unstreitig handelt es sich bei dem Geld - nach Angaben der Antragstellerin im Übrigen bereits zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt und verbraucht - um das einzige Vermögen der Antragstellerin, die im Gegensatz zum Antragsgegner auch kein Immobilieneigentum hat. Der Betrag ist unverhältnismäßig geringer als das Vermögen, dass der Antragsgegner besitzt und kann angesichts der geringen Verdienstmöglichkeiten der Antragstellerin nur als Notgroschen eingestuft werden. Dieser Notgroschen ist der Antragstellerin zu belassen.
73Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.
75Der Verfahrenswert wird gemäß § 51 FamGKG wie folgt festgesetzt:
76Antrag zu 1): 3.177,78 Euro
77Im Übrigen: 15.264,24 Euro
78Rechtsbehelfsbelehrung:
79Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - J., I.-straße J. schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
80Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - J. eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
81Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
82Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht U., O.-straße U. - eingegangen sein.
83Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.
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